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Bahn oder Pkw? – Der Umweltschutz ist im Gebührenrecht angekommen.

Und dann mal wieder etwas Gebührenrechtliches, zwar nicht aus dem Straf- bzw. OWi-Bereich, sondern eine Entscheidung aus dem Arbeitsrecht, allerdings mit Auswirkungen auch auf die Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit in anderen Rechtsgebieten. Es geht nämlich um die Reisekosten beim beigeordneten Rechtsanwalt oder kurz ausgedrückt um die Frage: Bahn oder Pkw?

Dazu sagt der LAG Niedersachsen, Beschl. v. 17.06.2011 – 17 Ta 520/10:

Die Höhe der zu erstattenden Reisekosten richtet sich nach VV 7003 bis 7006. Nach VV 7003 sind bei Benutzung eines eigenen KfZ für jeden gefahrenen km 0,30 Euro zu erstatten. Die Fahrtkosten eines anderen Verkehrsmittels werden – soweit sie angemessen sind – in voller Höhe erstattet. Zu ersetzen sind dem Rechtsanwalt bei Benutzung anderer Verkehrsmittel gemäß VV 7004 daher die tatsächlichen Aufwendungen, soweit sie angemessen sind. Dabei darf der Anwalt frei wählen, ob er mit der Bahn oder mit seinem eigenen KfZ fährt. Was gem. § 5 Abs.1 JVEG für die Reisekosten einer Partei gilt, muss auch für den Rechtsanwalt gelten. Es ist keine Vergleichsberechnung hinsichtlich der Kosten mit dem eigenen KfZ und der Bahn durchzuführen. Es sind nicht nur die Kosten des billigeren Verkehrsmittels zu erstatten (Gerold/Schmidt, aaO., Rn 21 zu VV 7003, 7004).“

Und zum Umweltschutz:

„Gerade in Zeiten des Klimaschutzes wird man den Bahn fahrenden Anwalt nicht auf die PKW-Benutzung verweisen können.“

Vorläufiges Berufsverbot für den Rechtsanwalt – muss schon zeitnah kommen

Der angeklagte Rechtsanwalt wird mit nicht rechtskräftigem Urteil des Landgerichts im Berufungsverfahren wegen versuchter Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt; gleichzeitig wird gegen den Angeklagten ein Berufsverbot für die Tätigkeit als Rechtsanwalt für die Dauer von drei Jahren verhängt. Mit Beschluss vom selben Tag hat die Berufungskammer gegen den Angeklagten gemäß § 132a StPO dann ein vorläufiges Berufsverbot für die Tätigkeit als Rechtsanwalt verhängt. Dagegen die Beschwerde des Angeklagten, die beim OLG Nürnberg Erfolg hatte.

Zur Sache kann man leider wenig sagen, da insoweit der OLG Beschluss „dünn ist“, da er nur auf die landgerichtliche Entscheidung Bezug nimmt. Aber verfahrensrechtlich ist zumindest ein vom OLG angesprochener Punkt von Interesse. Das OLG führt im OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.07.2011 – 1 Ws 31o/11 aus:

….Allein das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 70 StGB i.V.m. § 132a StPO rechtfertigt ein vorläufiges Berufsverbot jedoch noch nicht. Wegen der überragenden Bedeutung von Art. 12 Abs. 1 GG muss hinzukommen, dass die als Präventivmaßnahme mit Sofortwirkung ausgestaltete Anordnung wegen ihrer erheblichen Intensität und irreparablen Wirkung erforderlich ist, um bereits vor rechtskräftigem Abschluss des Hauptverfahrens konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter abzuwehren, die aus einer Berufsausübung durch den Angeklagten resultieren können (vgl. BVerfG EuGRZ 2006, 197, BVerfGE 48, 292). Daran fehlt es vorliegend, da die Berufungskammer in diesem Zusammenhang alleine auf die im Rahmen des § 70 StGB zu prüfende Wiederholungsgefahr abgestellt und nicht auch geprüft hat, aufgrund welcher konkreten Gefahrenlage ein Zuwarten bis zur Rechtskraft des Urteils nicht verantwortet werden kann.

Zwar wird grundsätzlich auch die konkrete Gefahr erheblicher Rechtsverletzungen durch die Art und Schwere der vorgeworfenen Taten indiziert. Diese Indizwirkung geht jedoch verloren, wenn zwischen dem Begehungszeitpunkt und der vorläufigen Maßnahme nach § 132a StPO ein erheblicher Zeitraum liegt und außerdem feststeht, dass der Beschwerdeführer in dieser Zeitspanne keine weiteren gleichgelagerten oder ähnlichen Straftaten verübt hat bzw. Anhaltspunkte hierfür ersichtlich sind (OLG Brandenburg StV 2001, 106).

