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U-Haft III: Dauerbesuchs- und Telefonerlaubnis, oder: Verdunkelungsgefahr bei der Ehefrau?

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Und als dritte und letzte Entscheidung des Tages dann hier noch der OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 16.11.2023 – 7 Ws 207/23 – zur Versagung einer Dauerbesuchs- und Telefonerlaubnis in der Untersuchungshaft.

Der Angeklagte befindet sich seit dem 05.10.2022 in Untersuchungshaft. Das AG hat  verschiedene Beschränkungen nach § 119 Abs. 1 StPO angeordnet, und zwar u.a. dass Besuche und die Telekommunikation der ausdrücklichen Erlaubnis bedürfen.

Vom AG ist der Angeklagte dann am 23.02.2023 wegen Betrugs in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt worden. Ferner wurde ein Betrag in Höhe von 229.087,41 EUR eingezogen. Der Haftbefehl wurde aufrechterhalten. Der Angeklagte hat Berufung eingelegt.

Die Staatsanwaltschaft hat nach der erstinstanzlichen Hauptverhandlung wegen des dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalts ein Ermittlungsverfahren gegen die Ehefrau des Angeklagten wegen Betrugs bzw. wegen Beihilfe zum Betrug eingeleitet.

Die Ehefrau des Angeklagten hat dann für Besuche und Telefonate bei bzw. mit ihrem Ehemann bei der nach der Einlegung der Berufung zuständigen Strafkammer mit Schreiben vom 08.05.2023 eine Dauerbesuchserlaubnis und eine Telefonerlaubnis beantragt. Diesen Antrag hat die Strafkammer wegen einer bestehenden Verdunkelungsgefahr abgelehnt. Zur Begründung hat die Kammer darauf abgestellt, dass eine Unterbrechung des Kontakts zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau – mit Ausnahme eines überwachten postalischen Kontakts – angezeigt sei, da eine Gesprächsüberwachung bei Telefonaten und Besuchen nicht ausreichend sei.

Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte keinen Erfolg:

„Die mit dem angegriffenen Beschluss erfolgte Versagung der Dauerbesuchs- und Telefonerlaubnis für die Ehefrau des Angeklagten ist nach Ausübung des dem Senat gemäß § 309 Abs. 2 StPO zukommenden eigenen Ermessens zur Abwehr der Verdunkelungsgefahr im Sinne von § 119 Abs. 1 S. 1 StPO erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juli 1964 – AnwSt (B) 4/64 = NJW 1964, 2119; KK-Zabeck StPO, 9. Auflage 2023, § 309 Rn 6; MüKo-Neuheuser StPO, 2016, § 309 Rn 26 ff.).

Gemäß § 119 Abs. 1 S. 1 StPO können einem inhaftierten Beschuldigten Beschränkungen auferlegt werden, wenn dies zur Abwehr einer Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr erforderlich ist. Die Beschränkungen zu Lasten eines Untersuchungsgefangenen können dabei nicht nur auf die im Haftbefehl ausdrücklich genannten Haftgründe gestützt werden, sondern sie kommen auch zur Abwehr aller übrigen in § 119 Abs. 1 S. 1 StPO aufgeführten Gefahren in Betracht. Das heißt, es kann – so wie hier geschehen – auch auf im Haftbefehl nicht genannte weitere Haftgründe zur Begründung einer Beschränkungsanordnung zurückgegriffen werden (OLG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 3. November 2022 – 3 Ws 391/22, vom 16. Februar 2023 – 3 Ws 25/23 sowie vom 11. Februar 2016 – 3 Ws 57/16 = BeckRS 2016, 11581 Rn 2; Meyer-Goßner/Schmitt StPO, 66. Auflage § 119 Rn 5). Für die Annahme einer solchen Gefahr genügt nicht die bloße Möglichkeit der Gefährdung eines Haftzwecks; hierfür sind konkrete Anhaltspunkte erforderlich (allg. Meinung, vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2014 – 2 BvR 1513/14 = NStZ-RR 2015, 79).

Das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte im vorgenannten Sinne erfordert allerdings keine konkreten Vertuschungs- oder Verdunkelungshandlungen (BeckOK-Krauß StPO, Stand: 1. Oktober 2023, § 119 Rn 12). Vielmehr ist angesichts der geringeren Eingriffsintensität solcher Beschränkungen gegenüber der Haft nicht dieselbe tatsächliche Verdichtung im Sinne eines dringenden Tatverdachts nötig (OLG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 3. November 2022 – 3 Ws 391/22 und vom 16. Februar 2023 – 3 Ws 25/23). Zur Beurteilung der einem Haftzweck zuwiderlaufenden Gefahr kann daher auch auf allgemeine kriminalistische Erfahrungen abgestellt werden (KG, Beschluss vom 7. August 2014 – 1 Ws 52/14 = NStZ-RR 2014, 377 m.w.N.). Insbesondere gilt der Erfahrungssatz, dass Absprachen unter Tatbeteiligten jedenfalls dann naheliegen, wenn diese nicht geständig sind (KG, Beschluss vom 20. Oktober 2022 – 5 Ws 41/22121 AR 50/22 = BeckRS 2022, 38740; OLG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 3. November 2022 – 3 Ws 391/22 und vom 16. Februar 2023 – 3 Ws 25/23). Dies gilt umso mehr, wenn Angehörige und Freunde involviert sind, da hier nicht nur ein gesteigertes Vertrauensverhältnis besteht, sondern diese sich zudem regelmäßig dem Angeklagten besonders emotional verpflichtet fühlen (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 16. Februar 2023 – 3 Ws 25/23). Schließlich kann eine entsprechende Gefahr auch konkret-typisierend durch die Art der zu Last gelegten Taten und deren Begehung begründet sein (OLG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 3. November 2022 – 3 Ws 391/22 und vom 16. Februar 2023 – 3 Ws 25/23; BeckOK-Krauß StPO, a.a.O., § 119 Rn 12).

