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Steuer II: „Gewerbliche Zwecke“ i.S. des TabStG?, oder: „Gewerblich“ ist nicht „gewerbsmäißg“

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In der zweiten Entscheidung einem Berufungsurteil des LG Nürnberg, und zwar dem LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 04.04.2022 – 12 Ns 513 Js 393/18 – geht es um eine Tabaksteuerhinterziehung.

Der Angeklagte hatte – nach den Feststellungen – in der Tschechischen Republik wiederholt Zigaretten erworden und diese – teils zum Eigenverbrauch, teils zur Weitergabe an Dritte – in das Bundesgebiet, ohne Tabaksteuererklärungen beim zuständigen Zollamt abzugeben. Die Mutter des Angeklagten wohnte unweit eines Grenzübergangs zur Tschechischen Republik. Im gleichen Anwesen befand sich eine Filiale der Deutschen Post AG. Dies machte sich der Angeklagte im Zeitraum vom März 2017 bis August 2018 zunutze, um anlässlich von acht mehrtägigen Besuchen bei seiner Mutter in der Tschechischen Republik jeweils insgesamt 10.800 Stück Zigaretten mit tschechischer Steuerbanderole, insbesondere der Marken Route 66 rot und blau, die er nicht alle selbst rauchen, sondern an Dritte abgeben wollte, zu erwerben und diese in die Wohnung seiner Mutter zu verbringen. Die bei den wiederholten Grenzübertritten zusammengekauften Zigaretten packte er jeweils kurz vor Antritt der Rückfahrt nach L. in der Wohnung der Mutter in ein Postpaket. Dieses gab er sodann in der Postfiliale in S. auf und versandte es an seine Wohnadresse. Dabei war dem Angeklagten bewusst, dass er die Zigaretten, die nicht für seinen Eigenbedarf bestimmt waren, unverzüglich gegenüber dem zuständigen Zollamt zu erklären hatte. Dem kam er jeweils bewusst nicht nach, um sich die Abführung der jeweils fälligen Tabaksteuer zu ersparen.

Gestritten worden ist dann um die Frage: Gewerblich ja oder nein. Dazu führt das LG aus:

„1. Sowohl die Anklage als auch das Amtsgericht in seiner Beweisaufnahme verwandten Zeit und Mühe auf den Versuch des Nachweises, der Angeklagte habe gewerbsmäßig (im üblichen Sinne von gewinnbringend) gehandelt. Umgekehrt betonte der Angeklagte mit erkennbarem Eifer, er habe die mitgebrachten Zigaretten nur verschenkt, nie verkauft. Dieser Streit war überflüssig, weil er auf einem Missverständnis des Gesetzes beruht. § 23 Abs. 1 Satz 1 TabStG definiert „gewerbliche Zwecke“ schlicht als den Gegenbegriff zu den „privaten Zwecken“ des § 22 Abs. 1 TabStG. Zu privaten Zwecken wird eingeführt, was für den Eigenbedarf bestimmt ist. Alles, was nicht dem Eigenbedarf dient, wird den gewerblichen Zwecken zugeordnet. Die Nomenklatur des Tabaksteuergesetzes weicht also – inspiriert von Art. 33 Abs. 1 Richtlinie 2008/118/EG vom 16. Dezember 2008 – von dem sonstigen Rechtsgebrauch der Begriffe „gewerblich“ oder „gewerbsmäßig“ ab. Die Gefahrgeneigtheit dieser Terminologie ist allerdings auch dem Normgeber nicht entgangen, weshalb er jüngst in § 39 TabStV (i.d.F. der 7. VerbrStÄndV vom 11. August 2021, BGBl. I S. 3602) folgenden Absatz 2 angefügt hat:

„(2) Die Weitergabe von Tabakwaren, auch wenn sie unentgeltlich erfolgt, gilt unabhängig von der verbrachten Menge nicht als Eigenbedarf nach § 22 des Gesetzes.“

Durch diese Verordnungsänderung ist nicht eine Änderung, sondern lediglich eine Klarstellung der bestehenden Rechtslage erfolgt. So führt der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen vom 28. April 2021 für die Siebte Verordnung zur Änderung von Verbrauchsteuerverordnungen aus (S. 170): „Die Regelung stellt klar, dass die Weitergabe verbrauchsteuerpflichtiger Ware nicht von dem Begriff des Eigenbedarfs erfasst ist und konkretisiert die Norm insoweit in unionsrechtskonformer Weise.“

