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Pocketbike – Kraftfahrzeug – ja oder nein?

© Margo Harrison - Fotolia.com

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Für all diejenigen, die ein sog. Pocketbike in der Garage stehen haben, ist der OLG Dresden, Beschl. v. 11.09.2013 – 2 OLG 21 Ss 652/13 von Bedeutung, denn der befasst sich mit den rechtlichen Voraussetzungen für den Betrieb und die Nutzung eines Pocketbikes im Straßenverkehr.

Das LG hatte den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG) in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz, schuldig gesprochen. Nach den Feststellungen des LG „fuhr der Angeklagte an fünf (genau bezeichneten) Tagen im Mai 2012 jeweils (zu drei bzw. zwei genau bezeichneten Zeitpunkten) „mit einem Pocketbike mit einem Hubraum von ca. 40 ccm ohne amtliches Kennzeichen auf der dem öffentlichen Straßenverkehr dienenden W-Straße in R., obwohl er die zum Führen dieses Kraftfahrzeuges erforderliche Fahrerlaubnis nicht hatte. Außerdem verfügte der Angeklagte für dieses Kraftfahrzeug nicht über den erforderlichen Haftpflichtversicherungsvertrag. Das wusste der Angeklagte.

Das OLG bestätigt die Annahme des LG, dass es sich bei dem benutzten Pocketbike um ein „Kraftfahrzeug“ gehandelt hat:

Rechtlich zutreffend stuft das Berufungsgericht das hier maßgebliche Pocketbike – in Abgrenzung zum motorbetriebenen Spielzeug – wegen seiner bauartbedingten Bestimmung zum Personenbeförderung als „Kraftfahrzeug“ im Sinne des § 2 Nr. 1 der Fahrzeugzulassungsverordnung (FZV) ein. Damit unterliegt der Fahrer eines solchen Gefährts, sofern es auf öffentlichem Verkehrsgrund betrieben werden soll, der Fahrerlaubnispflicht nach § 2 StVG und § 4 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) – mindestens Klasse M (§ 6 Abs. 1 FeV) -, ohne dass es hierfür (angesichts der fehlenden Eigenschaft des Fahrzeugs als insbesondere einspuriges, einsitziges Fahrrad mit Hilfsmotor, vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 FeV) auf weitere Feststellungen zur Begrenztheit der bauartbestimmten Höchstgeschwindigkeit ankäme. Der Fahrzeughalter ist für diesen Fall – in Ermangelung eines Ausnahmetatbestands nach § 2 Pflichtversicherungsgesetz (PflVG) – zum Abschluss eines entsprechenden Haftpflichtversicherungsvertrages verpflichtet, § 1 PflVG.“

Der “umstrittene Anwalt“, Schmähkritik oder zulässige Meinungsäußerung?

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In der Diskussion in Streit-/Rechtsfragen geht es manchmal hoch bzw. höher her und es wird auch nicht selten scharf geschossen. Damit muss man ggf. leben (können). Bei manchen Äußerungen stellt sich dann aber für den Betroffenen doch die Frage, ob er sich diese als freie Meinungsäußerung des Gegners „gefallen lassen muss“, oder obe es sich um Schmähkritik handelt, gegen die man vorgehen kann. So in einem Fall, der vor einiger Zeit das OLG Dresden beschäftigt hat. Es geht offenbar um einen Streit/einen Sachverhalt, der im Reiserecht spielt. Dort wird ein Artikel veröffentlicht, in dem ein Kollege als ein „umstrittener Rechtsanwalt“ bezeichnet wird bzw. ausgeführt wird, er gelte in der Reisebranche „als „umstritten“. Der Kollege macht im Wege der einstweiligen Verfügung einen Unterlassungsanspruch geltend, hat damit aber weder beim LG noch beim OLG Dresden Erfolg. Das OLG Dresden geht im OLG Dresden, Beschl. v. 27.09.2012 – 4 W 1036/12 von zulässiger Meinungsäußerung aus.

