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Pauschgebühr im Auslieferungsverfahren, oder: Lächerliche 100 € mehr als die gesetzlichen Gebühren

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Die zweite Gebührenentscheidung kommt vom OLG Karlsruhe. Es handelt sich um den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.02.2019 – P 301 AR 8/19, den mir der Kollegen Brüntrup aus Minden vor ein paar Tagen geschickt hat.

Gegenstand der Entscheidung? Pauschvergütung (§ 51 RVG) des Beistands im Auslieferungsverfahren nach dem IRG. Der Kollege war Beistand des Verfolgten (§ 42 IRG). Der Kollege hat eine Pauschvergüutn von 200,– € über den gesetzlichen Gebühren beantragt, der Bezirksrevisor hat eine Pauschgebühr in Höhe von 420,– € (abzüglich bereits erhaltener Vorschüsse und Zahlungen) „für vertretbar“ – schöne (?) Formulierung – gehalten. Das OLG hat dann in der Höhe eine Pauschgebühr bewilligt:

„Der Senat ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschvergütung nach § 51 Abs. 1 RVG erfüllt sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann in Auslieferungssachen nach dem IRG – ebenso wie generell in Strafsachen – eine Pauschvergütung dann bewilligt werden, wenn entweder der besondere Umfang der Auslieferungssache und/oder deren besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten den Beistand nötigten, eine über das Maß normaler Bemühungen in Auslieferungssachen erheblich hinausgehende Tätigkeit zu entfalten, und wenn sich deshalb die nach dem Vergütungsverzeichnis zum RVG für einen Pflichtbeistand vorgesehene gesetzliche Vergütung als unzumutbar niedrig erweist (vgl. zuletzt speziell für Auslieferungssachen u.a. Senat, Beschl. v. 07.01.2019 – P 301 AR 180/18 -). Dies ist nach Bewertung und Abwägung aller die Tätigkeit des Rechtsanwalts prägenden maßgeblichen Umstände vorliegend der Fall.

Was die Höhe der zu gewährenden Pauschvergütung angeht, muss zunächst Beachtung finden, dass sich das Verfahren wegen des – bei Auslieferungssachen allerdings grundsätzlich und regelmäßig gegebenen – tatsächlichen und rechtlichen Auslandsbezugs sowie wegen der erforderlichen Befassung mit speziellen Problemen des materiellen und formellen ausländischen Straf- und Auslieferungsrechts für den Antragsteller schwierig gestaltete. Ferner ist zu sehen, dass der Rechtsanwalt den Verfolgten im Polizeigewahrsam in Minden –Lübbecke besucht und am Verkündungstermin des Haftbefehls vor dem AG Minden teilgenommen hat. Andererseits konnte nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich der Umfang der Verfahrensakten sowohl zum Zeitpunkt der Bestellung des Rechtsanwalts als Beistand am 09.11.2018 als auch zum Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung des Senats am 16.01.2019 in einem vergleichsweise noch durchschnittlichen Rahmen bewegte. Nach umfassender Bewertung und Abwägung aller maßgeblichen Verfahrensmomente erschien es deshalb angemessen und zur Vermeidung eines dem Rechtsanwalt nicht zumutbaren Sonderopfers geboten, diesem eine an die Stelle der gesetzlichen Pflichtverteidigergebühr tretende Pauschvergütung zuzubilligen und diese auf 420 € zu bemessen, was in Höhe von ca. 60 % der sich nach Nr. 6101 VV RVG auf 690.–€ belaufenden Rahmenhöchstgebühr eines Beistands als Wahlverteidiger entspricht.“

Vertretbar? Im Grunde genommen lächerlich. Das sind knapp 100 € mehr als die gesetzlichen Gebühren der Nr. 6101 VV RVG. Ich hoffe, dass der Kollege den Betrag nicht auf einmal ausgibt.

Da bleibt auch nur dieses Beitragsbild 🙂 .

