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Alkohol am Zügel – wann „absolute“ Trunkenheitsfahrt?

entnommen wikimedia.org Urheber TUBS

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Der „absolute Promille-Grenzwert“ von 1,1 ‰ gilt für alle Führer von Kfz, die ein solches Fahrzeug als Kraftfahrer führen, also auch für alle Kraftradfahrer (Motorrad, Motorroller, Moped oder Mofa), ebenso für motorisierte Krankenfahrstühle (OLG Nürnberg, VRR 2011, 111 m. Anm. Deutscher) oder für „Pocketbikes“ (vgl. OLG Dresden VRR 2014, 27). Insoweit alles ohne Probleme.

Aber was ist mit Führern anderer Fahrzeuge, wie z.B. (Pferde)Kutschen? Insoweit ist die Rechtsprechung nicht einheitlich, absolute Grenzwerte i.o. Sinn gibt es nicht. Für Pferdekutscher hat z.B. das AG Köln 1989 Fahruntüchtigkeit bei 1,7 ‰ noch nicht gesehen. Anders jetzt das OLG Oldenburg im OLG Oldenburg, Urt. v. 25.02.2014 – 1 Ss 204/13, über das bisher nur in der (Tages)Presse (vgl. aber auch hier bei LTO) berichtet worden ist. Das geht von der Geltung der 1,1 ‰-Grenze auch für Kutscher aus.

Hintergrund der Entscheidung war eine Kutschfahrt im August 2012, bei der der Kutscher mit fast 2 ‰ alkoholisiert war. Das LG Osnabrück war davon ausgegangen, dass für die absolute Fahruntüchtigkeit weder die 1,1-Promille-Grenze für Kraftfahrer noch die 1,6-Promille-Grenze für Fahrradfahrer anzuwenden sei. Eine Kutsche sei ja langsam unterwegs und es komme nicht auf den Gleichgewichtssinn an.

Die StA ist in die Revision gegangen und hatte beim OLG Oldenburg Erfolg. Das ist von der 1,1-‰Grenze ausgegangen, heißt es bei LTO, da Kutscher  im Straßenverkehr vielfältige Anforderungen erfüllen müssten: „Ein Pferd sei grundsätzlich zu keiner angemessenen Eigenreaktion fähig, sondern verlasse sich auf den Fahrer. Der Gespannführer müsse anders als ein Radfahrer jederzeit in der Lage sein, schnell zu reagieren und seine für die Führung der Pferde wichtige Stimme sowie die Fahrleinen einsetzen zu können.“

Die Fahrerlaubnis kann nach § 69 StGB nicht entzogen werden. Pferde sind zwar kräftig, aber die Kutsche ist kein „Kraftfahrzeug“.

200.000 € Schmerzensgeld nach Auseinandersetzung vor einer Disco

© Gina Sanders - Fotolia.com

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Das OLG Oldenburg hat in einer PM vom 10.02.2014 – auf ein OLG Oldenburg, Urt. v. 07‌.‌01‌.‌2014‌ – 12 U ‌130‌/‌13‌ – hingewiesen, in dem nach einer Auseinandersetzung vor einer Disco ein beträchtliches Schmerzensgeld für immaterielle Schäden zugesprochen worden ist.

In der PM heißt es:

„Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg hat einem Geschädigten nach einer körperlichen Auseinandersetzung vor einer Disko ein Schmerzensgeld von 200.000 EUR zugesprochen.

Der Kläger wurde von dem Beklagten in den frühen Morgenstunden des 29.9.2007 vor der Diskothek „Dinis“ in Aurich unvermittelt mit der Faust gegen den Kopf geschlagen, so dass er rückwärts hinfiel. Anschließend setzte sich der Beklagten auf den Kläger und schlug noch mindestens zweimal mit der Faust auf den Kopf des Klägers ein. Durch den Angriff erlitt der Kläger schwerste Verletzungen. Der Kläger wurde bewusstlos ins Krankenhaus eingeliefert, wo bei ihm u.a. ein Schädel-Hirn-Trauma, ein traumatisches Hirnödem und unterschiedliche Frakturen diagnostiziert wurden. Bis heute leidet der Beklagte an einer deutlichen Sprachstörung, einer aufgehobene Feinmotorik der rechten Hand, einer deutliche Spastik des rechten Beines sowie Störungen der Gedächnisfunktion und der affektiven Kontrolle. Insgesamt wurde bei dem Kläger auf einen Grad der Schädigung von 80 % erkannt, wobei davon auszugehen ist, dass eine wesentliche Verbesserung des körperlichen Zustandes nicht eintreten wird.

