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Pauschgebühr für den Nebenklägervertreter, oder: Aber nur „Anerkennungsgebühr“

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Und als zweite Entscheidung dann mal wieder ein Beschluss zur Pauschvergütung (§ 51 RVG). In diesem Fall war es der Nebenklägervertreter, der nach Abschluss eines Verfahrens wegen Mordes eine Pauschvergütung beantragt hat.

Das OLG Dresden hat sie im OLG Dresden, Beschl. v. 11.12.2019 – 1 (S) AR 60/19 – bewilligt:

1. Dem Antragsteller ist nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG eine Pauschgebühr zu bewilligen, weil die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis wegen des besonderen Umfangs der Sache unzumutbar sind. Der Senat hält im Rahmen seines insoweit auszuübenden pflichtgemäßem Ermessen eine Pauschgebühr von zusätzlich 700,00 € für angemessen.

a) Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG ist Voraussetzung der Bewilligung einer Pauschgebühr, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgeht, dass diese wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache bzw. des betroffenen Verfahrensabschnitts nicht zumutbar ist. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stellt dabei die Ausnahme dar; die anwaltliche Mühewaltung muss sich von sonstigen auch überdurchschnittlichen Sachen – in exorbitanter Weise abheben (BGH, Beschluss vom 01. Juni 2015, 4 StR 267/11, juris). Bei der Beurteilung ist ein objektiver Maßstab zugrunde zu legen (vgl. BVerfG NJW 2005, 1264). Besonders umfangreich im Sinne des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist eine Strafsache, wenn der vom Verteidiger hierfür erbrachte zeitliche Aufwand erheblich über dem Zeitaufwand liegt, den er in einer normalen Sache zu erbringen hat (vgl. OLG Celle StRR 2011, 240). Als Vergleichsmaßstab sind dabei Verfahren heranzuziehen, die den Durchschnittsfall der vor dem jeweiligen Spruchkörper verhandelten Sachen darstellen (vgl. BGH Rpfl. 1996, 169; NStZ 1997, 98; OLG Hamm JurBüro 1999, 194; OLG Celle a.a.O.).

b) Ein Schwergewicht der Arbeit des Nebenklägervertreters lag hier zweifellos in der Einarbeitung in die mit mehr als 23.000 Seiten weit über Durchschnitt umfangreichen Ermittlungsakten bis zum Beginn der Hauptverhandlung. Für die Einarbeitung hat der Senat einen zusätzlichen Arbeitsaufwand angenommen, der sich einerseits am Ansatz der Bezirksrevisorin in ihrer Stellungnahme vom 18. November 2019 orientiert und der auf 700,00 € zu erhöhen war, da der Aktenumfang von mehr als 23.000 Blatt den Ansatz der Bezirksrevisorin von lediglich 10.000 Blatt erheblich überstiegen hat. Der Senat geht hierbei davon aus, dass erfahrungsgemäß die Einarbeitung in das Kerngeschehen eines Falles den größten Arbeitsaufwand verursacht, während im übrigen eine jedenfalls weniger intensive Einarbeitung in Randgeschehnisse der Angelegenheit möglich ist, so dass sich die proportionale Multiplizierung des Ansatzes der Bezirksrevisorin verbietet. Aufgrund des Umfangs der Sache war aber die Erhöhung des Ansatzes der Bezirksrevisorin auf 700,00 € veranlasst.

2. Dem Antragsteller steht eine weitere Pauschgebühr in Höhe von 2.000,00 € wegen der Schwierigkeit der Sache zu. Zu Recht weist der Antragsteller darauf hin, dass es sich um ein 30 Jahre zurückliegendes Tötungsdelikt handelt, das mangels Geständnis des Angeklagten innerhalb von 42 Verhandlungstagen erstinstanzlich aufgeklärt werden musste, wobei umfangreicher Zeugen- und Sachverständigenbeweis erhoben werden musste. Damit ist die Sache als komplex einzustufen. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Falles ein öffentlichkeitswirksames Geschehen vorlag, das den Verfahrensbeteiligten auch besondere Belastungen auferlegte. Angesichts dessen hält der Senat eine zusätzliche Pauschgebühr von 2.000,00 € für angemessen.