„Eine derartige Schmähkritik hat das Landgericht in der Bezeichnung des Antragstellers als „umstritten“ mit Blick auf den in dem Artikel selbst mitgeteilten Sachbezug und den Umstand, dass der dort mitgeteilte Tatsachenkern für das Verfügungsverfahren als wahr zu behandeln ist, zu Recht nicht gesehen. Diese Anknüpfung an ein eigenes und in dem Artikel aufgeführtes Verhalten des Antragstellers unterscheidet die hier gegebene Konstellation von der Fallgestaltung, die dem Urteil des OLG Köln (Urteil vom 18.7.2012, 16 U 184711-juris) zugrunde lag. Dort hatte das OLG die Bezeichnung des Klägers als „Winkeladvokat“ mit der Begründung als unzulässig angesehen, unter einem Winkeladvokat sei „jedenfalls derjenige zu verstehen, der eine Sache entsprechend seinem Berufsstand nicht verantwortungsbewusst zu vertreten befähigt ist, was bedeute, dass damit ein Rechtsanwalt gemeint sei, der „eine mangelnde fachliche Eignung aufweist und dessen Zuverlässigkeit zweifelhaft ist“, der „sich zwar noch im Rahmen des geltenden Rechts bewegt, aber dessen Grenzen in bedenklichem Maße austestet“, sich dabei „ nicht nur in zulässiger Weise taktisch [verhält], sondern … eine Verhaltensweise an den Tag [legt], die „hart an der Grenze“ ist, um für seinen Mandanten etwas „herauszuholen“, wobei ihm „jeder „Winkelzug“ recht [sei], um das für seinen Mandanten günstige Ergebnis zu erreichen“ und der bereit sei, „sich bei der Berufsausübung über Vorschriften hinwegzusetzen und Recht zu verbiegen, wenn ihm dies zum eigenen Vorteil verhilft“ (OLG Köln aaO.). Eine solche Zuschreibung schließt die Begriffserläuterung in dem streitgegenständlichen Artikel aus. Die Bewertung als „umstritten“ weist überdies neben den o.a. negativen Assoziationen auch darauf hin, dass es neben denjenigen, die das Vorgehen des Antragstellers kritisieren, auch Befürworter gibt und wertet auch vor diesem Hintergrund den Antragsteller nicht in vergleichbaren Maße ab.

Eine unzulässige Schmähkritik kann auch nicht aus der Verbindung des Textes mit dem begleitenden Foto hergeleitet werden, das nach der Bildunterschrift einen „Mann mit einem Esel aus Ägypten“ zeigt. In dem Artikel wird ein Zusammenhang mit der Berichterstattung dadurch hergestellt, dass die Gegendarstellung, die der Antragstellers gegen das Portal www.hotelling.net erwirkt hatte und die Gegenstand der Berichterstattung auf der von der Antragsgegnerin betriebenen Seite war, in einem „Hamburger Reise Magazin, das auch über Ägypten berichtet“ erfolgte. Der durchschnittliche Leser, der den Artikel zur Kenntnis nimmt, wird bei dieser Sachlage das Bild nicht auf die Person des Antragstellers, sondern auf den Gegenstand der Berichterstattung beziehen, auch wenn er die Motivauswahl für eine Berichterstattung über eine Gegendarstellung als willkürlich und ungeschickt empfinden wird, weil sie die Kernaussage des Berichts nicht unterstützt, sondern wie eine zufällige Verlegenheitslösung mangels passenderer Bilder wirkt. Selbst wenn es angesichts dessen dem Leser nicht gelingt, zwischen dem Bild und dem Text des Artikels eine solche Verbindung herzustellen, so wird er jedenfalls nicht zwingend und unabweisbar zu der vom Antragsteller genannten Schlussfolgerung gelangen, dieser solle hier als „Esel“ verunglimpft werden. Ein solches Wortverständnis steht mit der Bewertung als „umstritten“, die unterschwellig nicht auf die mit der Beschimpfung als „Esel“ verbundene Dummheit, sondern im Gegenteil auf eine besondere Gerissenheit des so Bezeichneten hinweist, nicht in Einklang. Es tritt hinzu, dass sich der Esel auf der Fotographie im Bildhintergrund befindet und der Blick des Betrachters daher zunächst auf den ägyptischen Mann fällt, bei dem es sich um einen Bauern oder Händler handelt. Eine Verbindung zwischen dem abgebildeten „Ägypter“ und dem Antragsteller, die sich als Schmähkritik oder Formalbeleidigung darstellen würde, zeigt aber auch die Beschwerde nicht auf.