Pflichti II: 3 x etwas zu den Beiordnungsgründen, oder: Gesamtstrafe, Unfähigkeit, Strafvollstreckung

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Und im zweiten Posting dann drei Entscheidungen zur den Beiordnungsgründen, allerdings jeweils nur die Leitsätze, da die „selbsterklärend“ sind:

Von der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge i.S.d. § 140 Absatz 2 StPO ist auszugehen, soweit eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr in Betracht. Drohen einem Beschuldigten dabei in mehreren Parallelverfahren Strafen, die gesamtstrafenfähig sind und von denen anzunehmen ist, dass deren Summe voraussichtlich eine Höhe erreichen werde, die das Merkmal der „Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge“ i.S.d. § 140 Absatz 2 StPO, mithin mindestens eine (Gesamt-)Freiheitsstrafe von einem Jahr erfüllt, ist die Verteidigung in jedem Verfahren notwendig. Darauf, ob die in Frage stehenden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung verbunden werden oder nicht, kommt es bei der Beurteilung nicht an.

Es können erhebliche Zweifel an der Fähigkeit eines Beschuldigten, sich selbst zu verteidigen, bestehen, wenn aufgrund desolater psychischer und persönlicher Verhältnisse ersichtlich ist, dass er mit behördlichem Schriftverkehr (hier: Strafbefehl) und einer adäquaten Reaktion hierauf schlicht überfordert ist.

Dem Verurteilten ist im Strafvollstreckungsverfahren ein Pflichtverteidiger beizuordnen, wenn sich die Strafvollstreckungskammer eingehend mit dem aktuellen Gesundheitszustand des Verurteilten und bereits vorhandenen ärztlichen Stellungnahmen auseinandersetzen und diese in Beziehung zu den begangenen Straftaten setzen muss und zudem der Vollstreckungsfall in rechtlicher Hinsicht Fragen aufwirft, die sowohl die Strafvollstreckungskammer als auch die Generalstaatsanwaltschaft zunächst verkannt haben.

Und schon wieder zusätzliche Gebühr nach Einziehung, oder: Und schon wieder falsch

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Und dann Gebühren-/Kostenrechtstag.

Zunächste eine Entscheidung zum RVG, und zwar noch einmal zur Nr. 4142 VV RVG, und zwar der LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 20.1.2022 – 12 Qs 1/22.

Gestritten wird in dem Verfahren um die Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG. Die StA hat am 9.6.2020 Anklage wegen Steuerhinterziehung und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gegen den Angeklagten erhoben. Von einer Einziehung hatte sie zuvor gemäß § 421 Abs. 3 StPO abgesehen. Soweit sie darüber hinaus im Ermittlungsverfahren Tatvorwürfe nach § 154 Abs. 1 StPO ausgeschieden hatte, sah sie auch von einer selbständigen Einziehung gemäß § 435 StPO ab.

Nach Anklagezustellung bestellte das AG den Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger, ließ später die Anklage unverändert zu und führte am 28.10.2020 die Hauptverhandlung durch. In der Hauptverhandlung wurde eine Einziehung ausweislich des Protokolls an zwei Stellen thematisiert, zuerst als die Amtsrichterin die Verfügung des Anklageverfassers verlas, in der dieser die Verfahrensbeschränkungen nach § 421 Abs. 3, § 435 Abs. 1 Satz 2 StPO angeordnet hatte, sodann als der Verteidiger in seinem Plädoyer unter anderem beantragte, gemäß § 421 Abs.1 Nr. 3 StPO von einer Einziehung abzusehen. Der Angeklagte wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Im Urteil stellte das Amtsgericht – der Anklage weitestgehend folgend – fest, dass der Angeklagte Lohnsteuer i.H.v. 48.399 € sowie Einkommen- und Gewerbesteuer i.H.v. 56.049 € hinterzogen und Beiträge i.H.v. 169.478,36 € vorenthalten hatte. Eine Einziehungsentscheidung traf das Amtsgericht nicht.

