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Wirtschaftsverfahren mit „erhöhtem“ Aktenumfang, oder: Mal wieder eine Pauschgebühr

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Und als zweite RVG-Entscheidung mal wieder ein Beschluss zur Pauschgebühr nach § 51 RVG. Ja es gibt sie noch. Die OLG tun sich zwar mit der Gewährung von Pauschgebühren für den Pflichtverteidiger nach § 51 RVG meist schwer. Gelegentlich wird dann aber doch noch mal eine Pauschgebühr bewilligt.

Hier hatte der Kollege Bleicher aus Dortmund, der mir den OLG Hamm, Beschl. v. 05.05.2022 – 5 RVGs 16/22 – geschickt hat als Pflichtverteidiger in einem Wirtschaftsstrafverfahren verteidigt. Nach dessen Abschluss hat er die Gewährung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG in Höhe von mindestens 10.000 EUR beantragt. Das Verfahren sei besonders umfangreich und besonders schwierig gewesen. Die Schwierigkeit des Verfahrens zeige sich u.a. an den umfangreichen Hinweisen, die die Kammer erteilt habe. Der Aktenumfang sei auch im Vergleich zu anderen Verfahren vor der Wirtschaftskammer groß. Ferner hätten im Laufe der Hauptverhandlung mehrere Selbstleseverfahren stattgefunden. Am 31.07.2020 habe außerdem ein Erörterungstermin stattgefunden, für den keine Terminsgebühr angefallen sei. Das verfahrensabkürzende Geständnis des Angeklagten habe zudem eine intensive Vorbereitung bedurft.

Das OLG ist dem Antrag des Kollegen teilweise gefolgt und hat eine Pauschgebühr in Höhe von 8.500 EUR bewilligt. Das OLG führt u.a. aus:

„2. Es handelt sich außerdem auch um ein besonders umfangreiches Verfahren.

Besonders umfangreich im Sinne des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist eine Strafsache, wenn der vom Verteidiger hierfür erbrachte zeitliche Aufwand erheblich über dem Zeitaufwand liegt, den er in einer normalen Sache zu erbringen hat (OLG Dresden, Beschluss vom 11.12.2019 — 1 (S) AR 60/19 —, Rn. 2, juris; OLG Celle StRR 2011, 240). Als Vergleichsmaßstab sind dabei Verfahren heranzuziehen, die den Durchschnittsfall der vor dem jeweiligen Spruchkörper verhandelten Sachen darstellen (vgl. BGH Rpfl. 1996, 169; NStZ 1997, 98; OLG Hamm JurBüro 1999, 194; OLG Celle StRR 2011, 240).

a) Ein wichtiges Indiz ist zunächst der Aktenumfang. Dieser ist vorliegend auch im Vergleich zu anderen Prozessen vor einer Wirtschaftskammer unter Berücksichtigung der Sonderbände und Beweismittelordner erhöht. Zwar richtete sich die Anklage lediglich gegen drei Angeklagte und umfasste 15 Seiten, was für eine Wirtschaftsstrafsache nicht überdurchschnittlich ist. Inhaltlich ging es aber um einen komplexen Sachverhalt — Firmenstrukturen, Verhältnisse einzelner Firmen zueinander, Unternehmensentwicklung — was eine erhöhte Prozessstoffbearbeitung nahe legt. Auch ist vorliegend nicht von der effektiven Möglichkeit einer Unterstützung des Antragstellers bei der Einarbeitung durch die weiteren Verteidiger auszugehen, da der vorherige Verteidiger unmittelbar nach der Übernahme der Verteidigung durch den Antragsteller die Mandatsniederlegung mitgeteilt hat und nicht mehr in der Sache aufgetreten ist, und die weitere Verteidigerin erst etwa sieben Monate später hinzugekommen ist. Auch erforderte das frühzeitig in der Hauptverhandlung abgegebene Geständnis des Angeklagten eine umfassende Akteneinarbeitung sowie — wie von dem Antragsteller plausibel dargelegt — zeitlichen Aufwand zur Beratung hinsichtlich dieses — die Beweisaufnahme sodann verkürzenden — Geständnisses.