Daran gemessen liegen konkrete Anhaltspunkte für eine Verdunkelungsgefahr für den Fall eines persönlichen oder telefonischen Austauschs zwischen den Eheleuten W vor. Bereits die dem Angeklagten vorgeworfenen Straftaten des Betrugs durch das Einmieten in Hotels – im X gar über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren – sprechen für ein manipulatives Geschick des Angeklagten und damit für dessen grundsätzliche Bereitschaft zu aktiven Vertuschungshandlung. Entgegen der Auffassung des (vormaligen) Verteidigers in der Beschwerdeschrift spricht die Tatsache, dass der Angeklagte erstinstanzlich aufgrund von Zeugenaussagen und Urkunden verurteilt wurde, nicht gegen, sondern gerade für das Vorliegen der Verdunkelungsgefahr. Es ist davon auszugehen, dass die Motivation zu Verdunkelungshandlungen des in erster Instanz die Taten auf subjektiver Ebene in Abrede stellenden Angeklagten mit der erstinstanzlichen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten zugenommen hat, muss er doch bei unveränderter Beweislage mit der Verwerfung seiner Berufung rechnen. Dabei spricht auch die Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen die Ehefrau für ein gesteigertes Interesse sowohl des Angeklagten als auch seiner Ehefrau, einen Freispruch des Angeklagten im vorliegenden Verfahren zu erreichen, da beide anderenfalls nun mit einer Verurteilung auch von ihr wegen Betrugs bzw. Beihilfe zum Betrug rechnen müssen. Es kommt – abermals entgegen der Beschwerdeschrift – nicht darauf an, ob die Ehefrau des Angeklagten auf die bereits in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen einwirkt. Zu befürchten ist vielmehr eine Absprache zwischen den Eheleuten im Hinblick auf die ursprüngliche Zahlungsbereitschaft und die Zahlungsfähigkeit und nachfolgend eine entsprechend abgestimmte Aussage der – erstinstanzlich nicht vernommenen – Ehefrau als Zeugin in der noch bevorstehenden Berufungshauptverhandlung.

Die Versagung der Dauerbesuchs- und Telefonerlaubnis ist auch nicht unverhältnismäßig. Der Senat verkennt nicht, dass mit Blick auf den verfassungsrechtlich gewährten Schutz der Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) Besuchsanträge und Telefonerlaubnisse von Familienangehörigen nur aus schwerwiegenden Gründen abgelehnt werden dürfen und vorrangig mildere Maßnahmen der Überwachung, namentlich eine akustische Überwachung der Gespräche, zu prüfen sind (vgl. KK-Gericke StPO, 9. Auflage 2023, § 119 Rn 17). Bestehen allerdings – wie hier – konkrete Anhaltspunkte für eine Verdunkelungsgefahr, genügt eine akustische Überwachung in der Regel nicht, besteht bei einem unlauteren Informationsaustausch doch allenfalls die Möglichkeit, das Gespräch abzubrechen, während die einmal gesprochene und wahrgenommene Mitteilung nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 24. November 2009 – 2 Ws 246/09 = NStZ-RR 2010, 159, 160; KK-Gericke, a.a.O., § 119 Rn 17). Außerdem ist zu bedenken, dass es aufgrund der langjährigen Ehe der Eheleute naheliegend ist, dass bloße Andeutungen oder vermeintlich unverbindliche Gesprächsinhalte genügen, um tatsächlich wichtige Informationen auszutauschen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 24. November 2009 – 2 Ws 246/09, a.a.O.; KK-Gericke, a.a.O., § 119 Rn 17), zumal für den im Raum stehenden Betrugsvorwurf sowie die Einziehungsentscheidung der weite Bereich der Lebensverhältnisse der Eheleute in der Vergangenheit, welche Aufschluss über die wirtschaftliche Situation geben könnten, betroffen ist. Schließlich wird – anders als dies im Rahmen der Beschwerdeschrift vorgetragen wurde – dem Angeklagten nicht der einzige soziale Kontakt in die Freiheit genommen. Die Eheleute haben weiterhin die Möglichkeit des schriftlichen Austauschs, wobei hier die Briefkontrolle durch den mit dem Verfahren vertrauten Vorsitzenden gewährleistet ist.“

Vollstreckung II: Zulässigkeit einer Abstinenzweisung, oder: Ggf. ausnahmsweise zulässig

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Und auch im zweiten Posting dann etwas zur Zulässigkeit einer Abstinenzweisung bei einer suchtkranken Person im Rahmen der Führungsaufsicht. Der OLG Frankfurt am Main , Beschl. v. 18.10.2023 – 7 Ws 176/23 – macht von dem Grundsatz, dass eine Abstinenzweisung bei einer suchtkranken Person im Rahmen der Führungsaufsicht nach § 68b Abs. 1 S. 1 Ziff. 10 StGB nicht zumutbar ist:

„Die beanstandete Abstinenzweisung ist gesetzlich ausdrücklich vorgesehen (§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB). Sie setzt voraus, dass aufgrund bestimmter Tatsachen Gründe für die Annahme bestehen, dass der Konsum solcher Mittel zur Begehung weiterer Straftaten beitragen wird. Solche Umstände liegen, wie die Strafvollstreckungskammer in ihrem angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegt hat und auch mit der Beschwerde nicht in Abrede gestellt werden, bei dem Verurteilten unzweifelhaft vor. Die Abstinenzweisung ist geeignet, dem entgegenzuwirken.

