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OWi III: Letztes Wort nicht gewährt, oder: Rügeanforderungen

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Und die dritte und letzte Entscheidung greift dann noch einmal eine Problematik auf, die immer wieder eine Rolle spielt. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs im Rechtsbeschwerdezulassungsverfahren und der ausreichende Vortrag. Hier war es die Rüge, dass der Betroffene nicht das letzte Wort erhalten habe. Die hat das OLG Frankfurt im OLG Frankfurt, Beschl. v. 08.09.2020 – 2 Ss-OWi 817/20 – als unzulässig, weil nicht ausreichend begründet, angesehen:

„Soweit der Betroffene die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs mit der Begründung erhebt, er habe „das letzte Wort“ nicht erhalten, ist die insoweit erforderliche Verfahrensrüge nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO i. V. m. § 80 Abs. 3 OWiG genügenden Weise erhoben worden und somit unzulässig. So ist es nicht nur erforderlich, den tatsächlichen Ablauf der Hauptverhandlung wiederzugeben sowie den für die Beurteilung der Beachtung des § 258 StPO maßgeblichen Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls (OLG Jena, Beschluss vom 27. Oktober 2004 — 1 Ss 229/04). Darüber hinaus ist in einem auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs durch unterbliebene Gewährung des letzten Wortes gestützten Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde auch mitzuteilen, was der Betroffene im Falle der Gewährung des letzten Wortes vorgebracht hätte (Senat, Beschluss vom 14. August 2018 — 2 S -OWi 651/18; OLG Jena, Beschluss vom 09. Dezember 2003 — 1 Ss 314/03; BayObLG, Beschluss vom 15. April 1996 — 3 ObOWi 42/96; BeckOK OWiG/Bär, 27. Edition 01. Juli 2020, OWiG § 80 Rdn. 20). Zweck der Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen Versagung des rechtlichen Gehörs gem. § 80 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 OWi ist nämlich, dass in begründeten Fällen ein Verfassungsverstoß gegen Art. 103 GG innerhalb der Fachgerichtsbarkeit bereinigt wird (BVerfG NJW 1992, 2811, 2812; Göhler OWiG, 17. Auflage 2017, § 80 Rdn. 16a). Demnach muss für den Vortrag nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG das gleiche verlangt werden wie für eine entsprechende Verfassungsbeschwerde. Es genügt somit nicht, wie sonst bei Versagung des letzten Wortes, den Verfahrensverstoß darzutun, weil das Revisions- bzw. das Rechtsbeschwerdegericht abstrakt von der Möglichkeit des Beruhens des Urteils auf diesen Verfahrensverstoß ausgeht (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage 2020, § 258 Rdn. 33f.), sondern es müssen konkrete Tatsachen dargelegt werden, aufgrund deren die Beruhensfrage geprüft werden kann (BayObLG MDR 1992, 802). Vorliegend fehlt jedoch der Vortrag, was der Betroffene im Fall der Gewährung des letzten Wortes vorgetragen hätte, so dass eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bereits aus diesem Grund ausscheidet.“

Das gilt übrigens nicht nur im OWi-Verfahren, sondern auch hinsichtlich der Begründung der Verfahrensrüge (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) bei der Revision im Strafverfahren.

OWi III: Entbindung von der Anwesenheitspflicht zwingend, oder: Wie oft eigentlich noch?

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Und als dritte Entscheidung dann mal wieder etwas zur Verwerfung des Einspruchs wegen Ausbleiben des Betroffenen bzw. zur Problematik: Entbindungsantrag. Der OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 29.06.2020 – 3 Ss-OWi 422/20 – bringt dazu nichts Neues. Er lässt einen aber – jedenfalls mich – mit der Frage zurück: Wie oft müssen die OLG die vom OLG Frankfurt entschiedene Frage eigentlich noch entscheiden bzw. warum richten sich nicht alle Amtsrichter nach der insoweit eindeutigen ständigen Rechtsprechung der OLG?

