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Bist du frei, muss ich die Rechtmäßigkeit der Haft nicht mehr prüfen

In „Haftsachen“ stellt sich nicht selten die Frage nach dem sog. Fortsetzungsfeststellungsinteresse. So auch in dem der Entscheidung des OLG Jena v. 25.08.2010 – 1 Ws 345/10 zugrunde liegenden Verfahren. Gegen den in der Hauptverhandlung ausgebliebenen Angeklagten war Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO ergangen. Der Verteidiger legte Beschwerde ein, die das LG verworfen hat. Dagegen weitere Beschwerde. Bevor das OLG darüber entschieden hat, ist der Angeklagte dann in der neu anberaumten Hauptverhandlung frei gelassen worden.

Das OLG Jena sagt: In diesem Fall gebietet es der Anspruch des Angeklagten auf effektiven Grundrechtsschutz nicht, ihm die Möglichkeit zu geben, die Rechtmäßigkeit des erledigten Haftbefehls durch die (weitere) Beschwerde überprüfen zu lassen. Das kann  man auch anders sehen, so z.B. das OLG Düsseldorf und das OLG Celle, wie das OLG Jena das OLG Frankfurt (vgl. dazu meine Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., Rn. 1439).

OLG Jena: Videomessung – kein Beweisverwertungsverbot bei verdachtsabhängiger Messung

Nach einer PM vom 14.01.2010 hat inzwischen auch das OLG Jena in einem Beschluss vom 6. 1. 2010 – 1 Ss 291/09 zur Frage des Beweisverwertungsverbots bei der Videomessung Stellung genommen. Nach der PM hat das OLG Jena ein Beweisverwertungsverbot verneint (s. aber auch das OLG Oldenburg zur verdachtsunabhängigen Messung) . Der Betroffene hatte sein Rechtsbeschwerde maßgeblich auf den Beschluss des BVerfG vom 08.11.2009 gestützt worden; der mit Fotoaufnahmen geführte Nachweis, zu schnell gefahren zu sein, verstoße gegen Verfassungsrecht. in der PM heißt es:

„Dieser Argumentation ist das THOLG nicht gefolgt und hat die Rechtsbeschwerde verworfen. Zur Begründung heißt es in der Entscheidung des Bußgeldsenats, Videoaufzeichnungen oder Fotoaufnahmen seien nur dann verfassungswidrig erhobene und deshalb unzulässige (verbotene) Beweismittel, wenn kein „konkreter Anfangsverdacht“ für einen Verkehrsverstoß vorgelegen habe. Den Fall verdachtsabhängiger Aufzeichnungen oder Aufnahmen habe das BVerfG „nicht angesprochen“. Es habe sich (nur) mit dem Sachvortrag des Beschwerdeführers befasst, wonach sämtliche Fahrzeuge verdachtsunabhängig gefilmt und die Aufzeichnungen anschließend auf Verkehrsverstöße ausgewertet worden seien.In dem vom THOLG entschiedenen Fall lag der Sachverhalt anders. Hier war die Geschwindigkeitsüberschreitung zunächst maschinell festgestellt worden. Erst dann wurde die Fotoaufnahme ausgelöst und so eine Zuordnung zu Fahrzeug und Fahrer ermöglicht. Damit sei „die Entscheidung des BVerfG vom 11.08.2009 nicht einschlägig; ein verdachtsunabhängiger Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung findet nicht statt.“

M.E. nicht so überraschend, weil sich wohl alle einig sind, dass der Beschluss des BVerfG nicht für die verdachtsabhängige Überwachung gilt. Allerdings: Was ist mit der Ermächtigungsgrundlage für die Überwachung. Ist das wirklich § 100h StPO, wie das OLG Bamberg meint. Ich wage das zu bezweifeln.

Die Entscheidung ist jetzt online unter: : http://www.strafrecht.jurion.de/inhalte/strafrechtliche-entscheidungen/aktuelle-urteile/olg-jena-beschl-v-06012010-1-ss-29109/

Neues, aber nichts Ungewöhnliches zum Mobiltelefon im Straßenverkehr aus Jena

Neues zum Mobiltelefon aus Jena. Das dortige OLG hat jetzt – wie in der Vergangenheit schon das OLG Rostock – entschieden, dass das Führen des Kraftfahrzeuges mit überhöhter Geschwindigkeit und das teils zeitgleiche Benutzen eines Mobiltelefons i.S.d. § 23 Abs. 1a StVO im Konkurrenzverhältnis der Tateinheit i.S.d. § 19 OWiG stehen. Was auch sonst, fragt man sich, denn das Fahren bzw. das Führen des Kfz ist ja Voraussetzung für den Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO. Bei stehendem und abgeschaltetem Pkw darf ich telefonieren. Die AG tun sich damit aber schwer und kommen – so auch hier – dann zu überhöhten Geldbußen. Der Verteidiger muss auf die Frage schon in der Hauptverhandlung achten. Denn sonst muss er sich später um die Zulassung der Rechtsbeschwerde bemühen. Und das ist i.d.R. so schwierig wie im Lotto einen „Sechser“ zu erzielen.

Beschl. des OLG Jena v. 15.10.2009, 1 Ss 230/09.

kein vorauseilender Gehorsam der Gerichte

Heute mal eine gebührenrechtliche Nachricht. Nicht, weil der Beschluss wichtig wäre, zudem stammt er auch nicht aus Teil 4 oder Teil 5 VV RVG. Er enthält nur eine „nette“ Formulierung.

In einem Ehescheidungsverfahren macht der Rechtsanwalt über § 55 RVG seine gesetzlichen Gebühren für die Beiordnung geltend. Es wird um die Anrechung der Geschäftsgebühr gestritten. Der Rechtsanwalt weist auf § 15a RVG, der nun bald in Kraft treten werde, hin. Die Antwort des OLG Jena:

„Die Rechtsprechung kann nur geltendes, nicht zukünftiges Recht anwenden. Ein Pflicht zum vorauseilenden Gehorsam  der Rechtsprechung gegenüber dem Gesetzgeber besteht nicht.“

Na, ja. Ich finde eine ganz schön arrogante Formulierung. Und (zur Sache kann ich nichts sagen): Kann man denn nicht mit dem Rechtsgedanken einer vom Gesetzgeber bereits beschlossenen Neuregelung argumentieren?

Wer es nachlesen will: OLG Jena, Beschl. v. 27.07.2009 – 3 Ws 242/09