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Strafzumessung II: Fahren ohne Fahrerlaubnis, oder: „bequemliche Polizeiflucht“

Die zweite Entscheidung kommt vm OLG Hamm. Das hat im OLG Hamm, Beschl. v. 19.11.2020 – 4 RVs 129/20 – die Strafzumessung in einem Urteil des LG Münster wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis beanstandet. Das hatte auf den der Fahrt zugrunde liegenden Anlass – Polizeiflucht – und darauf abgestellt, dass der Angeklagte „- trotz der offenen Bewährungen – allein aus Bequemlichkeitsgründen ungefähr 18 Monate nach der letzten Verurteilung durch das Amtsgericht Rheine vom 02.12.2016 erneut gegen das Verbot, ohne Fahrerlaubnis zu fahren, verstoßen hat und dabei mit seiner Polizeiflucht auch die Gefährdung Dritter Personen in Kauf genommen hat“. Das hat dem OLG nicht gefallen:

„2. Die auf die erhobene Sachrüge hin vorgenommene materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat im Rechtsfolgenausspruch jedoch durchgreifende Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten ergeben.

Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Sache des tatrichterlichen Ermessens und daher vom Revisionsgericht nur darauf zu prüfen, ob Rechtsfehler vorliegen. Das Revisionsgericht darf daher nur eingreifen, wenn die Strafzumessungserwägungen des Urteils in sich rechtsfehlerhaft sind, wenn der Tatrichter die ihm nach § 46 StGB obliegende Pflicht zur Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände verletzt, insbesondere rechtlich anerkannte Strafzwecke nicht in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen hat, oder die Strafe bei Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Strafrahmens unvertretbar hoch oder niedrig ist (st. Rspr. des BGH; vgl. BGH, Urteil vom 27.01.2015 -1 StR 142/14 -, juris; BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11 -; BGHSt 57, 123, 127; jeweils mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage 2020, § 337 Rn. 34).

Solche Rechtsfehler liegen hier indes vor.

So hat das Landgericht strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte aus Bequemlichkeitsgründen mit dem Kraftfahrzeug gefahren ist. Diese Erwägung ist jedoch rechtsfehlerhaft, als sich hieraus allein noch kein auffälliges Missverhältnis von Anlass und Tat im Sinne einer „aus der Tat sprechenden Gesinnung“ gemäß § 46 Abs. 2 StGB ableiten lässt, sondern vielmehr nur das Fehlen eines triftigen Grundes für die Fahrt und damit das Fehlen nachvollziehbarer Motive strafschärfend berücksichtigt wurde.

Ferner hat das Landgericht rechtsfehlerhaft die „Flucht des Angeklagten vor der Polizei“ zu dessen Lasten gewertet. Der Versuch, sich der Strafverfolgung zu entziehen, darf aber grundsätzlich nicht zu Lasten eines Angeklagten herangezogen werden, es sei denn, das Nachtatverhalten schafft neues Unrecht oder der Täter verfolgt Ziele, die ein ungünstiges Licht auf ihn werfen, so wenn er sich damit erneut über strafrechtliche Gebote hinweg setzt (vgl. BGH, Urteil vom 27.11.2011 – 2 StR 493/10 -, juris). Hinreichende Feststellungen dazu, dass ein solches Nachtatverhalten des Angeklagten vorliegt, sind den Urteilsgründen jedoch nicht zu entnehmen. Feststellungen dazu, dass es im Rahmen der Flucht des Angeklagten vor der Polizei zu einer konkreten Gefährdungssituation für die nachfahrenden Polizeibeamten oder andere Verkehrsteilnehmer gekommen ist, sind nicht getroffen worden. Auch kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden, dass zumindest eine abstrakte Gefährdung dergestalt bestanden hätte, dass der Angeklagte mit stark überhöhter Geschwindigkeit geflüchtet wäre. Auch liegt in der „Fluchtfahrt“ des Angeklagten keine neue Tat, die ggf. ein neues Unrecht begründen könnte, da es sich bei dem vorsätzlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis um eine Dauerstraftat handelt, die grundsätzlich erst endet, wenn der Täter mit dem Weiterfahren endgültig aufhört und die Fahrtrichtungsänderung, um einer Polizeikontrolle zu entgehen, keine neue Tat beginnen lässt (vgl. BGH, NJW 1983, 1744 zur Trunkenheitsfahrt). Damit sind den Urteilsgründen im Ergebnis keine Umstände zu entnehmen, die über die abstrakte Gefährlichkeit, die mehr oder minder mit dem Vergehen gegen § 21 StVG verbunden ist und die allein nicht strafschärfend berücksichtigt werden darf, hinausgehen (vgl. Hühnermann in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, § 26. Auflage 2020, § 21 StVG Rn. 51). ….“

