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Playstation im Strafvollzug, oder: Wenn der Minister nicht mehr will

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Urheber: Qurren – Qurren’s file

Im Strafvollzug gibt es immer wieder Streitum die Zulässigkeit des Besitzes bestimmter Gegenstände. Einen solchen Streit hat jetzt der OLG Hamm, Beschl. v. 01.12.2106 – 1 Vollz (Ws) 479/16 – entschieden. Der betroffene Strafgefangene verbüßt eine lebenslange Gesamtfreiheitsstrafe Haftstrafe wegen Mordes sowie wegen Raubes mit Todesfolge. Am 05.04.2016 wurde dem Betroffenen die von ihm am selben Tag beantragte Anschaffung einer modifizierten Spielekonsole Playstation II genehmigt. Mit schriftlicher Verfügung vom 03.05.2016 widerrief die JVA die Genehmigung vom 05.04.2016 mit der Begründung, dass der Betroffene nicht über die erforderlichen Barmittel verfüge und die Spielekonsole seit dem 21.04.2016 nicht mehr zulässig sei. Dies hat sie im gerichtlichen Verfahren dahingehend erläutert, dass ihm mit Erlass des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21.04.2016 die Zustimmung zur Aushändigung von Spielekonsolen des Typs „Sony PlayStation I und II light“ aufgrund von Sicherheitsbedenken versagt worden sei. Man habe daher entschieden, derartige Spielekonsolen zukünftig nicht mehr zu genehmigen und nur noch solche Spielekonsolen zur Wahrung des Vertrauensschutzes auszuhändigen, die bereits vor dem 21.04.2016 genehmigt und bezahlt worden seien.

Das OLG sagt: So einfach geht das nicht. Dazu der Leitsatz der Entscheidung:

„Eine lediglich andere Bewertung der Gefährlichkeit von Gegenständen (hier: Spielkonsole Playstation II „ligth“) durch die Behörden stellt keinen neuen Umstand im Sinne des § 83 Abs. 3 Nr. 1 StVollzG NRW dar, der den Widerruf einer erteilten Genehmigung zu deren Besitz oder Beschaffung rechtfertigt, ebenso auch nicht allein der Erlass einer ministeriellen Verordnung, nach deren Inhalt die Genehmigung des Besitzes bestimmter Gegenstände generell für unzulässig erklärt wird.“

Winterdienst/Glatteisbildung, oder: Wann muss außerorts gestreut werden?

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Urheber Simon A. Eugster

Passend zur Jahreszeit hat das OLG Hamm im OLG Hamm, Urt. v. 18.11.2016 – 11 U 17/16 – noch einmal zur Verpflichtung einer Kommune zum Winterdienst auf Straßen mit geringer Verkehrsbedeutung Stellung genommen. Kurzfassung des Urteils: Allein die Meldung von Glatteisbildung verpflichtet an solchen Stellen nicht zum Winterdienst.

Entschieden worden ist ein Fall aus Januar 2013. Die Ehefrau des Klägers hatte mit dessen PKW eine wenig befahrene und außerhalb geschlossener Ortschaften liegende Straße befahren, die an einige Häuser mit ca. 40 Bewohnern an das allgemeine Straßennetz anschließt. Aufgrund bestehender Glatteisbildung verlor die Ehefrau des Klägers auf der bergab und kurvig verlaufenden Straße die Kontrolle über das Fahrzeug, welches von der Fahrbahn abkam, sich überschlug und auf der Seite liegen blieb. Ca. ein bis zwei Stunden vor dem Unfall hatte eine Bürgerin beim zuständigen Straßenreinigungsamt der beklagten Stadt Lüdenscheid angerufen, die Glättebildung auf der Straße gemeldet und um Abhilfe gebeten. Auf der Straße hatte die Beklagte am Unfalltage, auch nach der genannten Meldung, keinen Winterdienst durchgeführt. Der Kläger hat gemeint, die Beklagte habe mit dem unterlassenen Winterdienst die ihr von Amts wegen obliegende Räum- und Streupflicht verletzt. Von der Beklagten hat er deswegen ca. 11.300 € Reparaturkosten für das beschädigte Fahrzeug verlangt.

Das LG hatte verurteilt, das OLG hat die Klage abgewiesen. Dazu – ich mache es mir einfach und zitiere – aus der PM des OLG:

„Inhalt und Umfang der einer Kommune obliegenden winterlichen Räum- und Streupflicht richte sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Art und Wichtigkeit des Verkehrsweges seien zu berücksichtigen, ebenso seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs. Ergebe sich hieraus eine Räum- und Streupflicht, stehe sie bei Kommunen sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht unter dem Vorbehalt des Zumutbaren, so dass es auch auf ihre Leistungsfähigkeit ankomme. Zudem habe sich jeder Verkehrsteilnehmer gerade im Winter den ihm erkennbar gegebenen Straßenverhältnissen anzupassen.