Da nach Sachlage jedoch keine Anhaltspunkte bestehen, dass der Beschwerdeführer, außer der ihm gegenständlich für den 15.5.2008 zur Last gelegten Tat, weiterer gleichgelagerter oder ähnlicher Fälle verdächtig ist, und außer der Art und Schwere der vorgeworfenen Tat auch sonst keine Umstände ersichtlich sind, die eine konkrete Gefahr im dargestellten Sinne begründen könnten, war der angefochtene Beschluss aufzuheben.“

Also: Aufhebung wegen langen Zeitablaufs und damit im Grunde Übertragung der Rechtsprechung zur nicht mehr zulässigen vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach langer Zeit (vgl. dazu vor kurzem das KG).

Nochmals: Augsburger Puppenkiste… Schlusspunkt (?) im Verfahren ./. RA Lucas in Augsburg

Lang, lang ist es her, dass wir hier über das Verfahren gegen RA Lucas berichtet haben, das am 01.04.2011 mit einem Freispruch vom Vorwurf der Strafvereitelung geendet hat.

Inzwischen liegt das schriftliche begründete Urteil vor. Wer Lust hat, kann es hier nachlesen. Damit ist dann der Schlusspunkt gesetzt.

Augsburger Puppenkiste – zum (hoffentlich) letzten Mal zum Verfahren ./. RA Lucas in Augsburg – Freispruch rechtskräftig

Die Initiative Bayerischer Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger e.V. informiert gerade über eine Nachricht des Kollegen Wächtler, München, der einer der Verteidiger im Verfahren Lucas war. Danach hat die Staatsanwaltschaft Augsburg darauf verzichtet, gegen das Urteil vom 01.04.2011 Revision einzulegen, so dass der Freispruch des Kollegen Lucas damit rechtskräftig ist.

Nun ja: So mutig 🙂 war die StA dann doch nicht, mit dem Verfahren nun auch noch zum BGH zu ziehen. Obwohl: Mich hätte schon interessiert, wie der 1. Strafsenat des BGH als „Verfahrensauslöser“ damit umgegangen wäre.

Augsburger Puppenkiste – oder doch: Hau den Lucas? – Gedanken zur Urteilsbegründung in Augsburg

Inzwischen ist ja schon einiges zur Begründung des Freispruchs des Kollegen Lucas geschrieben/berichtet worden, wobei sich der „Ärger“ der meisten Kommentatoren auf der Grundlage des Berichts von Spiegel-online an der Art und Weise entzündet, wie der Freispruch begründet worden ist und wie sich der Kammervorsitzende „aufgeführt“ hat. Der Kollege Feltus fragt sich z.B. „Was für Richter gibt es in Augsburg? Zweifelhafte mündliche Urteilsbegründung“. Der Kollege Hoenig sieht Augsburg hinter der Demarkationslinie.

In der Tat: Auch „meinem“ Prozessbeobachter – es handelt sich übrigens um meinen Sozius Dr. David Herrmann, der das Verfahren für die ARGE Strafrecht im DAV „begleitet“ hat – ist die „Gift und Galle“ sprühende Begründung aufgefallen, in der auch wir – wohl wegen des Begriffs „Augsburger Puppenkiste“ unser Fett wegbekommen haben (Letzteres freut mich, weil es zeigt, dass das Blog offenbar auch in Augsburg gelesen wird).

Bevor ich das zusammenfasse aus der mündlichen Urteilsbegründung, was mir wichtig erscheint, vorab zwei Dinge:

  1. Spiegel-online berichtet: „Das Gericht habe auch gerügt, dass Lucas „jede Möglichkeit zur Deeskalation [habe] vergehen lassen„. Das hat mich am meisten erstaunt/erschreckt. Denn das ist ja wohl noch immer das gute Recht eines jeden Angeklagten. Oder?
  2. Und: Das, was von der Urteilsbegründung berichtet wird, macht mir den Eindruck, als habe das Gericht Schwierigkeiten mit dem Freispruch. Denn wie anders soll man eine Formulierung verstehen, in der darauf hingewiesen wird, dass der Freispruch auch nicht der erwartete sei, sondern einer, der nur knapp wegen des Grundsatzes in dubio pro reo ergehe. Was ist ein knapper Freispruch? Es ist ein Freispruch und m.E. sollte eine Kammer die Größe haben, diesen Freispruch nicht zu kommentieren. Ganz oder gar nicht. Es hat für eine Verurteilung nicht gereicht. Dann muss ich frei sprechen. Basta! Und m.E. ohne Kommentar. So hört es sich an wie: Wir hätten Sie ja lieber verurteilt, aber leider ging es nicht.