Entgegen der Auffassung des Verurteilten stellt die Abstinenzweisung auch nicht bereits wegen der fehlenden erfolgreichen suchttherapeutischen Behandlung eine unzumutbare Anforderung an seine Lebensführung (§ 68b Abs. 3 StGB) dar.

Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des OLG Frankfurt am Main, die im Einklang mit der gefestigten Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte steht, bei einer manifest suchtkranken Person, die nicht oder nicht erfolgreich behandelt worden ist, eine Weisung nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Ziffer 10 StGB in der Regel nicht zumutbar (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 15. Juni 2023 – 3 Ws 207 + 213/23 m.w.N.).

Doch kann von dieser Regel unter Umständen abgewichen werden, wenn sich der Verurteilte während des Strafvollzuges über einen längeren Zeitraum als zur Abstinenz fähig erwiesen hat (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 15. Juni 2023 – 3 Ws 207 + 213/23; 19. März 2019 – 3 Ws 112 + 115/19 und vom 30. August 2018 – 3 Ws 669/19 m.w.N.; OLG München, Beschluss vom 21. Juni 2011 – 1 Ws 488 – 494/11; OLG Köln, Beschluss vom 13. September 2010 NStZ-RR 2011, 62).

Denn es ist zu bedenken, dass die strafbewehrte Abstinenzweisung vom Gesetzgeber zu Recht als ein grundsätzlich taugliches Instrument zur Beförderung eines künftig straffreien Lebens verstanden wird. Dass sie gerade auch gegenüber Personen zulässig ist, die nach Vollverbüßung unter Führungsaufsicht stehen, belegt, dass die Abstinenzweisung auch in Fällen ungünstiger Prognose in Betracht kommt. Bei Verurteilten, denen es immerhin gelungen ist, im eng strukturierten und kontrollierten Rahmen des Strafvollzugs abstinent zu leben, kann es deshalb unter Umständen auch dann gerechtfertigt sein, eine Abstinenzweisung zu erteilen, wenn es keineswegs gesichert erscheint, dass der Verurteilte in Freiheit dauerhaft abstinent wird leben können. Andererseits gibt es Fälle, in denen es bei einer jahrelang schwer suchtmittelabhängigen Person, bei der Therapieversuche mehrfach gescheitert sind und sich auch im Strafvollzug keine wesentlichen Gesichtspunkte dafür ergeben haben, dass es ihr künftig gelingen könnte, suchtfrei zu leben, trotz eines in Bezug auf Abstinenz im Wesentlichen beanstandungsfreien Verhaltens im Vollzug, so hochgradig wahrscheinlich ist, dass der Betreffende außerhalb der eng strukturierten Bedingungen des Strafvollzugs nicht zu Abstinenz in der Lage sein wird, dass bei einer Abstinenzweisung Straftaten nach § 145a StGB regelrecht vorprogrammiert wären (st. Rspr. des OLG Frankfurt am Main, vgl. Beschlüsse vom 5. Februar 2021 – 3 Ws 6/21; 20. Januar 2022 – 3 Ws 736 + 737/21 und 15. Juni 2023 – 3 Ws 207 + 213/23).

Die Strafvollstreckungskammer, die die Führungsaufsicht ausgestaltet und eine strafbewehrte Abstinenzweisung erteilen will, hat die Gesichtspunkte der Eignung und der Verhältnismäßigkeit mit Blick auf den jeweiligen Einzelfall konkret gegeneinander abzuwägen. Dabei wird sie je nach Konstellation auch das Gewicht derjenigen Straftaten in den Blick nehmen müssen, die durch die Abstinenzweisung verhindert werden sollen (OLG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 15. Juni 2023 – 3 Ws 207 + 213/23 und 6. Juni 2019 – 3 Ws 326/19).

Daran gemessen stellt die angefochtene Abstinenzweisung keine unzumutbaren Anforderungen an die Lebensführung des Verurteilten und damit keinen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit dar. Die Ausführungen des Beschlusses tragen die getroffene Entscheidung, trotz der langjährigen, nicht erfolgreich behandelten Drogensucht des Verurteilten, eine strafbewehrte Abstinenzweisung zu erteilen. Die Strafvollstreckungskammer hat im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung die zu verhindernden Straftaten wie die Teilnahme im Straßenverkehr unter dem Einfluss von Alkohol und Betäubungsmitteln aufgrund der damit verbundenen Gefahren für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer zutreffend als schwere Straftaten berücksichtigt und bei der Frage der Zumutbarkeit der Abstinenzweisung insbesondere darauf abgestellt, dass der Verurteilte erfolgreich substituiert wird und nach seinen eigenen Angaben keinerlei Suchtdruck verspürt. Sie hat zudem in ihre Entscheidung eingestellt, dass der Verurteilte weiterhin um eine therapeutische Aufarbeitung seiner langjährigen Drogensucht bemüht ist und zwischenzeitliches Scheitern einzelner therapeutischer Maßnahmen in der Vergangenheit nicht zwangsläufig nur auf seine Abhängigkeit, sondern auch auf seine anderen problematischen Persönlichkeitsanteile zurückzuführen sind. So fiel es ihm u.a. in der Vergangenheit schwer, allgemeinverbindliche Strukturen für sich zu akzeptieren (Therapiebescheinigung Therapiezentrum Waldmühle vom 2. September 2019) und hat der Verurteilte in seiner Anhörung im Rahmen der Prüfung einer Reststrafenaussetzung am 9. April 2021 für sich reklamiert, dass die damals wohl letzte Therapie im Kernbereich abgeschlossen gewesen sei und er nur deshalb „rausgeflogen“ sei, weil er wegen eines allergischen Schocks bei seinem Sohn die Klinik sofort („allerdings nach Absprache“) verlassen habe. Wenn die Strafvollstreckungskammer unter diesen Umständen bei gleichzeitiger Berücksichtigung der weiteren Weisungen, insbesondere der engen Anbindung an die Bewährungshilfe, eine ausreichende Chance sieht, dass der Verurteilte einer mit Nachdruck eingeforderten Abstinenzweisung nachkommen kann, hält sich dies noch in dem Beurteilungsspielraum, den der Senat hinzunehmen hat.

