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Zurechnung der Betriebsgefahr beim Sicherungseigentümer?

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Im LG Stuttgart, Urt. v. 24.02.2016 – 13 S 46/15 geht/ging es um die Frage der Zurechnung der Betriebsgefahr. Der Kläger hat nach einem Verkehrsunfall die Beklagten auf Zahlung weiteren Schadenersatzes in Anspruch genommen. Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Halter und Anwartschaftsberechtigter des an die L. sicherungsübereigneten beschädigten Fahrzeugs. Das  AG hat der Klage nur teilweise stattgegeben. In seiner Begründung führte das AG aus, dass dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz von 50 % seines unfallbedingten Schadens zustehe. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme könne der Unfallhergang nicht aufgeklärt und ein Verschulden nicht festgestellt werden, da nicht geklärt werden könne, ob zuerst die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs ihren Abbiegevorgang oder der Beklagte Ziff. 1 seinen Überholvorgang eingeleitet habe. Daher sei von einer 50-prozentigen Haftung auszugehen. Mit der Berufung wird geltend gemacht, dass das AG bei sämtlichen Schadenspositionen von einer hälftigen Haftungsverteilung ausgegangen ist und nicht berücksichtigt hat, dass die L. als Sicherungseigentümerin nicht Halterin des klägerischen Fahrzeugs ist.

Das sieht das LG auch so:

„Das Amtsgericht hat in seinem Urteil festgestellt, dass der Hergang des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls nicht aufklärbar und daher ein Verschulden der unfallbeteiligten Fahrzeugführer nicht feststellbar ist. An diese Feststellungen des Amtsgerichts, welche ausdrücklich mit der Berufung nicht angegriffen wurden, ist die Kammer gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden. Unter Zugrundelegung dieses Sachverhalts scheidet -mangels festgestelltem Verschulden des Unfallgegners- ein deliktischer Anspruch gemäß § 823 BGB aus, sodass lediglich Schadenersatzansprüche aus der Gefährdungshaftung gemäß § 7 StVG bestehen.

2.1. Die Sicherungsnehmerin muss sich als Eigentümerin des Fahrzeugs, deren Ansprüche der Kläger vorliegend geltend macht, die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs, mangels anwendbarer Zurechnungsnorm, nicht zurechnen lassen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10.07.2007, VI ZR 199/06; OLG Karlsruhe, Urteil vom 02.12.2013, 1 U 74/13).

In § 17 Abs. 2 StVG ist ausdrücklich die Haftungsverteilung der Halter untereinander geregelt. Eine analoge Anwendung dieser Norm auf Ansprüche des Fahrzeugeigentümers, welcher nicht Halter ist, scheidet aus. Denn trotz der Änderungen in § 17 Abs. 3 StVG hat der Gesetzgeber, dem ein Auseinanderfallen von Halter- und Eigentümerstellung bewusst war, die Regelung in § 17 Abs. 2 StVG unverändert beibehalten. Eine Analogie scheidet daher sowohl mangels einer unbewussten Lücke als auch im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut aus (vgl. BGH, Urteil vom 10.7.2007, VI ZR 199/06). Etwas anderes kann, nach Ansicht der Kammer, auch nicht aus den Ausführungen den BGH in seinem Urteil vom 7.12.2010, VI ZR 288/09 entnommen werden. Zwar führt er aus, dass in dem Fall wenn „wegen nicht nachweisbaren Verschuldens nur Ansprüche des Leasinggebers aus Gefährdungshaftung im Sinne des § 7 StVG [bestehen, der Fahrzeugeigentümer] sich im Haftungssystem des Straßenverkehrsgesetzes das Verschulden des Fahrers des Leasingfahrzeugs bereits bei der Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs gegen den Unfallgegner nach §§ 9, 17 StVG, § 254 BGB anspruchsmindernd zurechnen lassen“. Dies kann aber nur dann gelten, wenn zwar kein Verschulden des Unfallgegners jedoch ein Verschulden des Fahrers des Leasing- bzw. sicherungsübereigneten Fahrzeugs feststeht. Dies trifft jedoch für den streitgegenständlichen Verkehrsunfall gerade nicht zu.