Aus der Stellungnahme der Bezirksrevisorin vom 18. November 2019 folgt, dass der gesetzliche Gebührenanspruch vorliegend 16.212,00 € beträgt. Dieser Betrag ist um die vorgenannten Beträge (700,00 € und 2.000,00 €) zu erhöhen, so dass sich eine Pauschvergütung von insgesamt 18.912,00 € ergibt.

3. Ein weitergehender Antrag auf Zuerkennung einer Pauschgebühr steht dem Antragsteller nicht zu.

Maßgebend für die Höhe der Pauschgebühr ist das Gesamtgepräge des Verfahrens. Beurteilungskriterien sind etwa die Anzahl der Hauptverhandlungstage, der Umfang der Gerichtsakten, die Anzahl der vernommenen Zeugen und Sachverständigen, die Anzahl und Dauer von Vorbesprechungen mit dem Mandanten, der sonstige Vorbereitungsaufwand sowie die Anzahl und der Umfang gefertigter Schriftsätze (vgl. OLG Celle StraFo 2005, 273). Nur soweit eine Gesamtschau dieser Kriterien dem Verfahren das Gepräge gibt, dass die Arbeitskraft des Verteidigers durch das Verfahren in besonderer Weise gebunden war (BVerfG NStZ-RR 2015, 395), ist eine Pauschgebühr veranlasst Nach diesem Maßstab ist die Zuerkennung einer weiteren Pauschgebühr nicht angemessen. Zu Recht hat die Bezirksrevisorin in ihrer Stellungnahme vom 18. November 2019 hinsichtlich einer besonders umfangreichen außergerichtlichen Tätigkeit bzw. hinsichtlich besonders vieler Hauptverhandlungen darauf hingewiesen, dass die Bewilligung einer Pauschvergütung angesichts erfolgter Gebührenanpassungen grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Hiervon abzuweichen besteht kein Anlass.2

Da ist sie wieder die falsche „Bemerkung“ des  BGH zur „exorbitanten Weise“, die alle OLG übernehmen, ohne mal zu prüfen, ob sie richtig ist. Und die Beträge? Na ja, auch nicht viel mehr als eine „Anerkennungsgebühr“.

200 EUR für 9,5 Stunden sind nicht unzumutbar, oder: Zum Kotzen

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So heute am Gebührenfreitag dann zunächst zwei Entscheidungen zum Ärgern. Ja, ich kann es nicht ändern. 🙂

Zunächst ein Beschluss des BVerfG zur Pauschvergütung bei einem Zeugenbeistand. Wenn man den BVerfG, Beschl. v. 22.07.2019 – 1 BvR 1955/17 – liest, weiß man nicht, über wen man sich mehr ärgern muss/soll: Über das OLG Düsseldorf, das den Zeugenbeistand, der an drei Hauptverhandlungstagen an der insgesamt 9,5 Stunden dauernden Vernehmung seines Mandanten teilgenommen hatte, mit 200 EUR – ja, richtig gelesen – abspeist oder über das BVerfG, das in seinem Beschluss meint, das sei noch nicht unzumutbar? Es ist „unfassbar“:

„II.

1. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer vornehmlich eine Verletzung seiner Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG.

Die gesetzliche Vergütung der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Zeugenbeistand an drei Hauptverhandlungstagen mit nur einer Gebühr in Höhe von 200 Euro stelle ein grundrechtsverletzendes wirtschaftliches Sonderopfer dar. Das Oberlandesgericht berufe sich zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Bewilligung einer Pauschgebühr bei einer Existenzgefährdung, weil diese bloß für einen Pflichtverteidiger gelten könne. Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG hätten vorgelegen. Die Versagung im vorliegenden Fall stelle einen nicht mehr gerechtfertigten Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG dar, da sie dem Beschwerdeführer die verfassungsrechtlich gebotene finanzielle Kompensation für den staatlichen Eingriff vorenthalte. Die Vergütung seiner Arbeitskraft an drei Verhandlungstagen mit 200 Euro netto sei existenzgefährdend.

