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StPO II: Zustellung an den Verteidiger wirksam?, oder: Form des Nachweises der Vollmacht

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In der zweiten Entscheidung, dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 20.3.2023 – 1 ORbs 136/23 – nimmt das OLG Stellung zur Wirksamkeit einer Zustellung an den Verteidiger. Es geht um die wirksame Zustellung des (Bußgeld)Urteils.

Das AG hat die Betroffene mit Urteil vom 10.11.2022 verurteilt. Das – nicht mit Gründen versehene – Protokollurteil vom 10.11.2022 hat die Richterin mit Verfügung vom selben Tag der Staatsanwaltschaft , die nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen hatte, „gemäß § 41 StPO übersandt“, woraufhin die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 17.11.2022 auf Rechtsmittel verzichtete.

Nach Eingang der Rechtsbeschwerde der Betroffenen am 14.11.2022 gelangten die schriftlichen Urteilsgründe am 25.11.2022 zur Akte. Diese wurden der Betroffenen aufgrund gerichtlicher Verfügung vom 24.11.2022 am 26.11.2022 und dem Verteidiger am 07.12.2022 zugestellt.

Der Verteidiger hat dann am 09.01.2023 die Rechtsbeschwerde begründet. Das AG hat die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gemäß § 79 Abs. 3 OWiG, § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen, da die Begründung der Rechtsbeschwerde erst am 09. Januar 2023 und somit verspätet eingegangen sei. Maßgeblich für die Berechnung der Monatsfrist nach § 79 Abs. 3 OWiG, § 345 StPO sei allein das Datum der Zustellung des Urteils an die Betroffene am 26. November 2022, nicht das Datum der am 07. Dezember 2022 erfolgten Zustellung an den Verteidiger, der keine schriftliche Vollmacht zu den Akten gereicht habe.

Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der beim OLG – ebenso wie die Rechtsbeschwerde – Erfolg hatte:

„…Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthaft und entsprechend den § 79 Abs. 3 OWiG, §§ 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht angebracht worden. Der Eingang der Rechtsbeschwerdebegründung am 09. Januar 2023 wahrt die Monatsfrist ab Zustellung des Urteils (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 345 Abs. 1 Satz 3 StPO).

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat wie folgt ausgeführt:

„Die hier gerichtlich verfügte und bewirkte doppelte Zustellung an die Betroffene und ihren Verteidiger ist gesetzlich nicht vorgesehen (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 145a Abs. 3 StPO). Eine dennoch angeordnete und erfolgte Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte ist jedoch zulässig. Die Berechnung der Frist richtet sich dann nach der zuletzt bewirkten – wirksamen ¬Zustellung (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 37 Abs. 2 StPO).

Die Zustellung der Urteilsgründe an den Verteidiger der Betroffenen war wirksam.

Der gewählte Verteidiger, dessen Bevollmächtigung nachgewiesen ist, gilt als ermächtigt, Zustellungen für den Betroffenen in Empfang zu nehmen (§ 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Zwar befand sich zum Zeitpunkt der Zustellung keine schriftliche Vollmacht des Verteidigers bei den Akten. Das Vorbringen des Verteidigers, der im Hauptverhandlungstermin anwesende unterbevollmächtigte Verteidiger habe die schriftliche Vollmacht vorgelegt (S. 5 der Antragsschrift vom 07.02.2023, BI. 85 d. A.), findet in den Akten keine Stütze. Im Protokoll ist derartiges nicht vermerkt und- die Richterin hat dies ausdrücklich in Abrede gestellt (BI. 85, 100R d. A.).

Jedoch ist seine Bevollmächtigung hier nachgewiesen.

Auf welche Weise der Nachweis erfolgen kann, bestimmt das Gesetz nicht.