Und bei der Gelegenheit: Ich freue mich über jede Entscheidung zu/mit einer gebührenrechtlichen Problamtik. Die stelle ich dann gern hier vor und bearbeite sie für den RVGreport, für den StRR und/oder den VRR. Im Moment ist mein „Gebührenordner“ ziemlich leer. Ich kann also Nachschub gebrauchen 🙂 .

Pauschgebühr, oder: Bemessung auf das Doppelte der Wahlanwaltsgebühren?

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Heute ist „Money-Day“. Den eröffne ich mit dem OLG Schleswig, Beschl. v. 10.09.2018 – 1 Str 7/18, den mir der Kollege Breu aus Hamburg vor einiger Zeit geschickt hat. Das OLG hat ihm für seine Tätigkeiten als Pflichtverteidiger eine Pauschgebühr nach § 51 RVG bewilligt, ja, man ist erstaunt. Das OLG führt u.a. aus:

„Nach den Ausführungen des Pflichtverteidigers, die durch die Stellungnahme der Vorsitzenden der VII. Großen Strafkammer des Landgericht Lübeck dem Grunde nach bestätigt werden, war die Sache besonders umfangreich, so dass insoweit die gesetzlichen Gebühren eines Pflichtverteidigers unzumutbar sind und anstelle der gesetzlichen Grundgebühr Nr. 4100 VV-RVG, der Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV-RVG und der Verfahrensgebühr für den ersten Rechtszug vor der Strafkammer Nr. 4112 VV-RVG eine Pauschvergütung bewilligt wird.

Hinsichtlich der Höhe der Pauschgebühr normiert § 51 RVG zwar keine gesetzliche Obergrenze. Daher darf diese die gesetzlichen Rahmenhöchstgebühren eines Wahlverteidigers grundsätzlich auch überschreiten. Die Höchstgebühr eines Wahlverteidigers hat aber in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte in der Regel die obere Grenze der Pauschgebühr nach § 51 RVG gebildet (vgl. OLG Hamm NJW 2007, 311; OLG Karlsruhe Rechtspfleger 2005, 694).

Im vorliegenden Fall ist die Tätigkeit des Pflichtverteidigers außerhalb und zur Vorbereitung der Hauptverhandlung aber derart umfangreich, dass deren Vergütung auch mit den Rahmenhöchstgebühren eines Wahlverteidigers grob unangemessen wäre. Daher ist hier von der Regelgrenze abzuweichen, so dass hinsichtlich der Grundgebühr sowie der Verfahrensgebühren Pauschgebühren in Höhe des Doppelten der Höchstgebühren eines Wahlverteidigers festgesetzt werden. Dabei berücksichtigt der Senat insbesondere den erheblichen Aktenumfang, die schwierige Rechtslage und die lange Verfahrensdauer.

Dagegen ist nicht erkennbar, dass auch die Hautverhandlungstermine selbst Besonderheiten aufwiesen. Die bis fünf Stunden dauernden Hauptverhandlungstermine dauerten mit längstens 3.46 Stunden und sonst immer weniger als 3.00 Stunden, z. T. nur 11 Minuten, unterdurchschnittlich lange, und auch die Hauptverhandlungstermine von über fünf bzw. acht Stunden Dauer zum Teil dauerten überwiegend nur wenige Minuten länger als der Gebührensprung und waren damit verhältnismäßig kurz, so dass die Differenz zwischen den damals und heute geltenden Gebührensätzen für die Terminstage durch deren kurze Dauer ausgeglichen wird.

Unter Berücksichtigung aller Umstände erscheint es deshalb angemessen, anstelle der Sätze für einen Pflichtverteidiger bei den Grund- und den Verfahrensgebühren jeweils das Doppelte der Höchstgebühren für einen Wahlverteidiger zu bewilligen….“

Leider mal wieder keine Verfahrenstatsachen und/oder eine Aufzählung der vom Kollegen erbrachten Tätigkeiten, so dass nicht abschließend beurteilt werden kann, ob die vom OLG bewilligte Pauschgebühr von 1.640 € unter Berücksichtigung der erbrachten Tätigkeiten tatsächlich, wie das OLG meint, angemessen ist.

