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Bewilligung von PKH für das Adhäsionsverfahren, oder: Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse

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Und dann heute am Gebührentag zwei BGH-Entscheidungen zum Adhäsionsverfahren.

Zunächst hier der der BGH, Beschl. v. 14.02.2023 – 2 StR 403/22 – noch einmal zur Gewährung von PKH. Der BGh hat den Antrag der Neben- und Adhäsionsklägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalt für das Adhäsionsverfahren allerdings abgelehnt:

„1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die damit verbundene Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Adhäsionsverfahren erfolgt für jeden Rechtszug gesondert, § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. auch BGH, Beschluss vom 30. März 2001 – 3 StR 25/01, BGHR StPO § 397a Abs. 1 Beistand 4). Dies erfordert daher in jeder Instanz erneut eine Prüfung durch das jeweilige Gericht und deshalb die Darlegung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Antragstellerin, die sich hierfür grundsätzlich des vorgeschriebenen Vordrucks zu bedienen hat, § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO i.V.m. § 117 Abs. 4 ZPO.

2. Eine solche Darlegung ist nicht erfolgt. Zwar hat die Antragstellerin in ihrem Schreiben vom 27. Juni 2022 ihre in erster Instanz abgegebene Erklärung zu ihren wirtschaftlichen Verhältnissen in Bezug genommen, was in besonderen Fällen genügen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 2017 – 5 StR 271/17). Indes beschränkt sich jenes Schreiben alleine auf Anträge, die die Nebenklage betreffen. Dem auf das Adhäsionsverfahren bezogenen – und hier gegenständlichen – Antragsschreiben vom 8. Dezember 2022 lässt sich eine solche Bezugnahme dagegen ebenso wenig entnehmen wie die erforderliche Angabe der Antragstellerin, dass sich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse (weiterhin) nicht geändert hätten (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 397a Rn. 10 mwN). Letzteres ergibt sich bereits eingedenk des eingetretenen Zeitablaufs seit der letzten von ihr abgegebenen Erklärung aber nicht von selbst (vgl. BGH, Beschluss vom 4. September 1991 – 3 StR 142/91).

3. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe löst auch keine Verpflichtung des Senats aus, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin zu ermitteln. Das Erfordernis der Darlegung ergibt sich aus dem Gesetz, eines Hinweises auf diese Sachlage und eines Zuwartens mit der Entscheidung bedurfte es nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2019 – 5 StR 441/18).“

Vereinsrecht I: PKH für den eingetragenen Verein?, oder: Darlegung der Bedürftigkeit

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Und heute im „Kessel Buntes“ dann mal kein Straf- oder Verkehrsrecht, sondern „Vereinsrecht“. Damit habe ich ja über mein Buch „Vereinsrecht Leitfaden für Vereine und Mitglieder“, das es inzwischen schon in der 11. Auflage gibt auch zu tun. Näheres hier.

In dem Zusammenhang stelle ich heute zunächst einen Beschluss des OVG Hamburg zur Prozesskostenhilfe vor, und zwar den OVG Hamburg, Beschl. v. 06.07.2023. 3 So 38/23.

Ein eingetragener Verein hatte PKH beantragt. Die ist abgelehnt worden. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Vereins hatte keinen Erfolg:

1. Gemäß § 146 Abs. 2 VwGO können Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe nicht mit der Beschwerde angefochten werden, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint. Das ist hier der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat dem Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung versagt, dass er als eingetragener Verein und damit als juristische Person nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO über seine (eigene) Bedürftigkeit hinaus auch hätte darlegen müssen, dass die Kosten der Prozessführung von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht aufgebracht werden können und dass die Unterlassung der von ihm beabsichtigten Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. An beidem fehle es. Damit hat es – ungeachtet dessen, ob sich die Entscheidung als richtig oder falsch erweist – ausschließlich auf den für den Beschwerdeausschluss maßgeblichen Bezugspunkt der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe abgehoben.

