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Lösung zu: Gibt es im (straßenverkehrsrechtlichen) OWi-Verfahren immer die Mittelgebühr?

© haru_natsu_kobo - Fotolia.com

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Ich hatte am Freitag das Posting: Ich habe da mal eine Frage: Gibt es im (straßenverkehrsrechtlichen) OWi-Verfahren immer die Mittelgebühr? zur Diskussion gestellt. Die Frage war so allerdings nicht ganz richtig gestellt bzw. verkürzt. Denn so, wie sie gestellt ist, ist die Antwort natürlich ein kurzes und trockenes „Nein“. Natürlich gibt es nicht immer die Mittelgebühr! Aus dem Posting ergab/ergibt sich aber dann, worum es geht, nämlich um den Ausgangspunkt für die Bemessung der anwaltlichen Gebühren im (straßenverkehrsrechtlichen) Bußgeldverfahren. Ist das eben immer die Mittelgebühr oder liegt der Ausgangspunkt (immer) darunter, weil die (straßenverkehrsrechtlichen) Bußgeldverfahren (immer) von geringerer Bedeutung sind und deshalb die Mittelgebühr als Ausgangspunkt nicht angemessen ist.

Nun, m.E. kann man als inzwischen h.M. ansehen, dass Ausgangspunkt auch in diesen Verfahren immer die Mittelgebühr ist. Die Verfahren sind nicht generell von geringerer Bedeutung. Das stimmte schon früher nicht und stimmt m.E. jetzt nach Inkrafttreten der Punktereform erst recht nicht, da jetzt schon acht Punkte für den Entzug der Fahrerlaubnis ausreichen. Die Grenze ist also viel früher erreicht, so dass das einzelne Verfahren um so bedeutender (geworden) ist. Also: Ausgangspunkt ist die Mittelgebühr, was im Übrigen auch allgemeinen gebührenrechtlichen Grundsätzen entspricht, wonach bei der Gebührenbemessung von der Mittelgebühr auszugehen und dann zu schauen ist, welche gebührenerhöhenden bzw. – mindernden Umstände vorliegen. Das gilt für das Strafverfahren und das gilt auch für das Bußgeldverfahren (auch wenn die Rechtsschutzversicherungen das gern anders sehen).

Wie gesagt: M.E. inzwischen h.M. und bei uns im RVG-Kommentar nachzulesen. Und für das Posting hier habe ich zwei Entscheidungen aus neuerer Zeit, die von diesem Grundsatz ausgehen, beide mit in etwa demselben Leitsatz, aber dann doch mit unterschiedlichen Ergebnisse. Dazu nur: Ob man dem LG Saarbrücken in allen Punkten folgen kann, darüber lässt sich sicherlich streiten, was ich hier dann aber nicht tun will. Es handelt sich also um folgende Entscheidungen:

  • AG Tauberbischofsheim; Urt. v. 20.06.2014 – 1 C 58/14 mit dem Leitsatz: „Beim Tätigwerden eines Wahlverteidigers bildet in einer Bußgeldsache wegen einer Straßenverkehrsordnungswidrigkeit grundsätzlich die Mittelgebühr den Ausgangspunkt für die Gebührenbemessung, wobei bei der Gebührenbestimmung innerhalb des Gebührenrahmens den Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere der Art und Gewichtigkeit des jeweiligen Bußgeldverfahrens, Rechnung zu tragen ist.“
  • LG Saarbrücken, Beschl. v. 09.07.2014 – 2 Qs 30/14 – mit dem Leitsatz: „Ausgangspunkt für die für die Gebührenbemessung der Rahmengebühren des Rechtsanwalts ist – auch in straßenverkehrsrechlichen Bußgeldverfahren –  grundsätzlich die Mittelgebühr. Bei der Gebührenbestimmung innerhalb der Gebührenrahmen ist dann jedoch auf die Gesamtumstände und die Besonderheiten des Einzelfalles abzustellen.“

Ich habe da mal eine Frage: Gibt es im (straßenverkehrsrechtlichen) OWi-Verfahren immer die Mittelgebühr?

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Es ist Freitag und damit mal wieder Zeit für das RVG-Rätsel, das sich heute mit einer Frage aus dem Bußgeldverfahren befasst, die in der Rechtsprechung der LG und AG schon eine größere Rolle spielt und die auch häufig an mich herangetragen wird. Es geht nämlich um die Bemessung der Rahmengebühren im (straßenverkehrsrechtlichen) Bußgeldverfahren. Da stellt sich die immer wieder die Frage: Wo liegt der Ausgangspunkt für deren Bemessung? Ist das immer die Mittelgebühr oder ist immer eine unter der Mittelgebühr liegende Gebühr Ausgangspunkt für die Bemessung der angemessenen Gebühr? Das sind Fragen, die für den Verteidiger im Bußgeldverfahren im Hinblick auf die Höhe seiner Gebühren/seines Honorars schon von erheblicher Bedeutung sein können.