Im Übrigen: Nicht zutreffend ist es, wenn das OLG davon ausgehen sollte, dass bereits die Bejahung von „besonderem Umfang“ zur „Unzumutbarkeit“ der gesetzlichen Gebühren führt. Zumindest ist unsauber formuliert, wenn das OLG ausführt: „war die Sache besonders umfangreich, so dass insoweit die gesetzlichen Gebühren eines Pflichtverteidigers unzumutbar sind“. Das wäre schön, wenn allein das Vorliegen von „besonderem Umfang“ oder „besonderer Schwierigkeit“ automatisch dazu führen würde, dass die gesetzlichen als unzumutbar anzusehen wären und dann eine Pauschgebühr zu bewilligen wäre. Das ist aber nach h.M. nicht der Fall, sondern es ist danach immer auch noch zu prüfen, ob eben wegen des „besonderen Umfangs“ oder der „besonderen Schwierigkeit“ von „Unzumutbarkeit“ auszugehen ist (vgl. Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, § 51 RVG Rn 25 ff. m.w.N.).

Und: Auf den ersten Blick meint man, das OLG gehe davon aus, dass das Doppelte der Wahlanwaltshöchstgebühren die Grenze (auch) für eine Pauschgebühr des Pflichtverteidigers nach § 51 RVG ist. Das ist aber nicht der Fall. Die für den Wahlanwalt geltende Grenze (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 4 RVG) ist nämlich auf den Pflichtverteidiger und dessen Pauschgebühr nach § 51 RVG nicht übertragbar (OLG Stuttgart RVGreport 2008, 383 = StRR 2008, 359 = AGS 2008, 390). Das OLG München hat das zwar vor kurzem zwar anders gesehen (vgl. OLG RVGreport 2017, 291). Die Auffassung ist jedoch falsch und mit dem RVG nicht vereinbar. Das OLG Schleswig scheint es aber letztlich so wie das OLG Stuttgart zu sehen. Dafür spricht, dass das OLG zu der streitigen Frage kein Wort verliert, was sonst aber erforderlich und auch zu erwarten gewesen wäre.

<<Werbemodus an>>: Vieles zur Pauschgebühr nach § 51 RVG findet man in „Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Auflage, 2017“. Bestellen kann man das Werk hier. Und aufgepasst: Von dem Werk gibt es derzeit Mängelexemplare, die nur 89,90 € kosten. Ein Kauf, der sich mit Sicherheit „lohnt“. <<Werbemodus aus>>

Pauschgebühr und „Konfliktverteidigung“, oder: Wenn u.a. die Vernehmung von u.a. Trump, Putin, Macron und Assad beantragt wird

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Pauschvergütungsentscheidungen gibt es kaum noch, und wenn, sind sie meist nachteilig. Heute stelle ich hier mal wieder eine vor, und zwar den OLG München, Beschl. v. 16.03.2018 – 8 St (K) 3/18. Ergangen ist die Entscheidung in einer Staatsschutzsache. Gestritten wird mal wieder um die Frage des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit. Zum besonderen Umfang meint das OLG, dass der Aktenumfang zwar mit 11 Bänden bis zur Anklageerhebung überschaubar gewesen sei. Eine gewisse Kompensation des Umfangs werde zudem bereits durch die erfolgte Beiordnung eines zweiten Pflichtverteidigers bewirkt. Das Argument halte ich für fragwürdig und steht bei Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl.,  § 51 Rn. 164 auch so.

Zur „besonderen Schwierigkeit“, die das OLG (auch) verneint hat, verweist das OLG u.a. auf seine Rechtsprechung, wonach Staatsschutzsachen nicht generell besonders schwierig im Sinne des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG sind (vgl. OLG München, Beschl. v. 02. Juni 2017 – 8 St (K) 1/17).

