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Das zur Identifizierung geeignete Lichtbild

In Verkehrs-OWi-Sachen spielt, wenn es um die Täteridentifizierung anhand eines vom betreffenden Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbild geht, die Frage der Qualität des Lichtbildes eine große Rolle. Da gehen die Meinungen zwischen Verteidiger und Amtsrichter häufig auseinander. Das OLG kann nicht immer eingreifen, da die damit zusammenhängenden Fragen häufig mit dem dem Amtsrichter eingeräumten tatrichterlichen Ermessen zusammenhängen. Aber manchmal geht es doch. Nämlich dann, wenn das Lichtbild generell nicht geeignet ist.

Dazu das OLG Brandenburg, Beschl. v. 09.08.2011 – (2 B) 53 Ss-OWi 186/11 (89/11), auf das ich erst jetzt bei Jurion gestoßen bin:

Der Senat beurteilt die Qualität des in Bezug genommenen und von dem Amtsgericht allein zur Identifikation herangezogenen Messbildes als vergleichsweise gering. Es ist unscharf und kontrastarm. Die Konturen des aufgenommenen Gesichts sind flach und kaum erkennbar, die Körnung des Fotos ist grob. Zudem sind die Ohren und der Bereich der rechten Wange nicht zu erkennen.
Soweit das Amtsgericht ausführt, weshalb es gleichwohl von der Fahrereigenschaft des Betroffenen ausgegangen ist (UA S.5), erschöpft sich dies in der Benennung von Merkmalen des Vergleichsbildes der Betroffenen, die aber auf dem Messbild nicht oder jedenfalls nicht hinreichend deutlich zu erkennen sind.“

Gutes Lichtbild, schlechtes Lichtbild?

Das ist häufig die Frage, wenn der Mandant mit einem Anhörungsbogen erscheint, in das die Verwaltungsbehörde ein Lichtbild vom Verkehrsverstoß kopiert hat. Frage: Erkennt man den Mandanten oder besser: Erkennt man die Person? Zu der damit zusammenhängenden Problematik gibt es umfangreiche Rechtsprechung, in die sich nun auch der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.02.2011 – IV-4 RBs 29/11 – eingereiht. Er sagt, was kein gutes Lichtbild ist:

Hier lässt es jedoch die schlechte Qualität der vom Amtsgericht in Bezug genommenen Abbildungen als zweifelhaft erscheinen, dass diese eine tragfähige Basis für die Überführung des Betroffenen darstellen können. Denn die Gesichtszüge des Fahrers sind auf den Radarfotos nur unscharf zu sehen, klare Konturen von Nase, Mund und Augen sind nicht erkennbar, die Stirnpartie sowie der Haaransatz werden durch den Rückspiegel vollständig verdeckt. In Anbetracht der danach nur eingeschränkten Eignung der Fotos zur Identitätsfeststellung hätte der Bußgeldrichter im vorliegenden Fall konkret darlegen müssen, warum es ihm gleichwohl möglich gewesen ist, den Betroffenen als Fahrzeugführer zu erkennen. Hierzu hätte er Ausführungen zur Bildqualität machen sowie die – auf dem Foto erkennbaren – charakteristischen Merkmale der abgelichteten Person, die für seine Überzeugungsbildung bestimmend waren, benennen und beschreiben müssen (vgl. BGH a.a.O.; Göhler a.a.O.; Meyer-Goßner a.a.O.) An einer solchen für den Senat nachvollziehbaren Darstellung der Beweiswürdigung fehlt es indes.“

Rotlichtzeit: Richtiger Toleranzwert ist entscheidend

Das Urt. des AG Konstanz v. 16.02.2011 – 13 OWi 52 Js 1314/2011-43/11 zeigt anschaulich, welche Bedeutung für den Betroffenen die Anwendung des (richtigen) Toleranzwertes bei der Ermittlung der Rotlichtzeit hat. Es muss das Ziel sein, eine Rotlichtzeit von nicht mehr als 1 Sekunde festzustellen, um nicht in den sog. „fahrverbotsträchtigen“ Bereich der Nr. 132.3 BKat – „länger als eine Sekunde Rotlichtzeit“ zu kommen.

Das AG nimmt dazu zutreffend auf die von ihm angeführte Entscheidung des OLG Braunschweig Bezug, in der die entsprechenden Toleranzwerte, die ggf. abzuziehen sind, vom OLG zusammengefasst worden sind (vgl. dazu auch noch OLG Hamm VRR 2007, 316; und Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2. Aufl., 2009 [demnächst 3. Aufl., 2011], Rn. 2368 ff.).