§ 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO erweitert den Kreis der Prozesskostenhilfeberechtigten über die in § 114 ZPO (nur) angesprochenen natürlichen Personen (vgl. Schultzky, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 114 Rn. 2) hinaus auf juristische Personen und parteifähige Vereinigungen. Allerdings macht die Vorschrift die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insofern von strengeren Voraussetzungen als § 114 Satz 1 ZPO abhängig, als sie verlangt, dass die Kosten weder von der juristischen Person oder parteifähigen Vereinigung noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Diese Erfordernisse tragen den besonderen Verhältnissen der juristischen Personen und parteifähigen Vereinigungen Rechnung, die nur dann eine von der Rechtsordnung anerkannte Existenzberechtigung haben, wenn sie in der Lage sind, ihre Ziele aus eigener Kraft zu verfolgen, und sollen Vorsorge dagegen treffen, dass mittellose Verbände eigene wirtschaftliche Interessen auf Kosten der Allgemeinheit verwirklichen (vgl. BGH, Beschl. v. 9.11.2021, II ZR 224/20, ZInsO 2022, 143, juris Rn. 7; OLG Frankfurt, 19 W 14/22, juris Rn. 13; jew. m. w. Nachw.). Mit Blick auf die drei verschiedenen Voraussetzungen, von denen das Prozesskostenhilferecht den Erhalt von Prozesskostenhilfe abhängig macht, nämlich den persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen, den hinreichenden Erfolgsaussichten und der fehlenden Mutwilligkeit (vgl. §§ 114 Abs. 1 Satz 1, 116 Satz 1 und 2 ZPO), sind die Erfordernisse des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO systematisch den persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen zuzuordnen. Das gilt nicht nur für die Entscheidung darüber, ob jemand am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligter ist und die Kosten aufbringen kann (vgl. dazu bereits OVG Weimar, Beschl. v. 17.12.2015, 3 ZO 682/15, juris Rn. 3), sondern ebenso für die Entscheidung darüber, ob die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde (vgl. BGH, Beschl. v. 9.11.2021, a.a.O., juris Rn. 4 ff.). Der Beschwerdeausschluss des § 146 Abs. 2 VwGO greift daher bei einer ausschließlich auf die Merkmale des § 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO gestützten Versagung der Prozesskostenhilfe umfassend ein.

Die Gesetzesmaterialien zur Einschränkung der Beschwerdemöglichkeit im Verfahren der Prozesskostenhilfe unterstützen diese Auffassung. Denn in der amtlichen Begründung der Bundesregierung zum Entwurf des § 146 Abs. 2 VwGO n.F. (in Art. 12 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31. August 2013 [BGBl. I S. 3533, 3538]) heißt es: „Die Ablehnung der Prozesskostenhilfe kann mit der Beschwerde nur noch angefochten werden, wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache vom Gericht verneint wurden. Hat das Gericht hingegen die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint, ist die Beschwerde gegen diese Entscheidung nicht statthaft.“ (BT-Drs. 17/11472 S. 48 f.). Zwar erscheint diese Begründung insoweit zu kurz gegriffen, als sie ausblendet, dass neben der Verneinung der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen und der hinreichenden Erfolgsaussichten auch die Fallgestaltung der mutwilligen Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung die Ablehnung der Prozesskostenhilfe rechtfertigt. Dies erlaubt aber nicht den Schluss, der Gesetzgeber habe darüber hinaus auch noch in anderen Konstellationen weiter die Beschwerde ermöglichen wollen.

Schließlich ist der Beschwerdeausschluss des § 146 Abs. 2 VwGO hier auch nicht etwa deshalb unanwendbar, weil der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts die nachträgliche Aufhebung bereits bewilligter Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 1 ZPO zum Gegenstand hätte (vgl. zu dieser Fallgestaltung OVG Hamburg, Beschl. v. 30.6.2021, 6 So 19/21, NordÖR 2022, 47, juris Rn. 2 ff.). Entgegen der Auffassung des Klägers kann das gerichtliche Schreiben vom 30. August 2022 nicht als vorherige Bewilligung von Prozesskostenhilfe verstanden werden. Es enthält lediglich die an den Kläger gerichtete Mitteilung, dass die Rechnung zum Kassenzeichen 2622311018674 aufgrund seines Antrags auf Prozesskostenhilfe auf 0,00 Euro gesetzt worden sei, d.h. mit anderen Worten die schlichte Stornierung der angeforderten Verfahrensgebühr. Im Übrigen ergehen Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe durch Beschluss (§ 166 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 127 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Aufgrund der Notwendigkeit, im Beschluss eine klare Regelung über den Bewilligungsumfang und die Pflicht zur Ratenzahlung zu treffen, ist eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch schlüssiges Verhalten ausgeschlossen (vgl. Schultzky, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 127 Rn. 19).“

Erfolgshonorarvereinbarung auch bei PKH zulässig, oder: Sicherung des Honorars durch einen Arrest

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Und im zweiten Gebührenposting stelle ich dann eine etwas ungewöhnliche Art der Honorarsicherung – hier eines Erfolgshonorars – vor. Damit hat sich das OLG Dresden im OLG Dresden, Beschl. v. 01.03.2022 – 4 W 3/22. Am Aktenzeichen sieht man: Kein Strafverfahren – was ja auch bei einem Erfolgshonorar (§ 4a RVG) überraschen würde, aber immerhin mal ganz interessant. Man weiß ja nie 🙂 .