Interessant dann die Ausführungen des OLG zu den vom Verteidiger ins Feld geführten Argument, dass die Verteidigung „zahlreiche „umfangreiche und notwendige“ Anträge stellte, die ihrer Auffassung nach erforderlich waren“. Das sieht das OLG anders, aber weiter als das OLG Hamm, dass sich zu der Frage der „unnötigen“ Anträge auch vor einiger Zeit geäußert hat:

„Da im Rahmen der Verteidigungsstrategie dem Rechtsanwalt ein weiter Spielraum zuzugestehen ist, sieht der Senat deren Grenzen nicht zwingend dort, wo Anträge dem Bereich der Konfliktverteidigung zuzurechnen sind oder von einem durch Wahlverteidiger vertretenen Angeklagten nicht gestellt worden wären (so OLG Hamm Beschluss vom 23. Juli 2012 – 5 RVGs 65/12 Rdn. 7 f. zit. nach juris; OLG Köln Beschluss vom 02. Dezember 2005 – 2 ARs 223/05 Rdn. 3 zit. nach juris). Dies gilt ungeachtet der Frage der Definition des Begriffs der Konfliktverteidigung (vgl. hierzu Dahs Handbuch des Strafverteidigers 8. A. Rdn. 450 mwN).

Die Grenze ist jedoch eindeutig dort zu ziehen, wo der Bereich angemessener und sinnvoller Verteidigung überschritten wird (vgl. Burhoff/Volpert aaO Rdn. 25), insbesondere wenn Anträge gestellt werden, bei denen ein ernst gemeintes Aufklärungsbemühen fernliegt.

Hierunter fällt ersichtlich der am 07.11.2016 gestellte Antrag,

– die Ehefrau des Angeklagten in Raqqa/Syrien im Rechtshilfeweg zu vernehmen, wobei einerseits ihr genauer Aufenthalt zunächst noch anhand der Geodaten eines Handyvideos aus dem Februar 2015 zu ermitteln sei, im schriftlichen Antrag aber zugleich behauptet wird, sie stehe „in Raqqa gerne für eine Aussage zur Verfügung“

– und dem Senat zudem anheimgestellt wurde, zum Zwecke der Vernehmung dieser Zeugin ein Rechtshilfeersuchen „an Al-Baghdadi zu stellen, hilfsweise an die syrische Regierung“. Die Vernehmung werde dann unter Anwesenheit der Beteiligten „entweder von einem Shariarichter des IS oder

– eines Richters des völkermörderischen Assad-Regimes durchgeführt werden“.

In die gleiche Richtung gehen Anträge auf Vernehmung der Verteidigungsminister der USA, Frankreichs und Russlands sowie des Königs von Jordanien und des syrischen Staatspräsidenten zur Anzahl und Häufigkeit von Luftangriffen und sonstigem Beschuss auf Raqqa, die sämtlich als bedeutungslos bzw. aus den Gründen des § 244 Abs. 5 S. 2 StPO abgelehnt wurden, ungeachtet der Frage, inwieweit eine Ladung dieser Personen völkerrechtlich überhaupt zulässig wäre (vgl. BVerwG Beschluss vom 30. September 1988 – 9 CB 47/88) und dass erkennbar war, weshalb diese Zeugen eigene zeugnisfähige Wahrnehmungen zu diesen Beweisthemen haben sollten.

Auch die Sinnhaftigkeit und Angemessenheit perplexe Anträge, etwa dahingehend, das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen, welches einerseits damit begründet wurde, dass diverse beim Berliner Landesamt für Verfassungsschutz und beim BND gesicherte Chatverläufe und Screenshots der Kommunikation zwischen dem Angeklagten und seinem Bruder durch das BKA nicht zu den Ermittlungsakten genommen worden seien, die Aktenvollständigkeit somit nicht gegeben sei, und andererseits damit, dass gerade die Zusammenarbeit von BKA mit BND und Verfassungsschutz gegen das Trennungsverbot verstoße (vgl. Anlage 7.3 Seite 3, Anlage 11.3 Seite 3 f. zum Hauptverhandlungsprotokoll) erscheint in diesem Sinne zweifelhaft.“

Ich denke, das passt so, steht ja auch so im RVG-Kommentar 🙂 . Die Ausführungen des OLG zur „Zumutbarkeit“ – die nicht überraschen, waren daher dann überflüssig.