Ebenfalls scheiden als Zurechnungsnormen § 9 StVG sowie § 254 BGB aus…….“

Klassiker: Unachtsames Öffnen der Pkw-Tür – volle Haftung des Türöffners

entnommen wikimedia.de Urheber Marcel Heller at de.wikipedia

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Einen m.E. verkehrszivilrechtlichen Klassiker behandelt das LG Stuttgart, Urt. v. 22.04.2015 – 13 S 172/14, nämlich die Frage nach dem  Verschulden des Fahrers eines am rechten Fahrbahnrand geparkten Fahrzeugs durch unachtsames Öffnen der Autotür in den Verkehrsraum des fließenden Verkehrs hinein und die damit zusammenhängende Haftungsquote des Fahrers. Das LG Stuttgart sagt – mit der h.M.: Diese Unachtsamkeit begründet ein erhebliches Verschulden, hinter dem die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs im fließenden Verkehr, das mit der sich öffnenden Tür kollidiert, regelmäßig zurücktritt.

„2) Die Kammer folgt nämlich nicht der Rechtsansicht des Amtsgerichts, dass die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs neben dem erheblichen Verschulden auf Klägerseite bestehen bleibe; jene tritt hier zurück.

a) Nach 17 Abs. 1 StVG hängt bei einer Schadensverursachung durch mehrere Kraftfahrzeuge die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Fahrzeug verursacht worden ist. Diese Abwägung ergibt hier, dass die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs den Unfall so überwiegend fahrlässig verursacht hat, dass im Verhältnis dazu die Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Beklagten Ziff.1 kein anspruchsminderndes Eigengewicht hat.

Nicht nur nach der ständigen Kammerrechtsprechung, sondern auch nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs tritt die einfache Betriebsgefahr regelmäßig hinter einem erheblichen Verschulden der Gegenseite zurück (vgl. BGH Urteil vom 27.05.2014 – VI ZR 279/13). Gerade bei dem plötzlichen Öffnen der Fahrertür eines parkenden Pkws unter Verstoß gegen § 14 StVO ist nach ganz herrschender Ansicht, welcher die Kammer folgt, von einem solchen schweren Verschulden auszugehen, weil das Fließen des Verkehrs nur dann gewährleistet ist, wenn sich die mit angemessener Geschwindigkeit und regelgerechtem Abstand Vorbeifahrenden darauf verlassen können, dass nicht unerwartet eine Fahrzeugtür in den Fahrbereich hinein geöffnet wird (vgl. beispielhaft LG Saarbrücken Beschluss vom 28.01.2010 – 13 S 228/09; KG Beschluss vom 06.03.2008 – 12 U 59/07; LG Limburg Urteil vom 09.10.2009 – 4 O 341/08; OLG Hamburg Beschluss vom 11.06.2004 – 14 U 35/04; OLG Stuttgart Urteil vom 07. 04.2010 – 3 U 216/09).

b) Im vorliegenden Fall liegt auch keine erhöhte Betriebsgefahr vor, welche ausnahmsweise nicht zurücktreten würde. Darauf, dass an der Unfallstelle regelmäßig und auch zum Unfallzeitpunkt starker Parksuchverkehr geherrscht habe, kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Denn aus diesem Vortrag würde sich auch dann, wenn er unstreitig wäre, weder ein vermindertes Verschulden der Klägerseite noch eine erhöhte Betriebsgefahr auf der Beklagtenseite ergeben. Auch bei regem Parksuchverkehr muss ein Aussteigender mit großer Vorsicht vorgehen und ein Fahrender darf sich darauf verlassen, dass nicht unvermittelt eine Türe geöffnet wird.

