„Knappe“ Pauschgebühr im Revisionsverfahren, oder: Kompensation ggf. zulässig

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Am „Gebühren-Friday“ natürlich RVG, und zwar zunächst der OLG Hamm, Beschl. v. 27.10.2020 – III-5 RVGs 61/20, den mir der Kollege Rahmlow aus Duisburg geschickt hat. Der Kollege war Pflichtverteidiger in einem Verfahren wegen Computerbetruges u.a., das dann in der Revision das OLG Hamm beschäftigt hat (vgl. dazu: StPO II: Richtiger Beweisantrag, oder: Ablehnung wegen Bedeutungslosigkeit und Beweiswürdigung II: Das OLG Hamm und “Aussage-gegen-Aussage”

Nach Verfahrensbeendigung hat der Kollege eine Pauschgebühr (§ 51 RVG) für das Revisionsverfahren (Nr. 4130 VV RVG) beantragt und auch teilweise erhalten:

„Zu diesem Antrag hat der Vertreter der Staatskasse am 02,09.2020 ausführlich Stellung genommen und dabei den Tätigkeitsumfang des Antragstellers sowie die ihm zustehenden Gebühren zutreffend dargelegt. Trotz des Umfangs und der besonderen rechtlichen Schwierigkeit des Revisionsverfahrens sei der Antrag zurückzuweisen, da die vom Antragsteller im Revisionsverfahren entfalteten Tätigkeiten durch die unterdurchschnittlichen bzw. durchschnittlichen Verfahrensabschnitte. welche vom Pauschgebührenantrag nicht erfasst seien, hinreichend kompensiert wurden.

Der Antragsteller hat in seiner Gegenerklärung darauf hingewiesen. dass die Hauptverhandlungstermine am 29.11.2017, 04.12.2017, 08.12.2017 und 13,122017 umfangreich vorbereitet werden mussten, da die entscheidenden Zeugen R über sämtliche Termine verteilt geladen gewesen seien. Zudem sei die durchschnittliche Verhandlungsdauer von 2 h Stunden für eine Berufungsstrafkammer nicht untypisch. In Zusammenschau mit den weiteren Umständen — Komplexität des Sachverhalts, Aktenumfang. rechtliche Schwierigkeit – seien die weiteren Verfahrensabschnitte als durchschnittlich zu werten,

Unter dem 30.09.2020 hat das Landgericht das Strafverfahren nach § 153a StPO endgültig eingestellt.

Der Antrag auf Festsetzung einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 RVG ist im tenorierten Umfang begründet: Der weitergehende Antrag war jedoch abzulehnen.

1. Der entscheidende Einzelrichter geht in Übereinstimmung mit den zutreffenden Ausführungen des Vertreters der Staatskasse vom 02.09.2020 sowie der Stellungnahme der Senatsvorsitzenden vom 28.07.2020 davon aus, dass das Revisionsverfahren besonders umfangreich und in rechtlicher Hinsicht besonders schwierig war. Insbesondere musste der Antragsteller in der Revisionsbegründung vom 26.04 2018 zu den rechtlichen schwierigen Fragestellungen Stellung nehmen. welche Anforderungen an die Beweiswürdigung bei einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation sowie an die Ablehnung von Beweisanträgen zu stellen sind. Die rechtsfehlerhafte Ablehnung der Beweisanträge musste hierbei im Wege der Verfahrensrüge geltend gemacht werden. Mit Einschüben besitzt die Revisionsbegründungsschrift einen Umfang von 163 Seiten.

2. Aufgrund der besonderen Schwierigkeit und des besonderen Umfangs sind die gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren dem Antragsteller nicht zumutbar, so dass eine Pauschvergütung zu bewilligen ist.

a) Entgegen der Auffassung des Vertreters der Staatskasse werden die im Revisionsverfahren entfalteten Tätigkeiten durch die Tätigkeiten in den weiteren Verfahrensabschnitten nicht hinreichend kompensiert. Zwar ist es zutreffend, dass sowohl die erstinstanzlichen als auch die zweitinstanzlichen Hauptverhandlungstermine locker terminiert waren sowie durchschnittlich lediglich 3.21 Stunden bzw. 2,37 Stunden und damit nicht lange dauerten, Außerhalb der Hauptverhandlung hat der Antragsteller jedoch umfangreiche Tätigkeiten entfaltet, welche über das normale Maß einer Strafverteidigung deutlich hinausgingen. So hat der Antragsteller zahlreiche Anträge und Anschreiben. hierunter insbesondere mehrere Arrestbeschwerden, mehrere Beweisanträge sowie eine siebzehnseitige Berufungsbegründung verfasst. In Zusammenschau mit den weiteren Umständen, vor allem dem Aktenumfang – und dem Verfahrensgegenstand lag der Tätigkeitsumfang des Antragstellers in den nicht vom Pauschgebührenantrag erfassten Verfahrensabschnitten, an der oberen Grenze des durchschnittlichen Bereichs.

b) Nach der somit vorzunehmenden umfassenden Abwägung erachtet der Senat unter Berücksichtigung sowohl der obigen Ausführungen zur Schwierigkeit und zum Umfang der Angelegenheit als auch der entfalteten Tätigkeiten in den weiteren Verfahrensabschnitten und der diesbezüglich entstandenen Pflichtverteidigergebühren anstelle der gesetzlichen Gebühr „Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren“ Nr. 4130 VV RVG in Höhe von 492,00 € eine Pauschgebühr in Höhe von 950,00 € für angemessen.

3. Die Bewilligung einer noch höheren Pauschgebühr kam hingegen nicht in Betracht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist eine Pauschgebühr in Höhe bzw. im Bereich der Wahlverteidigerhöchstgebühren nur dann zu bewilligen, wenn das Verfahren die Arbeitskraft des Verteidigers für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch genommen hat {OLG Hamm, Beschluss vom 30. März 2017 — 5 RVGs 2/17 Rn. 10, juris). Es ist nicht davon auszugehen, dass ein soIcher Arbeitseinsatz aufgrund des Umfangs des Revisionsverfahren vorliegend erforderlich gewesen ist.

Nix wesentlich Neues. Bemerkenswert, aber auch nicht wirklich überraschend, dass das OLG an seiner falschen Auffassung zur Kompensation festhält. Und: Knapp bemessen – wie immer.

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