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BtMG/KCanG I: Handel als Mitglied einer Bande?, oder: Prüfung aller Teilakte des Umsatzgeschäfts

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Heute dann mal wieder etwas aus dem Betäubungsmittelbereich, also BtMG und KCanG. Alle Entscheidungen, die ich vorstelle, kommen vom BGH.

Da habe ich zunächst den BGH, Beschl. v. 02.04.2025 – 3 StR 421/24. Das LG hatte die Angeklagten wegen Bandenhandels mit BtM verurteilt. Dem BGH reichen/gefallen die Feststellungen nicht:

„1. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen zwar die Annahme einer Strafbarkeit – zumindest – wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG). Sie ermöglichen aber nicht die Wertung, die Angeklagten hätten die Tat nach § 30a Abs. 1 BtMG als Mitglieder einer Bande, bestehend aus ihnen sowie den gesondert Verfolgten Y. und U., begangen.

a) Wesentliches Merkmal der Bande ist die auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung von mindestens drei Personen zur gemeinsamen Deliktsbegehung (s. BGH, Beschluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00, BGHSt 46, 321). An einer auf das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gerichteten Bande fehlt es allerdings, wenn sich die Beteiligten eines Betäubungsmittelgeschäfts auf der Veräußerer- und der Erwerberseite selbständig gegenüberstehen, auch wenn sie in einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem im Rahmen einer andauernden Geschäftsbeziehung tätig werden (s. BGH, Beschlüsse vom 14. April 2015 – 3 StR 627/14, NStZ 2015, 589; vom 5. Juni 2019 – 1 StR 223/19, NStZ-RR 2020, 47; vom 21. November 2023 – 2 StR 323/23, juris Rn. 9 mwN).

Ob eine Person, die regelmäßig von einem bestimmten Verkäufer Betäubungsmittel zum Zweck des gewinnbringenden Weiterverkaufs bezieht, in dessen Absatzorganisation als verlängerter Arm eingebunden ist oder ihr auf der Abnehmerseite als selbständiger Geschäftspartner gegenübersteht, beurteilt sich wesentlich nach der getroffenen Risikoverteilung. Der Abnehmer in einem eingespielten Bezugs- und Absatzsystem, der die Betäubungsmittel zum vereinbarten Preis erwirbt und sie anschließend ausschließlich auf eigenes Risiko veräußert, insbesondere die Verkaufspreise selbst festsetzt und über die von ihm erzielten Gewinne allein disponiert, ist regelmäßig als eigenständiger Käufer anzusehen, der nicht Teil der Verkäuferseite ist. Eine Einbindung in die Absatzorganisation des Verkäufers liegt demgegenüber in der Regel vor, wenn dieser dem Abnehmer die Höhe des Verkaufspreises vorgibt, Zeitpunkt und Umfang der Weiterveräußerungen bestimmt sowie an deren Gewinn und Risiko beteiligt ist (s. BGH, Urteil vom 22. April 2004 – 3 StR 28/04, NStZ 2004, 696; Beschlüsse vom 5. Juli 2011 – 3 StR 129/11, StV 2012, 413 Rn. 8 mwN; vom 31. Juli 2012 – 5 StR 315/12, NStZ 2015, 49; vom 21. November 2023 – 2 StR 323/23, juris Rn. 10; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 30 Rn. 69 ff.).

Bezugspunkt der Prüfung sind alle Teilakte des Umsatzgeschäfts, mithin nicht nur der Absatz, sondern auch die Beschaffung der Betäubungsmittel. So kann auch derjenige der Bande angehören, der als auf eigenes Risiko handelnder Verkäufer der Drogen zugleich mittäterschaftlich an deren Bezug beteiligt ist (s. BGH, Urteil vom 3. September 2014 – 1 StR 145/14, NStZ 2015, 227, 228; MüKoStGB/O?lakc?o?lu, 4. Aufl., § 30 BtMG Rn. 52; Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 30 Rn. 42).