Zum erwähnten „Winkeldekladvokatenurteil“ des OLG Köln: Der Kollege “Winkeladvokat”

Kurzfristige Freiheitsstrafe – Unerlässlichkeit mal anders rum

Bei Jurion habe ich den OLG Dresden, Beschl. v. 19.10.2012 – 2 Ss 643/12 – gefunden. In den Infos zu der Entscheidung findet sich der Hinweis auf den u.a. „behandelten“ Paragrafen „§ 47 StGB“. Damit hatte ich zunächst gedacht: Mal wieder einer der Beschlüsse, in denen es um die „Unerlässlichkeit“ der kurzfristigen Freiheitsstrafe geht. Die fangen sich hier immer negative Kommentare ein, weil mancher Kommentator mit der strengen Auffassung der Rechtsprechung zu dieser Begrifflichkeit nicht einverstanden ist.

Bei genauem Lesen stellt man da aber fest: Es geht im Beschluss zwar auch um die „Unerlässlichkeit“, aber quasi „anders herum“. Das LG hat nämlich die Voraussetzungen des § 47 StGB bejaht, also eine kurzfristige Freiheitsstrafe festgesetzt. Diese dann aber zur Bewährung ausgesetzt. Und damit hat das OLG auf der Grundlage der vom LG getroffenen Feststellungen Probleme:

Zwar ist auch in Fällen, in denen das Gericht – wie hier – eine kurze Freiheitsstrafe für unerlässlich hält, eine positive Prognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Auch verlangt diese Vorschrift keine sichere Gewähr, sondern nur eine durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit künftig straffreier Führung (BGHSt 7, 6). Die zugrundeliegenden Tatsachen müssen aber im Urteil dargelegt und gewertet werden (vgl. OLG Düsseldorf JR 2001, 202). Erforderlich ist eine eingehende Auseinandersetzung mit allen hierfür maßgeblichen Umständen. Dies lässt das angefochtene Urteil vermissen.

Das Landgericht berücksichtigt weder, dass der Verurteilte bei Begehung der Leistungserschleichungen (im April und im Juni 2011) bereits einer Beschäftigung nachgegangen war (vgl. UA S. 3), er schon damals seinen Lebensunterhalt selbst verdient und ihn dieser Umstand dennoch nicht von der Begehung der Taten abgehalten hatte. Auch würdigt es nicht, dass der Verurteilte nach wie vor nicht Inhaber einer Fahrerlaubnis ist, so dass nicht ersichtlich ist, weshalb zukünftig nicht zu erwarten sei, dass er wieder gegen verkehrsrechtliche Strafgesetze verstoßen werde. Immerhin hatte ein verwaltungsrechtlich eingefordertes medizinisch-psychologisches Gutachten vom 01. Dezember 2010 das Gegenteil festgestellt (UA S. 3).

Der Rechtsfolgenausspruch insgesamt stützt sich damit auf eine nur unzureichende Tatsachengrundlage; die Sache muss neu verhandelt werden.

 

Familienrecht mit strafrechtlichem Einschlag – Schadensersatz für unberechtigte Strafanzeige?

Familienrecht mit strafrechtlichem Einschlag, darum geht es im OLG Dresden, Beschl.  v. 14.05.2012, 21 UF 1337/11, und zwar konkret um die gegenseitigen Ansprüche von Ehegatten bei unberechtigter Erstattung von Strafanzeigen. Die Parteien haben ls getrennt lebende Ehegatten um den Ersatz von Verteidigerkosten, die dem Antragsteller auf Grund einer gegen ihn gerichteten Strafanzeige der Antragsgegnerin entstanden sind, gestritten. Das OLG hat die Erstattung abgelehnt. Dazu allgemein:

„..Eine Haftung aus Delikt (§ 823 Abs. 1 und 2; § 826 BGB) oder wegen einer Pflichtverletzung aus einer rechtlichen Sonderverbindung i.V.m. § 280 BGB kann grundsätzlich nur unter sehr engen Voraussetzungen für den Fall in Betracht kommen, dass sich die Erstattung einer Strafanzeige als unbegründet erweist. Das Ingangsetzen und Betreiben eines gesetzlich geregelten Verfahrens, auch eines Strafverfahrens, hat zunächst die Vermutung der Rechtmäßigkeit für sich. Abgesehen von Ausnahmefällen muss der Rechtsschutzbegehrende seinem Gegner nicht außerhalb der schon im Verfahrensrecht vorgesehenen Sanktionen nach dem sachlichen Recht der unerlaubten Handlung für die Folgen einer nur fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage haften. Alles andere würde die freie Zugänglichkeit der staatlichen Rechtspflegeverfahren in bedenklicher Weise einengen (BVerfGE 74, 257 ff., [BVerfG 25.02.1987 – 1 BvR 1086/85] juris Rn. 8 ff.; BGHZ 74, 9 ff., juris Rn. 15 ff.). Danach sind die der anderen Seite entstehenden Rechtsanwaltskosten zunächst den typischen, ersatzlos hinzunehmenden Folgen einer formal berechtigten Einleitung und Durchführung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zuzuordnen (BVerfG, aaO., juris Rn. 9). Etwas anderes wird nur dann in Betracht zu ziehen sein, wenn ein objektiv unwahrer Sachverhalt wissentlich oder in leichtfertiger – d.h. grob fahrlässiger – Unkenntnis den Strafverfolgungsbehörden zur Kenntnis gebracht wird (BVerfG, aaO., Rn. 11 f.; BGH, aaO., Rn. 23). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass § 469 StPO die Auferlegung von strafrechtlichen Verfahrenskosten eines objektiv unwahren Vorwurfs nur bei Vorsatz oder Leichtfertigkeit in Bezug auf den Anzeigeerstatter vorsieht.

Vertretungsvollmacht – selbst unterzeichnet, das ist kein „Vollmachts-Trick“

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Der Kollege Siebers hat mir den „von seinem Haus“ erstrittenen OLG Dresden, Beschl. v. 21.08.2012 – 3 Ss 336/12 – überlassen, über den er (vgl. hier), der Vollmachtsblog und auch der LawBlog (vgl. hier) auch schon berichtet hat. In der Sache geht es um die Frage der Vertretung des Angeklagten im Strafbefehlsverfahren bei Nichterscheinen des Angeklagten. Der Kollege hatte eine „Vertretungsvollmacht“ vorgelegt, die er selbst unterzeichnet hatett. Das AG hat den Einspruch des Angeklagten, der entschuldigt nicht zum HV-Termin erschienen  war, verworfen.

Die Verfahrensrüge des Kollegen hatte Erfolg. Das OLG Dresden hat aufgehoben:

„Die Verfahrensrüge ist zulässig erhoben. Die Voraussetzungen für eine Verwerfung des Einspruchs wegen unentschuldigten Ausbleibens des Angeklagten liegen nicht vor, weil der Angeklagte in zulässiger Weise durch einen in der Hauptverhandlung erschienenen Verteidiger vertreten wurde. Die Vertretung ist im Verfahren nach dem Einspruch gegen einen Strafbefehl möglich (§ 411 Abs. 2 StPO). Das Gericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die wirksame Vertretung grundsätzlich eine schriftliche Vollmacht voraussetzt. Dass die dem Gericht vorgelegte Vollmacht aufgrund mündlich erteilten Auftrags des Angeklagten vom Verteidiger für diesen mit seinem eigenen Namen unter- zeichnet war, steht dem aber nicht entgegen (BayObLG vom 07. November 2001, NStZ 2002, 277 – 278). Die Erteilung dieser Vollmacht ist grundsätzlich formfrei.“

Eine kurze, aber zutreffende Begründung, die auch seit der Entscheidung des BayObLG keinen Widerspruch gefunden hat. Der Vollmachtgeber kann einen anderen ermächtigen, für ihn, den Vollmachtgeber, die Vollmachtsurkunde zu unterzeichnen. Die Ermächtigung bedarf auch nach § 167 BGB keiner besonderen Form, kann also auch mündlich erteilt werden.

Als Autor ist man dann natürlich besonders über solche Entscheidungen. Bringen sie doch (endlich) neue/aktuelle Zitate in den Büchern. So kam die Entscheidung gerade noch rechtzeitig, um Eingang in die 7. Aufl. des „Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung“ zu finden.

Ach so: Und ein „Vollmachts-Trick“, wie der LawBlog formuliert hat, ist die Sache m.E. nicht. „Trick“ hört sich immer so leicht unerlaubt an – ist es aber nicht :-).