Folgender Sachverhalt: Gestritten wird im Arrestverfahren um Prozesskostenhilfe für das Verfahren über den Widerspruch gegen eine Arrestanordnung des LG. Zugunsten der Antragstellerin, einer Rechtsanwaltskanzlei, die die Antragsgegner in einer Arzthaftungsstreitsache vor dem LG und dem KG vertreten hat, ist in dem Arrestverfahren der dingliche Arrest in eine Schadensersatzforderung gegenüber dem Beklagten des Ausgangsverfahrens, einem Herzzentrum, in Höhe einer Gebührenforderung nebst Kosten und Auslagen von 157.150 EUR angeordnet worden. Der zugrundeliegende Gebührenanspruch der Rechtsanwaltskanzlei wird aus einer Honorarvereinbarung vom 13.2./26.2.2019 abgeleitet.

Das LG hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Antragsgegner mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt. Die Behauptung der Antragsgegner, die Rechtsanwaltskanzlei habe sich nicht an Absprachen gehalten, bringe einen Vergütungsanspruch nicht zu Fall. Ob hiergegen Einwendungen berechtigt seien, müsse in einem Gebührenprozess vor dem LG geklärt werden.

Mit der sofortigen Beschwerde meinen die Antragsgegner, ein Vergleich mit dem Herzzentrum sei bislang nicht geschlossen worden, so dass es keine durch Arrest zu sichernde Forderung gebe. Die Erfolgsvereinbarung mit der Antragstellerin sei infolge der Kündigung des Mandatsverhältnisses hinfällig und überdies nach § 3a RVG nichtig, weil ihnen sowohl in erster Instanz als auch vor dem KG Prozesskostenhilfe bewilligt worden sei, der geltend gemachte Anspruch die gesetzlichen Gebühren indes weit übersteige. Zur Kündigung des Mandatsverhältnisses seien sie bewogen worden, weil die antragstellende Rechtsanwaltskanzlei versucht habe, sie zur Zustimmung zum Vergleichsschluss zu veranlassen, ohne ihnen Kenntnis über „die Parameter und das Endergebnis der Entschädigungssumme“ zu vermitteln. Namentlich hätten sie zu keinem Zeitpunkt eine klare und verbindliche Auskunft über die Höhe der Gerichtskosten erhalten; stattdessen sei ihnen angedroht worden, dass das Gericht den Streitwert auch in Höhe von 2.446.939,90 EUR festsetzen könne.

Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg. Auch nach Auffassung des OLG war Prozesskostenhilfe nicht zu gewähren. Denn für den Widerspruch gegen die Arrestanordnung des LG bestehe keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO. Auf der Grundlage des beiderseitigen Parteivorbringens sei von dem Bestehen des geltend gemachten Arrestanspruches in voller Höhe auszugehen.

Und hier die Leitsätze der Entscheidung:

  1. Die Gebührenforderung eines Rechtsanwalts aus einer Erfolgshonorarvereinbarung kann bereits dann durch einen Arrest gesichert werden, wenn die Parteien über den Gegenstand des Rechtsstreits eines materiell-rechtlichen Vergleich geschlossen haben; eines gerichtlichen Feststellungsbeschlusses bedarf es nicht.
  2. Dass der Partei Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, steht einer Erfolgshonorarvereinbarung nicht entgegen.
  3. In Arzthaftungsverfahren ist regelmäßig die Vermutung gerechtfertigt, dass die Partei ohne eine Erfolgsvereinbarung von der Rechtsverfolgung abgehalten würde.
  4. Die Kündigung des Anwaltsvertrages unmittelbar vor Beendigung des Rechtsstreit durch gerichtlichen Vergleich kann einen Arrestgrund begründen.