2. Zu der Verfassungsbeschwerde und den durch sie aufgeworfenen Fragen haben das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, die Präsidentin des Oberlandesgerichts Düsseldorf für die Landeskasse, die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Anwaltverein e.V., der Deutsche Strafverteidiger e.V. und der Weisse Ring e.V. Stellung genommen. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

III.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Sie hat weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg, weil nicht erkennbar ist, dass der Beschwerdeführer in seinen Grundrechten verletzt sein könnte.

1. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

a) Die Bestellung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts als Zeugenbeistand ist – wie die Bestellung als Pflichtverteidiger (vgl. BVerfGE 68, 237 <253 f.> – eine besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken. Verfassungsrechtlich ist geklärt, dass dieser Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung und der sich daraus ableitenden kostenrechtlichen Folge ausreichenden Gründen des Gemeinwohls, nämlich der Sicherung der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens, dient (zur Bestellung eines Pflichtverteidigers vgl. BVerfGE 39, 238 <241 f.>). Daher ist die Begrenzung des Vergütungsanspruchs eines Rechtsanwalts durch einen vom Gesetzgeber im Sinne des Gemeinwohls vorgenommenen Interessenausgleich, der auch das Interesse an einer Einschränkung des Kostenrisikos berücksichtigt, gerechtfertigt, sofern die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (vgl. BVerfGE 68, 237 <255>). In Strafsachen besonderen Umfangs, die die Arbeitskraft einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch nehmen, ohne dass sie sich dieser Belastung entziehen könnten, gewinnt die Höhe der Vergütung existentielle Bedeutung (zum Pflichtverteidiger vgl. BVerfGE 68, 237 <255>). Eine Indienstnahme zu den gesetzlichen Gebühren könnte dann dem Rechtsanwalt ein unzumutbares Opfer abverlangen. Das Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) gebietet für solch besondere Fallgestaltungen eine Regelung, die es, wie heute § 51 RVG, ermöglicht, der aufgezeigten Inanspruchnahme Rechnung zu tragen und ihn entsprechend zu vergüten (vgl. BVerfGE 47, 285 <321 f.>; 68, 237 <255>), um ein angemessenes Verhältnis zwischen Eingriffszweck und Eingriffsintensität sicherzustellen (vgl. BVerfGE 101, 331 <347>).

b) Gemessen hieran ist ein unzumutbarer Eingriff in die Berufsfreiheit des Beschwerdeführers nicht ersichtlich. Das Oberlandesgericht hat bei seiner Auslegung des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG Bedeutung und Tragweite des Art. 12 Abs. 1 GG nicht verkannt. Obgleich die Heranziehung der verfassungsrechtlichen Zumutbarkeitsgrenze zur Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals „nicht zumutbar“ im Sinne des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG einfach-rechtlich nicht zwingend ist, ist die Annahme des Oberlandesgerichts, die niedrige gesetzliche Gebühr sei nicht unzumutbar, da die Indienstnahme des Beschwerdeführers an drei Hauptverhandlungstagen keine längere Zeit darstelle, die seine wirtschaftliche Existenz hätte gefährden können, jedenfalls vorliegend verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Zwar sind neben der Fallgruppe der wirtschaftlichen Existenzbedrohung – gerade hinsichtlich des Zeugenbeistands – grundsätzlich auch weitere Härtefälle denkbar, in denen von einem verfassungsrechtlich unzumutbaren Sonderopfer wegen zu geringer Vergütung auszugehen sein könnte. Auch kann schon eine im Vergleich zu einem Pflichtverteidiger deutlich geringere zeitliche Inanspruchnahme eines Zeugenbeistands dessen wirtschaftliche Existenz bedrohen, da der Zeugenbeistand – anders als der Pflichtverteidiger – nicht für jeden Hauptverhandlungstag mit einer Terminsgebühr vergütet wird.