Der Rechtsanwalt beantragte die Festsetzung einer Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG i.H.v. 447 € netto. Er habe seinen Mandanten ausführlich über die Möglichkeit einer Einziehung beraten. Das reiche für die Entstehung der Gebühr aus. Das AG hat die Gebühr nicht festgesetzt. Dad dagegen gerichtete Rechtsmittel hatte keinen Erfolg:

„2. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Amtsgericht die Gebühr gemäß Nr. 4142 VV RVG nicht festgesetzt.

a) Die genannte Gebühr entsteht für eine Tätigkeit für den Beschuldigten, die sich auf die Einziehung, dieser gleichstehende Rechtsfolgen (§ 439 StPO), die Abführung des Mehrerlöses oder auf eine diesen Zwecken dienende Beschlagnahme bezieht (Anm. 1 zu Nr. 4142 VV RVG). Ausreichend ist, dass eine Einziehung nach Lage der Dinge in Betracht kommt (OLG Dresden, Beschluss vom 14. Februar 2020 – 1 Ws 40/20, juris Rn. 1; Burhoff, AGS 2021, 396, 397). Erfasst werden von der Gebühr sämtliche Tätigkeiten, die der Rechtsanwalt im Hinblick auf die Einziehung erbringt und die zumindest auch einen Bezug zur Einziehung haben (BGH, Beschluss vom 29. November 2018 – 3 StR 625/17, juris Rn. 4). Insoweit können schon Besprechungen und Beratungen des Mandanten die Gebühr auslösen (KG, Beschluss vom 30. Juni 2021 – 1 Ws 16/21, juris Rn. 7; Burhoff in Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., Nr. 4142 VV Rn. 24 m.w.N.).

b) Hieran gemessen war die beantragte Gebühr nicht festzusetzen, weil eine Einziehung als notwendiger Bezugspunkt für die gebührenpflichtige Beratung nach dem Verfahrensablauf nicht in Betracht kam.

Eine Einziehung kommt nicht schon dann in Betracht, wenn sie abstrakt möglich ist (KG, Beschluss vom 8. November 2019 – 1 Ws 53/19, BeckRS 2019, 33300 Rn. 1; ähnlich KG, Beschluss vom 30. Juni 2021 – 1 Ws 16/21, juris Rn. 7; a.A. wohl Burhoff, AGS 2021, 396, 397: ausreichend, dass Einziehung sachlich möglich ist). Es muss vielmehr eine hinreichend konkrete Aussicht bestehen, dass hierüber tatsächlich entschieden wird. Diese Einschränkung wird dahin formuliert, dass die Einziehung „ernsthaft“ in Betracht kommt (Kremer in Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl., VV 4142 Rn. 6), dass entsprechende Beratung „nach Aktenlage geboten“ ist (OLG Oldenburg, Beschluss vom 3. Dezember 2009 – 1 Ws 643/09, juris Rn. 6), oder dass Fragen der Einziehung „naheliegen“ (vgl. Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl., VV 4142 Rn. 12 m.w.N. und weiteren Beispielen).

Daran fehlt es nach Auffassung der Kammer jedenfalls für die gegebene Konstellation. Die Staatsanwaltschaft hatte durch die in ihrer Abschlussverfügung vorgenommenen Beschränkungen (§ 421 Abs. 3, § 435 Abs. 1 Satz 2 StPO) dem Amtsgericht die Frage nach einer Einziehung bewusst nicht unterbreitet. Von dieser Entscheidung ist sie auch später nicht abgerückt. Eine den Angeklagten treffende Befassung mit der Einziehung hätte daher zwingend vorausgesetzt, dass das Gericht zunächst eine Wiedereinbeziehung anordnet und damit den Angeklagten auf diese Rechtsfolge hinweist (§ 421 Abs. 2 Satz 1, 3 mit § 265 StPO, vgl. Putzke/Scheinfeld in MünchKomm-StPO, § 421 Rn. 34; Schmidt in KK-StPO, 8. Aufl., § 421 Rn. 9; im Übrigen vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2020, GSSt 1/20, juris Rn. 13 ff.), sodass er – erstmals – Anlass und auch Gelegenheit zur Verteidigung betreffend diesen Punkt hat. Das fand nicht statt, das Amtsgericht machte noch nicht einmal erkennbare Anstalten, die Thematik einer Einziehung proaktiv aufzugreifen, vielmehr hat es sich mit der Verlesung der staatsanwaltlichen Beschränkungsverfügung begnügt. Daher gab es für den Beschwerdeführer objektiv keine Veranlassung, wegen einer nach dem konkreten Verfahrensgang und nach praktischer Erfahrung nicht drohenden Rechtsfolge entsprechende Beratungsleistungen zu erbringen. Allein die abstrakte Möglichkeit – für deren Realisierung keine konkreten Gesichtspunkte sprachen –, dass das Amtsgericht jederzeit die Wiedereinbeziehung hätte anordnen können, reicht entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers für sich betrachtet noch nicht aus. Nichts anderes folgt daraus, dass der Verteidiger in seinem Plädoyer beantragt hatte, die Einziehung nicht anzuordnen. Die Erforderlichkeit dieses Antrags erschließt sich der Kammer nach allem nicht; richtig dürfte jedenfalls sein, dass eine Einziehung nicht schon dann in Betracht kommt, wenn der Verteidiger sie in seinem Antrag ohne Not thematisiert.“