Lohn aus der Staatskasse für das Adhäsionsverfahren?, oder: Wenn ein Fachanwalt für Strafrecht gewaltig irrt

Smiley

Heute dann – trotz allem – RVG- bzw. Kostenrechts-Tag.

Und den Tag beginne ich mit einer Entscheidung des OLG Brandenburg, und zwar dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 24.01.2022 – 1 Ws 108/21 (S) – zur Erstattung der Gebühren des Wahlverteidigers für Tätigkeiten im Adhäsionsverfahren aus der Staatskasse. Dem Beschluss liegt folgender Verfahrensgang zu Grunde:

Der Rechtsanwalt war Wahlverteidiger eines Angeklagten. Das AG verurteilte am 19.6.2019 den Angeklagten mit inzwischen rechtskräftigen Urteil wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe. Die Kostenentscheidung erging dahin, dass dem Angeklagten sowie einem Mitangeklagten die Kosten des Verfahrens sowie die Kosten des Adhäsionsklägers und der Nebenklage auferlegt wurden. In der Hauptverhandlung hatten die beiden Angeklagten mit dem Opfer der Straftat einen Täter-Opfer-Ausgleich dahingehend erzielt, dass sie unmittelbar an Gerichtsstelle 1.000,00 EUR zahlten und sich verpflichteten, innerhalb einer Frist weitere 2.000,00 EUR an den Geschädigten zu zahlen.

Während der Hauptverhandlung am 19.06.2019 beantragte der Rechtsanwalt seine „Beiordnung“ für das Adhäsionsverfahren. Hieraufhin beschloss das AG: „Den Angeklagten werden ihre jeweiligen Wahlverteidiger für das Adhäsionsverfahren beigeordnet“. Im Folgenden schlossen die Angeklagten und der Nebenkläger, der zugleich Adhäsionskläger war, den o.a. Vergleich. Das AG hat den Streitwert für das Adhäsionsverfahren auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

Der Rechtsanwalt hat beim AG die Festsetzung der Gebühren für das Adhäsionsverfahren auf 741,37 EUR beantragt. Im Festsetzungsverfahren hat die Rechtspflegerin den Rechtsanwalt darauf hingewiesen, dass mangels Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Adhäsionsverfahren eine entsprechende Kostenfestsetzung nicht möglich sei. Der Rechtsanwalt erwiderte, dass die Beiordnung „lege artis“ gewesen sei und es „auf irgendwelche PKH-Anträge nicht ankomme“.

Die Rechtspflegerin hat den Antrag auf Kostenfestsetzung für das Adhäsionsverfahren zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es an der nach § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO erforderlichen Bewilligung von Prozesskostenhilfe fehle. Auf die Erinnerung des Rechtsanwalts hat der Amtsrichter den Beschluss der Rechtspflegerin aufgehoben und der Rechtspflegerin aufgegeben, die Kosten „für die Beiordnung des Adhäsionsverfahrens“ festzusetzen. Die Rechtspflegerin hat daraufhin die dem Rechtsanwalt „aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 0,00 EUR festgesetzt.“ Auf die Erinnerung des Rechtsanwalts hat das AG den Beschluss der Rechtspflegerin „nicht abgeändert und nicht aufgehoben.“ Hiergegen hat der Rechtsanwalt Beschwerde eingelegt. Das LG hat die Beschwerde verworfen und wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtfrage einer Gebührenfestsetzung für den Fall einer Beiordnung für das Adhäsionsverfahren ohne Gewährung von Prozesskostenhilfe und ohne Pflichtverteidigerbestellung die weitere Beschwerde zugelassen. Die weitere Beschwerde des Rechtsanwalts hatte beim OLG dann keinen Erfolg:

„1. Das Landgericht hat zutreffend dargelegt, dass ein Vergütungsanspruch des Beschwerdeführers aus § 45 RVG nicht besteht. § 45 Abs. 1 RVG erfordert die Beiordnung des Rechtsanwalts im Wege der Prozesskostenhilfe nach § 114 ff. ZPO; in welchem Verfahren die Prozesskostenhilfe gewährt wird, ist gleichgültig. Im strafrechtlichen Bereich finden sich hierzu Regelungen beispielsweise für das Klageerzwingungsverfahren (§ 172 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz StPO), für das Privatklageverfahren (§ 379 Abs. 3 StPO) oder für das Adhäsionsverfahren (§ 404 Abs. 5 StPO), die jeweils auf die Vorschriften für die Prozesskostenhilfe in „bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten“ verweisen (siehe auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. § 404 Rn. 14 f.; KK-Zabeck, StPO, 7. Aufl., § 404 Rn. 6). Ein Antrag auf Prozesskostenhilfe nach § 114 ff. ZPO für das vorliegende Adhäsionsverfahren, dem nach § 117 Abs. 2 ZPO auch eine Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten beizufügen gewesen wäre, ist jedoch weder von dem Beschwerdeführer gestellte noch ist Prozesskostenhilfe gemäß § 119 ZPO durch das Amtsgericht Potsdam – Jugendschöffengericht – bewilligt worden. Dem Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 29. August 2021 ist sogar zu entnehmen, dass sein Mandant aufgrund seines Einkommens „möglicherweise keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe hat“. Dies zu klären hätte es eines Antrags auf Prozesskostenhilfe nach § 117 ZPO bedurft.

Auch der Hinweis auf § 121 Abs. 2 ZPO in § 404 Abs. 5 Satz 2 StPO führt im vorliegenden Fall zu keinem Anspruch des Beschwerdeführers gegen die Staatskasse. Denn auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Adhäsionsverfahren setzt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach §§ 114 ff. ZPO voraus, woran es hier fehlt. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts hängt vom Bestand der Prozesskostenbewilligung ab. Eine ohne die erforderliche Prozesskostenhilfe-Entscheidung erklärte Beiordnung geht ins Leere (vgl. Ebert in: Mayer/Kroiß, RVG 8. Aufl., § 48 Rn. 55), eine Beiordnung entsteht nicht, wenn Prozesskostenhilfe nicht bewilligt worden ist, sie fällt weg, wenn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wieder aufgehoben wird (vgl. Bischof in: Bischof/Jungbauer/Brauer u.a. RVG, 9. Aufl., § 45 Rn. 11; Fölsch/Volpert in: Schneider/Volpert (Hrsg.), RVG, 9. Aufl., § 45 Rn. 30 a.E.).

2. Anders stellt sich die Beiordnungsentscheidung dar, wenn ein Fall der notwendigen Verteidigung (§§ 140 ff. StPO) gegeben ist. In diesem Fall erstreckt sich die Pflichtverteidigerbestellung auch auf das Adhäsionsverfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juli 2021, 6 StR 307/21, in: NJW 2021, 2901 f.), was sich bereits aus der engen tatsächlichen und rechtlichen, in der Regel untrennbaren Verbindung zwischen Verteidigung gegen den Tatvorwurf und der Abwehr des aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruchs des Verletzten im Sinne von § 403 StPO ergibt (BGH a.a.O.; siehe auch BGH, Beschluss vom 30. März 2001, 3 StR 25/01, in: BGHR StPO § 397a Abs. 1 Beistand 4). Ein solcher Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO lag hier zweifelsohne nicht vor. Der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt war überaus einfach gelagert und warf keine schwierigen tatsächlichen oder rechtlichen Probleme auf, auch lässt die erkannte Geldstrafe von lediglich 160 Tagessätzen auf schwere Rechtsfolgen nicht rückschließen. Eine Pflichtverteidigerbestellung ist weder beantragt noch auf eine solche erkannt worden.