500-Blatt-Formel, oder: Was schert mich mein Geschwätz von gestern, jedenfalls aber: 500-Blatt-Formel, ade!

Heute am „Gebührenfreitag“ zwei nicht so schöne Entscheidungen. Bei dem OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.04.2016 – 3 AR 256 u. 257 u.  258 u. 259/16, den mir der Kollege B.Jäger aus Düsseldorf übersandt habe, war ich mir nicht so klar, wie ich das Posting eröffnen soll. Mit „Was schert mich mein Geschwätz von gestern?“ oder: „Da geht sie hin die schöne 500 Blatt-Formel“. Denn es geht um Pauschgebühr (§ 51 RVG) und die Frage: Wie wird eigentlich die Einarbeitung in umfangreiche Akten bewertet? Das OLG hatte diese Formel im OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.06.2015 – III 3 AR 65/14 entwickelt, war davon aber schon im OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.05.2016 – 3 AR 118/16 – nach Kritik ein wenig abgerückt. Nun hat es sich ganz abgewendet, aus welchen Gründen auch immer. Ich vermute, dass die Neubesetzung des Senatsvorsitzes nicht ganz ohne Einfluss ist/war. Denn seitdem der gewechselt hat, hat sich m.E. die Rechtsprechung zur Pauschgebühr aus Düsseldorf nicht unbedingt verbessert. Also würde auch passen. „Neue Besen kehren gut“. Nun ja, ob gut, lassen wir mal dahin stehen.

Jedenfalls gilt: 500-Blatt-Formel, ade:

„bb) Ein mit den Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis nicht angemessen abgegoltenes Schwergewicht der Arbeit der Pflichtverteidiger lag hier jedoch ohne Zweifel in der erstmaligen Einarbeitung in die Ermittlungsakten, die sich bis zum Beginn der Hauptverhandlung auf ca. 96.000 Seiten beliefen und damit im Vergleich zu einem normalen „Rechtsfall“ i. §. d. Nr. 4100 VV als weit überdurchschnittlich umfangreich erwiesen. Es liegt daher auf der Hand, dass die Antragsteller für diese Tätigkeit mit dem zumindest überwiegenden Teil ihrer Arbeitskraft für längere Zeit gebunden waren, so dass die gesetzlichen Gebühren für diesen Verfahrensabschnitt unzumutbar sind.

Der Senat bemisst die für diesen Verfahrensabschnitt zu gewährende Pauschvergütung allerdings nicht länger nach der von ihm entwickelten „500-Blatt-Formel“. Im Versuch der Schaffung einer objektiven Bewertungsgrundlage war der Senat davon ausgegangen, dass vom Pflichtverteidiger angesichts der Höhe der Grundgebühr der Nr. 4100 W das Studium einer Akte von nicht mehr als 500 Blatt erwartet werden könne, so dass diese Grundgebühr dem Gesamtumfang der Akten entsprechend verhältnismäßig erhöht wurde (vgl. im Einzelnen Senatsbeschluss vom 23. Juni 2015 — 111-3 AR 65/14; s.o.). Diese mathematische Herangehensweise ist nicht nur von anderen Oberlandesgerichten mangels hinreichender Eignung „für die Findung eines an sämtlichen Gesichtspunkten und am Gesamtgepräge eines konkreten Falles orientierten billigen und zumutbaren Ausgleichs für die entfaltete anwaltliche Tätigkeit“ abgelehnt worden (vgl. etwa OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. Juli 2016 — 4 ARS 91/15 juris). Auch führt sie in Umfangsverfahren heutigen Zuschnitts, die — gerade im Bereich der Kommunikationsüberwachung — von flächendeckender Informationssammlung mit umfassendem Datenbestand geprägt sind, zu keinen hinreichend angemessenen Ergebnissen. Die Akteninhalte sind nicht mehr in ihrer Gesamtheit per se klassischer Lesestoff, sondern bedürfen in großen Teilen lediglich der kursorischen Erfassung und sind Grundlage für computergestützte Recherchen. Dieses Bild ergibt sich auch im vorliegenden Verfahren. Der Senat hat die gesamten zu Beginn der Hauptverhandlung existenten ca. 96.000 Blatt Akten und Beiakten einer aufwändigen stichprobenartigen Sichtkontrolle unterzogen und dabei festgestellt, dass nur etwa ein Drittel davon eigentliches Lesematerial enthält. Der restliche (Groß-)Teil besteht aus Deckblättern, teilbeschrifteten Seiten, Doppeln, Fotos, Quittungen, Formularen und Vertragsbedingungen, Tabellen, TKO-Ereignis- und E-Mail-Listen sowie sonstigen technischen Daten. Wenn natürlich auch diese Aktenbestandteile eine gewisse geistige Aufmerksamkeit der Antragsteller erforderten, so handelt es sich doch nicht um diejenigen Akteninhalte, deren sachgerechte Bewertung der Senat durch die Schaffung der „500-Blatt-FormeI“ bewirken wollte. Schließlich tritt hinzu, dass sich der Senat in den vergangenen Jahren wiederholt in anderen Verfahren mit Fällen zu befassen hatte, in denen Pflichtverteidiger unter Berufung auf die „500-Blatt-Formel — etwa für das (angebliche) Studium von (auf ihren Antrag) beigezogenen Akten aus anderen Großverfahren, die nach Mitteilung des Tatgerichts im Wesentlichen ohne Bedeutung für das zu entscheidende Verfahren blieben — weit überhöhte Pauschanträge in zum Teil sechsstelliger Höhe stellten.