M.E. ist die Entscheidung – natürlich bestand Beratungsbedarf. Und es stellt sich mal wieder die Frage, warum sich die Gerichte eigentlich mit der Festsetzung der Nr. 4142 VV RVG so schwer tun; man wird müde, immer wieder diese falschen Entscheidungen zu kommentieren. Aber, wenn man die Frage stellt, liegt die Antwort an sich auf der Hand. Es handelt sich bei der Nr. 4142 VV RVG um eine Wertgebühr, die sich nach dem jeweiligen Gegenstandswert bemisst (§§ 13, 49 RVG). Und solche Gebühren werden eben von der Staatskasse ungern gezahlt. Immerhin geht es hier um 447 EUR für – aus Sicht des LG – Nichtstun des Verteidigers.

Aber: Vielleicht richtet es ja das OLG Nürnberg. Das LG hat die weitere Beschwerde zugelassen.

StGB III: Pflichtwidriges Verschweigen von Vermögen, oder: Beginn der Offenbarungspflicht in der Insolvenz

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Und zum Tagesschluss dann mit dem LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 28.10.2021 – 12 Ns 511 Js 2080/19 – noch etwas Insolvenzstrafrechtliches (§ 283 StGB).

Das LG hat die Berufung eines Angeklagten gegen ein Urteil des AG als unbegründet verworfen. Das hatte den Angeklagten wegen vorsätzlichen Bankrotts durch Verheimlichen eines Grundstücks in einem laufenden Insolvenzverfahren (§ 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Der Angeklagte hatte im Insolvenzverfahren ein Grudnstück, das er von seiner Mutter geerbt hatte, nich offenbart; wegen der Einzelheiten verweise ich auf den Volltext.

Das LG führt zur Offenbarungspflicht aus:

„3. Der Angeklagte hat das Grundstück verheimlicht. Verheimlichen erfasst jedes Verhalten, durch das ein Vermögensbestandteil der Kenntnis der Gläubiger oder des Insolvenzverwalters entzogen wird (RG, Urteil vom 2. Mai 1930 – I 296/30, RGSt 65, 138, 140; OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. Juni 1997 – 1 Ws 56/97, NStZ 1997, 551). Es kann in einem positiven Tun (unrichtige Angaben) oder in einem pflichtwidrigen Unterlassen (Verschweigen) bestehen (BGH, Urteil vom 20. Dezember 1957 – 1 StR 492/57, BGHSt 11, 145, 146; BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 – 1 StR 626/16, juris Rn. 4; Bosch in SSW-StGB, 5. Aufl., § 283 Rn. 6; Brand in Bittmann, Praxishandbuch Insolvenzstrafrecht, 2. Aufl., § 12 Rn. 69 m.w.N.).

Hier lag ein pflichtwidriges Unterlassen vor. Gemäß § 20 Abs. 1, § 22 Abs. 3 Satz 3, § 97 Abs. 1 InsO ist der Insolvenzschuldner verpflichtet, im Eröffnungs- und im Insolvenzverfahren dem Insolvenzgericht und dem Insolvenzverwalter, auch ungefragt Vermögensbestandteile zu offenbaren, die – wie hier das Grundstück – in die Masse fallen können (BGH, Beschluss vom 14. März 2016 – 1 StR 337/15, juris Rn. 15). Der Schuldner muss sie von sich aus ohne besondere Nachfrage offenlegen, soweit sie offensichtlich für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sein können und nicht klar zu Tage liegen (BGH, Beschluss vom 8. März 2012 – IX ZB 70/10, juris Rn. 13 m.w.N.). Dieser Pflicht hat der Angeklagte bewusst nicht entsprochen.