Pauschgebühr, oder: Wirtschaftsstrafverfahren

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Und als zweite Entscheidung dann der OLG Hamm, Beschl. v. 15.12.2020 – 5 RVGs 81/20 – zur Gewährung einer Pauschgebühr in einem Wirtschaftsstrafverfahren, den mir der Kollege Föcking geschickt hat:

„Der Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG ist im tenorierten Umfang begründet. Der weitergehende Antrag war jedoch abzulehnen.

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte auf Antrag eine Pauschgebühr zu bewilligen, die über die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis hinausgeht wenn die dort bestimmten Gebühren wegen der besonderen Schwierigkeit oder des besonderen Umfangs nicht zumutbar sind. Dies ist der Fall.

1. Der Senat ist in Übereinstimmung sowohl mit dem Gerichtsvorsitzenden, auf dessen Stellungnahme verwiesen wird, als auch mit dem Vertreter der Staatskasse der Auffassung, dass das Verfahren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht besonders schwierig war.

2. Ferner handelt es sich auch um ein besonderes umfangreiches Verfahren. Besonders umfangreich im Sinne des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist eine Strafsache, wenn der vom Verteidiger hierfür erbrachte zeitliche Aufwand erheblich über dem Zeitaufwand liegt, den er in einer normalen Sache zu erbringen hat (OLG Dresden, Beschluss vom 11. Dezember 2019 — 1 (S) AR 60/19 —, Rn. 2, juris; OLG Celle StRR 2011, 240). Als -Vergleichsmaßstab sind dabei Verfahren heranzuziehen, die den Durchschnittsfall der vor dem jeweiligen Spruchkörper verhandelten Sachen darstellen (vgl. BGH Rpfl. 1996, 169; NStZ 1997, 98; OLG Hamm JurBüro 1999, 194; OLG Celle a.a.O.), vorliegend also solche einer Wirtschaftsstrafkammer.

Gemessen an diesem Maßstab stellt sich die Tätigkeit des Antragstellers als besonders umfangreich dar. Neben dem ganz erheblichen Aktenumfang war hierbei insbesondere zu berücksichtigen, dass dem Antragsteller nur ein Zeitraum von gut zwei Monaten zur Einarbeitung zur Verfügung stand und dieser Einarbeitungsaufwand überdies zu einer erheblichen Verkürzung der Hauptverhandlung beigetragen hat. Dieses prozessökonomische Verhalten wird durch die Terminsgebühren nur teilweise kompensiert. Aufgrund der geständigen Einlassung des Angeklagten haben insgesamt lediglich 16 Hauptverhandlungstermine stattgefunden, die ihrerseits allerdings allenfalls durchschnittlichen Umfang aufwiesen.

3. Bei zusammenfassender Gesamtwürdigung der vorgenannten Aspekte erscheint dem Senat anstelle der gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren in Höhe von 160,00 € für die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und in Höhe von 316,00 € für die Verfahrensgebühr Nr. 4118 VV RVG die Bewilligung von Pauschgebühren in Höhe von 1.600,00 € für die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und von 3.160,00 € für die Verfahrensgebühr Nr. 4118 VV RVG für angemessen.

4. Die Festsetzung noch höheren Pauschgebühren kam hingegen nicht in Betracht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine Pauschgebühr in Höhe bzw. im Bereich der Wahlverteidigerhöchstgebühren nur dann zu festzusetzen, wenn das Verfahren die Arbeitskraft des Verteidigers für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch genommen hat (OLG Hamm, Beschluss vom 30. März 2017 — 5 RVGs 2/17 —, Rn. 10, juris). Dass ein solcher Arbeitseinsatz aufgrund des Umfangs des Verfahrens erforderlich war, ist durch den Antragsteller nicht aufgezeigt worden und — wie der Vertreter der Staatskasse zutreffend dargelegt hat — auch sonst nicht ersichtlich.“

