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Stolperstein bei der Revision im JGG-Verfahren, oder: Verteidiger aufgepasst bei der Begründung

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Urheber Harald Bischoff

Ein Urteil im JGG-Verfahren, das mit einer Verwarnung und einer Geldauflage ausschließlich ein Zuchtmittel (§ 13 Abs. 2 Ziff. 1, 2 JGG) gegen den Angeklagten anordnet, kann gem. § 55 Abs. 1 S. 1 JGG nicht wegen des Umfangs der Maßnahme und nicht deshalb angefochten werden, weil andere Erziehungsmaßregeln oder andere Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen. Dementsprechend kann ein Rechtsmittel gegen ein allein derartige Rechtsfolgen des Jugendstrafrechts verhängendes Urteil lediglich darauf gestützt werden, dass die Schuldfrage aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen falsch beurteilt oder die verhängte Sanktion selbst rechtswidrig ist (so der BGH, Beschl. v. 10.07.2013 – 1 StR 278/13, NStZ 2013, 659; OLG Celle NStZ RR 2001, 121; OLG Dresden, Beschl. v. 31.01.2003, 1 Ss 708/02). Über den BGH-Beschl. hatte ich seiner Zeit ja auch berichtet: (vgl. Neuer Stolperstein beim BGH: Erhöhte Anforderungen an die Revisionsbegründung im JGG-Verfahren).

Folge dieser gesetzlichen Beschränkung des § 55 Abs.1 S.1 JGG ist, dass eine Revision in diesen Fällen unzulässig ist, wenn sich aus der Begründung der Revisionsanträge ein zulässiges Angriffsziel nicht eindeutig entnehmen lässt. So jetzt auch noch einmal der OLG Hamm, Beschl. v. 07.02.2017 – 5 RVs 6/17:

„Für den Revisionsführer ergibt sich daher die Notwendigkeit, eindeutig klarzustellen, dass mit dem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2007, NStZ – RR 2007, 385; BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013, a.a.O.). Diese Beschränkung zulässiger Rechtsmittelziele dient der Beschleunigung des Jugendstrafverfahrens im Interesse der damit verfolgten erzieherischen Wirkung, die in ganz besonderem Maße eine möglichst baldige rechtskräftige Entscheidung verlangt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2007, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund dient die eindeutige Angabe eines zulässigen Angriffsziels dazu, eine Umgehung der gesetzlichen Rechtsmittelbeschränkung gem. § 55 Abs. 1 S. 1 JGG zu verhindern und ist deshalb auch verfassungsrechtlich zulässig. Insofern werden auch keine unzumutbaren Anforderungen an den Zugang zu den Revisionsgerichten gestellt (BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2007, a.a.O.).

Zwar genügt das Revisionsvorbringen des Angeklagten für sich genommen den vorgenannten Anforderungen an einen Revisionsantrag bei einem gegen ein in den Anwendungsbereich von § 55 Abs. 1 S. 1 JGG fallendes Rechtsmittel nicht. Der Angeklagte hat mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 26. September 2016 Revision eingelegt, allgemein die Verletzung materiellen und formellen Rechts gerügt und beantragt, das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Weder der Revisionsantrag als solcher noch die Revisionsbegründung oder die Zusammenschau beider genügen den Anforderungen des § 344 Abs. 1 StPO bei gesetzlich im Angriffsziel begrenzten Rechtsmitteln.“

Aber: Das OLG hat „geholfen:

In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass zur Klärung des Angriffszieles auch außerhalb der Rechtsmittelerklärung selbst liegende Umstände berücksichtigt werden dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013, a.a.O.; BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2007, a.a.O.; OLG Celle, Beschluss vom 10. Oktober 2000, a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 31. Mai 2016, III-3 RVs 42/16). Insbesondere zählt zu diesen Umständen auch das bisherige Prozessverhalten des Angeklagten. Im Hinblick darauf, dass dieser in der Hauptverhandlung vor dem Jugendschöffengericht die Tatbegehung in Abrede gestellt und sich in der Berufungshauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen und sein Verteidiger in beiden Tatsacheninstanzen beantragt hat, den Angeklagten freizusprechen, liegt es nahe, dass mit der Revision das Ziel verfolgt werden soll, den Schuldspruch selbst und nicht lediglich Art und Umfang der angeordneten Zuchtmittel anzufechten.“

Trotz der Hilfe des OLG: Lieber gleich richtig begründen, denn nicht immer hilft das OLG……..