Ausgehend hiervon sei schon im Bereich geschlossener Ortschaften anerkannt, dass eine Räum- und Streupflicht eine allgemeine Glättebildung voraussetze und nicht nur das Vorhandensein vereinzelter Glättestellen. In einer derartigen Situation seien zunächst die Fahrbahnen der Straßen an verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen zu bestreuen. Erst danach seien weniger bedeutende Straßen- und Wegestrecken zu sichern. Außerhalb geschlossener Ortslagen seien lediglich die für den Kraftfahrzeugverkehr besonders gefährlichen Stellen zu bestreuen. Auf wenig befahrenen Straßen bestehe deswegen grundsätzlich keine Räum- und Streupflicht, sofern nicht besonders gefährliche Stellen bekannt seien, auf die sich ein Straßenbenutzer nicht einstellen könne.

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergebe sich im zu entscheidenden Fall keine Räum- und Streupflicht und damit keine Pflichtverletzung der beklagten Stadt.

Die Straße „Horringhausen“ befinde sich außerhalb geschlossener Ortschaften. Als wenig befahrene Straße, die nur wenige Häuser mit dem Straßennetz verbinde, fehle ihr die Verkehrswichtigkeit. Am Unfalltage habe es zudem lediglich an einzelnen Stellen Glatteisbildung gegeben. Aufgrund der untergeordneten Verkehrsbedeutung habe die Beklagte daher von einem Winterdienst auf der Straße – auch nach der gemeldeten Glatteisbildung – absehen dürfen.

Die Beklagte habe davon ausgehen dürfen, dass sich die Anwohner den winterlichen Verhältnissen anpassen und notfalls Schneeketten anlegen oder vom Befahren der Straße Abstand nehmen und zu Fuß gehen würden. Sehe man das anders, wäre die Beklagte in dem durch zahlreiche Höhenunterschiede geprägten Gemeindegebiet gehalten, eine Vielzahl von Straßen mit geringer Verkehrsbedeutung abzustreuen. Dieser Aufwand sei ihr nicht zumutbar. Die Beklagte sei schließlich auch nicht gehalten gewesen, einen Winterdienst in der Weise vorzuhalten, dass dieser von Gemeindeangehörigen durch eine bloße Meldung von Glatteisbildung abgerufen werden könne, ohne dass es auf die genannten Kriterien zur Verkehrsbedeutung der gemeldeten Straße ankomme.

Aufgrund der am Unfalltag erfolgten Meldung habe die Beklagte zudem keine zwingenden Anhaltspunkte dafür gehabt, dass es einem aufmerksamen und vorsichtigen Benutzer der Straße „Horringhausen“ nicht mehr möglich sein würde, die Straße ohne Schaden zu nutzen und den Gefahrenstellen auszuweichen. Dass die getroffene Entscheidung der Beklagten vertretbar gewesen sei, werde auch dadurch gestützt, dass es einer anderen Anwohnerin vor und nach dem Unfall gelungen sei, die nicht abgestreute Straße unfallfrei zu befahren.“

Vollmacht zur Vertretung in der Hauptverhandlung, oder: Was will das OLG?

Nach dem Posting zum AG Mettmann, Beschl. v. 25.01.2017 – 32 OWI 174/16 (vgl. dazu: (Keine) Verjährungsunterbrechung, oder: Bloß keine Vollmacht vorlegen) eine weitere Entscheidung mit einer Vollmachtsproblematik, und zwar der OLG Hamm, Beschl. v. 24.11.2016 – 5 RVs 82/16 und 5 Ws 360/16. Er behandelt noch einmal die Frage der Vertretung des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung und/oder die der Anforderungen an die schriftliche Verteidigervollmacht bei Nichterscheinen des Angeklagten.