Mit der Änderung des § 51 Abs. 3 OWiG soll zwar ergänzend zur früheren Regelung, nach welcher eine schriftliche Vollmacht eingereicht werden musste, nunmehr grundsätzlich die Übermittlung einer Kopie ausreichen (§ 51 Abs. 3 Satz 2 OWiG). Der Gesetzgeber hat diese Möglichkeit eingefügt, um die elektronische Einreichung der Verteidigervollmacht zu erfassen und nicht nur – wie zuvor – die Original-Vollmacht gelten zu lassen (BT Drs. 19/27654, S. 40). Dabei ist davon auszugehen, dass nach Vorstellung des Gesetzgebers die Kopie bzw. das elektronische Dokument wie vormals die schriftliche Vollmacht tatsächlich zu den Akten gelangt. Ob eine Verteidigervollmacht besteht, ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, allerdings muss der Nachweis an formale Kriterien geknüpft sein, da sich daraus die entsprechenden Rechtsfolgen für den Betroffenen ergeben, über die aus Rechtssicherheitsgründen Klarheit bestehen muss (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 20.09.2009 – 2 Ss (OWi) 129B/09, BeckRS 2009, 26373).

Die Form des Nachweises der Bevollmächtigung durch Überreichung eines Dokumentes zu den Akten ist jedoch nicht die einzig zulässige. Es muss allerdings klar in den Akten dokumentiert werden oder aus ihnen ersichtlich sein, dass die Bevollmächtigung erfolgt ist. Denn anders als bei der Wirksamkeit der Vertretung durch den Verteidiger im Verfahren allgemein (vgl. dazu Meyer-Go ßner/Schmitt, StPO, vor § 137 Rdnr. 9), genügt eine ausschließlich mündlich erteilte Vollmacht grundsätzlich nicht. Anhand einer Gesamtschau der im Einzelfall vorliegenden Tatsachen, insbesondere durch wiederholtes Tätigwerden als Verteidiger in der fraglichen Rechtssache kann auf seine unbeschränkte Bevollmächtigung als Verteidiger geschlossen werden (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 12.06.2019 – (1B) 53 Ss-OWi 206/19 (124/19); Beschluss vom 28.11.2022 -1 OLG – 53 Ss-OWi 456/22; jeweils bei juris).

So liegt es hier. Der Verteidiger ist hier bereits gegenüber der Verwaltungsbehörde aufgetreten, hat für die Betroffene Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt, Akteneinsicht genommen und gegenüber dem Gericht Anträge für sie gestellt und den im Termin auftretenden Rechtsanwalt unterbevollmächtigt.

Die Zustellung eines schriftlichen Urteils kann zudem auch dann wirksam erfolgen, wenn dem Verteidiger vor Ausführung der Zustellung bereits eine rechtsgeschäftliche Vollmacht zur Entgegennahme von Zustellungen erteilt worden war (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 23.05.2016 (1B) 53 Ss-OWi 200/16 (110/16) bei juris m. w. N.). Eine entsprechende bereits bei Urteilszustellung erteilte rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht des Verteidigers ist hier – durch inzwischen erfolgte Nachreichung der Vollmacht zu den Akten (BI. 86 d. A.) – belegt.“

Und die Rechtsbeschwerde hatte dann auch Erfolg. Denn das insoweit allein maßgebliche „Protokollurteil“ des AG enthielt keine schriftlichen Urteilsgründe. Die nachträglich erfolgte Ergänzung der Urteilsgründe gemäß § 275 Abs. 1 StPO i. V. m. §46 Abs. 1, § 71 Abs. 1 OWiG war unzulässig und damit für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr relevant. Denn das AG hatte das Urteil bereits aus dem inneren Dienstbereich des AG herausgegeben – an die StA – und es konnte nicht mehr ergänzt werden (wegen der Einzelheiten insoweit Deutscher in: Burhoff (Hrsg.) Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl., 2021, Rn 3805 ff.).

Im Übrigen: Gilt dann natürlich auch für das Strafverfahren.

OWi III: Nochmals Bindung an den Entbindungsantrag, oder: Nachträgliche Ergänzung des (Protokoll)Urteils

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Und im letzten Posting dann noch zwei Entscheidungen zu Verfahrensfragen. Nichts wesentliche Neues, aber man kann mal wieder daran erinnern.