b) Auch die Anzahl von 10 Hauptverhandlungstagen ist für eine Verhandlung vor der Wirtschaftsstrafkammer nicht als überdurchschnittlich anzusehen. Zwar haben einige Termine länger als fünf Stunden gedauert, dies ist jedoch durch die zusätzlichen Gebühren (Nr. 4110, 4111, 4116, 4117, 4122, 4123 VV RVG) vorliegend abgegolten. Die durchgeführten Selbstleseverfahren waren ebenfalls nicht gesondert zu berücksichtigen, da die Bearbeitung des Pressstoffes zur Vorbereitung der Hauptverhandlung und des Geständnisses — wie soeben ausgeführt — ohnehin erforderlich war.

c)  Hinsichtlich des weiterhin in die Gesamtwürdigung einzustellenden haftbedingten Mehraufwandes — insbesondere in Form der Teilnahme an dem Haftbefehlsverkündungstermin sowie den Fahrten zu Haftbesuchen in der JVA — ist allerdings davon auszugehen, dass dieser im Wesentlichen durch die Zuschläge zu den Gebühren abgedeckt wurde.

d) Der erforderliche Besprechungsaufwand kann nicht als überdurchschnittlich gewertet werden. Besprechungen gehören zu den üblichen Verteidigertätigkeiten und werden grundsätzlich durch die gesetzlichen Gebühren abgegolten. Erst wenn die Besprechungen mit dem Mandanten oder sonstigen Verfahrensbeteiligten besonders zahlreich oder langwierig waren, ist dieser Umstand im Zuge der Pauschgebührenbewilligung zu berücksichtigen (Senat, Beschluss vom 04.05.2021 — III 5 RVGs 27/21). Dass der Besprechungsaufwand — auch unter Berücksichtigung des Vorgespräches am 31.07.2020 — vorliegend einen solchen Umfang eingenommen hat, ist nicht ersichtlich.

3. Die Verweisung des Antragstellers auf die gesetzliche Pflichtverteidigergebühr ist diesem nicht zuzumuten. Die Voraussetzung der Unzumutbarkeit tritt nach ständiger Rechtsprechung des Senats neben die Voraussetzungen des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit der Sache (Senatsbeschlüsse vom 20.05.2019 – III – 111-5 RVGs 8/19 —, Rn. 13, juris und vom 26.06.2018 — 5 RVGs53/18- burhoff.de).

Hierdurch soll der Ausnahmecharakter der Pauschgebühr hervorgehoben werden (Burhoff, in: Gerold/Schmidt, 24. Aufl. 2019, § 51 RVG Rn. 32). Die Pauschgebühr soll lediglich eine unzumutbare Benachteiligung des Verteidigers, der als Pflichtverteidiger tätig geworden ist, verhindern (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. nur Senatsbeschlüsse (OLG Hamm, Beschluss vom 20. Mai 2019 — III-5 RVGs 8/19 —, Rn. 13, juris m.w.N). Die Bewilligung einer Pauschgebühr kommt daher nur in Ausnahmefällen in Betracht (Senatsbeschlüsse vom 20.05.2019 —II-5 RVGs 8/19 —, Rn. 13, juris und vom 26.06.2018 — 5 RVGs53/18 -, burhoff.de).

Ein solcher Ausnahmefall liegt vorliegend wegen der besonderen Schwierigkeit und des besonderen Umfangs der Sache vor.

4. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau hält der Senat unter Beachtung der obigen Ausführungen sowie auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Antrag für die von dem Antragsteller erbrachten Tätigkeiten anstelle der gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren in Höhe von 6.807,00 Euro eine Pauschgebühr in Höhe von 8.500,00 Euro für angemessen.“

Pauschgebühr, oder: Wirtschaftsstrafverfahren

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Und als zweite Entscheidung dann der OLG Hamm, Beschl. v. 15.12.2020 – 5 RVGs 81/20 – zur Gewährung einer Pauschgebühr in einem Wirtschaftsstrafverfahren, den mir der Kollege Föcking geschickt hat:

„Der Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG ist im tenorierten Umfang begründet. Der weitergehende Antrag war jedoch abzulehnen.

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte auf Antrag eine Pauschgebühr zu bewilligen, die über die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis hinausgeht wenn die dort bestimmten Gebühren wegen der besonderen Schwierigkeit oder des besonderen Umfangs nicht zumutbar sind. Dies ist der Fall.

