Mal wieder Verfahrensrüge: Begründung/Beruhen beim letzten Wort

Ich hatte bereits mehrfach wegen der vom BGH behandelten Verfahrensrügen auf den BGH, Beschl.v. 12.01.2011 – 1 StR 373/11 hingewiesen (vgl. hier und hier). Ein weiterer Teil des Beschlusses befasst sich mit § 258 Abs. 1 StPO – an sich in der Praxis sonst häufig ein „Selbstläufer“:

„3. Rüge eines Verstoßes gegen § 258 Abs. 1 StPO (RB Ziffer V)

a) Die Rüge, der Wahlverteidigerin sei keine Gelegenheit gegeben worden, einen Schlussvortrag zu halten (§ 258 Abs. 1 StPO), greift nicht durch.

Wie die Revision selbst vorträgt, war die Wahlverteidigerin, Rechtsanwältin R. , an dem Hauptverhandlungstag, für den die Plädoyers der Vertei-digung geplant waren, erkrankt. Damit scheidet ein Verstoß gegen § 258 Abs. 1 StPO aus; denn einem in der Hauptverhandlung nicht anwesenden Verteidiger kann keine Gelegenheit zum Schlussvortrag gegeben werden (vgl. auch BayObLG – Urteil vom 20. März 1981 – RReg. 1 St 13/81, VRS 61, 128; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 258 Rn. 12).

b) Die Verfahrensbeanstandung bleibt auch dann ohne Erfolg, wenn mit ihr zugleich ein Verstoß gegen § 338 Nr. 8 StPO geltend gemacht werden sollte, der darin liegen soll, dass der im Hinblick auf die Erkrankung der Wahlverteidigerin gestellte Antrag der Pflichtverteidigerin auf Unterbrechung der Hauptverhandlung durch Gerichtsbeschluss zurückgewiesen wurde.

aa) Die Rüge wäre mit dieser Angriffsrichtung bereits unzulässig, weil sie dann den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht entspräche.

Es fehlen jegliche Angaben zu Art, Umfang und tatsächlicher Dauer der Erkrankung der Wahlverteidigerin sowie dazu, ob innerhalb der Unterbrechungsfrist des § 229 Abs. 1 StPO eine Fortsetzung der Hauptverhandlung noch möglich gewesen wäre. Auch wird nicht mitgeteilt, aus welchem Grund der weitere Wahlverteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Dr. E. , nicht an der Stelle der erkrankten Wahlverteidigerin R. an der Hauptverhandlung hätte teilnehmen und einen Schlussvortrag halten können.

bb) Die Rüge wäre jedenfalls unbegründet, denn der Beschluss der Strafkammer, die Hauptverhandlung trotz der Erkrankung der Wahlverteidigerin nicht zu unterbrechen, hält rechtlicher Nachprüfung stand. Ein Zuwarten mit dem Abschluss der Hauptverhandlung, bis eine Sitzung mit der Wahlverteidigerin hätte durchgeführt werden können, war nicht geboten.

Der Angeklagte war durch die anwesende Pflichtverteidigerin, die auch einen Schlussvortrag gehalten hat, ordnungsgemäß verteidigt. Die Pflichtverteidigerin hatte, von wenigen Ausnahmen abgesehen, den Angeklagten an sämtlichen Hauptverhandlungstagen verteidigt, was für die Wahlverteidigerin gerade nicht zutrifft, denn sie war bereits vorher an mehr als der Hälfte der Hauptverhandlungstage nicht anwesend gewesen. Entgegen der Auffassung der Revision lässt sich weder aus der Länge des von der Pflichtverteidigerin gehaltenen Schlussvortrags noch aus dem von ihr gestellten Unterbrechungsantrag schließen, die Pflichtverteidigerin sei zu einem ordnungsgemäßen Schlussvortrag nicht in der Lage gewesen. Auch werden keine Gründe vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich, die einer Wahrnehmung dieses Sitzungstages und einem Schlussvortrag durch den weiteren Wahlverteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Dr. E. , entgegengestanden hätten. Dieser Verteidiger genoss, wie dem Revisionsvortrag zu entnehmen ist, ebenfalls das umfassende Vertrauen des Angeklagten.

Auch sonst lässt die vom Landgericht vorgenommene Abwägung zwi-schen dem Interesse des Angeklagten an einem Zuwarten und dem Beschleunigungsgrundsatz (vgl. Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) bei der Ablehnung einer  Unterbrechung der Hauptverhandlung bis zur Genesung der Wahlverteidigerin Rechtsfehler nicht erkennen. Das Landgericht weist in dem Ablehnungsbeschluss ausdrücklich darauf hin, dass es bereits die Unterbrechung bis zu dem Tag, an dem die Wahlverteidigerin wegen einer Erkrankung nicht teilnehmen konnte, mit Rücksicht auf deren Verhinderung am vorherigen Verhandlungstag vorgenommen hatte. Ein weiteres Zuwarten war dem Landgericht angesichts der ordnungsgemäßen Verteidigung durch die Pflichtverteidigerin auch schon deshalb nicht zumutbar, weil nicht absehbar war, wann ein neuer Hauptverhandlungstag mit der Wahlverteidigerin durchführbar sein würde (vgl. auch BGH, Beschluss vom 9. November 2006 – 1 StR 474/06, wistra 2007, 228).“

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