„Knappe“ Pauschgebühr im Revisionsverfahren, oder: Kompensation ggf. zulässig

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Am „Gebühren-Friday“ natürlich RVG, und zwar zunächst der OLG Hamm, Beschl. v. 27.10.2020 – III-5 RVGs 61/20, den mir der Kollege Rahmlow aus Duisburg geschickt hat. Der Kollege war Pflichtverteidiger in einem Verfahren wegen Computerbetruges u.a., das dann in der Revision das OLG Hamm beschäftigt hat (vgl. dazu: StPO II: Richtiger Beweisantrag, oder: Ablehnung wegen Bedeutungslosigkeit und Beweiswürdigung II: Das OLG Hamm und “Aussage-gegen-Aussage”

Nach Verfahrensbeendigung hat der Kollege eine Pauschgebühr (§ 51 RVG) für das Revisionsverfahren (Nr. 4130 VV RVG) beantragt und auch teilweise erhalten:

„Zu diesem Antrag hat der Vertreter der Staatskasse am 02,09.2020 ausführlich Stellung genommen und dabei den Tätigkeitsumfang des Antragstellers sowie die ihm zustehenden Gebühren zutreffend dargelegt. Trotz des Umfangs und der besonderen rechtlichen Schwierigkeit des Revisionsverfahrens sei der Antrag zurückzuweisen, da die vom Antragsteller im Revisionsverfahren entfalteten Tätigkeiten durch die unterdurchschnittlichen bzw. durchschnittlichen Verfahrensabschnitte. welche vom Pauschgebührenantrag nicht erfasst seien, hinreichend kompensiert wurden.

Der Antragsteller hat in seiner Gegenerklärung darauf hingewiesen. dass die Hauptverhandlungstermine am 29.11.2017, 04.12.2017, 08.12.2017 und 13,122017 umfangreich vorbereitet werden mussten, da die entscheidenden Zeugen R über sämtliche Termine verteilt geladen gewesen seien. Zudem sei die durchschnittliche Verhandlungsdauer von 2 h Stunden für eine Berufungsstrafkammer nicht untypisch. In Zusammenschau mit den weiteren Umständen — Komplexität des Sachverhalts, Aktenumfang. rechtliche Schwierigkeit – seien die weiteren Verfahrensabschnitte als durchschnittlich zu werten,

Unter dem 30.09.2020 hat das Landgericht das Strafverfahren nach § 153a StPO endgültig eingestellt.

Der Antrag auf Festsetzung einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 RVG ist im tenorierten Umfang begründet: Der weitergehende Antrag war jedoch abzulehnen.

1. Der entscheidende Einzelrichter geht in Übereinstimmung mit den zutreffenden Ausführungen des Vertreters der Staatskasse vom 02.09.2020 sowie der Stellungnahme der Senatsvorsitzenden vom 28.07.2020 davon aus, dass das Revisionsverfahren besonders umfangreich und in rechtlicher Hinsicht besonders schwierig war. Insbesondere musste der Antragsteller in der Revisionsbegründung vom 26.04 2018 zu den rechtlichen schwierigen Fragestellungen Stellung nehmen. welche Anforderungen an die Beweiswürdigung bei einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation sowie an die Ablehnung von Beweisanträgen zu stellen sind. Die rechtsfehlerhafte Ablehnung der Beweisanträge musste hierbei im Wege der Verfahrensrüge geltend gemacht werden. Mit Einschüben besitzt die Revisionsbegründungsschrift einen Umfang von 163 Seiten.

2. Aufgrund der besonderen Schwierigkeit und des besonderen Umfangs sind die gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren dem Antragsteller nicht zumutbar, so dass eine Pauschvergütung zu bewilligen ist.

a) Entgegen der Auffassung des Vertreters der Staatskasse werden die im Revisionsverfahren entfalteten Tätigkeiten durch die Tätigkeiten in den weiteren Verfahrensabschnitten nicht hinreichend kompensiert. Zwar ist es zutreffend, dass sowohl die erstinstanzlichen als auch die zweitinstanzlichen Hauptverhandlungstermine locker terminiert waren sowie durchschnittlich lediglich 3.21 Stunden bzw. 2,37 Stunden und damit nicht lange dauerten, Außerhalb der Hauptverhandlung hat der Antragsteller jedoch umfangreiche Tätigkeiten entfaltet, welche über das normale Maß einer Strafverteidigung deutlich hinausgingen. So hat der Antragsteller zahlreiche Anträge und Anschreiben. hierunter insbesondere mehrere Arrestbeschwerden, mehrere Beweisanträge sowie eine siebzehnseitige Berufungsbegründung verfasst. In Zusammenschau mit den weiteren Umständen, vor allem dem Aktenumfang – und dem Verfahrensgegenstand lag der Tätigkeitsumfang des Antragstellers in den nicht vom Pauschgebührenantrag erfassten Verfahrensabschnitten, an der oberen Grenze des durchschnittlichen Bereichs.