Der Senat hat das vom Landgericht Aurich zugesprochene Schmerzensgeld von 170.000 EUR erhöht. Angesichts der Schwere der dem Kläger vom Beklagten durch eine Vorsatztat zugefügten Verletzungen, der sehr langwierigen und außerordentlich belastenden Behandlung und insbesondere der gravierenden Dauerschäden und der damit verbundenen erheblichen Einschränkungen der Lebensführung erscheine hier, so der Senat, ein Schmerzensgeld von insgesamt 200.000 EUR angemessen.“

Wenn man es liest, hat man – wenigstens ich – keine Bedenken, dass „es passt“.

Fahrbahnschäden – kein Augenblicksversagen?

entnommen wikimedia.org Urheber User:Mattes

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Im OWi-Recht ist momentan m.E. „Flaute“. Es gibt nur wenige Entscheidungen, über die es sich lohnt zu berichten. Nun ist zwar auch der OLG Oldenburg, Beschl. v. 28.09.2013 – 2 SsBs 280/13 – kein Knaller, der etwas wesentlich Neues bringt, aber immerhin hat er eine doch ganz interessante Konstellation zum Inhalt. Es geht (mal wieder) um ein „Augenblicksversagen“ und damit um die Frage des Absehens vom Fahrverbot . Grundsätzlich steht ja nach der Rechtsprechung des BGH ein sog. Augenblicksversagen der Verhängung eines Fahrverbotes entgegen (zum Augenblicksversagen eingehend Deutscher in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., 2012, Rn. 959 ff.). Ein sog. „Augenblicksversagen“ wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung i.d.R. immer dann angenommen, wenn der Betroffene aufgrund einer momentanen Unaufmerksamkeit das die zulässige Höchstgeschwindigkeit begrenzende Verkehrszeichen übersehen hat.

Davon war hier auch das AG grundsätzlich ausgegangen. Es hatte dann aber dennoch ein Augenblicksversagen abgelehnt und das damit begründet, dass sich dem Betroffene eine Geschwindigkeitsbegrenzung aufgrund starker Fahrbahnschäden habe aufdrängen müssen. Das hat dem OLG aber so nicht gereicht. Für einen solchen Schluss müsse vielmehr klar sein, wie erheblich die Fahrbahnschäden sind. Dazu müssen – so das OLG – Feststellungen getroffen werden. Zudem bedürfe es, soweit Fahrbahnschäden nicht bereits bei Annäherung für den Betroffenen sichtbar gewesen seien, für die Annahme einer sich aufdrängenden Geschwindigkeitsbegrenzung darüber hinaus einer gewissen Fahrstrecke auf dem schlechten Untergrund.

Und, was in der Praxis häufig übersehen wird: Das OLG weit darauf hin, dass bei Annahme eines Augenblickversagens durch das AG kein Raum für eine Erhöhung der Geldbuße wäre, da in diesem Fall ein Fahrverbot nicht zu verhängen wäre und deshalb dessen Wegfall auch nicht durch eine erhöhte Geldbuße kompensiert werden müsste. Ist ständige Rechtsprechung der OLG, hat sich aber noch nicht bis zu allen AG herum gesprochen.

Standardsituation: Ein Bewährungswiderruf ist keine Strafe für einen Weisungsverstoß

Machen wir heute mal einen „Bewährungstag“ :-). Nach dem  OLG Hamm, Beschl. v. 30.07.2013 –  5 RVs 59/13– und dazu ausDu bestreitest? Dann gibt es keine Bewährung!!, dann hier noch der OLG Oldenburg, Beschl. v. 06.08.2013 – 1 Ws 438/13, der auch eine „Standardsituation“ beschreibt. Nämlich den Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung, wenn sich der Verurteilte der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers (beharrlich) entzogen hat. Das allein – so das OLG – rechtfertigt nicht den Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung. Das OLG steht im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung, wenn es ausführt:

„Ein Verstoß gegen § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB, auf den die Strafvollstreckungskammer den Bewährungswiderruf vorrangig gestützt hat, liegt nicht vor.