Dass der Beklagte Ziff.1 anhand eines aufleuchtenden Innen- oder Kontrolllichts an der Tür des Pkws des Klägers die Absicht der Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs vorab hätte erkennen können, hat das Amtsgericht gerade nicht festgestellt, weswegen auch insoweit die Betriebsgefahr nicht erhöht ist. Und schließlich führte auch der Umstand – wenn er denn tatsächlich so gegeben gewesen wäre -, dass sich die Beifahrerin auf dem Gehweg neben dem klägerischen Fahrzeug befand, nicht zu einem anderen Ergebnis. Zum einen steht schon gar nicht fest, ob der Beklagte diese Beifahrerin in der herrschenden Dunkelheit sehen konnte und gesehen hat. Zum anderen ist die Berufungskammer der Ansicht, dass Personen auf dem Gehweg vorbeifahrenden Fahrzeugen keinen Anlass geben, einen größeren Abstand als 0,5 m zu parkenden Fahrzeugen einzuhalten oder besonders langsam (deutlich unter 30 km/h) zu fahren. Personen auf dem Gehweg sind ein ständiges und keineswegs zu besonderer Vorsicht Anlass gebendes Phänomen. Eine Vermutung, dass Personen auf dem Gehweg bedeuten, dass demnächst jemand aus dem Fahrzeug steigen werde, neben dem sie sich befinden, gibt es nicht.“

Da lohnt sich dann doch mal ein Blick nach hinten 🙂

Strafbefehl: Nur mit Übersetzung ist Zustellung wirksam….

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Die neuen Vorschriften der §§ 187 Abs. 2 GVG, 37 Abs. 3 StPO ziehen Kreise. Sie sehen u.a. vor, dass einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Beschuldigten/Angeklagten auch nicht rechtskräftige Urteile zu Übersetzen sind (§ 187 Abs. 2 GVG) und in dem Fall dann mit der Zustellung des Urteils auch dessen Übersetzung zuzustellen ist (§ 37 Abs. 3 StPO). Nun ist aber in § 37 Abs. 3 StPO nur von „Urteil“ die Rede, nicht aber auch – wie in § 187 Abs. 2 GVG – von „Strafbefehl“.  Und damit stellt(e) sind die Frage: Was ist mit der Übersetzung eines Strafbefehls? Muss sie mit zugestellt werden oder nicht? Und wenn sie zugestellt werden muss: Welche Folgen hat es, wenn die Zustellung der Übersetzung unterbleibt.

Eine m.E. überzeugende Antwort gibt darauf der LG Stuttgart, Beschl. v. 12. 5. 2014 – 7 Qs 18/14, wenn es sagt:

  • § 37 Abs. 3 StPO ist im Strafbefehlsverfahren analog anzuwenden. Daher ist dem Angeklagten der Strafbefehl zusammen mit der Übersetzung zuzustellen, wenn ihm nach § 187 Abs. 1 und Abs. 2 GVG eine Übersetzung des Strafbefehls zur Verfügung zu stellen ist.
  • In diesem Falle beginnt nach § 37 Abs. 3 StPO die Einspruchsfrist nicht vor Zustellung der schriftlichen Übersetzung zu laufen; eine Zustellung ohne schriftliche Übersetzung ist unwirksam.
  • Der Mangel der unwirksamen Zustellung wird durch nachträgliche Zustellung der schriftlichen Übersetzung behoben mit der Folge des Beginns des Fristenlaufs.

Zur Begründung verweist das LG auf den Sinn und Zweck der Neuregelung des § 37 Abs. 3 StPO sei, im Falle eines nicht (hinreichend) der deutschen Sprache mächtigen Angeklagten zur Sicherung eines fairen Verfahrens die Rechtsmittelfrist erst mit Zustellung der schriftlichen Übersetzung in Gang zu setzen, weshalb eine Zustellung ohne Übersetzung unwirksam sei. Die Neuregelung des § 187 Abs. 2 Satz 1 GVG, auf den § 37 Abs. 3 StPO verweise, solle das Recht auf ein faires Verfahren wahren und gewährleisten, dass der Angeklagte die wesentlichen Verfahrensvorgänge nachvollziehen und sich im Verfahren verständlich machen könne. Und dies führt nach Auffassung des LG zur analogen Anwendung des § 37 Abs. 3 StPO auf Strafbefehle. Die ausdrückliche Regelung in § 37 Abs. 3 StPO hat der Gesetzgeber leider versäumt.