Der Angeklagte hätte sein Eigentum an dem Grundstück längstens binnen zweier Wochen offenbaren müssen. Zurückzuweisen ist in diesem Zusammenhang die These der Verteidigung, es stünde dem Insolvenzschuldner frei, darüber zu bestimmen, wann er seiner Offenbarungspflicht genüge, weil das Gesetz keine Fristen für die Auskunftserteilung nenne. Nach überzeugender Auffassung im insolvenzrechtlichen Schrifttum hat der Schuldner wegen des das gesamte Insolvenzverfahren beherrschenden Beschleunigungsgebots die Auskunft regelmäßig innerhalb von zwei Wochen – nach Umständen des Falls auch deutlich früher – zu erteilen (Zipperer in Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl., § 20 Rn. 20; Böhm in Braun, InsO, 8. Aufl., § 20 Rn. 10; Laroche in Kayser/Thole, HK-InsO, 10. Aufl., § 20 Rn. 14). Die Pflichtverletzung, und damit das tatbestandsmäßige Verheimlichen, tritt somit nach verschwiegenem Fristablauf ein. Zum ähnlichen Ergebnis gelangt eine strafrechtliche Literaturmeinung, die die Wertungen beim Vereiteln i.S.d. § 258 StGB (Verzögerung über „geraume Zeit“) auf das Verheimlichen i.S.d. § 283 StGB übertragen will (Brand in Bittmann, Praxishandbuch Insolvenzstrafrecht, 2. Aufl., § 12 Rn. 68), was je nach Lage des Falles einen Zeitraum von zwei Wochen, gegebenenfalls kürzer oder länger (vgl. Jahn in SSW-StGB, 5. Aufl., § 258 Rn. 14 m.w.N.) bedeuten kann. Vorliegend war eine Zweiwochenfrist mehr als angemessen. Die Mitteilung des Eigentums an dem Grundstück hätte für den Angeklagten keinerlei Aufwand oder Mühe bedeutet.

Den Fristbeginn setzt die Kammer objektiv mit dem Erbfall an. In diesem Zeitpunkt ist der Angeklagte Universalrechtsnachfolger der Erblasserin und damit Eigentümer des Grundstücks geworden. Der Eigentumserwerb war zunächst zwar ein nur vorläufiger, weil dem Angeklagten nach der Testamentseröffnung noch die sechswöchige Ausschlagungsfrist (§ 1942 Abs. 1, § 1944 Abs. 1, 2 BGB, § 83 Abs. 1 Satz 1 InsO) zustand. Damit fiel der Nachlass aber auch schon vorläufig – auflösend bedingt durch eine Ausübung des Ausschlagungsrechts – in die Masse (BGH, Urteil vom 20. Dezember 2012 – IX ZR 56/12, juris Rn. 11), sodass schon hierüber vom Angeklagten ungefragt Auskunft zu erteilen war. Durch das Verschweigen des Grundstücks ist der Verheimlichungserfolg – die Unkenntnis des Insolvenzgerichts und der Zeugin H und damit der fehlende Zugriff auf das Grundstück –, wie geschildert, eingetreten.“

Und dann noch zur Strafzumessung der Leitsatz:

Wird das Verheimlichen eines Vermögensgegenstandes im laufenden Insolvenzverfahren durch dessen pflichtwidriges Verschweigen und damit durch ein Unterlassen begangen, ist eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 13 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB regelmäßig nicht angezeigt.

StrEG II: Einstellungsverfügung nur formlos mitgeteilt, oder: Akteneinsicht ersetzt förmliche Zustellung nicht

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In der zweiten StrEG-Entscheidung, dem LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 24.08.2021 – 12 Qs 58/21 -, wird eine verfahrensrechtliche Frage aus dem StrEG-Verfahren behandelt.

Die StA hate gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt geführt. In dem Verfahren ließ sie am 22. April 2021 Durchsuchungen in verschiedenen Objekten durchführen. Der ursprüngliche Tatverdacht konnte im Folgenden nicht erhärtet werden. Die sachbearbeitende Staatsanwältin stellte daher das Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 16.06.2021 nach § 170 Abs. 2 StPO ein und verfügte zugleich deren formlose Mitteilung an die beiden Verteidiger des Beschuldigten. Am 21. Juni 2021 nahm die Verteidigerin des Beschuldigten Einsicht in die Ermittlungsakte.

Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2021 an das AG, dort eingegangen am selben Tag, beantragte der Verteidiger, die Verpflichtung der Staatskasse zur Entschädigung für die Durchsuchungen festzustellen. Weiterhin beantragte er, dem Beschuldigten eine Entschädigung i.H.v. 401,50 € zu gewähren.

Das AG lehnte den Antrag als verfristet ab. Die Verteidiger hätten nämlich von der Einstellungsverfügung bereits durch Akteneinsicht vom 21.06.2021 Kenntnis gehabt. Dagegen die sofortige Beschwerde, die – teilweise – Erfolg hatte:

„b) Es liegt ein Antrag des Beschuldigten vor. Nach § 9 1 Satz 4 StrEG ist der Entschädigungsantrag binnen Monatsfrist nach Zustellung der Einstellungsentscheidung zu stellen. Diese Frist ist gewahrt.

aa) Entgegen der gesetzlichen Vorgabe (§ 9 1 Satz 4 StrEG: „nach Zustellung“) und der eigenen Mitteilung in der der Einstellungsverfügung beigelegten Belehrung (vgl. Bl. 225/226 d. A.: „nach Zustellung“) hat die Staatsanwaltschaft keine (förmliche) Zustellung, sondern lediglich eine formlose Mitteilung ihrer Einstellungsverfügung veranlasst. Die Frist des § 9 Abs. 1 Satz 4 StrEG beginnt allerdings erst, wenn die Einstellung (förmlich) zugestellt worden ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 9 StrEG, Rn. 5). Daran fehlt es.

bb) Die Kammer folgt nicht der Auffassung des Amtsgerichts, wonach die Gewährung der Einsicht in die Akte an die Verteidiger am 21. Juni 2021 – in der die zuvor getroffene Einstellungsverfügung in der Urschrift enthalten war – den Zustellungsmangel nach § 37 1 StPO mit § 189 ZPO hätte heilen können, mit der Folge, dass die Monatsfrist bereits am 21. Juli 2021 abgelaufen wäre (wie hier BGH, Beschluss vom 19. Juni 2019 – IV ZR 224/18, juris Rn. 19; BayObLG, Beschluss vom 16. Juni 2004 – 2Z BR 253/03, NJW 2004, 3722; OLG Nürnberg, Urteil vom 1. August 2019 – 13 U 1667/17, juris Rn. 42 und Urteil vom 5. November 1981 – 8 U 351/81, MDR 1982, 238; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 21. März 2019 – 1 OWi 2 Ss Rs 76/18, juris Rn. 7 mit eingehender Begründung; Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 189 Rn. 4; Häublein/Müller in MünchKomm-ZPO, 6. Aufl., § 189 Rn. 13). Sähe man es anders, wäre der Verteidiger im Übrigen aus Gründen anwaltlicher Vorsicht genötigt, die komplette Akte durchzusehen um festzustellen, ob sich dort zuzustellende Dokumente finden. Der Sinn der Akteneinsicht liegt aber nicht darin, Haftungsfallen für den Anwalt aufzustellen, sondern allein darin, ihm die Information zu gewähren, die er braucht.

Nichts anderes folgt aus dem Beschluss des OLG Hamm vom 8. August 2017 (3 RBs 106/17, juris). Das OLG hat erwogen (aaO, Rn. 22), dass durch die Einsichtnahme des Verteidigers in die Bußgeldakte, in der sich der zuzustellende Bußgeldbescheid befindet, ein tatsächlicher oder nachweisbarer Zugang i.S.d. Heilungsvorschriften bewirkt werden kann, sofern zuvor ein auf eine förmliche Zustellung gerichteter Zustellungswille dokumentiert ist. Ob dem zu folgen ist, kann dahinstehen, denn an der genannten Voraussetzung fehlt es bereits: Die Staatsanwaltschaft hat ihre Einstellungsverfügung gerade formlos versenden wollen, sodass der Zustellungswille fehlt.

cc) Die Heilung des Zustellungsmangels trat somit erst mit dem tatsächlichen Zugang der Einstellungsverfügung beim Verteidiger ein (§ 37 1 StPO mit § 189 ZPO). Dieser gibt den Zeitpunkt ihres Zugangs in der Beschwerde mit dem 28. Juni 2021 an. Das ist nicht zu widerlegen. Der am 28. Juli 2021 beim Amtsgericht eingegangene Entschädigungsantrag erfolgte somit in der Monatsfrist.“