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Erstinstanzliche Verteidigung gegen Einziehung, oder: Welche Kosten-/Auslagenentscheidung?

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Nach dem BayObLG, Beschl. v. 27.10.2023 -204 StRR 394/23, den ich heute Vormittag vorgestellt habe (vgl. hier: Erfolgreiches Rechtsmittel gegen Einziehung, oder: Welche Kosten-/Auslagenentscheidung?), nun zwei weitere Entscheidungen zu Kosten-/Auslagenfragen bei der Einziehung.

Es handelt sich um zwei LG-Entscheidungen, von denen ich aber nur die Leitsätze vorstelle und im Übrigen auf das „Selbstleseverfahren“ verweise. Es handelt sich um folgende Entscheidungen:

Zunächst der LG Hildesheim, Beschl. v. 13.12.2023 – 21 Qs 4/23 – zur Frage der Auslagenerstattung für den Einziehungsbeteiligten nach Erlöschen des Einziehungsanspruches vor Verfahrensabschluss. Dazu der Leitsatz:

Die notwendigen Auslagen eines Einziehungsbeteiligen sind regelmäßig nicht aus Billigkeitsgründen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn von einer Einziehungsentscheidung gegen diesen abgesehen wird, nachdem der aus der Tat erwachsene Wertersatzanspruch des Verletzten infolge von diesem veranlasster Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach Anordnung der Einziehungsbeteiligung, aber vor Abschluss des Verfahrens erloschen ist.

Und dann der LG Braunschweig, Beschl. v. 14.12.2023 – 8 Qs 326/23 -, der sich sowohl zur Frage des Gegenstandswertes bei der Einziehung äußert – Stichwort: Gegenstandswert bei unterschiedlichen Werten in der Anklage und dem (Einziehungs)Antrag der Staatsanwaltschaft – und dann auch zur Anwendung des § 465 Abs. 2 StPO in erstinstanzlichen Verfahren. Hier die beiden Leitsätze:

1. Entscheidend für die Berechnung des Gegenstandswertes für die Nr. 4142 VV RVG ist nicht, in welcher Höhe die Staatsanwaltschaft am Ende der Beweisaufnahme eine Einziehung für gerechtfertigt hält, sondern vielmehr, welcher Betrag durch die Anklageerhebung zum Verfahrensgegenstand gemacht wird.
2. § 465 Abs. 2 StPO ist auch in erstinstanzlichen Verfahren anwendbar.

Einziehung III: Kein Abzug von Aufwendungen, oder: Was ist bei leichtfertiger Geldwäsche erlangt?

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Und dann habe ich noch das LG Hildesheim, Urt. v. 12.10.2023 – 25 NBs 5/23.

Das hat in etwa folgenden Sachverhalt:

Das AG hatte die Angeklagte wegen Geldwäsche in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt, die Einziehung des Werts des Erlangten in Höhe von 15.184,25 EUR angeordnet und sie vom Vorwurf der – ebenfalls leichtfertigen – Geldwäsche in zwei weiteren Fällen freigesprochen. Auf die Berufungen der Angeklagten, die vollständigen Freispruch erstrebt hat, und der Staatsanwaltschaft hat das LG die Angeklagte wegen leichtfertiger Geldwäsche in vier Fällen verurteilt und die Einziehung des Werts des Erlangten in Höhe von 17.324,25 EUR angeordnet.

Das LG ist von folgenden Feststellungen ausgegangen: Im März 2022 las die Angeklagte in der Zeitung eine Annonce einer pp. GmbH aus Stuttgart, die eine Tätigkeit als „Transfermanagerin im Homeoffice“ anbot. In der Annahme, dass es sich um ein seriöses Arbeitsangebot handele, kontaktierte die Angeklagte die pp. GmbH. Die Angeklagte wurde sodann als Transfermanagerin auf 20-Stunden-Basis mit einem Stundenlohn von 18,75 € und 2% Provision pro getätigter Transaktion, die jeweils in dem „Umtausch“ von auf einem vorgeblichen Treuhandkonto eingehenden Überweisungen in Kryptowährungen bestehen sollte, eingestellt. Sie eröffnete auf Weisung eines Teammanagers P auf ihren Namen ein vorgebliches Treuhandkonto bei der Deutschen Kreditbank, welches für die Transaktionen dienen sollte, ferner ein Konto bei der Kryptowährungsbörse Bitpanda, über das dann die eigentlichen Transaktionen von Euro in die Kryptowährung Bitcoin erfolgen sollten. Sodann führte die Angeklagte die vier Transaktionen durch, wobei sie sich aufgrund des ihr in Aussicht gestellten, aber nie erhaltenen guten Verdienstes, der sich zunehmend aufdrängenden Einsicht verstellte, dass sie sich so an der Weiterleitung betrügerisch erlangter Geldbeträge beteiligte:

Am 22.3.2022 ging auf dem vorgenannten DKB-Konto eine Gutschrift über 1.940 EUR von P. mit dem Verwendungszweck „Privat“ ein. Die Angeklagte überwies diesen Geldbetrag am gleichen Tage auf ihr Konto bei der Bitpanda GmbH. Dort erfolgte der Umtausch in Bitcoin zum Zugriff durch den vorgeblichen P. oder anderen Verantwortlichen der PB Capital GmbH.