3. Ein Gebührenanspruch gegen die Landeskasse ergibt sich auch nicht aus § 45 Abs. 3 RVG. Es ist bereits fraglich, ob es sich hierbei nicht um eine Zuständigkeitsnorm zur Frage handelt, welche Staatskasse die Gebühren schuldet (Hartung in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl., § 45 Rn. 52). Aber selbst wenn diese Norm („sonst“) dahin auszulegen ist, dass sonstige Fälle von Beiordnungen in Strafsachen erfasst sind (vgl. Fölsch/Volpert in: Schneider/Volpert, RVG, 9. Aufl. § 45 Rn. 23), kann sie sich nur auf Bereiche beziehen, die ohne Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Beiordnung eines Rechtsanwalts ermöglichen wie beispielsweise der Rechtsbeistand eines Nebenklägers (§ 397a Abs. 1 StPO) oder des nebenklageberechtigten Verletzten (§ 406h Abs. 3 Nr. 1 StPO), der Zeugenbeistand (§ 68b Abs. 2 Satz 2 StPO), der nach dem Therapieunterbringungsgesetz gerichtlich beigeordnete Rechtsanwalt (§ 7 ThUG), der Rechtsbeistand eines Verfolgten in Auslieferungsverfahren nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (§§ 31 Abs. 2 S. 3, 40 IRG) oder der notwendige Verteidiger (§ 140 Abs. 1, Abs. 2 StPO), auch wenn er den Angeklagten – wie oben dargelegt – im Adhäsionsverfahren vertritt. § 45 Abs. 3 RVG erstreckt sich dagegen nicht auf Fälle von Beiordnungen in Strafsachen, die mit der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach den Bestimmungen des Zivilverfahrens verknüpft sind wie beispielsweise bei Klageerzwingungsverfahren (§ 172 Abs. 3, Satz 2, 2. Halbsatz StPO), Privatklageverfahren (§ 379 Abs. 3 StPO) oder Adhäsionsverfahren ohne notwendige Verteidigung (§ 404 Abs. 5 StPO). Der vorliegende Fall der Beiordnung für das Adhäsionsverfahrens ohne notwendige Verteidigung nach § 140 StPO ist mithin kein Fall der „sonstigen“ Beiordnung nach § 45 Abs. 3 RVG, vielmehr findet sich eine abschließende Regelung in § 45 Abs. 1 RVG, so dass auf die obigen Ausführungen zu verweisen ist.

4. Der Beschwerdeführer kann sich auch nicht auf Vertrauensgesichtspunkte berufen, weil das Tatgericht eine Beiordnung ohne Bewilligung von Prozesskostenhilfe und ohne Pflichtverteidigerbestellung ausgesprochen hat. Denn dem Beschwerdeführer musste als Fachanwalt für Strafrecht bekannt sein, dass es in erster Linie ihm als Verteidiger nach § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO oblag, für das Adhäsionsverfahren einen „Antrag auf Prozesskostenhilfe“ „nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten“ zu stellen. Daran fehlt es hier, wie bereits oben dargelegt ist. Zwar mag in der erfolgten Beiordnung des Beschwerdeführers für das Adhäsionsverfahren ohne Antrag auf Prozesskostenhilfe und ohne dass ein Fall der Pflichtverteidigerbestellung vorlag, ein Fehler durch das Amtsgericht Potsdam gegeben sein, jedoch kann daraus – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat (S. 7 BA) – keine Hinweispflicht resultieren, wenn das Gericht den Fehler selbst nicht erkennt.

Es kann auch keine Rede davon sein, dass der Beschwerdeführer „unentgeltlich“ arbeiten müsste („die Sklaverei ist abgeschafft“, Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 29.03.2021); es bleibt dem Beschwerdeführer unbenommen, seine Gebühren gegenüber dem Angeklagten bzw. Verurteilten geltend zu machen.“

Dem ist m.E. nichts hinzuzufügen außer:

  • Auf den ersten Blick erscheint die Entscheidung zwar hart, aber: Das mag (auf den ersten Blick) sein, aber: Sie ist zutreffend. Der Wahlanwalt hat – wenn keine Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe erfolgt ist, keinen Anspruch gegen die Landeskasse wegen der Gebühren des Adhäsionsverfahrens. Das haben die beteiligten Gerichte zutreffend erkannt und ausgeführt. Insoweit unterscheidet er sich eben vom Pflichtverteidiger, für den nach der neuen Rechtsprechung des BGH die bloße Bestellung zum Pflichtverteidiger genügt, um auch die Gebühren für das Adhäsionsverfahren (Nr. 4143 VV RVG) aus der Staatskasse verlangen zu können, worauf das OLG hier ausdrücklich hinweist.
  • Wer trägt die Schuld an der verfahrenen Lage? Nun, sicherlich sowohl das AG als auch der Rechtsanwalt. Denn man darf m.E. schon von einem Jugendschöffengericht erwarten, dass es die Vorschrift des § 404 Abs. 5 StPO kennt und daher im Blick hat, dass die Beiordnung des Wahlanwalts im Adhäsionsverfahren eben nur unter PKH-Gesichtspunkten in Betracht kommt und daher die §§ 114 ff. ZPO zu beachten waren. Dasselbe gilt aber für den Verteidiger, der ja immerhin Fachanwalt für Strafrecht ist. Da nutzen auch markige Sprüche in der Art, dass er „unentgeltlich“ arbeiten müsse – „die Sklaverei ist abgeschafft“ – nichts. Die Beiordnung war eben nicht „lege artis“ und es kam sehr wohl „auf irgendwelche PKH-Anträge an“.
  • Auch nachträglich ist/war nichts mehr zu reparieren. Denn eine ggf. rückwirkende Bewilligung von PK setzt nach der Rechtsprechung des BGH voraus, dass der Antragsteller mit seinem Antrag bereits alles für die Bewilligung der PKH getan hat und sein Antrag (nur) nicht rechtzeitig beschieden worden ist (BGH StraFo 2011, 115; 2017, 258; Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl., 2022, Rn 371).