Die mit der Abstinenzweisung verbundene Kontrollweisung ist ebenfalls nicht zu beanstanden und genügt insbesondere dem Bestimmtheitserfordernis.“

 

Bewährung I: Widerruf der Strafaussetzung, oder: Wenn es die Anlassentscheidung so nicht gibt

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Den Reigen von Bewährungsentscheidungen, die ich heute vorstelle, eröffne ich mit dem OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 09.10.2023 – 7 Ws 155/23. Es geht um den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB nach einer Exequaturentscheidung.

Folgender Sachverhalt:

„Das Amtsgericht in Stadt1/Kroatien (Az. Kov-111/2020-22) hat den Beschwerdeführer mit Urteil vom 29. April 2020, rechtskräftig seit dem 16. Juli 2020, wegen „Beihilfe zur unerlaubten Drogenproduktion und zum unerlaubten Drogenverkehr“ verurteilt, weil er im November 2019 am Anbau von Cannabis beteiligt war. Das Gericht hat auf eine Freiheitsstrafe von elf Monate erkannt, die durch „Arbeit für gemeinnützige Zwecke“ ersetzt wurde, wobei „ein in der Haft verbrachter Tag mit zwei Stunden Arbeit ersetzt“ wurde, was nach dem Urteilsspruch 660 Stunden abzuleistende Arbeit entspricht. Ferner hat das Gericht bestimmt, dass diese Arbeit nach der Zustimmung des Beschwerdeführers vor der Probationskommission für gemeinnützige Zwecke in einer von der Kommission festgelegten Frist, die nicht kürzer als einen Monat und nicht länger als zwei Jahre betragen darf, zu erbringen ist. Für den Fall, dass der Beschwerdeführer die Arbeit für gemeinnützige Zwecke durch eigene Schuld ganz oder teilweise nicht erbringt, ist schließlich bestimmt, dass das Gericht die Vollstreckung der ausgesprochenen Strafe in Ganzheit oder teilweise anordnen wird.

Die kroatischen Behörden haben die deutschen Behörden unter Vorlage des Urteils und Beifügung einer „Bestätigung aus Anhang I, Rahmenbeschluss 2008/947 / JI des Europarats vom 27. November 2008 für die Anerkennung von Bewährungsentscheidungen“ um die Anerkennung der Bewährungsentscheidung des vorgenannten Urteils ersucht. In dieser Bestätigung ist unter Ziff. 5) ausgeführt, dass der Beschwerdeführer während des Verfahrens fünf Monate in Untersuchungshaft verbracht habe, was bedeute, dass er noch sechs Monate Haft verbüßen und dementsprechend noch 360 Stunden für das Gemeinwohl arbeiten müsse.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat mit Datum vom 27. September 2021 das Vorliegen von Bewilligungshindernissen gemäß § 90c IRG verneint und am selben Tag Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 90g Abs. 1, 90h Abs. 1 IRG gestellt.

Auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung der Staatsanwaltsanwaltschaft Frankfurt am Main vom 27. September 2021 traf das Landgericht Frankfurt am Main – Strafvollstreckungskammer – nach Anhörung des Beschwerdeführers mit Datum vom 15. Dezember 2021 die Exequaturentscheidung. Der Ausspruch lautete dahin, dass die Freiheitsstrafe von elf Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Stadt1 vom 29. April 2020, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, vollstreckbar ist. Zudem wurde bestimmt, dass Teile der Sanktion, die in Kroatien bereits vollstreckt worden sind, anrechenbar seien. Es wurde eine Bewährungszeit von zwei Jahren festgesetzt, innerhalb welcher der Beschwerdeführer 660 Stunden gemeinnützige Arbeit nach näherer Weisung des für die Überwachung der Bewährung zuständigen Gerichts abzuleisten habe. Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer ist seit dem 30. Dezember 2021 rechtskräftig.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13. Mai 2022 [Az. 5/26 KLs 5702 Js 230083/21 (3/22)] wegen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Das Urteil gegen den in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Frankfurt am Main geständigen Angeklagten ist seit dem 8. Februar 2023 rechtskräftig.