Wie oft darf der Verteidiger den Mandanten in der JVA besuchen?

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Erst jetzt bin ich auf den Beschluss des LG Stuttgart v. 31. 07. 2012 – 14 Qs 8/12 gestoßen, der immerhin schon mehr als ein Jahr alt ist. Ist aber vielleicht auch gut so, denn: Der Beschluss ist m.E. hinsichtlich der von ihm behandelten Frage, wie der (Pflicht)Verteidiger seinen Mandanten in der JVA besuchen darf, nicht zutreffend. Der Verteidiger hatte mit seinem Festsetzungsantrag acht Fahrten zu Besprechungsterminen mit dem Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt geltend gemacht. Davon sind nur fünf anerkannt worden. Die Absetzung hat das LG wie folgt begründet:

„1. Nur die Kosten von fünf Besprechungsterminen sind erstattungsfähig. Weitere Termine erscheinen zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich (§ 46 Abs. 1 RVG).

Zutreffend weist das Amtsgericht auf den überschaubaren Zeitraum der Pflichtverteidigung (20.07.2011 — 29.11.2011), die Ansetzung von nur einem Verhandlungstag und die zumindest teilgeständige Einlassung des Angeklagten hin. Die Zahl von acht Besprechungsterminen steht hierzu in einem auffällig hohen Verhältnis. Dies begründet einen Anscheinsbeweis gegen die Erforderlichkeit und verlagert die Darlegungslast auf den Verteidiger (vgl. dazu OLG Zweibrücken, Beschl.v.04.06.2012 — 1 Ws 71/12). Diesem ist es unter Kostengesichtspunkten nicht ins freie Ermessen gestellt, wie oft er seinen Mandanten aufsucht. Insoweit gilt weiter der Grundsatz, dass der Verteidiger die Ausgaben für seine Tätigkeit möglichst niedrig halten muss. Dass er sich hierbei irren oder über das Ziel hinausschießen kann, liegt in der Natur der Sache (vgl. Gerold/Schmidt – Müller-Rabe, RVG, § 46 Rn. 81).

Konkrete Umstände, die in der vorliegenden Situation die Notwendigkeit von acht Besprechungsterminen begründen, legt die Beschwerde nicht dar. Eine allgemeingültige Regel, dass inhaftierten Personen, die eine Freiheitsstrafe zu gewärtigen haben, deren Vollstreckung möglicherweise nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann, regelmäßiger Besuche bedürften, existiert nicht. Eine solche Regel besagte im Übrigen auch nichts zur Häufigkeit.“ solcher Besuche.

Dazu hier nur kurz Folgendes: M.E. so nicht richtig, denn: Es ist allgemeine Meinung in der Rechtsprechung, dass grundsätzlich die Staatskasse die Beweislast dafür hat, dass Auslagen zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Partei nicht erforderlich gewesen sind und der Verteidiger grundsätzlich selbst entscheiden kann, welche Aufwendungen er zur Führung des Mandats für erforderlich i.S. des § 46 RVG hält. Das ist auch schon für Fahrtkosten für Besuche des Angeklagten in der JVA entschieden. Wenn sich allerdings Anhaltspunkte ergeben, die auf einen Missbrauch der kostenschonenden Prozessführung des Pflichtverteidigers hindeuten, verlagert sich die Beweislast auf den Verteidiger verlagern. Von „Missbrauch“ konnte man hier m.E. noch nicht ausgehen. Acht Besuche des Inhaftierten in der JVA in einem Zeitraum von vier Monaten sind nicht missbräuchlich sondern liegen noch im Rahmen. Eine Erklärung, warum die anerkannten fünf Besuche ausreichend sein sollen, gibt das LG zudem nicht.

Aber ein bißchen ist der Verteidiger es leider auch selbst Schuld und da liegt für die Praxis die Bedeutung: Warum werden nicht zumindest mit der Beschwerde die konkreten Umstände, die in der vorliegenden Situation die Notwendigkeit von acht Besprechungsterminen begründen, darlegt. Dazu bestand doch, nachdem schon das AG einen Teil der geltend gemachten Auslagen nicht anerkannt hatte, Anlass genug. Gegen die Absetzungen musste mit der Beschwerde „angeschrieben“ werden. Die „Sache laufen zu lassen“ und die Beschwerde nicht konkret (!) zu begründen, führt dazu, dass Auslagen mit ziemlicher Sicherheit verloren gehen. Und das sollte doch nicht sein.