Es geht in dem Beschluss um die Verwerfung der Berufung des Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO. Der Angeklagte hatte dagegen u.a. Revision eingelegt – den Wiedereinsetzungsantrag lassen wir mal außen vor – und mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, dass § 329 StPO verletzt worden sei. Das hatte beim OLG keinen Erfolg:

„Mit der Revision wird zwar eine Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO gerügt und insoweit beanstandet, dass der abwesende Angeklagte durch einen mit schriftlicher Vertretungsvollmacht ausgestatteten und vertretungsbereiten Verteidiger vertreten gewesen sei. Jedoch ist die Rüge insoweit nicht in der von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO geforderten Form ausgeführt und daher unzulässig (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 21.11.2013 – III – 5 RVs 95/13 – m.w.N.). Danach muss eine Verfahrensrüge so ausgeführt werden, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Revisionsrechtfertigungsschrift prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen zutreffen. Da sich die Rüge dagegen richtet, das Berufungsgericht habe die Berufung des Angeklagten verworfen, obwohl ein Verteidiger mit schriftlicher Vertretungsvollmacht in der Berufungsverhandlung erschienen sei, hätte es des Vortrages bedurft, dass eine solche schriftliche Vollmacht für den Verteidiger in der vorliegenden Strafsache erteilt worden sei. Dies ist nicht der Fall. Der Angeklagte trägt in der Revisionsbegründung lediglich vor, dass sein Verteidiger in der Berufungsverhandlung die schriftliche Vollmacht zu den Akten gereicht habe. Nach dem Vortrag des Angeklagten lautet der Wortlaut der Vollmacht auszugweise: „… wird hiermit in der Strafsache gegen L Prozessvollmacht erteilt …“ (Bl. 210 d. A.). Damit wird zwar deutlich, dass sich die Vollmacht auf eine bestimmte Angelegenheit beziehen soll, offen bleibt aber bereits, auf welche Strafsache, so dass die Rüge nicht in der gebotenen Form ausgeführt und daher unzulässig ist.“

Tja, das war es dann – das Wiedereinsetzungsgesuch hatte nämlich auch keinen Erfolg. Allerdings weiß ich nicht so recht, wie ich mit dem Beschluss umgehen soll. M.E. überspannt das OLG die Anforderungen, zumindest dann, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass noch weitere Starfsachen gegen den Beschuldigten laufen. Und was bitte schön möchte das OLG: Nur den Vortrag, dass die vorliegende/vorgelegte Vollmacht in der anhängigen Strafsache erteilt worden ist – das liegt m.E. durch die Bezugnahme auf den Auffindeort auf der Hand? Oder will man noch weitere Erläuterungen wie Aktenzeichen – war das bei Erteilung der Vollmacht denn überhaupt shcon bekannt? – oder den Verfahrensgegenstand?

Entschädigung II: Das Problem mit der überschießenden U-Haft

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Die zweite StrEG-Entscheidung, die ich heute vorstelle, ist der OLG Hamm, Beschl. v. 03.11.2016 – 5 Ws 318/16 (zur ersten hier: Entschädigung I: Rechtsanwalt nicht nötig?, oder: „Schäbiges“ Land NRW). Er behandelt ein Problem, mit dem wir es im Bereich der StrEG häufig(er) zu tun haben: Nämlich die Problematik der sog. überschießenden U-Haft. Was damit gemeint ist, zeigt der Verfahrensverlauf im Beschluss des OLG Hamm. Der Angeklagte hatte sich in der Zeit vom 23.07.2015 bis zum 26.01.2016 in Untersuchungshaft befunden. Vorwurf: Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte; Haftgrund Fluchtgefahr. Verurteilt wird der Angeklagte dann (nur) wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung zu eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 10,00 € verhängt. Im Übrigen wird er freigesprochen. Wird nun die erlittende U-Haft auf die Geldstrafe angerechnet, dann bleibt noch etwas „übrig“, was ggf. zu entschädigen ist – eben ein „überschießender“ Teil der U-Haft.

Das LG hatte in seiner Entscheidung die Verpflichtung der Staatskasse festgestellt, den Angeklagten für die von ihm erlittene Untersuchungshaft gem. §§ 2, 4 StrEG zu entschädigen. Dagegen dann (natürlich) die sofortige Beschwerde der StA, die vornehmlich eine Gesamtaufhebung der Entschädigungsentscheidung verlangt, zumindest aber hilfsweise festzustellen, dass der Angeklagte nur in dem Umfang zu entschädigen ist, in welchem eine Anrechnung der Untersuchungshaft nach § 51 Abs. 1 StGB nicht erfolgt. Die GStA tritt natürlich bei. Das OLG meint dazu:

„Nach § 2 StrEG ist grundsätzlich aus der Staatskasse zu entschädigen, wer durch den Vollzug der Untersuchungshaft einen Schaden erlitten hat, soweit er freigesprochen wird. Dies gilt auch bei einem teilweisen Freispruch (vgl. Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 59. Aufl., StrEG Anh. 5, § 2 Rdnr. 1).

