In der zweiten Entscheidung einem Berufungsurteil des LG Nürnberg, und zwar dem LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 04.04.2022 – 12 Ns 513 Js 393/18 – geht es um eine Tabaksteuerhinterziehung.
Der Angeklagte hatte – nach den Feststellungen – in der Tschechischen Republik wiederholt Zigaretten erworden und diese – teils zum Eigenverbrauch, teils zur Weitergabe an Dritte – in das Bundesgebiet, ohne Tabaksteuererklärungen beim zuständigen Zollamt abzugeben. Die Mutter des Angeklagten wohnte unweit eines Grenzübergangs zur Tschechischen Republik. Im gleichen Anwesen befand sich eine Filiale der Deutschen Post AG. Dies machte sich der Angeklagte im Zeitraum vom März 2017 bis August 2018 zunutze, um anlässlich von acht mehrtägigen Besuchen bei seiner Mutter in der Tschechischen Republik jeweils insgesamt 10.800 Stück Zigaretten mit tschechischer Steuerbanderole, insbesondere der Marken Route 66 rot und blau, die er nicht alle selbst rauchen, sondern an Dritte abgeben wollte, zu erwerben und diese in die Wohnung seiner Mutter zu verbringen. Die bei den wiederholten Grenzübertritten zusammengekauften Zigaretten packte er jeweils kurz vor Antritt der Rückfahrt nach L. in der Wohnung der Mutter in ein Postpaket. Dieses gab er sodann in der Postfiliale in S. auf und versandte es an seine Wohnadresse. Dabei war dem Angeklagten bewusst, dass er die Zigaretten, die nicht für seinen Eigenbedarf bestimmt waren, unverzüglich gegenüber dem zuständigen Zollamt zu erklären hatte. Dem kam er jeweils bewusst nicht nach, um sich die Abführung der jeweils fälligen Tabaksteuer zu ersparen.
Gestritten worden ist dann um die Frage: Gewerblich ja oder nein. Dazu führt das LG aus:
„1. Sowohl die Anklage als auch das Amtsgericht in seiner Beweisaufnahme verwandten Zeit und Mühe auf den Versuch des Nachweises, der Angeklagte habe gewerbsmäßig (im üblichen Sinne von gewinnbringend) gehandelt. Umgekehrt betonte der Angeklagte mit erkennbarem Eifer, er habe die mitgebrachten Zigaretten nur verschenkt, nie verkauft. Dieser Streit war überflüssig, weil er auf einem Missverständnis des Gesetzes beruht. § 23 Abs. 1 Satz 1 TabStG definiert „gewerbliche Zwecke“ schlicht als den Gegenbegriff zu den „privaten Zwecken“ des § 22 Abs. 1 TabStG. Zu privaten Zwecken wird eingeführt, was für den Eigenbedarf bestimmt ist. Alles, was nicht dem Eigenbedarf dient, wird den gewerblichen Zwecken zugeordnet. Die Nomenklatur des Tabaksteuergesetzes weicht also – inspiriert von Art. 33 Abs. 1 Richtlinie 2008/118/EG vom 16. Dezember 2008 – von dem sonstigen Rechtsgebrauch der Begriffe „gewerblich“ oder „gewerbsmäßig“ ab. Die Gefahrgeneigtheit dieser Terminologie ist allerdings auch dem Normgeber nicht entgangen, weshalb er jüngst in § 39 TabStV (i.d.F. der 7. VerbrStÄndV vom 11. August 2021, BGBl. I S. 3602) folgenden Absatz 2 angefügt hat:
„(2) Die Weitergabe von Tabakwaren, auch wenn sie unentgeltlich erfolgt, gilt unabhängig von der verbrachten Menge nicht als Eigenbedarf nach § 22 des Gesetzes.“
Durch diese Verordnungsänderung ist nicht eine Änderung, sondern lediglich eine Klarstellung der bestehenden Rechtslage erfolgt. So führt der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen vom 28. April 2021 für die Siebte Verordnung zur Änderung von Verbrauchsteuerverordnungen aus (S. 170): „Die Regelung stellt klar, dass die Weitergabe verbrauchsteuerpflichtiger Ware nicht von dem Begriff des Eigenbedarfs erfasst ist und konkretisiert die Norm insoweit in unionsrechtskonformer Weise.“