Ich stelle zunächst den OLG Naumburg, Beschl. v. 02.05.2022 – 1 Ws 97/22 – noch einmal zum Entbindungsantrag und zur Verwerfung des Einspruchs (§§ 73, 74 OWiG) vor, und zwar mit folgendem Leitsatz:

Nach § 73 Abs. 2 OWiG hat das Gericht den Betroffenen auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, wenn er sich zur Sache geäußert oder wenn er erklärt hat, er werde sich in der Hauptverhandlung nicht „weiter“ zur Sache äußern, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhaltes nicht erforderlich ist. Die Entscheidung über den Entbindungsantrag steht hierbei nicht im Ermessen des Gerichtes, vielmehr ist es verpflichtet, dem Antrag nachzukommen, sofern die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen.

Und dann noch der BayObLG, Beschl. v. 30.05.2022 – 202 ObOWi 718/22 – mit folgendem Leitsatz:

Die nachträgliche Ergänzung eines Urteils ist grundsätzlich nicht zulässig – und zwar auch nicht innerhalb der Urteilsabsetzungsfrist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO -, wenn es bereits aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben worden ist. Für das Bußgeldverfahren folgt daraus, dass ein vollständig in das Sitzungsprotokoll aufgenommenes, nicht mit Gründen versehenes Urteil, das den inneren Dienstbereich des Gerichts bereits verlassen hat, nicht mehr verändert werden darf, es sei denn, die nachträgliche Urteilsbegründung ist gemäß § 77b Abs. 2 OWiG zulässig.

Auch nichts Neues, Und auch die Formulierung: „Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet und zwingt den Senat auf die (unausgeführte) Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.“ ist nicht neu, m.E. aber unschön. Wieso: „zwingt“?

 

OWi II: Protokollurteil, oder: Zulässigkeit der nachträglichen Begründung

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Die zweite Entscheidung kommt dann mit dem schon etwas älteren BayObLG, Beschl. v. 17.02.2020 –  202 ObOWi 84/20 – aus aus Bayern. Thematik der Entscheidung: Nachträgliche Begründung des sog. Protokollurteils. Dazu das BayObLG.

„Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet und zwingt den Senat bereits auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weshalb es auf die verfahrensrechtlichen Beanstandungen nicht mehr an-kommt.

1. Aufgrund der vom Amtsgericht bereits am 02.09.2019 und damit noch am Tag der Hauptverhandlung angeordneten (vgl. BI. 59 R d.A.) und am 03.09.2019 bewirkten urschriftlichen Bekanntgabe im Wege der Zustellung „gern. § 41 StPO“ eines entgegen § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 StPO ohne Urteilsgründe abgefassten sog. ,Protokollurteils‘ ist dem Senat eine materiell-rechtliche Überprüfung auf etwaige Rechtsfehler von vornherein verwehrt.

2. Die nachträgliche Ergänzung des Urteils durch die erst nach Eingang der Rechtsbeschwerde des Betroffenen am 04.09.2019 (BI. 64 d.A.) mit den am19.09.2019 (vgl. BI. 69 d.A.) innerhalb der Frist der §§ 275 Abs. 1 StPO i.V.m. §§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG zu den Akten gelangten schriftlichen Urteilsgründen war nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung unzulässig und damit für das vorliegende Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr relevant (vgl. rechtsgrundsätzlich neben BGH, Besohl. v. 08.05.2013 — 4 StR 336/12 = BGHSt 58, 243 = DAR 2013, 477. = NJW 2013, 2837 = NZV 2013, 557 = NStZ 2013, 730 schon OLG Bamberg, Beschl. v. 16.12.2008 – 3 Ss OWi 1060/08 = BeckRS 2009, 3920 = ZfSch 2009, 175; ferner u.a. Beschl. v. 15.01.2009 – 3 Ss OWi 1610/08 = ZfSch 2009, 448; 27.12.2011 – 3 Ss OWi 1550/11; 22.02.2012 – 3 Ss OWi 200/12; 26.06.2013 – 3 Ss OWi 754/13; 02.07.2014 — 2 Ss OWi 625/14; 03.07.2015 — 3 Ss OWi 774/15; 08.01.2016 – 3 Ss OWi 1546/2015 und 06.06.2016 — 3 Ss OWi 646/16 = StraFo 2016, 385; siehe auch OLG Saarbrücken, Beschl. v. 06.09.2016 — Ss Bs 53/16 = NStZ 2017, 590; KG, Beschl. v. 22.02.2018 – 162 Ss 27/18 = NStZ-RR 2018, 292 = StraFo 2018, 384 und OLG Bamberg, Beschl. v. 23.10.2017 — 3 Ss OWi 896/17 = OLGSt StPO § 36 Nr 4 sowie 02.05.2018 — 3 Ss OWi 490/18 = OLGSt OWiG § 77b Nr 5).