Dies gilt jedoch nur, soweit nicht die vorrangig zu berücksichtigende Regelung des§ 51 Abs. 1 S. 1 StGB eingreift. Danach wird Untersuchungshaft, die ein Verurteilter aus Anlass einer Tat erlitten hat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, auf die verhängte Freiheits- oder Geldstrafe angerechnet. Die Anrechnung erfolgt von Amts wegen im Vollstreckungsverfahren, ein Ausspruch im Urteil ist nicht notwendig (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 51 Rdnr. 4). Es nicht erforderlich, dass die Strafe allein wegen der Tat oder zumindest auch wegen der Tat verhängt worden ist, derentwegen sich der Verurteilte in Untersuchungshaft befunden hat (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 28. März 2000 in 4 Ws 62/00). Vielmehr ist es bei erlittener Untersuchungshaft nach dem Grundsatz der Verfahrensidentität ausreichend, wenn die Freiheitsentziehung aus Anlass einer Tat erfolgt ist, die Gegenstand des Verfahrens ist oder war. Das Verfahren muss sich während irgendeiner Phase auch auf eine Tat bezogen haben, die zumindest einer der Anlässe der Freiheitsentziehung war. So genügt insbesondere die gemeinsame Aburteilung, auch bei Freispruch oder Einstellung hinsichtlich der Tat, die zur Untersuchungshaft führte (vgl. Fischer, a.a.O., § 51 Rdnr. 6 m. w. N.; KG Berlin, a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 15. Januar 2008 in 3 Ws 702/07, StV 2008, 365).

Die Voraussetzung der Verfahrensidentität ist vorliegend gegeben. Die Taten, aufgrund derer der Haftbefehl erlassen und der Angeklagte in Untersuchungshaft genommen worden ist, sind Gegenstand des gesamten Strafverfahrens gewesen und von der Strafkammer in ihrer Entscheidung vom 04. Februar 2016 abgeurteilt worden. Dabei ist neben Freisprechung im Übrigen lediglich noch eine Verurteilung des Angeklagten wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte tateinheitlich mit versuchter Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10,00 € erfolgt.

Die vom Angeklagten in der Zeit vom 23. Juli 2015 bis zum 26. Januar 2016 erlittene Untersuchungshaft ist nach der vorrangig zu beachtenden Bestimmung des § 51 Abs. 1 S. 1 StGB auf die verhängte Geldstrafe von 60 Tagessätzen anzurechnen. Von der Möglichkeit der Anordnung des Unterbleibens der Anrechnung nach § 51 Abs. 1 S. 2 StGB hat die Strafkammer keinen Gebrauch gemacht.

Im Rahmen der nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 StrEG vorzunehmenden Gesamtabwägung zwischen den vorläufigen Maßnahmen und der endgültigen Rechtsfolge entspricht es vorliegend der Billigkeit, für die überschießende Strafverfolgungsmaßnahme, also die nach der Anrechnung noch verbleibende vom Angeklagten erlittene Untersuchungshaft, eine Entschädigung zu gewähren. Die verhängte Geldstrafe ist deutlich geringer als die Dauer der Untersuchungshaft des Angeklagten. Sie beträgt mit 60 Tagessätzen lediglich ein knappes Drittel der Untersuchungshaft von 188 Tagen. Schon aufgrund dieses ersichtlichen Missverhältnisses ist es sachgerecht, für die nicht anrechenbaren 2/3 der erlittenen Untersuchungshaft eine Entschädigung zu leisten.

Eine Entschädigung des Angeklagten ist vorliegend weder nach § 5 StrEG ausgeschlossen noch nach § 6 StrEG zu versagen.

Insbesondere hat der Angeklagte die Strafverfolgungsmaßnahme nicht grob fahrlässig i. S. d. § 5 Abs. 2 StrEG verursacht. Selbst wenn sich der Angeklagte wie von der Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerdebegründung ausgeführt, von Anfang an entsprechend den von der Strafkammer letztlich getroffenen Feststellungen geständig eingelassen und sich auch im Übrigen kooperativ verhalten hätte, wäre dennoch gegen ihn ein Haftbefehl erlassen und Untersuchungshaft angeordnet worden. Angesichts des sich für die ermittelnden Beamten nach den  Aussagen mehrerer Zeugen ergebenden Geschehensablaufs zur Vorfallszeit bestand gegen den Angeklagten der dringende Verdacht, dass er ein schweres Sexualdelikt begangen hatte. Diesen dringenden Tatverdacht hätte der Angeklagte zur damaligen Zeit im Rahmen einer Einlassung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht entkräften können. Entsprechendes gilt für den Haftgrund der Fluchtgefahr. Der Angeklagte ist Asylbewerber. Ein fester Aufenthaltsort konnte nicht festgestellt werden. Er lebte getrennt von Ehefrau und Kind.“

Jetzt dürfte/sollte die Problematik der „überschießenden“ U-Haft an sich klar sein.