„Home-Button“ beim iPhone betätigt ==> Mobiltelefon benutzt ==> Bußgeld

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So, das Wochenende naht. Aber es ist noch nicht ganz erreicht, ein wenig muss noch gearbeitet werden. Und dazu gibt es zunächst den OLG Hamm, Beschl. v. 29.12.2016 – 1 RBs 170/16. Es handelt sich um eine weitere Entscheidung, die ich in das Stciwort „Mobiltelefon“ in der in der zweiten Jahreshälfte erscheinenden 5. Auflage das Handbuchs für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren einpflegen konnte/musste/durfte.

Das AG hatte den Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO verurteilt und dazu festgestellt, der Betroffene habe „während der Fahrt mit einem PKW ein i-Phone in der Hand gehalten und dessen „Home-Button“ betätigt, wobei nicht habe festgestellt werden können, ob der Betroffene gegebenenfalls lediglich habe kontrollieren wollen, ob das Gerät eingeschaltet ist, um es dann gegebenenfalls auszuschalten, oder ob der Betroffene eine sonstige weitere Funktion des Telefons habe nutzen wollen.“ Dagegen der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit welcher geltend gemacht wird, der Betroffene habe durch die Betätigung des Home-Button lediglich sicherstellen wollen, dass sein Handy ausgeschaltet sei, was sich auch bestätigt habe; das Handy habe mangels eingeschaltetem Zustand gar nicht benutzt werden können.

Das OLG hat die Rechtsbeschwerde zugelassen – das ist doch schon mal was 🙂 . Aber: Es hat die Rechtsbeschwerde dann als unbegründet verworfen:

„Indes beinhalten die seitens des Amtsgerichts getroffenen Feststellungen unter weiterer Berücksichtigung der entsprechenden Ausführungen in der Beweiswürdigung zumindest auch die zu Gunsten des Betroffenen zugrunde zu legende Möglichkeit, sein Mobiltelefon sei tatsächlich ausgeschaltet gewesen, was er durch Antippen des Home-Buttons lediglich habe kontrollieren wollen, so dass sich die Frage stellt, in welcher Form ein ausgeschaltetes Handy im Sinne des Gesetzes benutzt werden kann.

Es ist obergerichtlich hinreichend geklärt, dass sowohl das Einschalten als auch das Ausschalten eines Mobiltelefones als Benutzung im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO anzusehen ist (OLG Köln, Beschluss vom 09. Februar 2012 – III-1 RBs 39/12 –, juris). Aus der zutreffenden Einordnung des Einschaltens eines Mobiltelefones als dessen Benutzung ergibt sich zwangsläufig, dass die Nutzung des Mobiltelefons entgegen dem Rechtsbeschwerdevorbringen gerade nicht voraussetzt, dass sich dieses bereits in einem aktiven Betriebszustand befindet.

Um Benutzung eines Mobiltelefons handelt es sich auch, wenn das Handy vom Betroffenen an sein Ohr gehalten wird, um einen Signalton abzuhören, um dadurch zu kontrollieren, ob das Handy ausgeschaltet ist (OLG Hamm, Beschluss vom 28. Dezember 2006 – 2 Ss OWi 805/06 –, juris).