Ein Hoch auf die richterliche Unabhängigkeit? – oder: Ist der BGH ein „Tendenzbetrieb“?

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Ein Kollege hat mich unter der Überschrift „Ein Hoch auf die richterliche Unabhängigkeit“ auf das schon ältere LG Stuttgart, Urt. v. 12.06.1996, 21 O 519/95 aufmerksam gemacht. Ich kannte es bisher nicht, habe dann aber beim Recherchieren festgestellt, dass es veröffentlicht ist und auch durch das Internet „geistert“. Also: Auch ein Hoch auf das Internet, das mir dann den Zugang zu dem Urteil eröffnet hat. Und ich möchte es den Bloglesern, die es noch nicht kennen, nicht vorenthalten:

Im Verfahren ging es um die Zahlungsklage eines Kreditinstituts/einer Bank gegen die frühere Ehefrau eines Kreditnehmers, die einen Kreditvertrag mitunterschrieben hatte. Das LG hat die Zahlungsklage abgewiesen, weil es den Kreditvertrag und die Mitunterzeichnung als sittenwidrig angesehen hat, und zwar wohl (ich habe es nicht geprüft) gegen anders lautende Rechtsprechung des BGH. Dazu gibt das LG folgende Begründung:

Das erkennende Gericht verkennt nicht, daß im Lichte der Rechtsprechung des BGH und des zuständigen Berufungssenats des OLG Stuttgart vorstehende Ausführungen, wie auch die späteren, möglicherweise nicht die Sittenwidrigkeit des streit-gegenständlichen Vertrages bedingen würden.

Jedoch:

Die entsprechende Rechtsprechung des BGH ist für das Gericht obsolet. Beim BGH handelt es sich um ein von Parteibuch-Richtern der gegenwärtigen Bonner Koalition dominierten Tendenzbetrieb, der als verlängerter Arm der Reichen und Mächtigen allzu oft deren Interessen zielfördernd in seine Erwägungen einstellt und dabei nicht davor zurückschreckt, Grundrechte zu mißachten, wie kassierende Rechtsprechung des BVerfG belegt.

Die Rechtsprechung des 9. Senats des OLG Stuttgart ist der des BGH konform, ja noch „bankenfreundlicher“ sie ist von der (wohl CDU-) Vorsitzenden des Senats bestimmt die der gesellschaftlichen Schicht der Optimaten angehört (Ehemann Arzt) und deren Rechtsansichten evident dem Muster „das gesellschaftliche Sein bestimmt das Rechtsbewußtsein“ folgen. Solche RichterInnen haben für „kleine Leute“ und deren, auch psychologische Lebenswirklichkeiten kein Verständnis, sie sind abgehoben, akademisch sozialblind, in ihrem rechtlichen Denken tendieren sie von vornherein darwinistisch. „Banken“ gehören für sie zur Nomenklatura, ehrenwerte Institutionen, denen man nicht sittenwidriges Handeln zuordnen kann, ohne das bestehende Ordnungsgefüge zu tangieren. Und immer noch spukt in den Köpfen der Oberrichter das ursprüngliche BGH-Schema herum, daß nämlich die sog. Privatautonomie als Rechtsinstitut von Verfassungsrang die Anwendung des § 138 BGB auf Fälle vorliegender Art verbiete, obwohl doch § 138 BGB die Vertragsfreiheit verfassungskonform limitiert.

Es gibt dazu eine Anmerkung in AG 1998 unter dem Titel: „Richterliche Rechtsfortbildung am Rande des Wahnsinns: Der BGH als Tendenzbetrieb“. Nun, so weit würde ich nicht gehen. Ist aber schon ganz schön heftig, obwohl: Die richterliche Unabhängigkeit lässt grüßen.