Aufgrund dieser erneuten Verurteilung des Beschwerdeführers hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 12. Juni 2023 die mit der Exequaturentscheidung gewährte Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB widerrufen. Dabei stellte die Strafvollstreckungskammer – im Anschluss an die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. November 2022 (Az. 2 Ws 57/22) – darauf ab, dass die Bewährungszeit – obschon die Exequaturentscheidung nach der Begehung der erneuten Tat ergangen ist – bereits mit der Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts Stadt1, also seit dem 16. Juli 2020, zu laufen begonnen habe und die Tatbegehung damit innerhalb der Bewährungszeit liege.

Gegen diesen, der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main am 16. Juni 2023 zugestellten Beschluss, richtet sich deren sofortige Beschwerde, die beim Landgericht Frankfurt am 19. Juni 2023 einging.

Zur Begründung führt die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main in der Beschwerdeschrift aus, dass im vorliegenden Verfahren lediglich die Überwachung der Bewährungszeit, jedoch nicht die Vollstreckung der Strafe aus dem kroatischen Urteil übernommen worden sei. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main folgt der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main im Ergebnis und beantragt, den angegriffenen Beschluss aufzuheben. Insofern führt die Generalstaatsanwaltschaft aus, dass die Exequaturentscheidung vom 15. Dezember 2021 inhaltlich zwar unzutreffend gewesen sei, der Beschluss aber in Rechtskraft erwachsen sei. Allerdings sei die Strafvollstreckungskammer, unabhängig davon, ob die Überwachung der alternativen Sanktionen oder fälschlich die Überwachung einer tatsächlich nicht verhängten Strafaussetzung zur Bewährung für vollstreckbar erklärt worden sei, jedenfalls nicht befugt gewesen, in eigener Zuständigkeit eine Widerrufsentscheidung zu treffen. Gemäß § 90k Abs. 1 IRG wäre nämlich allenfalls die Überwachung der vermeintlichen Bewährungsmaßnahme (oder alternativen Sanktion) übernommen worden, nicht aber eine Bewährungsstrafe als solche. Demgemäß obliege dem überwachenden Gericht nicht die Entscheidung über das Schicksal der Strafaussetzung zur Bewährung. Nach § 90k Abs. 3 Nr. 3 IRG habe das Gericht, wenn es im Rahmen der Überwachung selbst einen Grund zum Widerruf sieht, von der weiteren Überwachung abzusehen und gemäß § 90k Abs. 4 S. 1 Nr. 1, S. 2 IRG den Urteilsstaat zu unterrichten.“

Und das Rechtsmittel hat beim OLG Erfolg. Das sagt:

Wurde eine bedingte Freiheitsstrafe im Rahmen einer rechtskräftigen Exequaturentscheidung für vollstreckbar erklärt, obschon eine solche nach dem ausländischen Urteil tatsächlich nicht verhängt worden war, kommt ein Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung jedenfalls dann nicht gemäß § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB in Betracht, wenn der Verurteilte die neue Straftat vor der Exequaturentscheidung begangen hat.

StGB II: Rechtswidrig handelnde Vollstreckungsbeamte, oder: Ist der Widerstand strafbar oder straffrei?

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Und als zweite Entscheidung dann das OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 21.08.2023 – 3 ORs 13/23 – zur Frage des „Widerstandes“ bzw. des „tätlichen Angriffs“ auf rechtswidrig handelnde Vollstreckungsbeamte.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten vorgeworfen, als Strafgefangener am 02.04.2021 in seinem Haftraum einen tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung begangen zu haben. Das AG verurteilte den Angeklagten wegen dieses Vorwurfs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr. Auf die Berufung des Angeklagten hat das LG ihn frei.gesprochen

Das LG ist von folgenden Feststellungen ausgeganagen:

„Der angeklagte Strafgefangene habe sich lautstark am Fenster seines Haftraums in der JVA Stadt1 unterhalten, es sei – unwiderlegt versehentlich – zu einem Bruch der Fensterscheibe gekommen, diese sei auf den Boden gefallen und zersplittert, so dass Scherben auf dem Boden des Haftraums verteilt gewesen seien. Andere Gefangene, die den Vorgang akustisch wahrgenommen hatten, hätten die Zentrale der JVA informiert und mitgeteilt, dass geschrien worden sei und ein Fenster zu Bruch gegangen sei.

„5. Die Zeugen A, B, C und D begaben sich daraufhin zum Haftraum des Angeklagten und schlossen diesen auf. Der Zeuge A ging etwa einen Schritt in den Haftraum hinein und sprach den Angeklagten, der – nur mit einer Trainingshose bekleidet und barfüßig war – auf seinem Bett, von der Haftraumtür aus gesehen, relativ weit hinten stand, auf die kaputte Fensterscheibe an, fragte, was los wäre, und erklärte ihm sinngemäß, dass er in einen anderen Haftraum müsse. Damit war der Angeklagte, was er auch lautstark und „verbal aggressiv“ zum Ausdruck brachte, nicht einverstanden, vermutlich u.a. deshalb, da in einem anderen freien Haftraum kein Fernsehempfang bestehen würde. Seinen Unmut brachte der Angeklagte außer durch lautstarke Worte auch dadurch zum Ausdruck, dass er ein Buch, das er in der Hand hielt, zu Boden vor die Füße des Zeugen A warf, ohne diesen treffen zu wollen. Da mit dem Angeklagten nach Einschätzung des Zeugen A und seiner Kollegen nicht zu reden war, zogen sie sich zurück und verschlossen die Haftraumtür.