bb) Vorliegend ist aber weder dargetan noch ersichtlich, dass die Grenze der verfassungsrechtlichen Zumutbarkeit nicht gewahrt und dem Beschwerdeführer ein unzumutbares Sonderopfer aufgebürdet worden wäre. Das Oberlandesgericht hat zwar insoweit lediglich auf den vom Beschwerdeführer erbrachten Gesamtaufwand von drei Verhandlungstagen in einem besonders umfangreichen Verfahren abgestellt und insbesondere weder die notwendige Vorbereitung noch den für die Anreise zum Gerichtsort erforderlichen Zeitaufwand ausdrücklich berücksichtigt. Doch auch unter Einbeziehung dessen ist nicht erkennbar, dass dem Beschwerdeführer ein unzumutbares Sonderopfer abverlangt worden wäre, insbesondere, weil er durch seine Tätigkeit als Beistand so belastet gewesen sei, dass dies seine Existenz gefährdet hätte oder zumindest erhebliche finanzielle Aus-wirkungen auf seinen Kanzleibetrieb gehabt haben könnte. Der Vortrag, die gesetzliche Vergütung sei offensichtlich existenzgefährdend, genügt insoweit nicht.“

Vorsichtig ausgedrückt: Kopfschüttel. Etwas drastischer: Zum Kotzen….

Pauschgebühr II: Vorschussgewährung, oder: Aber nicht auf das, was noch kommt

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Die zweite Entscheidung, die ich vorstelle, der OLG Naumburg, Beschl. v. 13.08.2019 –  1 AR (Kost) 7/19 – kommt vom OLG Naumburg. Er hat eine „Vorschussproblematik“ zum Gegenstand (§ 51 Abs. 1 Satz 5 RVG).

Bewilligt worden ist ein Vorschuss von 78.900,00 EUR bewilligt worden. Einen höheren Vorschuss hat das OLG abgelehnt:

„Gem. § 51 Abs. 1 S. 5 RVG ist dem Rechtsanwalt „ein angemessener Vorschuss zu bewilligen, wenn ihm insbesondere wegen der langen Dauer des Verfahrens nicht zugemutet werden kann, die Festsetzung der Pauschgebühr abzuwarten“.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist hier ein Vorschussanspruch im Hinblick auf den außerordentlichen Umfang sowie die Länge und die Schwierigkeit des Verfahrens dem Grunde nach gerechtfertigt. Der Höhe nach erachtet der Senat im Anschluss an die Ausführungen der Bezirksrevisorin in deren Stellungnahme vom 31.07.2019 einen Vorschuss i.H.v. 78.900,00 € (entspricht den doppelten Pflichtverteidigergebühren) für angemessen. Hiermit hat sich der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 09.08.2019 auch einverstanden erklärt und seinen weitergehenden Antrag zurückgenommen.

Dem im Schriftsatz vom 09.08.2019 gestellten Antrag, auszusprechen, dass die doppelte Pflichtverteidigergebühr auch als Pauschvorschuss für das noch weiterhin durchzuführende Verfahren gilt, konnte hingegen nicht entsprochen werden. Maßstab für einen Vorschuss ist stets die bereits erbrachte Leistung. Auf erst noch zu erbringende Leistungen kann demnach kein Vorschuss gezahlt werden, sondern es kann erst nach (weiterer) Leistungserbringung ein (weiterer) Vorschuss verlangt werden kann, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 S. 5 RVO vorliegen (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., § 51 Rn. 69, 73, 74 m.w.N.“

M.E. zutreffend.

Pauschgebühr I: Komplexes Wirtschaftsstrafverfahren, oder: Mehrere Pflichtverteidiger

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Am heutigen „Gebührenfreitag“ stelle ich zunächst zwei Entscheidungen zur Pauschgebühr (§ 51 RVG) vor; hier in Niedersachsen ist kein Feiertag, es kann also . gearbeitet werden.

Ja, zur Pauschgebühr für den Pflichtverteidiger. Man ist fast gewillt, zu schreiben: Ja, die gibt es noch. Denn, das merkt man deutlich: Die Fälle, in denen Pauschgebühren bewilligt werden, sind stark rückläufig. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass der BGH immer wieder schreibt, die Gebühr könne nur dann bewilligt werden, wenn sich das Verfahren in „exorbitanter Weise“ von anderen Fällen unterscheide. Das ist falsch, stört die OLG aber nicht. Denn damit hat man dann einen Ansatzpunkt, um die Gebühr nicht zu bewilligen.