b) Unter Anlegung dieser Maßstäbe ergibt sich aus den Urteilsgründen – auch in ihrem Gesamtzusammenhang – nicht, dass die Angeklagten gemeinsam mit den gesonderten Verfolgten Y. und U. eine Bande bildeten, die sich zum fortgesetzten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verbunden hatte.

aa) Im Hinblick auf den gesondert Verfolgten Y. kommt in Betracht, dass er als Veräußerer der Drogen den Angeklagten als Erwerbern selbständig im Rahmen eines auf Dauer angelegten Bezugs- und Absatzsystems gegenüberstand. Es ist nicht auszuschließen, dass die Angeklagten die Betäubungsmittel von Y. zu einem vereinbarten Preis erwarben, ohne an deren Beschaffung durch diesen beteiligt gewesen zu sein, und sie anschließend auf eigenes Risiko veräußerten. Im Einzelnen:

(1) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen war Inhalt der Abrede der Beteiligten, dass Y.   an die Angeklagten Metamphetamin zum gewinnbringenden Weiterverkauf in L.  liefert. Den Urteilsgründen lässt sich nicht mit Sicherheit entnehmen, ob die Angeklagten das Rauschgift von Y. gegen Entgelt erwerben sollten. Soweit festgestellt ist, dass der Angeklagte C. regelmäßig Drogen von ihm kaufte, könnte sich dies lediglich auf Taten im Vorfeld der Bandenabrede beziehen. Allerdings legen die Ausführungen in der rechtlichen Würdigung die Annahme der Strafkammer nahe, dass die Abrede zwischen den Beteiligten auf entgeltliche Umsatzgeschäfte zwischen Y.  einerseits sowie den Angeklagten andererseits gerichtet war. Dort wird das Handeln der Angeklagten dahin bewertet, dass sie das Metamphetamin von jenem „erwarben“, um es mit Gewinn an Endabnehmer zu verkaufen (UA S. 61). Auch hätten beide „maßgeblich verantwortlich für den An- und Weiterverkauf“ des Rauschgifts gezeichnet (UA S. 63).

(2) Eine Einbindung der Angeklagten in die Absatzorganisation des Y. bleibt offen. Die Urteilsgründe gehen nicht darauf ein, ob dieser den Angeklagten die Höhe des Verkaufspreises für das Metamphetamin vorgab oder Zeitpunkt und Umfang der Weiterveräußerungen bestimmte. Dies versteht sich jedenfalls nicht von selbst, zumal die Strafkammer die Überzeugung gewonnen hat, die gemeinschaftlich handelnden Angeklagten hätten den Verkauf der von Y.  bezogenen Betäubungsmittel in L. organisiert (UA S. 37). Wie Y.  bezahlt werden sollte oder wurde, ist nicht dargetan. Es bleibt unklar, ob er etwa einen vereinbarten festen Preis bei Lieferung oder einen Anteil an dem durch die Weiterveräußerungen erlangten Erlösen im Nachgang erhalten sollte. Auch aus den beweiswürdigenden Darlegungen, die beispielsweise ein Gespräch der Angeklagten über an Y.  zu entrichtende Geldbeträge wiedergeben (UA S. 34), geht dies nicht hervor.

(3) Zu einer Beteiligung der Angeklagten an der Beschaffung der Drogen durch Y.  verhalten sich die Urteilsgründe nicht.

bb) Im Hinblick auf den gesondert Verfolgten U. kommt in Frage, dass er als Drogenkurier im Lager des – als selbständiger Verkäufer des Metamphetamins handelnden – Y. Dieser erteilte U. nach den Urteilsfeststellungen mehrfach Transportaufträge (ferner UA S. 18: einer seiner „Logistiker“); bei der gegenständlichen Tat forderte er ihn nicht nur auf, mit dem Reisebus zur Drogenübergabe nach T. zu kommen, sondern übernahm auch „den Großteil des Kurierlohns“ (UA S. 29). Eine solche Kostentragung für das Verbringen der Betäubungsmittel von einem Verkäufer zum weiterveräußernden Käufer führt indes – nach den oben aufgezeigten rechtlichen Maßstäben (s. oben a]) – nicht dazu, dass sich beide nicht als selbständige Geschäftspartner gegenüberstehen können.“