Zur Sache – und darauf will ich mich beschränken, da zur „Stimmungsmache“ der Kammer schon berichtet ist – zitiere ich aus dem „Prozessbericht“ meines Kollegen:

„Der festgestellte Sachverhalt lasse sich wie folgt zusammenfassen: Am 1. HV-Tag habe es ein Gespräch der Verfahrensbeteiligten gegeben. Diese seien aber vom Revisionsvortrag des Angeklagten klar zu trennen. Denn in dem Gespräch sei es nur um die Vorstellungen der StA gegangen. Die Zeugenaussagen seien hierzu unterschiedlich. Der Sitzungsbericht habe zur Aufklärung beigetragen. Das Strafverfahren wäre sicher schon im Ermittlungsverfahren beendet gewesen, wenn der Sitzungsbericht früher vorgelegen hätte. Allerdings habe der Angeklagte Zahlen zum Strafmaß aus dem Dienstzimmer der Richter und nicht der Hauptverhandlung genannt. Wann dieses Gespräch stattgefunden hat, sei unklar.
Von zentraler Bedeutung seien die Angaben der Zeugin Lang. Denn diese habe bekundet, wie Lucas überlegt habe, was er tun solle. Die Annahme, dass Lucas das erfunden habe, um später eine Revisionsrüge zu erheben, sei abwegig. Allerdings sei eher unwahrscheinlich, dass Lucas tatsächlich Skrupel gehabt habe, das Gespräch nicht doch protokollieren zu lassen. Man habe in der Hauptverhandlung den Eindruck gewonnen, der Angeklagte suche für seinen Mandanten jede sich bietende Möglichkeit, um Konflikte mit dem Gericht auszutragen. Bestätigt werde dies durch Berichte aus der Zeitung zu diesem Verfahren, die davon sprechen, dass Lucas und Haeusler sich von Anfang an aneinander rieben und auf Konfrontation gingen. Andere Zeitungsberichte sprächen gar davon, dass Lucas eine – Zitat – „Plage für die Richter“ sei. Objektiv sei also der Revisionsvortrag falsch. Es sprächen verschiedene Argumente gegen eine sichere Zusage zur Strafhöhe durch das Gericht (wurde ausgeführt). Aber subjektiv muss davon ausgegangen werden, dass Lucas meinte, ein Angebot erhalten zu haben. An der insofern zentralen Aussage der Zeugin Lang komme auch die StA nicht vorbei. Hierbei sei unklar, ob Lucas die Richter falsch verstanden oder sich geirrt habe. Hätte man ihm eine bewusste Lüge nachweisen können, dann wäre hier eine hohe Geldstrafe angezeigt gewesen (Anmerkung: Anspielung auf den völlig überzogenen Antrag der StA). Eher sei aber wohl die subjektive Wahrnehmung von Lucas „4 Jahre und 6 Monate“ gewesen für „Geständnis + § 31 BtMG“. Allerdings habe er demgegenüber in der Revision etwas anderes vorgetragen. Dort sei die Rede von einem „Geständnis im Sinne der Anklage“. Der Revisionsvortrag und die Information an den Mandanten gehen hier auseinander, es fehlen Ausführungen zum § 31 BtmG. Es sei fraglich ob diese Abweichung bewusst erfolgt sei oder aus Unkenntnis des Unterschiedes und der gesetzlichen Vorgaben. Kannte Lucas also den Unterschied zwischen „Geständnis“ und „Geständnis + 31“? Dies sei nicht sicher beurteilbar. Das Gericht schrieb ihm ins Stammbuch, dass er sich ja mit Hilfe eines Kommentars oder Fachliteratur fortbilden könne. Im Ergebnis sei nicht sicher ausschließbar, dass Lucas sich aber geirrt habe. Schließlich habe er auch wegen einer anderen Revision unter erheblichem Zeitdruck gestanden und sich die Blöße gegeben, sogar bei ausgerechnet derjenigen Kammer, mit der er sich ein Jahr lang gestritten hatte, die Übersendung des Protokolls absprachegemäß verzögern zu wollen (wohl um so die Revisionsbegründungsfrist zu verlängern). Das Gericht habe hier ausdrücklich nicht „hau den Lucas“ spielen wollen und ihn deshalb freigesprochen
.“

Ups, jetzt ist es viel geworden. Na ja, war ja auch ein bedeutender Anlass. Abschließend nur die Frage: War es nicht doch „Hau den Lucas“? M.E. war es allerdings keine „Justizposse“ , wie Spiegel-online offenbar meint, wenn es seinen Beitrag beginnt mit: „Ende einer Justizposse“.

Wir bleiben hier im Übrigen am Ball. Es stellt sich ja noch die interessante Frage, ob die StA in die Revision geht. Und: Wie geht man mit den Zeugenaussagen aus dem Verfahren um? Da darf man gespannt sein, ob es ggf. Verfahren wegen Falschaussagen geben wird. Wir nehmen Wetten an :-).