Das OLG führt aus:

„Das Amtsgericht verwarf mit dem angefochtenen Urteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG den Einspruch des nicht zur Hauptverhandlung erschienenen und nicht von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbundenen Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums Kassel vom 23. Oktober 2019, mit dem gegen den Betroffenen als Führer des Pkws mit dem amtlichen Kennzeichen pp., der am 12.8.2019 die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 45 km/h überschritten haben soll, eine Geldbuße in Höhe von 160,00 € sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt worden war.

Gegen das Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Die fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat mit der ordnungsgemäß ausgeführten Verfahrensrüge der Verletzung von §§ 73 Abs. 2, 74 Abs. 2 OWiG — zumindest vorläufig — Erfolg.

Das Unterlassen der rechtzeitig und begründet beantragten Entbindung des Betroffenen von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung am 13. Januar 2020 durch das Amtsgericht Bensheim war rechtsfehlerhaft und verletzte den Anspruch des Betroffenen auf das rechtliche Gehör, weil statt einer Sachentscheidung eine reine Prozessentscheidung erlassen wurde, in der das (ggf. nur schriftliche) Vorbringen des Betroffenen gerichtlich nicht gewürdigt wurde (OLG Frankfurt, Beschluss vom 22. Juni 2017 — 2 Ss OWi 614/17; OLG Bamberg, Beschluss vom 20.10.2007 – 2 Ss OWi 1409/08).

Nach § 73 Abs. 2 OWiG hat das Gericht den Betroffenen von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, wenn dieser seine Fahrereigenschaft eingeräumt und im Übrigen angekündigt hat, sich in der Hauptverhandlung nicht weiter zur Sache zu äußern. Denn dann ist seine Anwesenheit zur Auf-klärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich (ständige Rechtsprechung des 2. Senats des OLG Frankfurt am Main, vgl. u. a. den Beschluss vom 13. März 2012, 2 Ss-Owi 62/12 m. N.). Dies gilt auch dann, wenn – wie hier – über ein Fahrverbot zu entscheiden ist, da der Betroffene zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, an einer weiteren Aufklärung der persönlichen Verhältnisse mitzuwirken (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. August 2005 – 2 Ss-OWi 152/05 – ).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände hätte der Antrag des Betroffenen auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung vom Amtsgericht im Sinne des Antragsbegehrens entschieden werden müssen. Der Betroffene hatte mit Schreiben seines Verteidigers vom 10. Januar 2020 seine Fahrereigenschaft eingeräumt und mitgeteilt, weitere Angaben zur Sache in der Hauptverhandlung nicht zu machen. Unter diesen Umständen gab es keinen sachlichen Grund für die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung. Konkrete Anhaltspunkte für eine bei Erscheinen des Betroffenen noch zu erwartende Sachaufklärung waren vorliegend nicht gegeben. Das Amtsgericht hätte daher dem Entbindungsbegehren des Betroffenen entsprechen müssen und stand insoweit nicht in seinem freien Ermessen (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. August 2005 – 2 Ss-OWi 152/05 -).

Da das Amtsgericht den Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen hätte entbinden müssen, war die Verwerfung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid wegen unentschuldigten Ausbleibens in der Hauptverhandlung rechtsfehlerhaft und das angefochtene Urteil daher aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht Bensheim zurückzuverweisen. Für die Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts besteht kein Anlass.“

OWi II: Abwesenheitsverhandlung, oder: Verletzung des rechtlichen Gehörs

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Die zweite Entscheidung hat dann noch einmal das Agieren eines AG in einer Abwesenheitsverhandlung (§ 74 Abs. 1 OWiG) zum Gegenstand. Ein weites Feld, in dem es häufig zu Aufhebungen wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs kommt. So auch hier. Hier konnte selbst das OLG Frankfurt am Main im OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 25.05.2020 – 1 Ss OWi 464/20 – nicht anders entscheiden 🙂 :

„Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen, weil es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben.

Die diesbezügliche Rüge der Betroffenen ist ordnungsgemäß den Anforderungen der §§ 80 Abs. 3, 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechend ausgeführt worden und greift auch in der Sache durch.