Nach dieser Vorschrift kann die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen wer-den, wenn sich der Verurteilte der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass er erneut Straftaten begehen wird. Da es nicht um die Ahndung einer Unbotmäßigkeit gegenüber dem Bewährungshelfer geht, kann der beharrliche oder gröbliche Verstoß des Verurteilten gegen ihm erteilte Weisungen oder das beharrliche Sich- Entziehen der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers allein den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nicht rechtfertigen. Der Bewährungswiderruf ist keine Strafe für den Weisungsverstoß. Maßgeblich ist vielmehr, ob unter Berücksichtigung der gesamten Umstände der Verstoß zu der kriminellen Neigung oder Auffälligkeit des Verurteilten so in einer kausalen Beziehung steht, dass die Gefahr weiterer Straftaten besteht (BVerfG NStZ-RR 2007, 338 m.w.N.).

Eine derartige Kausalität vermag der Senat vorliegend nicht zu erkennen. Mangels weiterer Anhaltspunkte wäre eine solche nur dann anzunehmen, wenn die gegen den Verurteilten laufenden Straf- und Ermittlungsverfahren Straftaten zum Gegenstand hätten, die der Verurteilte zeitlich nach dem Weisungsverstoß begangen haben soll.

Dieses ist indessen nicht der Fall….“

(Kosten)Entscheidung falsch, aber wirksam

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Das LG Oldenburg hat die Angeklagten mit Urteil vom 18.10.2012, inzwischen rechtskräftig, wegen Steuerhinterziehung bzw. versuchter Steuerhinterziehung verurteilt bzw. verwarnt und zudem die folgende Kostenentscheidung getroffen:

„Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Auslagen der Staatskasse, die jeder Angeklagte zu einem Drittel trägt.“

Zur Begründung der Kostenentscheidung wurde auf §§ 465, 464d StPO Bezug genommen.

Von den drei Angeklagten sind zwei zahlungsunfähig, nur einer ist offenbar zur Zahlung der Kosten in der Lage. Der wird von der Staatsanwaltschaft als Gesamtschuldner auf den Gesamtbetrag der angefallenen Kosten, immerhin rund 36.000 €, in Anspruch genommen. Er hat aber mit seiner Erinnerung beim LG Erfolg. Die Beschwerde des Bezirksrevisors scheitert beim OLG. Das OLG Oldenburg führt dazu im OLG Oldenburg, Beschl. v. 11.07.2013 – 1 Ws 411/13 – aus:

„Der Bezirksrevisor weist zwar in der Beschwerdeschrift zutreffend darauf hin, dass die drei Angeklagten wegen – jeweils mittäterschaftlich begangener – Steuerhinterziehung in acht Fällen sowie versuchter Steuerhinterziehung in zwei Fällen verurteilt bzw. verwarnt worden sind und dass sich somit die gesamtschuldnerische Kostentragungspflicht aus §§ 465 Abs. 1, 466 S. 1 StPO ergibt. In diesem Fall sieht das Gesetz eine anderweitige Verteilung unter mehreren Angeklagten nur in § 466 S. 2 StPO für dort besonders bezeichnete Auslagen vor. Hingegen ist die vom Landgericht zur Begründung angeführte Regelung in § 464d StPO auf die Kostentragung mehrerer wegen derselben Tat Angeklagter nicht anwendbar (vgl. die Anwendungsfälle bei Meyer- Goßner, StPO, 56. Auflage, § 464d Rn. 2; KMR-Stöckel, § 464d Rn. 3). Sie dient vielmehr der Erleichterung der Bestimmung der Kostentragung dort, wo Auslagen unter mehreren Beteiligten aufzuteilen sind (vgl. Temming in Gercke pp., StPO, § 464d Rn. 1).

Gleichwohl hat die Kammer mit Urteil vom 18. Oktober 2012 eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Kostenentscheidung getroffen, die mangels Anfechtung wirksam ist.

Diese Kostenentscheidung ist – worauf das Landgericht in dem angefochtenen Bescheid zutreffend hinweist – bereits vom Wortlaut her eindeutig. Die Kammer wollte ersichtlich von der in § 466 StPO bestimmten Regelung, dass mehrere Verurteilte grundsätzlich als Gesamtschuldner haften, abweichen und die Auslagen auf die einzelnen Angeklagten „schuldangemessen“ verteilen. Damit beinhaltet sie nicht nur eine Regelung der internen Kostenverteilung unter den Angeklagten, weil die Kammer für eine solche Bestimmung im Urteilstenor keine Veranlassung hatte.