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Was denn nun? Verständigung ja oder nein – Widerspruch im Protokoll?

Aufgrund der die Protollfragen in Zusammenhang mit einer Verständigung regelnden neuen Vorschrift des § 273 Abs. 1a StPO muss sich aus dem Protokoll der Hauptverhandlung ergeben, dass entweder eines Verständigung zustandegekommen ist (Abs. 1a Satz 1 und 2) oder, dass eine Verständigung nicht getroffen worden ist (sog. Negativattest in Abs. 1a S. 3). Sagt das Protokoll weder das eine noch das andere, ist es widersprüchlich und lückenhaft und verliert insoweit seine Beweiskraft. Diese zu erwartende Entscheidung kommt heute vom BGH in dem Beschl. v. 29.09.2010 – 2 StR 371/10, der, was die Bedeutung unterstreicht, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen ist.

In der Sache ging es (mal wieder) um einen Rechtsmittelverzicht, dessen Unwirksamkeit geltend gemacht worden ist. Wir befinden uns, wenn das Protokoll keine ausreichende Beweiskraft hat, im Freibeweisverfahren mit der Folge, dass – so auch der BGH – der Angeklagte, der sich auf die Unwirksamkeit eines von ihm erklärten Rechtsmittelverzichts wegen einer vorausgegangenen Verständigung beruft, wenn das Protokoll dazu schweigt, um dem Revisionsgericht eine Überprüfung im Freibeweisverfahren zu ermöglichen, im einzelnen darlegen muss, in welchem Verfahrensstadium, in welcher Form und mit welchem Inhalt die von ihm behauptete Verständigung zustande gekommen ist.

BGH: Nochmals Absprache/Verständigung – Was nicht im Protokoll ist, ist nicht in der Welt

Ich hatte ja im Blogbeitrag vom 03.05.2010 bereits auf eine Entscheidung des BGH im Zusammenhang mit der Absprache/Verständigung hingewiesen. In der Entscheidung spielte das Protokoll der HV eine Rolle.

Welche große Bedeutung dem Protokoll der Hauptverhandlung im Zusammenhang mit der Absprache zukommt, ergibt sich auch aus einem weiteren Beschluss des BGH (Beschl. v. 31.03.2010 – 2 StR 31/10). Dort hatte der Verteidiger behauptet, dass ein vom Angeklagten erklärter Rechtsmittelverzicht wegen der Neuregelung in § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO unwirksam sei. Der BGH weist darauf hin, dass hinsichtlich der Behauptung des Verteidigers, dem Urteil liege eine Verständigung zu Grunde, durch die Sitzungsniederschrift das Gegenteil bewiesen sei. Der nach § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO zwingend vorgeschriebene Vermerk, dass eine Verständigung nach § 257c StPO nicht stattgefunden hat, gehöre zu den wesentlichen Förmlichkeiten im Sinne des § 274 Satz 1 StPO (zur revisionsrechtlichen Bedeutung des „Negativattests“ gem. § 273 Abs. 1a Satz 3 StPO siehe BT-Drs. 16/11736; S. 13). Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls sei nur der Nachweis der Fälschung zulässig (§ 274 Satz 2 StPO).

Es ist also darauf zu achten, dass alle mit der Verständigung, insbesondere deren Zustandekommen, in das Protokoll der Hauptverhandlung aufgenommen werden. Was nicht im Protokoll ist, ist nicht in der Welt.

BGH: Säge mir doch nicht den Ast ab, auf dem ich sitze, oder: Verständigung schließt Rechtsmittel nicht aus

Etwas versteckt am Ende einer Entscheidung, die eine andere, zwar auch interessante Problematik zu § 231c StPO behandelt, findet sich in dem BGH-Beschl. v. 06.08.2009, 3 StR 547/08 ein Hinweis, der für das Verhätnis der neuen Regelungen zur Absprache/Verständigung (§ 257c StPO) zum allgemeinen Rechtsmittelrecht von Bedeutung ist. Der BGH führt aus:

„Die Rüge scheitert zuletzt auch nicht daran, dass der Angeklagte am 42. Hauptverhandlungstag im Anschluss  an eine Höchststrafenzusage der Strafkammer den Tatvorwurf eingeräumt hat. Die Befugnis zur Einlegung eines Rechtsmittels und zur Erhebung von Verfahrensrügen bleibt dem Angeklagten uneingeschränkt erhalten, auch wenn dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist. Dies folgt aus dem Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl I 2353), das – entgegen früheren Überlegungen im Gesetzgebungsverfahren  (vgl. § 337 Abs. 3 StPO-Diskussionsentwurf BMJ, Stand: 22. März 2006; ebenso Gesetzesantrag Niedersachsen BR Drucks. 235/06) – nach einer solchen Verfahrensbeendigung keine Einschränkungen hinsichtlich der Rechtsmittelbefugnis vorsieht .“

Also: Unzulässig ist nach § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO (nur) der Rechtsmittelverzicht in einer Absprache. Darüber hinaus können aber auch gegen ein auf einer Verständigung beruhendes Urteil die allgemeinen Rechtsmittel (Revision oder Berufung) eingelegt werden. Nur: Wer wird das tun? 🙂

Zur Absprache siehe auch den Überblick bei Burhoff, Auch im Verkehrsrecht Gesetzliche Neuregelungen durch Abspracheregelung und 2. OpferRRG haben Auswirkungen und das E-Book Burhoff/Stephan: Gesetzliche Neuregelungen der StPO 2009.