Auch bei der von dem Betroffenen nach seiner Einlassung durchgeführten Kontrolle des „Ausgeschaltetseins“ handelt es sich um eine Benutzung des Mobiltelefones. Der Home-Button des Mobiltelefones dient in eingeschaltetem Zustand in seiner bestimmungsgemäßen aktiven Funktion unter anderem dazu, das mit einem verdunkelten Bildschirm im Ruhezustand befindliche Telefon „aufzuwecken“ und die Bildschirmanzeige zu aktivieren. Gleichzeitig ermöglicht er dadurch eine Kontrolle, ob das Handy ein- oder ausgeschaltet ist. Dementsprechend ist er mithin zur Erfüllung dieser letztgenannten ebenfalls bestimmungsgemäßen Nutzungsfunktion auch in ausgeschaltetem Zustand in der Lage, da der weiterhin verdunkelt bleibende Bildschirm die zuverlässige Information liefert, dass das Gerät tatsächlich ausgeschaltet ist. Es handelt sich letztlich um eine Art „Negativfunktion“ des ausgeschalteten Gerätes, deren Abruf allerdings nach Bewertung des Senats ohne Weiteres als Benutzung des Mobiltelefones bzw. seiner Funktionen anzusehen ist.“

Hier war es ein Iphone. Die Entscheidung gilt natürlich auch für andere Smartphones – einen dem „Home-Button “ vergleichbaren Button/Knopf haben sie ja alle.

Bewährungswiderruf, oder: Mündlich angehört werden muss….

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Der OLG Hamm, Beschl. v. 28.03.2017 – 2 Ws 38/17 – ruft noch einmal einen Umstand ins Gedächtnis, der im Verfahren über den Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung häuifg übersehen wird: Die Frage der (ggf. zwingenden) mündlichen Anhörung des Verurteilten.

Widerrufen wird von der Strafvollstreckungskammer die Aussetzung einer Restfreiheitsstrafe wegen erneuter Straffälligkeit, also nach § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB. Insoweit besteht aber die Besonderheit, dass wegen der (angeblichen) neuen Straftaten noch keine Verurteilung und auch kein Geständnis vorliegt. Ergebnis? es bleibt nur ein Widerruf nach § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB. Und da fehlte die zwingende mündliche Anhörung:

„Gemäß § 453 Abs. 1 Satz 2 StPO ist der Verurteilte vor einer nachträglichen Entscheidung, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung bezieht (§ 56 f StGB), zu hören. Ihm soll nach § 453 Abs. 1 Satz 4 StPO Gelegenheit zur mündlichen Anhörung gegeben werden, wenn das Gericht über einen Widerruf der Strafaussetzung wegen eines Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen gemäß § 56 f Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 StGB zu entscheiden hat. Der Verurteilte soll dadurch insbesondere Gelegenheit erhalten, den Vorwurf zu entkräften, dass er gegen Auflagen oder Weisungen gröblich oder beharrlich verstoßen hat. Die Sollvorschrift ist dahin zu verstehen, dass die Anhörung zwingend ist, wenn sie weitere Aufklärung Verspricht öder wenn ihr keine schwerwiegenden Gründe entgegenstehen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 453, Rn 7 m.w.N.).

Bei einem auf § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB gestützten Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung reicht demgegenüber eine schriftliche Anhörung des Verurteilten aus (Umkehrschluss aus § 453 Abs. 1 Satz 4 StPO). Im vorliegenden Fall kann der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung jedoch nicht auf § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB gestützt werden. Gemäß § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB widerruft das Gericht die Strafaussetzung zur Bewährung, wenn der Verurteilte in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zur Bewährung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat. Dabei muss die schuldhafte Begehung einer Straftat feststehen; ein bloßer Verdacht reicht nicht aus. Dies setzt regelmäßig eine rechtskräftige Verurteilung des Verurteilten wegen der neuen Straftat voraus (Fischer, StGB, 64. Aufl. 2017, § 56f StGB, Rn 4 ff. mwN), Darüber hinaus kann ein glaubhaftes, richterliches Geständnis der neuen Tat die erforderliche Überzeugung begründen (Fischer, a.a.O., Rn 7. mwN). Im vorliegenden Fall liegt jedoch wegen der neuen, in der Bewährungszeit begangenen Taten noch kein rechtskräftiges Urteil vor. Auch hat der Verurteilte die ihm zur Last gelegten Taten nicht – richterlich gestanden.