1. Der Senat ist in Übereinstimmung sowohl mit dem Gerichtsvorsitzenden, auf dessen Stellungnahme verwiesen wird, als auch mit dem Vertreter der Staatskasse der Auffassung, dass das Verfahren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht besonders schwierig war.

2. Ferner handelt es sich auch um ein besonderes umfangreiches Verfahren. Besonders umfangreich im Sinne des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist eine Strafsache, wenn der vom Verteidiger hierfür erbrachte zeitliche Aufwand erheblich über dem Zeitaufwand liegt, den er in einer normalen Sache zu erbringen hat (OLG Dresden, Beschluss vom 11. Dezember 2019 — 1 (S) AR 60/19 —, Rn. 2, juris; OLG Celle StRR 2011, 240). Als -Vergleichsmaßstab sind dabei Verfahren heranzuziehen, die den Durchschnittsfall der vor dem jeweiligen Spruchkörper verhandelten Sachen darstellen (vgl. BGH Rpfl. 1996, 169; NStZ 1997, 98; OLG Hamm JurBüro 1999, 194; OLG Celle a.a.O.), vorliegend also solche einer Wirtschaftsstrafkammer.

Gemessen an diesem Maßstab stellt sich die Tätigkeit des Antragstellers als besonders umfangreich dar. Neben dem ganz erheblichen Aktenumfang war hierbei insbesondere zu berücksichtigen, dass dem Antragsteller nur ein Zeitraum von gut zwei Monaten zur Einarbeitung zur Verfügung stand und dieser Einarbeitungsaufwand überdies zu einer erheblichen Verkürzung der Hauptverhandlung beigetragen hat. Dieses prozessökonomische Verhalten wird durch die Terminsgebühren nur teilweise kompensiert. Aufgrund der geständigen Einlassung des Angeklagten haben insgesamt lediglich 16 Hauptverhandlungstermine stattgefunden, die ihrerseits allerdings allenfalls durchschnittlichen Umfang aufwiesen.

3. Bei zusammenfassender Gesamtwürdigung der vorgenannten Aspekte erscheint dem Senat anstelle der gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren in Höhe von 160,00 € für die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und in Höhe von 316,00 € für die Verfahrensgebühr Nr. 4118 VV RVG die Bewilligung von Pauschgebühren in Höhe von 1.600,00 € für die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und von 3.160,00 € für die Verfahrensgebühr Nr. 4118 VV RVG für angemessen.

4. Die Festsetzung noch höheren Pauschgebühren kam hingegen nicht in Betracht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine Pauschgebühr in Höhe bzw. im Bereich der Wahlverteidigerhöchstgebühren nur dann zu festzusetzen, wenn das Verfahren die Arbeitskraft des Verteidigers für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch genommen hat (OLG Hamm, Beschluss vom 30. März 2017 — 5 RVGs 2/17 —, Rn. 10, juris). Dass ein solcher Arbeitseinsatz aufgrund des Umfangs des Verfahrens erforderlich war, ist durch den Antragsteller nicht aufgezeigt worden und — wie der Vertreter der Staatskasse zutreffend dargelegt hat — auch sonst nicht ersichtlich.“

Pflichti III: Wirtschaftsstrafverfahren beim Strafrichter, oder: Schwierige Sachlage

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Und als letzte Entscheidung heute dann noch mal ein „Pflichtverteidigungsbeschluss“ zu den Beiordnungsgründen, und zwar der LG Regensburg, Beschl. v. 15.07.2020 -6 Qs 5/20.

Es geht um die Beiordnung in einem Wirtschaftsstrafverfahren beim Strafrichter. Dazu das LG:

„Gemäß § 140 Il S. 1 StPO ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers für den (nicht mehr verteidigten) Angeklagten erforderlich; wenn wegen der Schwere der Tat oder der Schwierigkeit der Sach- und/oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Angeklagte nicht selbst verteidigen kann. Weder die Schwere der Tat noch die Schwierigkeit der Rechtslage machen vorliegend eine, Pflichtverteidigerbestellung erforderlich. Das Vorliegen einer schwierigen Sachlage wird jedoch in der Rechtsprechung teilweise generell für Wirtschaftsstrafsachen vor dem Strafrichter mit der Begründung bejaht, dass auch in diesen Verfahren die Hauptverhandlung ohne Aktenkenntnis nicht umfassend vorbereitet werden kann  (Karlsruher Kommentar zur StPO, § 140, Rn 22 mwN). Nach wohl hM liegt eine schwierige Sachlage bei Verfahren vor dem Amtsgericht – Strafrichter – vor bei schwieriger Beweislage, wenn zum Beispiel ein Indizienbeweis zu führen ist, oder vor dem Wirtschaftsstrafrichter, wenn insbesondere Vorgänge der Betriebsführung; Buchhaltung und Bilanzierung zu prüfen sind (Meyer-Goßner/Schmitt, Kommentar zur StPO, 62. Auflage, § 140, Rdnr. 26a). Sowohl betreffend die pp GmbH wie auch. die pp GmbH hat sich die Staatsanwaltschaft jeweils zur Auswertung der Geschäftsunterlagen einer bei der Wirtschaftsabteilung beschäftigte Bilanzbuchhalterin bedient. Diese Auswertung ist im Strafbefehlsantrag auch als Beweismittel benannt. Von Seiten der Verteidigung im weiteren Verfahren übersandte Jahresabschlüsse wurden von der Staatsanwaltschaft ebenfalls der vorgenannten Bilanzbuchhalterin zur Überprüfung und Stellungnahme übersandt. Eine diesbezüglich aktualisierte Gegenüberstellung der liquiden Mittel zu fälligen Verbindlichkeiten für die pp. GmbH sowie die pp. GmbH wurden erstellt und zur Akte genommen. Die ergänzende Stellungnahme der Bilanzbuchhalterin hingegen wurde lediglich zur Handakte „genommen, inhaltlich vermutlich jedoch in die Verfügung vom 03.03.2020 eingearbeitet. Da damit in der mündlichen Verhandlung offensichtlich Vorgänge der Buchhaltung und auch Bilanzierung zur Beurteilung der bestehenden Zahlungsfähigkeit bzw.  Zahlungsunfähigkeit sowohl der GmbH wie auch der GmbH zu prüfen sein werden und eine sachgerechte Verteidigung ohne Akteneinsicht aufgrund der erstellten Auswertungen nicht möglich ist, ist selbst nach oben zitierter eingeschränkter Rechtsprechung von einer schwierigen Sachlage im Sinne der Generalklausel des § 140 II StPO auszugehen, sodass die beantragte Pflichtverteidigerbestellung im Ergebnis nicht versagt werden kam.“

Pauschgebühr I: Komplexes Wirtschaftsstrafverfahren, oder: Mehrere Pflichtverteidiger

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Am heutigen „Gebührenfreitag“ stelle ich zunächst zwei Entscheidungen zur Pauschgebühr (§ 51 RVG) vor; hier in Niedersachsen ist kein Feiertag, es kann also . gearbeitet werden.

Ja, zur Pauschgebühr für den Pflichtverteidiger. Man ist fast gewillt, zu schreiben: Ja, die gibt es noch. Denn, das merkt man deutlich: Die Fälle, in denen Pauschgebühren bewilligt werden, sind stark rückläufig. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass der BGH immer wieder schreibt, die Gebühr könne nur dann bewilligt werden, wenn sich das Verfahren in „exorbitanter Weise“ von anderen Fällen unterscheide. Das ist falsch, stört die OLG aber nicht. Denn damit hat man dann einen Ansatzpunkt, um die Gebühr nicht zu bewilligen.

In dem dem OLG Köln, Beschl. v. 18.10.2019 – III 1 RVGs 39/19 – zugrunde liegenden Verfahren ging dann aber doch wohl kein Weg an einer Pauschgebühr vorbei. Es hat sich um ein umfangreiches Wirtschaftsstrafverfahren gehandelt, in dem selbst der Umstand, dass dem Angeklagten zwei Pflichtverteidiger beigeordnet waren, nicht zur Ablehnung des Antrags geführt hat. Das wird von anderen OLG gern angeführt, das OLG Köln sieht diesen Umstand aber zutreffend anders:

§ 51 Abs. 1 S. 1 RVG sieht die Festsetzung einer Pauschgebühr in Strafsachen für den Fall vor, dass die gesetzlichen Gebühren des gerichtlich bestellten Rechtsanwalts wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit „nicht zumutbar sind“. Die Vorschrift soll verhindern, dass der bestellte oder beigeordnete Verteidiger im Verhältnis zu seiner Vergütung unzumutbar belastet wird, dass ihm ein grundrechtsverletzendes wirtschaftliches Sonderopfer abverlangt wird (Vgl. BVerfG NJW 2007, 1445). Dass dabei im Ergebnis die Vergütung des beigeordneten Anwalts gleichwohl deutlich unter der eines Wahlverteidigers liegt bzw. liegen kann, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG NJW 2007, 3420). Insbesondere muss eine Pauschvergütung nicht unbedingt kostendeckend sein; sie soll das dem Pflichtverteidiger auferlegte Opfer mildern (OLG Nürnberg, Beschluss vom  10.05.2011 aE — 1 AR 15/11 — zitiert nach Burhoff online, RVG Entscheidungen; SenE v. 11. 07.2014 — 111-1 RVGs 47/14). Mit der Tatbestandsformulierung „nicht zumutbar sind“ soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die Bewilligung einer Pauschgebühr die Ausnahme darstellt. Die Bewilligung setzt voraus, dass die anwaltliche Mühewaltung sich von sonstigen auch überdurchschnittlichen Sachen — in ganz erheblicher Weise abheben muss (vgl. BGH, 3.StR 117/12, Beschluss vom 17.09.2013; BGH, 4 StR 73/10, Beschluss vom 11.02.2014; jeweils: „in exorbitanter Weise“).

Da wesentliche Gesichtspunkte, die noch unter Geltung der BRAGO Anlass zur Gewährung einer Pauschgebühr gegeben haben, nunmehr bereits bei der Bemessung  der gesetzlichen Gebühr nach dem RVG berücksichtigt werden (z.B. Teilnahme an Vernehmungen im Ermittlungsverfahren und an Haftprüfungsterminen, besonders lange Dauer der Hauptverhandlung), ist der praktische Anwendungsbereich der Vorschrift eingeschränkt (vgl. OLG Köln 2. StrafS B. v. 03.05. 2005 – 2 ARs 87/05 B. v. 06.01.2006 – 2 ARS 231/05 SenE v. 26.04.2007 – 1 ARs 20/07 SenE v. 08.02.2008 – 1 ARs 3/08 -).

2. Auf der Grundlage des Antragsvorbringens und der dem Pflichtverteidiger bekannt gemachten Stellungnahme des Vertreters der Landeskasse vom 19. August 2019 sowie unter Zugrundelegung der Maßstäbe des Senats erscheint eine Erhöhung der gesetzlichen Gebühren in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gerechtfertigt, aber auch ausreichend, um eine unzumutbare Belastung des Pflichtverteidigers zu vermeiden. Letztlich hält der Senat den zuerkannten Betrag für angemessen und ausreichend, um ein grundrechtsverletzendes wirtschaftliches Sonderopfer des Antragstellers zu vermeiden, während die von ihm angeregte Höhe im Bereich der doppelten Wahlverteidigerhöchstgebühr deutlich überhöht erscheint.

Es handelte sich insgesamt um ein überdurchschnittlich umfangreiches und komplexes Wirtschaftsstrafverfahren mit Auslandsbezug, bei dem sich der Mandant zudem in Auslieferungshaft befunden hatte. Ins Gewicht fiel vorliegend daher insbesondere ein deutlich erhöhter Aufwand im Rahmen der Vorbereitung der Hauptverhandlung sowie der Hauptverhandlungstermine unter erforderlicher Hinzuziehung eines Dolmetschers. Ausweislich der mündlich eingeholten Stellungnahme des Pflichtverteidigers wurde der Mandant zudem wiederholt im gesicherten Zuführbereich des Landgerichts Köln unter Hinzuziehung eines Dolmetschers ergänzend zeitintensiv beraten.

Eingeflossen ist in angemessenem Umfang der von dem Vertreter der Landeskasse aufgeworfene Gesichtspunkt der Kompensation. Was den Umstand anbetrifft, dass der Angeklagte von zwei Pflichtverteidigern vertreten worden ist, ist anzumerken, dass eine ordnungsgemäße Verteidigung im Grundsatz von jedem Pflichtverteidiger das gleiche Maß an Aufwand und Sorgfalt, insbesondere im Stadium der Vorbereitung, verlangt. Gewisse Synergieeffekte sind gleichwohl nicht von der Hand zu weisen.“