Der Senat kehrt daher zu einer Bemessung der Pauschgebühr durch Bewertung der konkreten Vorbereitungstätigkeit des Pflichtverteidigers — insbesondere durch die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall — zurück. Zwar kann der Senat sich hierzu naturgemäß nicht wie zur Vorbereitung auf die Hauptverhandlung in die Verfahrensakten einarbeiten — tatrichterlich war er hier selbst nicht zuständig. Die vorgenannte stichprobenartig durchgeführte Sichtprüfung der Akten bietet aber eine hinreichend tragfähige Grundlage zur Ausübung des insoweit bestehenden pflichtgemäßen Ermessens. Sie ergibt, dass das Verfahren selbst im Vergleich mit anderen erstinstanzlichen OLG-Staatsschutzverfahren einen höchst außergewöhnlichen Umfang hatte. Es handelte sich um eines der umfangreichsten Al Qaida-Verfahren in Deutschland, das schon vom ermittelnden Bundeskriminalamt mit größtem Aufwand betrieben wurde und angesichts der nicht geständigen Angeklagten zu einer aufwändigen und anspruchsvollen Beweisaufnahme und -würdigung führte. Vor diesem Hintergrund erscheinen die von den Antragstellern zum Teil ins Feld geführten   mehrere Hundert Stunden für die Einarbeitung nicht aus der Luft gegriffen.“

Ich frage mich bei solchen Rechtsprechungsänderungen immer: Warum eigentlich und: Hat sich niemand bei „Einführung“ der 500-Blatt-Formel Gedanken gemacht, wohin die führen kann? Aber egal, mit einem Federstrich entscheidet man sich anders, obwohl man die Formel ja auch sicherlich noch einschränkend hätte anwenden können. Aber allein ein Windchen aus Stuttgart führt dazu, dass man seine eigene Auffassung aufgibt. Allerdings – und das darf man nicht übersehen: Es war dann auch wohl Verfahren, in denen von Verteidigern nicht mit Augenmaß mit dieser Formel umgegangen worden ist. Das ist dann das Ergebnis.

Pauschgebühr beim Schwurgericht, oder: „Nicht unzumutbar“ oder was?

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Seit längerem heute mal wieder eine Entscheidung zur Pauschgebühr nach § 51 RVG, und zwar der OLG Hamburg, Beschl. v. 20.03.2018 – 5 S AR 7/18. Ergangen ist er in einem Schwurgerichtsverfahren, das beim LG Hamburg anhängig war. Nach Abschluss des Verfahrens hatte die Verteidigerin eine Pauschgebühr beantragt. Sie hatte das – ich kenne den Antrag nicht – u.a. wohl mit den 117 Hauptverhandlungstagen und dem erheblichen Vorbereitungsaufwand und Aufwand während der Zeit der Hauptverhandlung. Das OLG lehnt natürlich ab.