6. Aufgrund der im Haftraum befindlichen Scherben war für A und seine Kollegen klar, dass der Angeklagte den Haftraum verlassen musste. Nach dem Eindruck des Zeugen A stand der Angeklagte, der zwar relativ klein, aber von kräftiger Statur ist, „unter Strom“ und verhielt sich aggressiv, so dass es als zu gefährlich eingeschätzt wurde, dem Angeklagten ungeschützt gegenüber zu treten.

Die Beamten kamen überein, sich – wie in solchen Fällen üblich – mit der dafür bereitstehenden Schutzbekleidung einschließlich Schutzhelmen und -handschuhen auszurüsten, wobei beschlossen wurde, dass anstelle der Zeugin C der Justizvollzugsbeamte E an der Maßnahme beteiligt werde und die Zeugin C dessen Posten auf „dem Turm“ übernehme.

7. Der Zeuge A schätzte aufgrund des Verhaltens des Angeklagten die Lage so ein, dass auch eine Verlegung des Angeklagten in einen anderen Haftraum zu gefährlich sei und entschied in seiner Eigenschaft als dienstranghöchster Beamter vor Ort, dass der Angeklagte in den besonders. gesicherten Haftraum D1/37 verbracht werden solle. Er veranlasste, dass der mit ihm über Funk in Verbindung stehende Zeuge F Verstärkung anfordere, den ärztlichen Dienst hinzuziehe und den „ID“, das heißt den Inspektions-Diensthabenden, der als stellvertretender Anstaltsleiter Bereitschaftsdienst hatte, informierte.

8. Als Verstärkung trafen die Justizvollzugsbeamten G und H von der Justizvollzugsanstalt Stadt1 sowie vom medizinischen Dienst die Justizvollzugsangestellten I und Frau J vor dem Haftraum des Angeklagten ein. Alle Beteiligten gingen davon aus, dass der Angeklagte durch die in Schutzkleidung gesicherten vier Strafvollzugsbeamten aus seinem Haftraum herausgeholt und im besonders gesicherten Haftraum untergebracht werden sollte.
9. Absprachegemäß öffnete der Zeuge H die Haftraumtür des Angeklagten, damit die durch die oben beschriebene Schutzkleidung gesicherten Beamten als sogenannte Raupe, also hintereinandergehend und durch Körperkontakt von Mann zu Mann durch Handauflegen verbunden, hineingehen und die Maßnahme durchführen konnten. Der Angeklagte befand sich im Zeitpunkt des Zugriffs am Ende des Haftraums unter dem Fenster, vermutlich auf einem Stuhl stehend. Die Beamten bewegten sich in der erwähnten Formation auf ihn zu, wobei sich an erster Stelle der Zeuge E mit einem vor sich getragenen Schutzschild befand, dahinter der Zeuge D und danach die Zeugen B und A.
10. E sprach den Angeklagten kurz an mit Worten wie, „auf den Boden“, oder „Hände hoch“. Der Angeklagte, dem klargeworden war, dass er von diesem „Einsatzkommando“ in den „Bunker“, also den besonders gesicherten Haftraum, verlegt werden sollte, was er als nicht gerechtfertigt ansah, sprang von dem Stuhl herab. Es gelang ihm – zur Überraschung der beteiligten Beamten – an dem Schild des vor ihm befindlichen Zeugen E vorbei zu kommen. Im weiteren Verlauf des sich nun entwickelnden massiven und lautstarken Gerangels schlug der Angeklagte dem Zeugen D ein- oder zweimal von oben mit der Faust auf den Helm. Die Beamten versuchten den Angeklagten an Beinen und Oberkörper zu ergreifen und zu fixieren, mit dem Ziel, ihn zu fesseln, der Angeklagte leistete allerdings durch Bewegungen von Armen und Beinen heftige und kraftvolle Gegenwehr, so dass eine längere Zeit, mehr als 5 Minuten, möglicherweise mehr 10 Minuten, verging, bis es schließlich gelang, den Angeklagten in Bauchlage auf den Boden zu fixieren und an den Händen hinter dem Rücken und den Füßen Fesseln, die von dem Zeuge G, wie zuvor abgesprochen, zugereicht wurden, angelegt werden konnten.
11. In die Auseinandersetzung war der Zeuge D u.a. dergestalt involviert, als dass er sich im Bereich des Fensters am Boden liegend befand und der Angeklagte über ihm lag, und zu einem späteren Zeitpunkt er, der Zeuge D, auf dem Bett saß und den Angeklagten im Brustbereich von hinten umklammerte. Hierbei verdrehte der Angeklagte, um den Griff zu lösen, den linken Daumen des Zeugen D, Außerdem biss er ihm in die Hand, wobei letzteres infolge der Schutzhandschuhe keinerlei Folgen verursachte.
12. Der Angeklagte, der sich bei der Auseinandersetzung durch die im Haftraum vorhanden Glasscherben heftig blutende, scharfkantige Schnittverletzungen zumindest an der rechten Hand, an der linken Ferse und am Rücken zugezogen hatte, wurde sodann nach außerhalb des Haftraums und von dort zum ca. 100 m entfernten besonders gesicherten Haftraum verbracht. Der Angeklagte versperrte sich auch dabei und wurde zeitweise getragen bzw. gezogen.
13. Im besonders gesicherten Haftraum wurde der Angeklagte auf einer Liege von den weiterhin in Schutzkleidung befindlichen Beamten fixiert. Die Schnittwunden des Angeklagten wurden von dem hinzugekommenen Anstaltsarzt K desinfiziert und durch Schaumpflaster versorgt. Anschließend lösten die Beamten die Fesseln des Angeklagten und verließen nach eingeübten Muster in rückwärtiger Bewegung den Haftraum, der Zeuge D als letzter.“

