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Die Frage der Anwendung des § 47 StGB ist ja schon häufiger hier im Blog behandelt worden und führt immer wieder zu mehr oder weniger bösen Kommentaren, die dahin gehen, dass die Rechtsprechung der OLG hier zu kleinlich sei, wenn sie auf das „Unerlässliche“ poche. Zu § 47 StGB hat sich nun auch das OLG Braunschweig geäußert, und zwar in einem Fall, in dem derAngeklagte wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Vergehen gem. § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG) zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung das Amtsgericht zur Bewährung ausgesetzt hatte. Nach den auf dem Geständnis des Angeklagten beruhenden Feststellungen des AG war der Angeklagte im Rahmen einer Verkehrskontrolle angehalten worden und führte – in seiner Hosentasche – zu diesem Zeitpunkt 5 einzeln verpackte Konsumeinheiten Heroin mit einem Nettogewicht von jeweils 0,2 g bei sich, deren Wirkstoffgeahlt nicht bestimmt worden ist.
Das OLG folgt dem GStA hinsichtlich der Beurteilung des Rechtsfolgenausspruchs und führt im OLG Braunschweig, Beschl. v. 10.05.2013 – 1 Ss 29/13 – aus:
„…. Hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruches ist der Revision ein (vorläufiger) Erfolg beschieden.
Der Rechtsfolgenausspruch unterliegt jedoch deshalb der Aufhebung, weil die Verhängung der kurzen Freiheitsstrafe von drei Monaten unzureichend begründet worden ist.
Nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung soll die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe weitgehend zurückgedrängt werden (vgl. BGHSt 24, 40, 42f.; KG StV 1997, 640f.; StV 1998, 427f.; OLG Karlsruhe StV 2005, 275f.). Gemäß § 47 StGB darf auf eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur erkannt werden, wenn sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände die Verhängung einer Freiheitsstrafe als unverzichtbar erweist (OLG Karlsruhe m. w. Rspr.Nachw.). Sie kommt da-her nur in Betracht, wenn entweder bestimmte Tatsachen die konkrete Tat aus dem Durchschnitt der praktisch vorkommenden Taten dieser Art hervorheben oder wenn bestimmte Eigenschaften und Verhältnisse beim Täter diesen von durchschnittlichen Tätern solcher Taten unterscheiden (OLG Karlsruhe, a. a. 0. m. w. Rspr.Nachw.).
Besondere Umstände in der Persönlichkeit des Täters sind nicht dargelegt worden. Bei einer Gesamtschau der Urteilsgründe ist derzeit davon auszugehen, dass der über die Person des Angeklagten eingeholte Bundeszentralregisterauszug keine Eintragungen enthält (der von der erkennenden Richterin hieraus gezogene Schluss, dass der jetzt 26 Jahre alte Angeklagte deshalb erstmals in vorliegender Sache vor Gericht gestanden hat, ist allerdings im Hinblick auf §§ 5 Abs. 2, 60, 63 BZRG nicht zwingend).
Zwar handelt es sich bei Heroin um eine sog. harte Droge. Nach inzwischen allgemein verbreiteter Ansicht in der obergerichtlichen Rechtsprechung genügt dies zur Begründung „besonderer Umstände“ im Sinne des § 47 Abs. 1 StGB allein nicht, weil (Anm.: zwischenzeitlich) der Besitz auch harter Drogen verbreitet und insoweit nicht so außergewöhnlich ist, dass allein aus der Eigenschaft des Betäubungsmittels auf besondere Umstände der Tat geschlossen werden kann (OLG Karlsruhe, a.a.O.; KG 4. Strafsenat, Beschluss vom 24.02.1997 — (4) 1 Ss 10/97 bei Juris). Auch fehlen in den Urteilsgründen Ausführungen dazu, ob die Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten ist (vgl. zu letzterem Gesichtspunkt Fischer, StGB, 60. Aufl., § 47 Rdnr. 9f.; KG a.a.O.. Rdnr. 5).
Und für die neue Hauptverhandlung gibt es dann gleich auch noch etwas mit auf den Weg:
„Dem schließt sich der Senat an. In der erneuten Hauptverhandlung wird das Amtsgericht auch auf die Vorschrift des § 29 Abs. 5 BtMG einzugehen haben und verweist hierzu insbesondere einerseits auf die Revisionsbegründung vom 13.03.2013 (BI. 74f, 75) und andererseits auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 11.04.2013 (BI. 79). Da die Wirkstoffmenge des beim Angeklagten sichergestellten Heroins (bislang) nicht bestimmt worden ist, wird das Amtsgericht hierzu entweder weitere Feststellungen zu treffen haben oder aber darlegen müssen, dass eine Beeinflussung des Strafmaßes hierdurch sicher ausgeschlossen werden kann, was gerade dann, wenn § 29 Abs. 5 BtMG im Raum steht, in Betracht zu ziehen ist (vgl. Weber, BtMG 3. Aufl., Rdnr. 806 Vor §§ 29ff; Rdnr. 1801ff (1804) zu § 29; jeweils mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Wurde – wie offenbar vorliegend – wegen der kleinen Menge aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ein Gutachten zum Wirkstoffhart nicht eingeholt, so ist von der (Mindest-) Menge auszugehen, die nach den Umständen unter Berücksichtigung des Zweifelssatzes in Betracht kommt (Weber, a.a.O., Rdnr. 810 ff Vor §§ 29ff).“
Geht m.E. alles ok. Was ich mich immer nur frage: Wenn doch die GStA den Aufhebungsantrag des Angeklagten unterstützt, alsa auch der Auffassung ist, dass das AG-Urteil aufgehoben werden muss, dann weiß ich nicht, warum nicht auch schon die örtliche StA auf die Idee kommen konnte. Oder sitzen bei der GStA die „schlaueren“ (Ober)Staatsanwälte? Mit Sicherheit nicht.