b) Nach der somit vorzunehmenden umfassenden Abwägung erachtet der Senat unter Berücksichtigung sowohl der obigen Ausführungen zur Schwierigkeit und zum Umfang der Angelegenheit als auch der entfalteten Tätigkeiten in den weiteren Verfahrensabschnitten und der diesbezüglich entstandenen Pflichtverteidigergebühren anstelle der gesetzlichen Gebühr „Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren“ Nr. 4130 VV RVG in Höhe von 492,00 € eine Pauschgebühr in Höhe von 950,00 € für angemessen.

3. Die Bewilligung einer noch höheren Pauschgebühr kam hingegen nicht in Betracht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine Pauschgebühr in Höhe bzw. im Bereich der Wahlverteidigerhöchstgebühren nur dann zu bewilligen, wenn das Verfahren die Arbeitskraft des Verteidigers für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch genommen hat {OLG Hamm, Beschluss vom 30. März 2017 — 5 RVGs 2/17 Rn. 10, juris). Es ist nicht davon auszugehen, dass ein soIcher Arbeitseinsatz aufgrund des Umfangs des Revisionsverfahren vorliegend erforderlich gewesen ist.

Nix wesentlich Neues. Bemerkenswert, aber auch nicht wirklich überraschend, dass das OLG an seiner falschen Auffassung zur Kompensation festhält. Und: Knapp bemessen – wie immer.

OWi I: Der Scanner des Paketauslieferungsfahrers, oder: Elektronisches Gerät

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Der heutige Tag ist dann drei OWi-Entscheidungen gewidmet.

Und ich stelle zunächst den OLG Hamm, Beschl. v. 03.11.2020 – 4 RBs 345/20 – vor. Er behandelt mal wieder die Frage des „elektronischen Geräts“ i.S. von § 23 Abs. 1a StVO. Hier ging es um den Scanner eines Paketauslieferungsfahrers. Das OLG hat die Eigenschaft als elektronisches Gerät im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO bejaht:

„Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen „vorsätzlicher verbotswidriger Nutzung eines elektronischen Gerätes, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient als Kraftfahrzeugführer“ zu einer Geldbuße von 120 Euro verurteilt.

Zur Sache hat das Amtsgericht folgende Feststellung getroffen:

„Der Betroffene befuhr am 5.11.2019 um 15.08 Uhr mit einem PKW der Marke G mit dem amtlichen Kennzeichen pp. in pp. auf Höhe der Hausnummer 17.

Dabei nutze der Betroffene einen sogenannten Scanner der Marke N, indem er diesen mit seiner rechten Hand halbhoch hielt und Tippbewegungen durchführte. Dies geschah wissentlich und willentlich.

Der Scanner dient dazu, dem Betroffenen die ihm auszuführenden Aufträge vor Augen zu führen. Dabei zeigt das Gerät dem Betroffenen die Lieferadresse an. Sobald der Betroffene einen Auftrag erledigt hat, bestätigt er dies auf dem Scanner und die Spedition erhält Mitteilung davon, dass der Auftrag ausgeführt worden ist. Er ähnelt seinem Aussehen nach einem Mobiltelefon, da er über ein Display und eine Tastatur verfügt. Er ist jedoch etwas breiter als ein handelsübliches Mobiltelefon.“

Aus den Urteilsgründen ergibt sich ferner, dass der Scanner mit einem Akku oder einer Batterie betrieben wird.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde und erhebt die Sachrüge.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt die Verwerfung des Zulassungsantrags als unbegründet.

II.

Die Rechtsbeschwerde war zur Fortbildung des (materiellen) Rechts (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) zuzulassen und die Sache auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen (§ 80a Abs. 3 S. 1 OWiG). Die Frage, ob ein Scanner ein elektronisches Gerät im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO in der Neufassung (mit Wirkung ab dem 19. Oktober 2017) darstellt, ist – soweit ersichtlich – noch nicht höchstrichterlich entschieden und erscheint klärungsbedürftig.

III.

Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das angefochtene Urteil hält einer sachlich-rechtlichen Prüfung stand. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen belegen eine vorsätzliche verbotswidrige Nutzung eines elektronischen Gerätes im Sinne von § 23 Abs. 1a StVO. Die Feststellungen tragen die Annahme, dass der Betroffene ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient, benutzt und hierzu aufgenommen hat. Der Scanner wird den Feststellungen zufolge mit einem Akku oder einer Batterie betrieben, stellt also ein elektronisches Gerät dar. Dieses Gerät zeigte dem Betroffenen die auszuführenden Aufträge und die Lieferadressen an und diente damit seiner Information und Organisation. Von der Erledigung eines Auftrags erhielt der Auftraggeber jeweils über den Scanner eine Nachricht, sodass das Gerät auch der Kommunikation diente. Dadurch, dass der Betroffene den Scanner in der Hand hielt und auf die Tastatur tippte, hat er das Gerät aufgenommen und bedient. Nach dem Wortlaut der Norm ist der Tatbestand mithin erfüllt und zwar vorsätzlich. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Sinn und dem Zweck der Norm (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 28.05.2019, III-4 RBs 92/19; Merz SVR 2019, 441, 444 jeweils m.w.N.). Der Gesetzgeber wollte der unfallgefährlichen Ablenkung der Kraftfahrzeugführer durch Mobiltelefone und andere elektronische Geräte entgegenwirken und hat den Tatbestand zudem offen formuliert. Der Scanner der Marke N wird wie ein Mobiltelefon über eine Tastatur bedient und verfügt auch über ein Display. Die Bedienung des Gerätes erfolgt weitgehend in gleicher Weise wie bei einem Mobiltelefon und führt ebenso wie dieses zur Ablenkung des Fahrers.“

Über die Entscheidung werden sich DHL, DPD und Hermes sicherlich sehr freuen.

Im Übrigen: Ob das eigentlich im Bundesverkehrsministeirum eigentlich alles bedacht worden ist? Vom „Bundesandi“ bestimmt nicht 🙂 .

Strafzumessung III: Täter-Opfer-Ausgleich, oder: Geht das beim Computerbetrug?

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Und zum Tagesschluss komme ich dann noch einmal auf das OLG Hamm, Urt. v. 22.09.2020 – 5 RVs 63/20 – zurück. Über das hatte ich ja schon einmal berichtet habe (vgl. hier: Kessel Buntes III: Diebstahl einer Geldbörse mit Personalpapieren, oder: Auch Urkundenunterdrückung?).

Heute geht es um die Strafzumessung bzw. die damit zusammenhängende Frage eines Täter-Opfer-Ausgleichs (§ 46a StGB). Das LG hatte seine Voraussetzungen bejaht. Die Revision der StA hatte insoweit Erfolg:

“ 2. Die Staatsanwaltschaft rügt aber mit Recht, dass die Begründung für die von der Kammer nach §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB vorgenommenen Strafrahmenverschiebung rechtsfehlerhaft ist. Das Landgericht ist bei seiner Strafzumessung vom Strafrahmen des § 243 Abs. 1 S. 1 StGB ausgegangen, soweit es die Angeklagte wegen Diebstahls verurteilt hat. In jenen Fällen, in denen es einen Computerbetrug festgestellt hat, hat es seiner Strafzumessung den Strafrahmen der §§ 263a Abs. 2, 263 Abs. 3 S. 1 StGB zu Grunde gelegt. Diese Strafrahmen hat es in den unter II. 2. der Urteilsgründe festgestellten Fällen 1., 2., 6. und 7. nach §§ 46a Nr. 1, 49 Abs. 1 StGB und in den Fällen 3. und 4. nach §§ 46a Nr. 2, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Die Anwendung des § 46a StGB stellt sich dabei in mehrfacher Hinsicht als rechtsirrig dar.

a) In den Fällen des Computerbetrugs, in denen der wirtschaftliche Schaden im Ergebnis durch die beteiligten Banken getragen wurde (Taten 2. und 7.), steht der Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs schon entgegen, dass im Verhältnis zu den Kreditinstituten ein Ausgleich gar nicht stattgefunden hat. Es reicht für die Anwendung des § 46a StGB nicht aus, dass ein Ausgleich nur in Bezug auf einen von mehreren Geschädigten gegeben ist. Sind durch eine Straftat Rechtsgüter mehrerer Personen verletzt, muss nach ständiger Rechtsprechung hinsichtlich jedes Geschädigten zumindest eine Variante des § 46a StGB erfüllt sein (BGH, Urteil vom 07. Februar 2018 ? 5 StR 535/17 = NStZ 2018, 276, beck-online m.w.N.; Maier in: MüKoStGB, 3. Aufl. 2016, StGB, § 46a Rn. 12). Vorliegend ist den beteiligten Banken ein Vermögensschaden zumindest in Höhe der von der Angeklagten zu Unrecht erlangten Barabbuchungen unter Verwendung der EC-Karten der Geschädigten T und H entstanden. Zu einem Ausgleich dieser Schäden hat das Landgericht keine Feststellungen getroffen.

b) Jedoch auch soweit die Angeklagte Zahlungen an die wirtschaftlich geschädigten natürlichen Personen erbracht (T und L) oder angekündigt hat (H) tragen die Feststellungen des Landgerichts die Annahme eines vertypten Milderungsgrundes nicht.