Keine nachträgliche PKH-Bewilligung, oder: Auch nicht nach nur vorläufiger Einstellung

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Am Gebührenfreitag stelle ich heute zwei AG-Entscheidungen vor.

Zunächst kommt hier der AG Kehl, Beschl. v. 21.06.20212 Cs 305 Js 3272/19 (2) – (noch einmal) zur nachträglichen Bewilligung von Prozesskotenhilfe. Das AG hat nach einer vorläfugen Einstellung nach § 153a den dann noch gestellten Antrag als verspätet angesehen:

„Die Beschwerde gibt keinen Anlass zur Änderung der angefochtenen Entscheidung.

Soweit die Nebenklägerin erstmals mit der Beschwerde erklärt, dass es sich bei dem monatlichen Zahlungseingang von 900 € auf ihrem Konto um den Transfert der bereits als Mieteinnahmen in Polen als Einkommen berücksichtigten 800 € vom Mietkonto in Polen handele, ist dies – unabhängig von der betragsmäßig nicht unerheblichen und deshalb die Wahrhaftigkeit ihrer Angaben in Zweifel ziehende Differenz – unbeachtlich. Aufgrund der – wenngleich bislang nur vorläufigen – Einstellung des Verfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO gilt das Verfahren nämlich als abgeschlossen, weil die eine Erfolg versprechende Rechtsverfolgung – jedenfalls bis zu einer etwaigen Wiederaufnahme – nicht (mehr) möglich ist. Eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 397a Abs. 2 StPO kommt nur dann in Betracht, wenn der Antrag auf Prozesskostenhilfe vollständig vor Abschluss der Instanz gestellt, vom Gericht aber nicht rechtzeitig beschieden wurde (vgl. KK-StPO/Walther, 8. Aufl. 2019 Rn. 14, StPO § 397a Rn. 14 MüKoZPO/Wache, 6. Aufl. 2020 Rn. 55, ZPO § 119 Rn. 55 BeckOK ZPO/Reichling, 40. Ed. 1.3.2021, ZPO § 119 Rn. 6, 7). Nachdem – trotz des Hinweises des Gerichts – auch mit der am Tag der Hauptverhandlung, in der das Verfahren eingestellt wurde, eingereichten zweiten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse keine Erläuterungen zu den 900 € erfolgte, muss der Antrag zu diesem Zeitpunkt jedoch als (noch) nicht vollständig angesehen werden (vgl. MüKoZPO/Wache, a.a.O, § 117 Rn. 19). Darüber hinaus verhält sich Nebenklägerin weiterhin nicht zu etwaigen Konten in Polen, obwohl sich der Bestand aufgrund der dort erzielten Mieteinnahmen nicht nur aufdrängt, sondern sie nach der Beschwerdebegründung zumindest über ein Mietkonto verfügt. Bereits deshalb ist der Antrag auf Prozesskostenhilfe – nach wie vor – unvollständig und kann deshalb keine Grundlage für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe sein.

Soweit die Nebenklägerin meint, das Gericht habe bei der ablehnenden Entscheidung Unterhaltszahlungen berücksichtigt, unterliegt sie offenbar einem Missverständnis der Begründung der Entscheidung. Für die Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen bestand mangels entsprechender Angaben in ihrer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auch kein Anlass. Das Missverständnis der Nebenklägerin beruht womöglich darauf, dass das Gericht für die Kinder als Unterhaltsberechtigte einen Freibetrag von jeweils 340 € angesetzt hatte.“

Also wenn schon ein PKH-Antrag, dann auf jeden Fall rechtzeitig 🙂 . Dazu dann auch der Hinweis auf: Pflichti II: “Rückwirkungsentscheidungen”, oder: Nachträglicher Pflichtverteidiger/nachträgliche PKH