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Betroffenen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen; die wesentlichen, der Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen müssen in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die erlassene Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (BVerfG, NJW 1992, 2811 m.w.N.). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kommt in Betracht, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falls deutlich ergibt, dass das Gericht das tatsächliche Vorbringen der Betroffenen entweder nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 28. November 2017 – 2 Ss-Owi 1243/17; OLG Dresden, Beschluss vom 06. Dezember 2016 – OLG 21 Ss 739/16 (Z)). Nach diesen Maßstäben liegt hier eine Versagung des rechtlichen Gehörs vor.

Die Betroffene war von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden worden und im Termin zur Hauptverhandlung weder selbst anwesend, noch war ihr Verteidiger erschienen. Sie hatte aber im Vorfeld der Hauptverhandlung über ihren Verteidiger in mehreren Schriftsätzen (vom 2. April 2019, 21. Mai 2019, 22. Mai 2019 und 23. Mai 2019) verschiedene Anträge gestellt und zum Verfahren vorgetragen, insbesondere Einwendungen bezüglich der Geschwindigkeitsmessung vorgebracht. Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 OWiG hätten diese Erklärungen der Betroffenen durch Mitteilung des wesentlichen Inhalts oder durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt werden müssen. Ausweislich der Urteilsgründe ist in der Hauptverhandlung jedoch lediglich eine Stellungnahme des Verteidigers vom 12. September 2019 und diese nur insoweit verlesen worden, als darin die Fahrereigenschaft der Betroffenen eingeräumt wurde. Aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt sich ebenfalls nicht, dass die oben genannten Schriftsätze aus April und Mai 2019 zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden wären. Diese Umstände lassen nur die Annahme zu, dass das Amtsgericht wesentliches Verteidigungsvorbringen außer Acht gelassen und dadurch den Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt hat.“

Und auch hier dann der Link auf den Beitrag: „Sind die Änderungen der StVO-Novelle wirksam?

Verletzung der Unterhaltspflicht und Einziehung, oder: Keine zusätzliche Verfahrensgebühr vom OLG FFM

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Am Gebührenfreitag heute zunächst eine Entscheidung zur Nr. 4142 VV RVG. Allerdings: Der OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 10.10.2019 – 2 Ws 48/19 – ist leider nicht so schön. Nun ja, wann hat man vom OLG Frankfurt in der letzten Zeit schon mal „schöne Beschlüsse“ gesehen?

Über das dieser Entscheidung zugrunde liegende Verfahren hatte ich vor einiger Zeit schon berichtet. Ergangen ist der Beschluss in/nach einem Verfahren wegen Verletzung der Unterhaltspflicht. Das AG hat den Angeklagten der Verletzung der Unterhaltspflicht schuldig gesprochen und ihn verwarnt. Eine Geldstrafe ist festgesetzt geworden, die Verurteilung blieb vorbehalten. Weiterhin ordnete das AG die Einziehung des Wertes des Erlangten in Höhe von 3.379,69 € an.

Wegen dieser Einziehung hat der Verteidiger die Festsetzung der Gebühr Nr. 4142 VV RVG beantragt. Das AG hat das abgelehnt. Begründung: Diese Gebühr entstehe nicht für “Wertersatz, wenn er den Charakter eines zivilrechtlichen Schadenersatzes hat”. Das LG Hanau hat das im LG Hanau, Beschl. v. 28.06.2019 – 4b Qs 50/19 – zutreffend anders gesehen und die Gebühr Nr. 4142 VV RVG festgesetzt. Das hat natürlich den Vertreter der Staatskasse nicht ruhen lassen und er hat Rechtsmittel eingelegt, getreu dem Satz: Es kann doch nicht sein, dass Verteidiger ggf. über die Nr. 4142 VV RVG Gebühren verdienen.

Und der 2. Strafsenat des OLG Frankfurt am Main, von dem in meinen Augen – vor allem, wenn er als Bußgeldsenat tätig ist, – viele unschöne Entscheidungen kommen, hat dann aufgehoben:

„Die Verfahrensgebühr nach Ziff. 4142 VV-RVG ist vorliegend nicht entstanden. Der Gebührenanspruch setzt nach dem Wortlaut und seiner gesetzgeberischen Einordnung in das VV-RVG eine Tätigkeit der Verteidigung bei der Einziehung und verwandter Maßnahmen voraus, die, wie sich durch die Verweisung auf § 439 StPO ergibt, auf einen endgültigen Vermögensverlust in Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols beziehen muß.