Und: Das AG hat in seinem Urteil auf die von dem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbilder verwiesen. Das ist – nicht nur zur Täteridentifizierung – zulässig. Allerdings ist darauf zu achten, dass dann auch die Vorgaben der obergerichtlichen Rechtsprechung beachtet werden (vgl. dazu BGHSt 41, 376; eingehend Burhoff/Gübner, a.a.O., Rn. 1748 ff.). Es muss also prozessordnungsgemäß i.S. des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen werden. Das AG hat hier ausgeführt:

Das Lichtbild wurde in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen. Es wird insoweit Bezug genommen auf AS. 5 (unteres Lichtbild).“

Das wird man als noch ausreichend ansehen können. Zwar reicht die Mitteilung, dass das Lichtbild in Augenschein genommen worden ist, nicht aus. Die weiteren Angaben machen aber noch ausreichend deutlich, dass der Tatrichter als Lichtbild zum Gegenstand der Urteilsurkunde machen will (vgl. dazu Burhoff/Gübner, a.a.O.).

Immer wieder: Die nicht prozessordnungsgemäße Bezugnahme

Die Täteridentifizierung anhand eines von einem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbildes spielt in der Praxis eine erhebliche Rolle. Nur, wenn auf das Lichtbild prozessordnungsgemäß i.S. des § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen worden ist, kann sich das Rechtsbeschwerdegericht selbst einen Eindruck von dem Lichtbild verschaffen und ist demgemäß der Begründungsaufwand für den Tatrichter gemindert. Entscheidend ist, dass das Lichtbild inhaltlich zum Gegenstand des Urteils gemacht wird, er also Bestandteil der Urteilsgründe sein soll.

Als dafür nicht ausreichend ist jetzt vom OLG Koblenz im Beschl. v. 17.08.2010 – 1 SsBs 97/10 angesehen worden der Hinweis auf die „in der Akte befindlichen Lichtbilder. Ebenfalls nicht ausreichend ist die Formulierung „Verwertung des Passfotos Blatt 8 der Akten“ bzw. „der Verwertung des von dem Zeugen B. überreichten Hochglanzfotos (OLG Hamm VA 2008, 16 = VRR 2008, 76; vgl. auch noch OLG Hamm VA 2008, 33) oder die bloße Mitteilung der Fundstelle in der Akte (OLG Bamberg NZV 2008, 211; zuletzt u.a. OLG Koblenz VA 2010, 13 = NZV 2010, 212). Folge ist, dass der Tatrichter dann durch eine ausführliche Beschreibung der Bildqualität und der charakteristischen ldentifizierungsmerkmale der abgebildeten Person dem Rechtsbeschwerdegericht in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglichen muss, dass dieses zur Identifizierung geeignet ist.

Also: Erhöhter Begründungsaufwand, der dann häufig von den Amtsrichtern nicht erbracht wird und der dann zur Aufhebung führt. Die Rechtsbeschwerden sind dann Selbstläufer.

Ist eine Videoaufnahme eine Abbildung?

In der obergerichtlichen Rechtsprechung scheint sich ein neuer Streit aufzutun, und zwar in der Frage: Ist eine Videoaufnahme eine Abbildung mit der Folge, dass darauf dann im Urteil ggf. nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen werden darf? In der Vergangenheit ist die Frage von einigen OLG`s bejaht worden, vor allem das OLG Dresden hat im vergangenen Jahr in einem m.E. überzeugend begründeten Beschluss (25.05.2009 – Ss (OWi) 83/09) dargelegt, dass eine für die Bezugnahme geeignete Abbildung auch dann vorliegt, wenn technische Hilfsmittel notwendig sind, um sie betrachten zu können. Das will jetzt offenbar das OLG Hamm anders sehen. Der 3. Senat für Bußgeldsachen hat in seinem  Beschl. v. 09.12.2009 – 3 Ss OWi 948/09 ausgeführt, dass der Wortlaut „Abbildung“ eher dagegen spreche, einen Verweis auf einen ganzen Videofilm für zulässig zu erachten. Der Sache nach bestehe ein Film aus einer Vielzahl hintereinander in kurzen Abständen gezeigten einzelnen Abbildungen. Durch den Verweis auf einen ganzen Film – ohne dass ggf. eine Angabe von Einzelbildern „von … bis“ möglich sei – könnte unklar werden, auf welche Abbildungen konkret verwiesen werde. Das OLG Hamm hat die Frage letztlich offen gelassen, der Hinweis ist aber deutlich. Wahrscheinlich eine Frage, die irgendwann mal der BGH entscheiden wird.