In dem dem OLG Köln, Beschl. v. 18.10.2019 – III 1 RVGs 39/19 – zugrunde liegenden Verfahren ging dann aber doch wohl kein Weg an einer Pauschgebühr vorbei. Es hat sich um ein umfangreiches Wirtschaftsstrafverfahren gehandelt, in dem selbst der Umstand, dass dem Angeklagten zwei Pflichtverteidiger beigeordnet waren, nicht zur Ablehnung des Antrags geführt hat. Das wird von anderen OLG gern angeführt, das OLG Köln sieht diesen Umstand aber zutreffend anders:

§ 51 Abs. 1 S. 1 RVG sieht die Festsetzung einer Pauschgebühr in Strafsachen für den Fall vor, dass die gesetzlichen Gebühren des gerichtlich bestellten Rechtsanwalts wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit „nicht zumutbar sind“. Die Vorschrift soll verhindern, dass der bestellte oder beigeordnete Verteidiger im Verhältnis zu seiner Vergütung unzumutbar belastet wird, dass ihm ein grundrechtsverletzendes wirtschaftliches Sonderopfer abverlangt wird (Vgl. BVerfG NJW 2007, 1445). Dass dabei im Ergebnis die Vergütung des beigeordneten Anwalts gleichwohl deutlich unter der eines Wahlverteidigers liegt bzw. liegen kann, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG NJW 2007, 3420). Insbesondere muss eine Pauschvergütung nicht unbedingt kostendeckend sein; sie soll das dem Pflichtverteidiger auferlegte Opfer mildern (OLG Nürnberg, Beschluss vom  10.05.2011 aE — 1 AR 15/11 — zitiert nach Burhoff online, RVG Entscheidungen; SenE v. 11. 07.2014 — 111-1 RVGs 47/14). Mit der Tatbestandsformulierung „nicht zumutbar sind“ soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Bewilligung einer Pauschgebühr die Ausnahme darstellt. Die Bewilligung setzt voraus, dass die anwaltliche Mühewaltung sich von sonstigen auch überdurchschnittlichen Sachen — in ganz erheblicher Weise abheben muss (vgl. BGH, 3.StR 117/12, Beschluss vom 17.09.2013; BGH, 4 StR 73/10, Beschluss vom 11.02.2014; jeweils: „in exorbitanter Weise“).

Da wesentliche Gesichtspunkte, die noch unter Geltung der BRAGO Anlass zur Gewährung einer Pauschgebühr gegeben haben, nunmehr bereits bei der Bemessung  der gesetzlichen Gebühr nach dem RVG berücksichtigt werden (z.B. Teilnahme an Vernehmungen im Ermittlungsverfahren und an Haftprüfungsterminen, besonders lange Dauer der Hauptverhandlung), ist der praktische Anwendungsbereich der Vorschrift eingeschränkt (vgl. OLG Köln 2. StrafS B. v. 03.05. 2005 – 2 ARs 87/05 B. v. 06.01.2006 – 2 ARS 231/05 SenE v. 26.04.2007 – 1 ARs 20/07 SenE v. 08.02.2008 – 1 ARs 3/08 -).

2. Auf der Grundlage des Antragsvorbringens und der dem Pflichtverteidiger bekannt gemachten Stellungnahme des Vertreters der Landeskasse vom 19. August 2019 sowie unter Zugrundelegung der Maßstäbe des Senats erscheint eine Erhöhung der gesetzlichen Gebühren in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gerechtfertigt, aber auch ausreichend, um eine unzumutbare Belastung des Pflichtverteidigers zu vermeiden. Letztlich hält der Senat den zuerkannten Betrag für angemessen und ausreichend, um ein grundrechtsverletzendes wirtschaftliches Sonderopfer des Antragstellers zu vermeiden, während die von ihm angeregte Höhe im Bereich der doppelten Wahlverteidigerhöchstgebühr deutlich überhöht erscheint.