Wie der Senat in seiner Entscheidung vom 28.06.2019 (Az. 2 Ws 13/19) bereits klargestellt hat, sieht er auch nach der Neustrukturierung der §§ 73 ff StGB keine Veranlassung von seiner Entscheidung vom 23.02.2016 (2 Ws 15/16) abzuweichen. Der Senat hat – darin unter anderem ausgeführt, dass der sachliche Anwendungsbereich des Gebührentatbestandes der Nr. 4142 VV-RVG lediglich die Tätigkeit umfasst, die sich auf die Einziehung dieser in § 439 StPO ( = § 442 StPO a.F.) gleichgestellten Rechtsfolgenverfall, Vernichtung, Unbrauchmachung, Beseitigung eines gesetzwidrigen Zustands die Abführung des Mehrerlöses oder eine  diesen Zwecken dienende Beschlagnahme bezieht. Da das RVG diese vergütende Tätigkeit abschließend aufzählt, kommt eine entsprechende Anwendung auf die Tätigkeit im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung eines dinglichen Arrestes oder der Einziehung eines Wertersatzes des Erlangten lediglich zur. Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche nicht in Betracht.

Die Einziehung ist in diesen Fällen nämlich nicht auf eine durch das staatlichen Gewaltmonopol begründete endgültige Vermögensentziehung beim Betroffenen ausgerichtet, sondern soll lediglich der vorläufigen Sicherung zivilrechtlicher  Schadensansprüchen des oder der Geschädigten dienen, über dessen Berechtigung  und Höhe erst noch in einem gesonderten Verfahren, mit eigenen Gebührenansprüchen zu befinden ist.

Daran hat sich entgegen der Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 06.03.2019 (Az. 1 Ws 31/1 8) auf die sich das Landgericht Hanau vorliegend bezieht, durch die ab dem 01.07.2017 in Kraft getretenes Gesetz zur Reform der strafrechtlichen  Vermögensabschöpfung (früher Verfall und Einziehung) grundsätzlich nichts geändert. Zwar ist das Rechtsinstitut des Verfalls abgeschafft und durch ein neues Rechtsinstitut der Einziehung von Taterträgen ersetzt worden, was von der Begrifflichkeit eine Anwendung der Gebührenziffer Nr. 4142 W RVG nahelegt. Inhaltlich und von der Grundstruktur dieser Vorschriften hat der Gesetzgeber eine dem Verletztenschutz dienende Neubestimmung der vermögensrechtlichen Ansprüche der Geschädigten durch die Straftat regeln wollen, mit dem Ziel, das spätere zivilrechtliche Ansprüche bereits durch die Sicherstellung im Strafverfahren leichter realisiert werden können, Diese auf, den Schutz der Geschädigten ausgerichtete Neujustierung hat er lediglich unter dem Begriff der „Einziehung“ zusammengefaßt, ohne an der gebührenrechtlichen Struktur des RVG etwas ändern zu wollen.

Nach wie vor sieht es der Senat als entscheidend für die Anwendung des Nö. 4142 VV RVG an, dass es sich um eine Maßnahme handelt, welche darauf gerichtet ist, dem Betroffenen den Gegenstand endgültig zu entziehen und somit einen endgültigen Vermögensverlust zu bewirken (so auch OLG Köln, Beschl. v. 22.112006 – 2 Ws  614/06; OLG München Beschl. v. 30.07.2013 4 Ws 74/13; KG Berlin Beschl. v. 15.04.2008 — 1 Ws 309/07). Ausschließlich einer auf diese Maßnahme bezogene Tätigkeit des Verteidigers verdient eine gesonderte Honorierung.

Handelt es sich bei der „Einziehung“ ‚wie die Bezirksrevisorin vorliegend zu Recht ausführt lediglich um eine Maßnahme bei der wie im vorliegenden Urteil Wertersatz eingezogen wird, der dazu dienen soll, die Zahlung des laufenden Unterhalts auf dem die Verurteilung beruht, sicher zu stellen, ist diese Einziehung lediglich vorläufiger Natur, bis über den Anspruch und die Höhe in einem anderen Verfahren mit eigenen Gebührenansprüchen entschieden.