Btw: Wenn man liest: „Selbst wenn sich der Angeklagte wie von der Staatsanwaltschaft in ihrer Beschwerdebegründung ausgeführt, von Anfang an entsprechend den von der Strafkammer letztlich getroffenen Feststellungen geständig eingelassen und sich auch im Übrigen kooperativ verhalten hätte,…“ ist man – gelinde gesagt – doch ein wenig verwundert, oder?

Die Gerichtssprache ist deutsch, oder: Unwirksame Ladung?

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Auf den ersten Blick überraschend, aber leider entsprechend der h.M. in der Rechtsprechung der OLG, ist der OLG Hamm, Beschl. v. 25.10.2016 – 3 RVs 72/16. Es geht um die Revision gegen ein nach § 329 Abs. 1 StPo ergangenes Verwerfungsurteil. Der Angeklagte ist jesidischer Kurde, der nur über Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfüg. Er erscheint nicht zur Berufungshauptverhandlung und wendet dann gegen das Berufungsurteil ein: Unwirksame Ladung, denn die mit der Ladung erfolgte Belehrung über die Bedeutung und die Folgen des Fernbleibens im Berufungshauptverhandlungstermin sei nicht verständlich gewesen sei. Da die Ladung nebst Belehrung nicht in übersetzter Form an ihn zugestellt worden sei, sei sein Anspruch auf ein rechtsstaatliches faires Verfahren verletzt und habe die Strafkammer das Nichterscheinen des Angeklagten nicht als unentschuldigt ansehen und verwerfen dürfen.

Dazu die Leitsätez des OLG – so weit sie hier interessieren:

  1. Die Ladung des Angeklagten zur Berufungshauptverhandlung – einschließlich der Belehrung gem. § 329 StPO – ist in deutscher Sprache abzufassen, weil die Gerichtssprache deutsch ist (§ 184 GVG).
  2. Die Ladung wird nicht dadurch unwirksam, dass sie einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Ausländer ohne Übersetzung zugestellt wird.
  3. Zur ordnungsgemäßen Erhebung der Rüge der Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren bedarf es in einem solchen Fall des Vortrags, dass der Angeklagte auch nicht bereits vor der Ladung bei Verkündung des amtsgerichtlichen Urteils in für ihn verständlicher Weise über die Folgen des Ausbleibens im Berufungstermin belehrt worden war.
  4. Der Protokollvermerk über eine Rechtsmittelbelehrung beweist nicht nur die Belehrung als solche, deren Richtigkeit und Vollständigkeit, sondern bei Anwesenheit eines Dolmetschers in der Hauptverhandlung auch deren korrekte Übersetzung.

Überraschend, weil man meint: Wenn die Ladung nicht ordnungsgemäß war, dann ist die Ladung doch auch unwirksam. Mitnichten, denn:

„Da die Gerichtssprache deutsch ist (§ 184 GVG) war die Ladung des Angeklagten – einschließlich der Belehrung gem. § 329 StPO – in deutscher Sprache abzufassen (vgl. BGH NJW 1984, 2050; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., GVG, § 184 Rdnr. 3). Die Ladung wird nicht dadurch unwirksam, dass sie einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Ausländer ohne Übersetzung zugestellt wird (vgl. BayObLG NStZ 1996, 248; OLG Köln NStZ-RR 2015, 317).“

Eine nähere Begründung für diese Auffassung bringt das OLG nicht, sondern es verweist einfach auf die Rechtspechung anderer OLG. Da muss man dann den OLG Köln, Beschluss lesen, um zu erfahren, dass diese Fragen über die Wiedereinsetzung gelöst werden sollen – oder auch nicht.

Im Übrigen: Das OLG legt die Hürden für die Revision mal wieder sehr hoch (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), wenn es vom Angeklagten verlangt, dass vorgetragen werden muss, „dass der Angeklagte auch nicht bereits vor der Ladung bei Verkündung des amtsgerichtlichen Urteils in für ihn verständlicher Weise über die Folgen des Ausbleibens im Berufungstermin belehrt worden war.“ Also Vortrag einer Nichttatsache.  Ein schwieriges Feld.