Noch zutreffend berücksichtigt die Kammer, dass die verschiedenen Alternativen des § 46a StGB sich in ihren Voraussetzungen unterscheiden. § 46a Nr. 1 StGB bezieht sich vor allem auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat, die auch bei Vermögensdelikten denkbar sind, während § 46a Nr. 2 StGB den materiellen Schadensersatz betrifft (BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 290/11 = NStZ 2012, 439, beck-online; Heger in: Lackner/Kühl, 29. Aufl. 2018, StGB § 46a Rn. 4a).

Bezüglich der Geschädigten T und H hat die Kammer die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB angenommen, wobei sie gegenüber der Geschädigten T von einer Wiedergutmachung und bezüglich der Geschädigten H von einem ernsthaften Bemühen um Wiedergutmachung ausgegangen ist. Dabei hat sie jedoch zu geringe Anforderungen an beide Alternativen der Norm gestellt. Die Bestimmung des § 46a Nr. 1 StGB verlangt, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat „ganz oder zum überwiegenden Teil” wiedergutgemacht hat; es ist aber auch ausreichend, dass der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Das Bemühen des Täters setzt grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muss (BGH, Urteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 290/11= NStZ 2012, 439, beck-online m.w.N.). Dafür ist eine von beiden Seiten akzeptierte, ernsthaft mitgetragene Regelung Voraussetzung. Das ernsthafte Bemühen des Täters muss Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein, und das Opfer muss die Leistung des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptieren (BGH, 4. Strafsenat, a.a.O.). Die Kammer hat jedoch, wie die Revision zutreffend rügt, keinerlei Feststellungen dazu getroffen, inwieweit die Geschädigten die von der Angeklagten erbrachten bzw. beabsichtigten Zahlungen als Ausgleich ihrer materiellen und immateriellen Schäden akzeptiert haben. Bezüglich der Geschädigten H geht aus den Urteilsgründen nicht einmal hervor, ob diese von dem Streben nach Wiedergutmachung seitens der Angeklagten überhaupt Kenntnis erlangt hatte.

Auch soweit das Landgericht in Bezug auf die Geschädigte L die Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB angenommen hat, tragen die getroffenen Feststellungen die Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs nicht. Weil die Entschädigungsleistung auch nach dieser Alternative der Norm eine friedensstiftende Wirkung entfalten soll und Ausdruck der Übernahme von Verantwortung gerade gegenüber dem Opfer sein muss, hat der Täter einen über die rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag zu erbringen. Die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen allein genügt nicht (BGH, Beschluss vom 25. Juli 1995 – 1 StR 205/95 = NStZ 1995, 492, beck-online; OLG München, Urteil vom 02. August 2007 – 5 St RR 113/07 = BeckRS 2007, 12872; Maier in: MüKoStGB, 3. Aufl. 2016 Rn. 41, StGB § 46a Rn. 41 m.w.N.) Zudem ist grundsätzlich auch für die Annahme einer Entschädigung des Opfers nach § 46a Nr. 2 StGB die Mitwirkung des Opfers notwendig, denn die Schadenswiedergutmachung muss eine friedensstiftende Wirkung entfalten können (Maier in: MüKoStGB, 3. Aufl. 2016, StGB § 46a Rn. 42 m.w.N.). Vorliegend hat die Kammer lediglich festgestellt, dass die Angeklagte der Geschädigten den Wert des entwendeten Bargeldes und der von der Geschädigten getragenen Abbuchung von deren Konto ersetzt hat. Ein Ersatz von Aufwendungen, etwa für die Beschaffung einer neuen EC-Karte, eines Ausweises oder Ersatzführerscheins, hat nach den Feststellungen des Berufungsurteils nicht stattgefunden. Auch teilt das angefochtene Urteil nicht mit, ob die Geschädigte die Zahlung als Ausgleich des erlittenen Schadens akzeptierte….“