Also, ist m.E. nicht schwer und bis zum Endspiel am Sonntag ist ja auch noch ein wenig Zeit. Wenn „unsere Jungs“ gewinnen, dann gibt es allerdings mehr als die Mittelgebühr, dann gibt es die Höchstgebühr mit Prämie und ****-Sterne. 🙂 🙂 🙂 🙂

Auszugehen ist immer von der Mittelgebühr – richtig macht man es in Koblenz

RVG KasseDer Kollege Dr. Fromm hat mir den von ihm als Nebenklägervertreter erstrittenen Beschluss des LG Koblenz übersandt, in dem sich dieses zur Bemessung der Rahmengebühren für den Nebenklägervertreter in einem Körperverletzungsverfahren positioniert. Es gibt die Mittelgebühr, zumindest ist die für das LG immer die Grundlage der Bemessung. Und dann wird nach Kriterien gesucht, die die Gebühr erhöhen oder erniedrigen. Der richtige Weg, den das LG da im LG Koblenz, Beschl. v. 20.02.2014 –  2 Qs 1/14 – gegangen ist:

Die Höhe der Rahmengebühr wird gemäß § 14 Abs. 1 RVG vom Rechtsanwalt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach billigem Ermessen bestimmt. Zu den Umständen des Einzelfalls zählt das Gesetz Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers. Bei der Bestimmung der Gebührenhöhe ist zunächst von der Mittelgebühr auszugehen. In „Normalfällen“ entspricht die Bestimmung der Mittelgebühr billigem Ermessen. Der Rechtsanwalt darf aber nicht ohne Abwägung der einzelnen Bemessungskriterien generell die Mittelgebühr abrechnen. Nur soweit eines der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG von dem Durchschnitt abweicht, wird das Anlass für den Rechtsanwalt sein, von der Mittelgebühr nach oben oder nach unten abzuweichen (Winkler in Mayer 1 Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, § 14 Rn. 39 m.w.Nachw.; v. Seltmann in Beck’scher Online-Kommentar RVG, Edition 22, Stand 2012, § 14 Rn. 21). Die Mindestgebühr kommt nur bei ganz einfachen Sachen von geringem Umfang in Betracht, wenn zudem die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und die Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten unterdurchschnittlich sind (Winkler in Mayer / Kroiß, aa0). So liegt der Fall hier nicht.

Die Bedeutung der Angelegenheit war für den Nebenkläger, der durch die Körperverletzungshandlungen der Verurteilten schmerzhafte Prellungen, Schürfwunden und ein Auskugeln der rechten Schulter erlitt, sicherlich von zumindest durchschnittlicher, wenn nicht gar überdurchschnittlicher Bedeutung. Der Nebenkläger besaß als Geschädigter ein erhebliches persönliches und auch wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits.

Auch das Verfahren war mit einem Umfang von 167 Blatt bis zum Beginn der Hauptverhandlung und drei Verhandlungstagen mit umfangreicher Beweisaufnahme – unabhängig davon, dass der Vertreter des Nebenklägers hieran nicht teilnahm – nicht geringen Umfangs, sondern entsprach jedenfalls dem durchschnittlichen Normalfall…“

So macht Gebührenrecht Spaß: Munition im Kampf um die Mittelgebühr

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Zum Wochenabschluss eine schöne gebührenrechtliche Entscheidung des LG Saarbrücken; das freut, wann man mal auch über solche Entscheidungen berichten kann. Den LG Saarbrücken, Beschl. v. 07. 11.2012 -2 Qs 40/12 – sollte man sich als Verteidiger in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren für den Kampf um die Mittelgebühr merken und mit ihm argumentieren. Die Leitsätze sprechen für sich:

1. Auch in straßenverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeitenverfahren dient der Ansatz der Mittelgebühr als Ausgangspunkt und hiervon ausgehend die Würdigung der in jedem Einzelfall gegebenen Umstände für die Bestimmung der anwaltlichen Gebühren nach § 14 RVG. Eine „generelle“ Einstufung der anwaltlichen Gebühren unterhalb der Mittelgebühr in diesen Verfahren wegen der regelmäßig geringfügigeren Geldbußen, der mäßigen Bedeutung für den Betroffenen, dem allgemein geringeren Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist rechtlich bedenklich.