Eine besondere Gebühr für diese lediglich vorläufige Maßnahme sieht das Gesetz gerade nicht vor.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock (Beschl. V. 07.06.2018 — 20 Ws 42/1 8), da es in dem dortigen Sachverhalt gerade nicht um den Fall der Anordnung, sondern um die Vollziehung eines zuvor, erfolgten Arrestes ging. In diesem Verfahren wird der zuvor genannte Unterschied deutlich.

Wenn man die Entscheidung liest, fragt man sich, ob eigentlich die gesetzlichen Neuregelungen in den §§ 73 ff. StGB am OLG Frankfurt am Main vorbeigegangen sind. Denn anders kann man sich nicht erklären, wie das OLG zu dieser Rechtsauffassung, die (mal wieder) von der h.M. abweicht kommt. Das OLG übersieht m.E. – warum auch immer – dass es jetzt in der Nr. 4142 VV RVG nur noch heißt „Einziehung“ – entsprechend der Regelung in den §§ 73 ff. StGB, die auch nur noch die Einziehung kennen. Das RVG unterscheidet nicht nach dem Grund für die Einziehung, die im Übrigen nach § 75 StGB endgültig ist. Das war, worauf das KG zutreffend hinweist, früher ggf. anders, womit die frühere abweichende Rechtsprechung begründet worden ist. Man fragt sich, warum das OLG Frankfurt am Main das nicht sieht. Fast hat man den Eindruck, es will den Unterschied nicht sehen, um nur nicht in solchen Fällen die Gebühr Nr. 4142 VV RVG festsetzen zu müssen. Also: Schutz der Staatskasse?, oder mal wieder in dem Bereich „Verteidigung zum Nulltarif.“

Zudem frage ich mich, warum sich das OLG Frankfurt am Main nicht mit der abweichenden Auffassung des KG auseinandersetzt. Und: Warum zitiert man eigentlich zur Stützung seiner (falschen) Auffassung nur Rechtsprechung zum alten Recht. Die war schon früher mehr als fragwürdig. Das hat übrigens auch wohl der 1. Zivilsenat des OLG Frankfurt am Main so gesehen (vgl. RVGreport 2017, 420; OLG Frankfurt, Urt. v. 11.05.2017 – 1 U 203/15 und dazu: RVG: Gegenstandswert 3.621.930,00 € oder nur 7.024,68 €?, oder: Wertfestsetzung im Arrestverfahren) oder auch bei BGH, Urt. v. 08.11.2018 – III ZR 191/17 (dazu Gegenstandswert nicht 3.621.930,00 €. sondern nur 7.024,68 €, oder: Wertfestsetzung im Arrestverfahren). Vielleicht hätte man sich da mal kundig machen sollen.

Was kann man? Nun, im Bezirk des OLG Frankfurt nicht viel, dort werden die Rechtspfleger die Entscheidung/Rechtsprechung entsprechenden Festsetzungsanträgen sicherlich entgegen halten. Man kann nur versuchen, ggf. beim jeweils zuständigen Gericht die Festsetzung durchzusetzen und zu schauen, ob das OLG an seiner falschen Rechtsauffassung festhält (was es wahrscheinlich leider tun wird). Im Übrigen: Man kann nur hoffen, dass die anderen OLG auf diesen falschen Zug betreffend die „Rückgewinnungshilfe“ nicht wieder aufspringen und die an sich erledigte Diskussion wieder aufflammt.

Gestellter Unfall?, oder: Was spricht dafür, was dagegen?

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Nach längerer Zeit stelle ich heute im „Kessel Buntes“ mit dem OLG Frankfurt, Urt. v. 08.04.2019 – 23 U 112/17 – mal wieder eine Entscheidung zum „gestellten Unfall“ vor (Anmerkung: „getürkt“ draf man ja nicht mehr schreiben, das gibt Ärger“). Das OLG hat in seiner Entscheidung dazu bzw. zu den Indizien, die für einen „gestellten Unfall“ sprechen – neben den Ausführungen zu einer verfahrensrechtlichen Fragestellung – wie folgt Stellung genommen:

„Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich vorliegend um einen gestellten Unfall. Dafür sprechen vorliegend folgende Indizien:

Das Geschehen hat sich Mitte November 2014 um … Uhr an einem Ort ereignet, an dem die Anwesenheit von zufälligen und unabhängigen Zeugen und damit die Gefahr der Entdeckung eines verabredeten Unfalls äußerst unwahrscheinlich war. Der Beklagte zu 2) hat das Schadensereignis auf dem Parkplatz vor dem sogenannten „X“ auf dem … in Stadt1 verursacht. Durchgangsverkehr auf dem Weg1 ist ausgeschlossen, sämtliche Einrichtungen auf dem … sind zu dieser Zeit frühmorgens geschlossen. Auch die zufällige Anwesenheit von Passanten war sehr unwahrscheinlich. Es handelte sich insgesamt gesehen unter Berücksichtigung der Jahres- und der Tageszeit um einen abgelegenen Ort.

Für den Beklagten zu 2) bestand überhaupt kein Anlass, das klägerische Fahrzeug zu beschädigen. Der – wie aus den vorgelegten Lichtbildern ersichtlich und zudem hinsichtlich der Örtlichkeiten gerichtsbekannt ist – weitläufige und übersichtliche Parkplatz war zum Unfallzeitpunkt nahezu leer. Geparkt war dort lediglich das Fahrzeug des Klägers, möglicherweise noch ein weiteres Fahrzeug. Der Beklagte zu 2) hatte damit eine überaus große Fläche zur Verfügung, um sein Fahrzeug ordnungsgemäß abzustellen. Warum der Beklagte zu 2) dann so dicht neben dem Fahrzeug des Klägers und zudem rückwärts parken wollte, ist nicht ersichtlich. Der Beklagte zu 2) hat dies auch in seiner informatorischen Anhörung nicht erklären können. Unter keinem Gesichtspunkt ist nachvollziehbar, dass es für den Beklagten zu 2) „ordentlicher“ war, derart dicht neben dem Fahrzeug des Klägers einzuparken. Zudem ist der Beklagte zu 2), wie er in der informatorischen Anhörung eingeräumt und auch der Sachverständige SV1 in seinem Gutachten vom 9. Januar 2017 festgestellt hat, dabei ungewöhnlich schnell gefahren. Der Sachverständige spricht ausdrücklich von einer „ungewöhnlich hohen Intensität“ des Einparkvorgangs. Dafür spricht auch, dass durch den Aufprall dem eigenen Bekunden des Beklagten zu 2) zufolge das parkende klägerische Fahrzeug seitlich verschoben wurde.

Der Beklagte zu 2) hat zudem das klägerische Fahrzeug beim versuchten Einparken nicht nur einfach gestreift, sondern durch ein kaum nachvollziehbares Fahrmanöver die gesamte linke Seite des klägerischen Fahrzeugs großflächig beschädigt. Der Sachverständige erwähnt in diesem Zusammenhang „mehrere unabhängig voneinander erfolgte Kontakte“. Der Beklagte zu 2) hat dies damit zu erklären versucht, dass er nach dem rückwärtigen Anstoßen den Vorwärtsgang eingelegt hat und wieder nach vorne gefahren ist. Auch das begegnet erheblichen Zweifeln. Der Beklagte zu 2) hat angegeben, der erste Kontakt beim rückwärtigen Einparken hätte am Heck des gegnerischen Fahrzeugs stattgefunden. Warum dann beim Vorwärtsfahren und einem Einschlagen des Lenkrades nach links und damit vom klägerischen Fahrzeug weg noch nahezu die gesamte Seite des Klägerfahrzeugs bis nahezu zum Vorderrad beschädigt wurde, ist nicht erklärlich.

Der Beklagte zu 2) hat ferner angegeben, er sei beim rückwärtigen Einparken „von der Kupplung gerutscht“. Der Beklagte zu 2) hat seit 1989 eine Fahrerlaubnis, nach eigenem Bekunden war ihm dies bis zum damaligen Zeitpunkt noch nie geschehen. Warum dem Beklagten zu 2) dies gerade in der streitgegenständlichen Situation, in der der Beklagte zu 2) weder abgelenkt war noch andere außergewöhnliche Umstände vorlagen, widerfahren ist, bleibt ebenfalls offen.