Es handelte sich insgesamt um ein überdurchschnittlich umfangreiches und komplexes Wirtschaftsstrafverfahren mit Auslandsbezug, bei dem sich der Mandant zudem in Auslieferungshaft befunden hatte. Ins Gewicht fiel vorliegend daher insbesondere ein deutlich erhöhter Aufwand im Rahmen der Vorbereitung der Hauptverhandlung sowie der Hauptverhandlungstermine unter erforderlicher Hinzuziehung eines Dolmetschers. Ausweislich der mündlich eingeholten Stellungnahme des Pflichtverteidigers wurde der Mandant zudem wiederholt im gesicherten Zuführbereich des Landgerichts Köln unter Hinzuziehung eines Dolmetschers ergänzend zeitintensiv beraten.

Eingeflossen ist in angemessenem Umfang der von dem Vertreter der Landeskasse aufgeworfene Gesichtspunkt der Kompensation. Was den Umstand anbetrifft, dass der Angeklagte von zwei Pflichtverteidigern vertreten worden ist, ist anzumerken, dass eine ordnungsgemäße Verteidigung im Grundsatz von jedem Pflichtverteidiger das gleiche Maß an Aufwand und Sorgfalt, insbesondere im Stadium der Vorbereitung, verlangt. Gewisse Synergieeffekte sind gleichwohl nicht von der Hand zu weisen.“

Pauschgebühr in Höhe der Wahlanwaltshöchstgebühr, oder: Geht doch, zumindest beim BGH

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Und als zweite Entscheidung des Tages eine weitere Entscheidung vom BGH, und zwar der BGH, Beschl. v. 04.06.2019 – 1 StR 454/17. Er hat die Festsetzung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG zum Gegenstand. Der Beschluss enthält nichts Besonderes oder irgendetwas Neues. Er zeigt aber m.E. mal wieder sehr schön, dass der BGH mit der Gewährung einer Pauschgebühr in Höhe der Wahlanwaltsgebühren – eine der heiligen Kühe der OLGs – keine Probleme hat und die Pauschgebühr in der Höge bewilligt. Und zwar ohen ein (weiteres) Wort der Begründung. Geht doch, kann man da nur sagen:

Die Pflichtverteidigerin hat die Bewilligung einer Pauschgebühr in Höhe von 560 € für die Vertretung in der Hauptverhandlung sowie für das Revisionsverfahren in Höhe von 1.110 € beantragt.

Der Bundesgerichtshof ist gemäß § 51 Abs. 2 Satz 2 RVG für die Entscheidung über die Höhe der Terminsgebühr zuständig. Nach Anhörung der Staatskasse hat der Senat antragsgemäß eine Pauschgebühr in Höhe von 560 € bewilligt.

Zur Vorbereitung der Hauptverhandlung vor dem Senat hatte sich die Antragstellerin mit umfangreichen und schwierigen Fragestellungen aus dem Steuerstrafrecht im Bereich der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme zu befassen, die auch eine Einarbeitung in das französische Recht erforderten. Angesichts dessen war der Zeitaufwand für die Vorbereitung des Termins höher als bei anderen Verfahren.

Die gesetzlich vorgesehene Terminsgebühr für den Pflichtverteidiger in Höhe von 272 Euro war daher angemessen zu erhöhen, da eine besonders umfangreiche Vorbereitung der Revisionshauptverhandlung erforderlich war, die den üblichen mit einer Revision verbundenen Aufwand überstieg. Der Senat setzt deshalb antragsgemäß eine Pauschgebühr in Höhe von 560 € fest. Dies entspricht dem Höchstbetrag für die Wahlanwaltsvergütung.

Die von der Antragstellerin beantragte Pauschvergütung für das Verfahren betrifft nicht die Revisionshauptverhandlung. Über die Höhe der Verfahrensgebühr hat das zuständige Oberlandesgericht zu entscheiden (§ 51 Abs. 2 Satz 1 RVG).“

Und bei der Gelegenheit: Mein Ordner mit Gebührenentscheidungen ist ziemlich ausgedünnt. Ich bin also sehr an neuen Entscheidungen „interessiert“.