3. Zwar gilt § 275 Abs. 1 StPO gemäß §§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG im gerichtlichen Bußgeld-verfahren entsprechend. Dies bedeutet, dass das vollständige Urteil unverzüglich, spätestens je-doch innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO zu den Akten gebracht werden muss, sofern es nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen wurde. Liegt jedoch ein sog. „Protokollurteil` vor, gelten die Fristen für die Urteilsabsetzung nach § 275 Abs. 1 StPO nicht (BGH, Beschl. v. 08.05.2013 — 4 StR 336/12 = BGHSt 58, 243 = DAR 2013, 477 = NJW 2013, 2837 = NZV 2013, 557 = NStZ 2013, 730).

a) Wie im Strafverfahren steht es auch im Bußgeldverfahren im nicht anfechtbaren Ermessen des Vorsitzenden zu entscheiden, ob das Urteil mit den Gründen als besondere Niederschrift zu den Akten zu bringen ist oder die Gründe vollständig in das Protokoll mit aufzunehmen sind. Hin-sichtlich Form und Inhalt unterliegt das in das Protokoll aufgenommene Urteil den gleichen Anforderungen wie die in einer getrennten Urkunde erstellten Urteile. Wenn sich die nach § 275 Abs. 3 StPO erforderlichen Angaben bereits aus dem Protokoll ergeben, ist ein besonderer Urteilskopf jedoch entbehrlich (BGH a.a.O.).

b) Im Bußgeldverfahren eröffnet § 77b Abs. 1 OWiG — über § 267 Abs. 4 und Abs. 5 Satz 2 StPO hinausgehend — aus Gründen der Verfahrensvereinfachung und zur Entlastung der Tatsachenin-stanz die Möglichkeit, von einer schriftlichen Begründung des Urteils gänzlich abzusehen. Dies ist dann der Fall, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf die Einlegung der Rechtsbeschwerde verzichtet haben oder wenn innerhalb der Frist keine Rechtsbeschwerde eingelegt wird (§ 77b Abs. 1 Satz 1 OWiG) oder wenn die Verzichtserklärungen der Staatsanwaltschaft und des Betroffenen ausnahmsweise entbehrlich sind (§ 77b Abs. 1 Sätze 2 und 3 OWiG). Im Bußgeldverfahren steht somit der Umstand, dass in dem Hauptverhandlungsprotokoll keine Urteilsgründe niedergelegt sind, der Annahme eines im Sinne der §§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG, § 275 Abs. 1 Satz 1 StPO vollständig in das Sitzungsprotokoll aufgenommenen Urteils nicht entgegen. Es genügt, dass das Hauptverhandlungsprotokoll wie hier (vgl. BI. 56/63 d.A.) — alle für den Urteilskopf nach § 275 Abs. 3 StPO erforderlichen Angaben sowie den vollständigen Tenor einschließlich der an-gewendeten Vorschriften enthält und von dem erkennenden Richter unterzeichnet ist (BGH a.a.O.; vgl. auch schon OLG Bamberg ZfSch 2009, 175 und StraFo 2010, 468; OLG Celle NZV 2012, 45; KG NZV 1992, 332; OLG Oldenburg NZV 2012, 352).

4. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass die nachträgliche Ergänzung eines Urteils grundsätzlich nicht zulässig ist — und zwar auch nicht innerhalb der hier vom Amtsgericht ohne weiteres gewahrten Urteilsabsetzungsfrist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO —, wenn es bereits aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben worden ist. Für das Bußgeldverfahren folgt daraus, dass ein vollständig in das Sitzungsprotokoll aufgenommenes, nicht mit Gründen versehenes Urteil, das den inneren Dienstbereich des Gerichts bereits verlassen hat, nicht mehr verändert werden darf, es sei denn, die nachträgliche Urteilsbegründung ist gemäß § 77b Abs. 2 OWiG zulässig (BGH a.a.O. m.w.N.).

a) Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Ergänzung der Urteilsgründe waren hier aber schon deshalb nicht gegeben, weil mit dem angefochtenen Urteil gegen den Betroffenen nicht lediglich Geldbußen von nicht mehr als 250 Euro festgesetzt worden sind (§ 77b Abs. 1 Satz 3).

b) Zwar ist Voraussetzung für die Annahme der Hinausgabe eines nicht begründeten sog. ,Protokollurteils“ der erkennbar zum Ausdruck gebrachte Wille des Gerichts, dass es von den Möglichkeiten des § 77b Abs. 1 ()VVG sowie des § 275 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Ge-brauch macht, also von einer schriftlichen Begründung des Urteils gänzlich absieht und das Urteil allein durch Aufnahme in das Hauptverhandlungsprotokoll fertigt. Der Richter muss sich bewusst für eine derart abgekürzte Fassung des Urteils entschieden haben (OLG Bamberg ZfSch 2009, 175; KG NZV 1992, 332; BGH a.a.O., jeweils m.w.N.). Mit der gerichtlichen Anordnung (§ 36 Abs. 1 Satz 1 StPO) der Übersendung der Akten einschließlich eines ohne Gründe ins Hauptverhandlungsprotokoll aufgenommenen bzw. als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll genommenen Urteils an die Staatsanwaltschaft zur Zustellung hat sich der Tatrichter hier jedoch für die Hinausgabe einer nicht mit Gründen versehenen Urteilsfassung endgültig entschieden. Damit hat ein „Protokollurteil ohne Gründe“ den inneren Dienstbereich des Gerichts verlassen und ist mit der Zustellung an die Staatsanwaltschaft nach außen in Erscheinung getreten. Da die Tatrichterin hier das Urteil der Staatsanwaltschaft in Urschrift und im Wege der förmlichen Bekanntmachung einer Entscheidung zugeleitet hat, muss sie sich an dieser Erklärung festhalten lassen. Dabei wird den Anforderungen an eine Zustellung gemäß § 41 StPO bereits dadurch genügt, dass die Staatsanwaltschaft aus der Übersendungsverfügung in Verbindung mit der aus den Akten ersichtlichen Verfahrenslage erkennen kann, mit der Übersendung an sie werde die Zustellung nach § 41 StPO bezweckt, weshalb es dann keines – hier allerdings gegebenen – ausdrücklichen Hinweises auf diese Vorschrift bedarf (BGH a.a.O. m.w.N.).

c) Etwas anderes könnte ausnahmsweise nur dann anzunehmen sein, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände der eindeutige Wille der Tatrichterin, dass die an die von ihr verfügte förmliche Zustellung geknüpften Rechtsfolgen ausgelöst werden sollten, ersichtlich nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen wäre (vgl. hierzu KG, Beschl. v. 22.02.2018 – 162 Ss 27/18 -= NStZ-RR 2018, 292 = StraFo 2018, 384). Hiervon kann vorliegend freilich mangels hinreichend eindeutigen Niederschlags in den Akten nicht ausgegangenen werden. Insbesondere reicht insoweit der zeitgleich mit der Verfügung vom 02.09.2019 an die verfügte Wiedervorlagefrist von 1 Woche angefügte und mit einem Fragezeichen versehene schlichte Klammerzusatz „RM?“ auch in Verbindung mit der ersichtlich für die Staatsanwaltschaft bestimmten Mitteilung, ob von dortiger Seite „auf Rechtsmittel verzichtet“ verzichtet werde, nicht aus, mag insoweit von der Tatrichterin auch tatsächlich gemeint gewesen sein, dass im Falle der Rechtsmitteleinlegung noch schriftliche Urteilsgründe zu den Akten zu bringen sein werden.“

Nichts Neues, aber man wird mal wieder daran erinnert….