Insgesamt handelte es sich bei dem zum Schaden führenden Ereignis um einen einfach zu beherrschenden und vollkommen risikoarmen Vorgang, der die Fahrweise des Beklagten zu 2) als nicht erklärbar erscheinen lassen. Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere, dass dem Beklagten zu 2) bei dem eigentlich einfachen Manöver – dem Einparken auf einem nahezu leeren und großen Parkplatz – gleich mehrere Fahrfehler unterlaufen sind, nämlich das Abrutschen von der Kupplung sowie das Anfahren nach vorne mit weiteren Beschädigungen am klägerischen Fahrzeug, die bei einem geübten Kraftfahrer bereits schon einzeln äußerst ungewöhnlich sind und den Verdacht eines gestellten Verkehrsunfalls erwecken.

Mögen nach der Einlassung des Beklagten zu 2) diesem auch mehrere ungewöhnliche und schwer nachvollziehbare Fahrfehler unterlaufen sein, wird die Schilderung vollends unglaubwürdig durch die informatorische Anhörung des Klägers. Der Kläger hat mit auffallender Detailarmut eigentlich nur angegeben, der Beklagte zu 2) habe ihn im Arbeitsraum aufgesucht, kurz den Unfall geschildert und habe nach dem gemeinsamen Begehen der Unfallstelle seine Versicherung angerufen. Auf ausdrückliches Nachfragen hat der Kläger erklärt, er habe sich die Beschädigung seines Fahrzeugs im Einzelnen eigentlich gar nicht angeschaut, er sei B von Beruf und kenne sich da nicht aus. Ein solches Verhalten ist in jeder Beziehung lebensfremd. Auch ein Laie konnte und musste erkennen, dass der Beklagte zu 2) ein offenbar gänzlich sinnloses und überflüssiges Fahrmanöver vollzogen und dabei massive Schäden am klägerischen Fahrzeug verursacht hat. Dass der Kläger dies zunächst vollkommen kommentarlos hingenommen und den Beklagten zu 2) nicht nach Einzelheiten befragt haben will, obwohl sein Herz ihm wehgetan hätte, ist nicht nachvollziehbar. Erst auf ausdrückliches Befragen durch das Gericht hat der Kläger bekundet, er sei selbstverständlich aufgebracht gewesen, will aber gleichwohl dem Beklagten zu 2) – was überaus nahe gelegen hätte – keine Vorwürfe gemacht haben, obwohl letzterem unschwer bereits nach dem äußeren Geschehensablauf jedenfalls der Vorwurf eines außergewöhnlich grobem und ungewöhnlichem Sorgfaltsverstoß mit erheblichen Folgen gemacht werden konnte und musste. Wichtig war für den Kläger in erster Linie, dass „keine Polizei“ geholt werden müsse, wie der Beklagte zu 2) nach einem Telefonat mit seiner Versicherung ihm versichert habe.

Zu den oben dargestellten Ungereimtheiten und Widersprüchen kommen weitere Indizien für einen gestellten Unfall hinzu, die zwar jeweils für sich genommen „unverdächtig“ sind, aber im Zusammenhang und unter Berücksichtigung des Verhaltens des Klägers und des Beklagten zu 2) den Eindruck verstärken, dass vorliegend ein Unfall lediglich gestellt wurde. So sind beide Parteien Landsleute und haben sich auf Polnisch vor Ort verständigt. Beide Parteien kannten sich von gemeinsamen Besuchen im örtlichen Fitnesscenter. Beide Parteien wohnen nur wenige hundert Meter voneinander entfernt. Bei dem klägerischen Fahrzeug handelte es sich um ein höherwertiges Fahrzeug mit hoher Laufleistung, welches einen Totalschaden erlitt, dessen Schäden auf Gutachterbasis abgerechnet wurden, aber so beschaffen waren, dass sie wesentlich kostengünstiger repariert werden konnten, wie hier auch geschehen. Das Fahrzeug des Beklagten zu 2) besaß einen äußerst geringen Wert und wurde erst wenige Tage vor dem streitgegenständlichen Ereignis bei der Beklagten zu 1) versichert.“