Damit kann der. Widerruf lediglich auf § 56 Abs. 1 Nr. 2 StGB gestützt werden. Insoweit hätte es allerdings gemäß § 453 Abs. 1 Satz 4 StPO zwingend einer mündlichen Anhörung bedurft. Eine § 453 Abs. 1 Satz 4 StPO entsprechende mündliche Anhörung des Verurteilten‘ hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vor ihrer Entscheidung über den Widerruf der. Strafaussetzung jedoch nicht durchgeführt.

Auch die Vernehmung des Verurteilten anlässlich der. Verkündung des Sicherungshaftbefehls am 17.01.2017 vermochte die gemäß § 453 Abs. 1 Satz, 4 StPO vorgeschriebene mündliche Anhörung nicht zu ersetzen. Mögliche Widerrufsgründe wurden in diesem Termin nicht erörtert. Zudem ist diese Anhörung nicht durch das erkennende Gericht – die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum – erfolgt (vgl. auch OLG München, StV 2009, 540). Anhaltspunkte, dass die Ermittlungsrichterin des Amtsgerichts Düren im vorliegenden Fall als ersuchte Richterin mit der Anhörung des Verurteilten zu möglichen Widerrufsgründen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Rn 7) und nicht nur entsprechend § 115 a Abs. 1 StPO mit der Verkündung des Sicherungshaftbefehls betraut war, liegen nicht vor.“

 

Wiedereinsetzung II: Eigenes Verschulden, oder: Wer zu spät (telefonisch) beauftragt, den bestraft das OLG

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Nach dem BGH, Beschl. v. 22.03.2017 – 2 StR 356/16 (dazu Wiedereinsetzung I: Eigenes Verschulden, oder: Das können ja teilweise noch nicht einmal Verteidiger) eine weitere „Wiedereinsetzungsentscheidung“ mit der Problematik „eigenes Verschulden“. Es ist der OLG Hamm, Beschl. v. 24.01.2017 – 4 Ws 412/16. Da ging es um die Wiedereinsetzung im Strafvollstreckungsverfahren, in dem die Frist der sofortigen Beschwerde versäumt worden ist. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs ist vorgetragen worden, dass der Verteidiger selbst am Tag des Fristablaufs, Freitag den 2.12.2016, nicht in seinem Büro anwesend gewesen sei. Seine Sekretärin habe folgenden Vermerk aufgenommen: „Anruf von Herrn I, Schriftsatz geht so in Ordnung“. Unter dem 30.11.2016 habe der Verteidiger an den Verurteilten unter anderem Folgendes geschrieben: „Bitte teilen Sie mir möglichst kurzfristig mit, ob ich gegen den Beschluss vorgehen soll. Dieser ist offenbar bei Ihnen zugestellt worden. Ab diesem Tag beginnt die einwöchige Frist zur Einlegung des zulässigen Rechtsmittels. Wenn Sie also möchten, dass das Oberlandesgericht nochmals über die Sache entscheidet, melden Sie sich bitte kurzfristig bei mir.“ Der Verteidiger – so der diesbezügliche Vortrag – habe die Sekretärin nicht ausreichend instruiert, bei einem möglichen Anruf des Verurteilten den Fristablauf zu beachten. Eine klare Weisung zur Einlegung der sofortigen Beschwerde sei bei dem Verurteilten, der unter erheblichen Sprachschwierigkeiten und an einer frühkindlichen Hirnschädigung leide, nicht zu erwarten.“

Das OLG lehnt den Wiedereinsetzungsantrag ab und sagt: Eigenes Verschulden:

Da der Verurteilte erst am Nachmittag des Tages des Fristablaufs telefonisch über einen Dritten einen Verteidiger mit der Revisionseinlegung beauftragte, musste er damit rechnen, dass dieser Auftrag dem – möglicherweise abwesenden – Verteidiger nicht rechtzeitig zur Kenntnis gelangte und bereits deshalb eine rechtzeitige Revisionseinlegung durch diesen Verteidiger nicht möglich war. Jedenfalls hätte der Angeklagte darauf hinweisen müssen, dass die Frist zur Einlegung der Revision noch am selben Tage abläuft (BGH, Beschluss vom 10. August 1994 – 3 StR 380/94BGHR StPO § 44 Verschulden 2).