2. Die individuelle fahrerlaubnisrechtliche Situation des Betroffenen kann eine gesteigerte „Bedeutung der Angelegenheit“ im Sinne des § 14 RVG begründen, wenn wie hier nicht nur lediglich die Eintragung eines Punktes im Verkehrszentralregister drohte, sondern sich der Betroffene mit dieser Eintragung im Hinblick auf die bestehenden Voreintragungen von 14 Punkten im Verkehrszentralregister der zwingenden Fahrerlaubnisentziehung aus § 4 Abs. 3 Ziffer 3 StVG weiter angenähert hätte.

Zum Leitsatz 1 kann ich nur sagen: Habe ich ja immer schon gesagt :-): (vgl. in Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2012, Vorbem. 5 VV Rn. 39 m.w.N. aus Rechtsprechung und Literatur). Auch Leitsatz 2 passt.

Einen kleinen Wermutstropfen hat die Entscheidung des LG allerdings. Das LG ist nämlich (noch) davon ausgegangen, dass die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG im Bußgeldverfahren nur einmal anfällt, weil das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das gerichtliche Verfahren dieselbe Angelegenheit sind. Diese (umstrittene) Ansicht kann man m.E., nachdem der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vorliegt (vgl. BR-Drucks. 517/12 und dazu hier) nicht aufrechterhalten. Sieht dieser doch in dem neuen § 17 Nr. 11 RVG ausdrücklich die andere (zutreffende) Regelung vor, dass es sich um verschiedene Angelegenheiten handelt und somit in jeder die Auslagenpauschale anfallen kann (vgl. Anm zu Nr. 7002 VV RVG). Aber es wäre zu schön gewesen, wenn das LG das auch noch bedacht und seine Auffassung schon vorab geändert hätte. Aber damit kann man leben.

 

 

 

Drum prüfe, wer sich (ewig) bindet – vor allem im Gebührenrecht

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„Drum prüfe, wer sich ewig bindet, Ob sich das Herz zum Herzen findet! Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.“ heißt es in Friedrich Schillers „Lied von der Glocke“. Jeder kennt dann aber auch die vereinfachte Version „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nichtet was Besseres findet“ :-). Der Spruch/die Lebensweisheit gilt allerdings nicht immer, und – im übertragenen Sinn – schon gar nicht im Gebührenrecht. Da ist nach der Prüfung der Angemessenheit und der Bestimmung der Rahmengebühr durch den Rechtsanwalt (§ 14 RVG) nämlich Schluss. Der Rechtsanwalt hat sein Ermessen ausgeübt und ist daran gebunden. So z.B. vor einiger Zeit der OLG Hamburg, Beschl. v. 29.06.2010 – 9 W 29/10:

„Das Gestaltungsrecht aus § 14 Abs. 1 RVG ist, sobald die Erklärung dem Empfänger zugegangen ist, durch seine Ausübung verbraucht. Die Erklärung kann durch den Rechtsanwalt nicht mehr geändert oder widerrufen werden, es sei denn, er hat sich eine Erhöhung ausdrücklich vorbehalten, ist über Bemessungsfaktoren getäuscht worden oder hat einen gesetzlichen Gebührentatbestand übersehen (Mayer in Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert u.a., RVG, 19. Auflage 2010 § 14 Rn 4). Zwar kann die Bindung des Rechtsanwalts sich nur auf eine Ermessensausübung beziehen, die sich in dem vom Gesetz eingeräumten Ermessensspielraum hält, so dass eine Bindungswirkung bei Ermessensunter- oder überschreitung entfällt. Allerdings ist eine Neubewertung dann ausgeschlossen, wenn der betreffende Umstand dem Rechtsanwalt bereits bei der ersten Ausübung des Gebührenermessens bekannt war oder sein musste (Römermann in Hartung/Römermann, RVG, § 14 Rn 78).

Vorliegend ist kein Umstand gegeben, der den Rechtsanwalt grundsätzlich zu einer erneuten Ausübung des Gebührenermessens berechtigt. Die Änderung der ursprünglichen Kostennote geht, ausweislich des Anschreibens hierzu, vielmehr auf eine Innenrevision der Buchhaltung zurück. Die mit der Beschwerde vorgebrachten Gesichtspunkte zur Bestimmung der Höhe der Gebühr waren allesamt bei der erstmaligen Ausübung des Gebührenermessens bekannt. Daher scheidet eine Neubewertung aus. Auch für eine Billigkeitsentscheidung nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG ist in einem solchen Fall kein Raum.“

Der Rechtsanwalt/Verteidiger sollte also schon Sorgfalt auf die Gebührenbestimmung verwenden. Denn daran wird er im Zweifel festgehalten.