Wir lesen das, was wir immer in diesen Fällen lesen, nämlich den Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG und das Sonderopfer usw. Und weiter:

„Gemessen an diesen Grundsätzen war die durch § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG in den Blick genommene besondere Fallkonstellation in vorliegendem Fall zur Überzeugung des Senats nicht gegeben.

Zu berücksichtigen ist zunächst, dass der Gesetzgeber den Gebührenrahmen für Schwurgerichtssachen gegenüber anderen landgerichtlichen Strafverfahren erheblich höher angesetzt hat und damit dem Umfang und der Schwierigkeit dieser Verfahren bereits bei den Regelgebühren in erheblichem Umfang Rechnung getragen hat. So beträgt die Terminsgebühr je Hauptverhandlungstag in den allgemeinen Strafsachen vor dem Landgericht, in denen sich der Mandant in Haft befindet, gemäß Nr. 4115 des Vergütungsverzeichnis (VV) 312,- €, bei Schwurgerichtssachen gemäß Nr. 4121 VV 517,- €. Dauert der Verhandlungstag länger als 5 Stunden, beträgt die zusätzliche Gebühr statt 128,- € (Nr. 4116 VV) 212,- € (Nr. 4122 W).

Es ist zwar nicht zu verkennen, dass das vorliegende Verfahren, auch an den besonderen Maßstäben für Schwurgerichtssachen gemessen, sicher umfangreich und angesichts der Problematik um die Würdigung einer Zeugin vom Hörensagen und der Einführung fremdsprachiger TKÜ in tatsächlicher Hinsicht nicht einfach war. Der Tatvorwurf an sich war allerdings sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht überschaubar.

Soweit die Antragstellerin in Ergänzung ihres Antrags einen erheblichen Vorbereitungsaufwand und Aufwand während der Zeit der Hauptverhandlung vorträgt, ist zu bedenken, dass dieser Aufwand durch die Anzahl der Hauptverhandlungstage, durch die die Regelvergütung maßgeblich bestimmt wird, wieder relativiert wird. Gemessen an 114 Hauptverhandlungstagen ist dieser Aufwand relativ gering. Entsprechendes gilt für die Vernehmung von lediglich 70 Zeugen und 5 Sachverständigen bezogen auf 117 Hauptverhandlungstage. Außerdem wurde hier von der Verteidigung der drei Angeklagten offenbar eine einheitliche Verteidigungslinie geführt, was die Möglichkeit der Arbeitsteilung eröffnete. Das zahlreiche wechselseitige Anschließen an die Anträge der jeweils anderen Verteidiger verdeutlicht diese Arbeitsweise. Die von der Antragstellerin als besondere Belastung geltend gemachten Besprechungen mit den anderen Verteidigern ist vor diesem Hintergrund eher als Mittel der Arbeitserleichterung relevant.

Angesichts des überschaubaren Tatvorwurfs konzentrierte sich die weit überwiegende Zahl der Anträge der Antragstellerin auf Indiztatsachen zur Glaubwürdigkeit der Belastungszeugin und der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben sowie Fragen der Richtigkeit der Übersetzungen fremdsprachiger Telefongespräche.

Der Senat verkennt den Arbeitsaufwand, der mit diesen Anträgen verbunden war, nicht. Gleichwohl vermag dieser Einsatz nicht zu erklären, dass sich die Dauer der Hauptverhandlung über 2 Jahre erstreckte und 117 Verhandlungstage in Anspruch nahm. Die Durchsicht des Protokolls ergibt, dass ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung durch Auseinandersetzungen zu Beanstandungen, Würdigungen von Verhaltensweisen von Verfahrensbeteiligten, Fragen der Protokollierung von Äußerungen, insbesondere im Hinblick auf § 183 GVG, Diskussionen zur Protokollierung von Pausen, Auseinandersetzungen um die Reihenfolge bei der Ausübung des Fragerechts und ähnliches geprägt war.