Nach diesen Maßstäben hat der Verurteilte selbst die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde zu vertreten. Denn er hat gegenüber der Sekretärin seines Verteidigers keine eindeutigen Angaben gemacht und auch nicht darauf hingewiesen, dass die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde noch am selben Tag abläuft. Nach der Mitteilung seines Verteidigers musste der Verurteilte davon ausgehen, dass diesem das Zustelldatum und damit der Fristablauf für die Einlegung der sofortigen Beschwerde nicht bekannt waren. Gleichwohl hat der Verurteilte weder das Zustelldatum noch das Datum des Fristablaufs dem Verteidiger bzw. dessen Sekretärin mitgeteilt. Der Verurteilte hat seinem Verteidiger auch keine klare Weisung zur Einlegung der sofortigen Beschwerde erteilt. Die Mitteilung, „der Schriftsatz gehe so in Ordnung“, ist nicht eindeutig und missverständlich. Der Wille zur Einlegung der sofortigen Beschwerde geht auch unter Berücksichtigung des Bezugsschreibens seines Verteidigers vom 30.11.2016 nicht deutlich hervor. Es finden sich keine Anhaltspunkte in der Akte, dass der Verurteilte intellektuell nicht in der Lage ist, Daten zu erfassen, mitzuteilen oder eindeutige Erklärungen abzugeben. Nach dem Prognosegutachten der Dipl.-Psych. und Psycholog. Psychotherapeutin X vom 1.3.2010 liegt bei dem Verurteilten gerade keine leichte Intelligenzminderung nach dem ICD10-Katalog vor, da sein festgestellter IQ von 78 die Kriteriengrenze von einem kognitiven Leistungsniveau von 69 überschreitet.“

Geschwindigkeitsmessung duch Nachfahren, eine fast sichere Bank, nicht nur zur Nachtzeit

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Wenn man sich die OLG-Rechtsprechung zur Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren ansieht, kann man m.E. festststellen: Eine (fast) sichere Bank. Denn bei der Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren handelt es sich nach der Rechtsprechung der OLG nicht um ein standardisiertes Messverfahren. Dementsprechend hoch sind daher auch die Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen. Und dementsprechend oft reichen die amtsgerichtlichen Feststellungen nicht und werden die AG-Urteile aufgehoben.

Worauf bei diesen Fragen zu achten ist, fasst noch einmal – für eine Messung zur Nachtzeit – das OLG Hamm im OLG Hamm, Beschl. v. 10.03.2017 – 4 RBs 94/17 – zusammen:  Auf der Grundlage der h.M. in der Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl., 2015, Rn. 2334 ff. – demnächst 5. Aufl. 🙂 )  weist das OLG daraufhin, dass bei einer bei Dunkelheit oder schlechten Sichtverhältnissen durchgeführten Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren zusätzlich Angaben über die Beobachtungsmöglichkeiten der Polizeibeamten, insbesondere zum Abstand der Fahrzeuge und zur Sicht- und Beleuchtungssituation vor Ort erforderlich sind. Die fehlen in den amtsrichterlichen Urteilen nicht selten.

Das OLG geht zudem davon aus, dass Mindestmessstrecken auf der Grundlage behördlicher Richtlinien für die Gerichte nicht bindend sind (Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG), sondern diese sich nach den Grundsätzen der §§ 71 Abs. 1 OWiG, 261 StPO eine Überzeugung zu bilden haben. Je kürzer allerdings die Messstrecke ist, umso genauer sind die Umstände der Messung darzustellen sowie solche Umstände, wie etwa die nachfahrenden Polizeibeamten in einem vergleichsweise kurzen Zeitraum gleichzeitig Aufgaben der fahrerischen Tätigkeit der Verfolgung, die Feststellung eines gleichbleibenden oder sich vergrößernden Abstands – unter welchen Beleuchtungsverhältnissen und in welchem (ungefähren) Abstand zum verfolgten Fahrzeug – und das Ablesen der Geschwindigkeit bewältigen konnten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass etwa bei einem sehr großen Abstand zum verfolgten Fahrzeug ein gleichbleibender oder sich vergrößernder Abstand erst nach längerer Nachfahrt ermittelt werden kann.