„14. Der Zeuge D erlitt bei dem Geschehen eine Distorsion an der linken Schulter, eine Prellung mit Hämatom am linken Ellenbogen mit der Folge einer Kontusion des Nervus Ulnaris, eine Thoraxprellung und eine durch das Verdrehen durch den Angeklagten verursachte Distorsion des linken Daumens. Außerdem stellte sich beim Zeugen eine Posttraumatische Belastungsstörung ein vermutlich als Retraumatisierung früherer traumatischer Belastungen bei seinem früheren Bundeswehreinsatz in Afghanistan.“

Gestützt auf diese Feststellungen hat das LG den Angeklagten freigesprochen zur Begründung ausgeführt, dass die Vollstreckungshandlung der Beamten des Allgemeinen Vollzugsdienstes (AVD) rechtwidrig gewesen sei; es habe an einer notwendigen Androhung der auf die Verbringung in den besonders gesicherten Haftraum (bgH) gerichteten unmittelbaren Gewaltanwendung gefehlt; zudem hätte diese gemäß § 51 Hessisches Strafvollzugsgesetz (HStVollzG) durch den Anstaltsleiter oder dessen Vertretung angeordnet werden müssen. Der Angeklagte sei deshalb auch vom Vorwurf der Körperverletzung freizusprechen gewesen, denn er habe in Notwehr gehandelt.

Dagegen die Revision der Staatsanwaltschaft. Sie hat die Verletzung materiellen Rechts gerügt und ist neben weiteren Punkten der Meinung, dass es entbehrlich gewesen sei, die Anwendung unmittelbarer Gewalt anzudrohen und dass die Feststellungen zur Anordnung der Maßnahme und zur diesbezüglichen Zuständigkeit durch die Beweiswürdigung nicht ausreichend belegt seien. Unter Zugrundelegung des strafrechtlichen Begriffs der Rechtmäßigkeit im Sinne von § 113 Abs. 3 StGB sei das Handeln der Beamten rechtmäßig gewesen. Die Annahme, dass dem Angeklagten ein Notwehrrecht zugestanden habe, das es ihm erlaubt hätte, den Beamten am Daumen zu verletzen, gehe gänzlich fehl. Die Staatsanwaltschaft meint, dass es ausweislich der sogenannten „Notwehrprobe“ in der Konsequenz des angefochtenen Urteils liegen würde, dass die Beamten verpflichtet gewesen seien, die Verletzung des eigenen Körpers zu dulden. Das widerspreche der Rechtsordnung.

Das Rechtsmittel hatte Erfolg. Ich stelle hier nur die Leitsätze des OLG ein – den Rest bitte selbst lesen:

  1. Wenn ein Gefangener einen tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte begeht, die auf Anordnung eines unzuständigen Beamten gehandelt haben, kann die Strafbarkeit nach §§ 113, 114 StGB entfallen, aber gleichwohl eine Strafbarkeit nach § 223 StGB gegeben sein.

  2. Wenn ein Strafgefangener entgegen §§ 50 Abs. 2 Nr. 5, 51 Abs. 1 HStVollzG in einen besonders gesicherten Haftraum verbracht wird, ohne dass dies vom Anstaltsleiter oder seinem Vertreter angeordnet wurde oder Gefahr im Verzug vorliegt, fehlt es an der Rechtmäßigkeit der Diensthandlung im Sinne von § 113 Abs. 3 Satz 1 StGB.

  3. Wenn sich ein Strafgefangener gegen eine solche formell rechtswidrige Diensthandlung wehrt, kann zwar ein gegen ihn gerichteter rechtswidriger Angriff im Sinne von § 32 StGB vorliegen, Notwehr aber nicht „geboten“ sein. Einschränkungen, die teilweise im Rahmen des „strafrechtlichen Rechtmäßigkeitsbegriffs“ des § 113 Abs. 3 StGB erörtert werden, sind stattdessen im Rahmen der Einschränkungen des Notwehrrechts zu verorten. Bei der Prüfung, ob körperliche Gewalt gegen einen formell rechtswidrig handelnden Vollstreckungsbeamten „geboten“ ist (§ 32 Abs. 1 StGB), können das staatliche Gewaltmonopol und die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit des Vollstreckungshandelns nachträglich im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage überprüfen zu lassen, zu berücksichtigen sein.

StPO III: Mal wieder zum Klageerzwingungsverfahren, oder: Notanwalt und erneuter Antrag

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Und zum Tagesschluss dann mal wieder ezwas zum Klageerzwingungsverfahren (§§ 172 ff. StPO).

Das OLG Frankfurt am Main hat im OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 10.10.2023 – 7 Ws 148/23 – zu zwei Fragen dazu Stellung genommen, und zwar zur Beiordnung eines Notanwalts und zum wiederholter Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 172 ff. StPO. Das OLG hat den Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts zurückgewiesen:

„Die Beiordnung eines sogenannten Notanwalts ist im Klageerzwingungsverfahren grundsätzlich unzulässig (ständige Rechtsprechung des OLG Frankfurt am Main, vgl. z.B. Beschluss vom 15. Februar 2023 – 7 Ws 23/23 = BeckRS 2023, 5527). Ein Antragsteller, der die Kosten für einen Rechtsanwalt nicht aufbringen kann, erhält Prozesskostenhilfe, wenn der Klagerzwingungsantrag hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 172 Abs. 2 S. 2 StPO, § 114 ZPO). Für die denkbaren, wenn auch seltenen Fälle, in denen das Klageerzwingungsverfahren aussichtsreich erscheint und sich gleichwohl ein vertretungsbereiter Anwalt nicht finden lässt, kann die Beiordnung eines Notanwalts in entsprechender Anwendung von § 78b ZPO in Betracht kommen. Dies setzt allerdings voraus, dass der Antragsteller darlegt und glaubhaft macht, welche erfolglosen Bemühungen er entfaltet hat, um die Übernahme des Mandats durch einen Rechtsanwalt zu erreichen (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 23. Februar 2023 – 7 Ws 288/22 und Beschluss vom 15. Februar 2023 – 7 Ws 23/23, a.a.O.). Außerdem muss sich aus seinem Vortrag ohne Beiziehung der Akten ergeben, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 17. Januar 2019 – 3 Ws 1036/18; OLG Bamberg, Beschluss vom 7. Mai 2007 – 3 Ws 113/06 = NJW 2007, 2274). Beide Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

1. In Bezug auf die von dem Antragsteller angestellten Bemühungen, einen zur Vertretung bereite Rechtsanwältin oder einen solchen Rechtsanwalt zu finden, fehlt es bereits an einer aus sich heraus nachvollziehbaren Darlegung in der Antragsschrift, bei welchen Rechtsanwälten und in welcher Art und Weise er Nachfrage gehalten hat. Insbesondere genügt es nicht, lediglich auf die dem Antrag beigefügte E-Mail-Korrespondenz zu verweisen und erst recht ist es nicht ausreichend, diese E-Mail-Korrespondenz beschränkt auf die Antwortschreiben der Rechtsanwälte beizufügen, bleibt auf diese Weise doch im Dunklen, ob sich die Anfrage des Antragstellers überhaupt auf den hier in Rede stehenden Sachverhalt bezogen hat. Hinzu kommt vorliegend, dass der Antragsteller in der Antragsschrift sogar dargelegt hat, „weitere Strafrechtler“ gefunden zu haben, die sich mit der Übernahme der Angelegenheit bereit erklärt hätten. Insofern hätte der Antragsteller darlegen müssen, dass diese dem Grunde nach zu einer Mandatsübernahme bereiten Rechtsanwälte – sofern er finanziell nicht zur Zahlung des Honorars in der Lage ist – ein Tätigwerden auf der Basis der gesetzlichen Gebühren ausgeschlossen haben. Der pauschale Verweis in der Antragsschrift, dass sich ein Rechtsanwalt, „der die Sache zu den gesetzlichen Gebühren vertreten wollte, […] auch im Rahmen einer fortgesetzten Suche gar nicht gefunden [hat]“, genügt dem Darlegungserfordernis nicht.

2. Darüber hinaus verspricht der von dem Antragsteller anvisierte Antrag auf gerichtliche Entscheidung von vornherein keinen Erfolg. Soweit man den Antrag des Antragstellers in seiner Antragsschrift vom 25. Juni 2023, der ausdrücklich als „Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts im Klageerzwingungsverfahren als Folgeverfahren zu 1 Ws 132/12“, bezeichnet ist, mit Blick auf die behauptete Fehlerhaftigkeit der vormaligen Entscheidung als Antrag auf erneute Bescheidung versteht, ist der Rechtsbehelf aufgrund der Entscheidung des 1. Strafsenats vom 16. Oktober 2013 unter dem vorgenannten Aktenzeichen grundsätzlich bereits verbraucht. Ein neuerlicher Klageerzwingungsantrag ist nur dann statthaft, wenn der Antragsteller unter Einhaltung der sich aus §§ 172 ff. StPO ergebenden Formerfordernisse neue Tatsachen und/oder Beweismittel vorbringt, die die tragenden Gründe der Vorentscheidung in einem Maße erschüttern, dass nunmehr ein hinreichender Tatverdacht gegeben ist (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22. Juli 2023 – 3 Ws 751/03 = BeckRS 2003, 268; OLG Köln, Beschluss vom 14. Februar 2003 – 1 Zs 1656/02 = NStZ 2003, 682).

Die Antragsschrift vom 25. Juni 2023 wird diesen Formerfordernissen – auch unter Berücksichtigung des Schreibens vom 2. September 2023 – nicht gerecht. So werden nicht einmal der oder die Namen des bzw. der Antragsgegner genannt, es fehlt an einer in sich geschlossenen Darstellung zu dem behaupteten strafrechtlich relevanten Vorwurf, die dem Senat auch ohne Heranziehung der Akten eine Prüfung des Sachverhalts ermöglicht, und erst recht lässt sich den Schreiben des Antragstellers nicht entnehmen, dass sich seit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main im Jahre 2013 neue Tatsachen oder Beweismittel ergeben hätten.

3. Soweit die Ausführungen des Antragstellers in der Antragsschrift vom 25. Juni 2023 dahin zu verstehen sind, dass sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen das die künftige Bescheidung von Anträgen versagende Schreiben der Staatsanwaltschaft Fulda vom 26. September 2022 richtet, hätte dieser schon deshalb keinen Erfolg, weil es sich hierbei nicht um einen Verwerfungsbescheid im Sinne von § 172 Abs. 2 StPO handelt. Gegen andere Entscheidungen der (General-)Staatsanwaltschaft, wie etwa auch dienstaufsichtsrechtlichen Entscheidungen ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 StPO nicht statthaft (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21. September 2023 – 7 Ws 19/23 m.w.N).“