Exemplarisch und zur Verdeutlichung sei hier eine Passage aus dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 27. August 2015 wiedergegeben:……

Bei den skizzierten Auseinandersetzungen handelt es sich um solche, die einen erheblichen Teil der Hauptverhandlung in Anspruch nahmen, ihrer Natur nach aber keinen großen Vorbereitungs- und Nachbearbeitungsaufwand bei den Verfahrensbeteiligten erforderten. Vielmehr konnte hier spontan aus der jeweiligen Hauptverhandlungssituation heraus agiert werden. Es dürfte auf der Hand liegen, dass es sich dabei nicht um Problematiken handelt, die einen besonderen Umfang oder eine besondere Schwierigkeit gemäß § 51 RVG für die Antragstellerin begründeten. Die Verhandlungsführung wird in diesen Situationen für die Vorsitzende sicher besonders schwer gewesen sein. Diese Erschwernis lässt sich aber nicht in gleicher Weise auf die Verfahrensbeteiligten übertragen.

Die Belastung durch eine lang dauernde Hauptverhandlung wird auch wesentlich durch die Verhandlungsdichte bestimmt. Es liegt auf der Hand, dass das übliche Geschäft eines Rechtsanwalts im stärkeren Maße bei hoher Verhandlungsdichte im Rahmen einer Pflichtverteidigung leidet. Hier war die Verhandlungsdichte unterdurchschnittlich. Sie betrug auf den Gesamtzeitraum bezogen lediglich 1,1 Tage pro Woche. In diesem Zeitraum gab es auch keine vorübergehend hohe Konzentration der Verhandlungsdichte, die die Aussagekraft dieses Durchschnittswerts relativieren könnte. Hinzu kommt, dass die Mehrheit der Hauptverhandlungstage lediglich bis zu 3 Stunden dauerte, was den Aufwand zusätzlich relativiert.

Die Antragstellerin hat, wenn auch in geringem Umfang, von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich bei Verhinderung vertreten zu lassen. Auch insofern konnte sie ihren eigentlichen beruflichen Verpflichtungen nachgehen.

Nach allem erscheint es dem Senat angesichts der Regelpflichtverteidigergebühren in Höhe von 69.216,- € nicht als unbillig, es bei diesen zu belassen. Von einer Unzumutbarkeit der gesetzlich bestimmten Gebühren kann keine Rede sein.“

Tja, das war es dann. Was bleibt, ist zunächst die Frage: Was verneint das OLG denn nun eigentlich? War das Verfahren nicht besonders umfangreich/besonders schwierig oder sind die gesetzlichen Gebühren nicht unzumutbar i.S. des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG? Da geht es in dem Beschluss ein wenig durcheinander, zumindest ist das nicht klar zu erkennen. Ich tendiere zu „nicht unzumutbar“. Und dann die Frage: Kann man noch etwas machen? Sicher, kann man. Man kann Verfassungsbeschwerde einlegen. Nur wage ich die Prognose, dass die nichts bringen wird.

Was für mich darüber hinaus noch bleibt, ist ein leicht säuerlicher Beigeschmack. Das OLG legt im Einzelnen mit der „Passage aus dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 27. August 2015″ das Geschehen in der Hauptverhandlung an dem Tag als Beispiel dafür dar, dass es in der Hauptverhandlung wohl immer wieder „hoch her gegangen“ ist. Abgesehen davon, dass nicht klar ist, inwieweit die antragstellende Verteidigerin an dem Geschehen „beteiligt war – in der vorgestellten Passage ist sie es kaum – hat das für mich so ein wenig den Beigeschmack der Retourkutsche bzw. könnte das die Stelle sein, an der man sich der Rechtsprechung anschließen will, die „unnötige Anträge“  bei der Gewährung einer Pauschgebühr nicht berücksichtigen will, was man aber dann lieber doch nicht sagt.

Und wer jetzt kommentieren will: Bitte die gesetzlichen Gebühren nicht auf die erbrachten Stunden umrechnen. Das mögen die OLG ja nun gar nicht.