Weiter erhielt die Angeklagte am 28.3.2022 eine Gutschrift in Höhe von 5.584 EUR einer gesondert verfolgten B. mit dem Verwendungszweck „Auftrag“ auf das e Konto bei der DKB Bank überwiesen. Die Angeklagte überwies zunächst 200 EUR als Auslagenersatz auf ihr Privatkonto weiter. Die übrigen, auf dem DKB Konto der Angeklagten verbliebenen, 5.384 EUR wurden aufgrund eines Überweisungsrückrufes an B. zurück überwiesen. Die Angeklagte hatte aber bereits einen Bitcoinkauf bei der Bitpanda GmbH durchgeführt, weswegen sie inzwischen von dieser Gesellschaft auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Sodann sperrte wegen eines dort entstandenen Geldwäscheverdachts die DKB-Bank das Konto.

Der vorgebliche Herr P. bat die Angeklagte, kurzfristig ihr Privatkonto zur Verfügung zu stellen, u.a. weil nunmehr Echtzeitüberweisungen erfolgen sollten, die die DKB nicht anbiete. Ferner sollte sie ein Konto bei der Kryptowährungsbörse Kraken eröffnen.

Die Angeklagte erhielt ebenfalls am 28.3.2022 eine Überweisung vom Konto des F. in Höhe von 6.752,13 EUR auf ihr Sparkassenkonto. F. war dazu gebracht worden, Transaktionsnummern (TAN) seines Volksbankkontos einem vorgeblichen Bankmitarbeiter mitzuteilen. So wurde die Überweisung von seinem Konto mit dem Verwendungszweck „Rechnung Mercedes“ ausgelöst. Die Angeklagte überwies einen Geldbetrag in Höhe von 6.752 EUR von ihrem auf ihr Konto bei der Kryptowährungsbörse Kraken (Payward Limited) weiter. Es erfolgte ebenfalls eine Umwandlung in einer Krypotwährung mit Zugriff durch den vorgeblichen P. oder andere Verantwortliche der PB Capital GmbH

Am gleichen Tag überwies die Angeklagte noch weitere 8.432 EUR auf ihr Kraken-Konto und transferierte es in eine Kryptowährung, wobei das Geld aus einer Gutschrift in Höhe von 8432,12 EUR vom Konto des Y. stammte und welches aus einem vorangegangenen Betrug/Computerbetrug herrührte, was die Angeklagte ebenfalls nicht wusste.

Das LG ist in allen vier Fällen von einer leichtfertigen Geldwäsche (§ 261 StGB) ausgegangen und hat die Angeklagte, gegen die inzwischen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, insoweit verurteilt.

Zur Einziehung führt es aus:

„3. Die den Konten der Angeklagten überwiesenen und von ihr an P. oder andere Verantwortliche der PB Capital GmbH weitergeleiteten Geldbeträge sind von ihr im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt worden. Es ist daher die Einziehung des Werts des Erlangten in Höhe von insgesamt 17.324,25 € (Fall II.a 1.940 €, II.b. 200 €, II.c. 6.752,13 €, Fall II.d 8.432,12 € anzuordnen (§ 73c StGB).

Aufgrund der weitgehenden Rückbuchung des im Fall II.b erlangten Betrages ist nach Maßgabe des § 73e StGB in diesem Fall die Einziehung nur noch in Höhe der von der Angeklagten auf ihr Privatkonto überwiesenen 200 € anzuordnen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen steht der Anordnung der Einziehung nicht entgegen.

Obschon die Angeklagte nicht vorsätzlich handelte, kommt ein Abzug ihrer Aufwendungen – die bis auf die von ihr auf ihr Privatkonto überwiesenen 200 € den erlangten Beträgen entsprächen – nach § 73d Abs. 1 S. 1 StGB nicht in Betracht. Zwar ist anerkannt, dass bei einem bloß fahrlässig handelnden Täter dieser Abzug vorzunehmen ist (vgl. Urteil der hiesigen Strafkammer 11 – 4. gr. Wirtschaftsstrafkammer v. 27. Oktober 2017, 22 KLs 14 Js 10671/14 unter D.II.1; zit. n. juris; best. durch Urteil d. BGH v. 23. Juli 2019, 1 StR 107/18; BGHSt 64, 161ff.; Fischer, a. a. O., Rn. 6 zu § 73d m. w. N.).

Dies kann aber nach Auffassung der Kammer aus rechtssystematischen Gründen nicht für den leichtfertig handelnden Täter gelten. Selbst ein nicht Tatbeteiligter Dritter ist ohne Abzugsmöglichkeit der Einziehung des Erlangten ausgesetzt, wenn er dessen kriminelle Herkunft hätte erkennen müssen, also sie leichtfertig verkannt hat (vgl. § 73b Abs. 1 S. 2 StGB, s. a. LK-Lohse, 13. Aufl. 2020, Rn. 15 zu § 73d m. w. N.; Fischer a. a. O.; a. A. Rübenstahl in Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltskommentar StGB, 3. Aufl. 2020, Rn. 17). Dieselbe Wertung folgt auch aus dem Vergleich mit dem zivilrechtlichen Kondiktionenrecht (§§ 812ff. BGB), dem die strafrechtliche Einziehung nachempfunden ist. § 817 S. 2 BGB schließt die Rückforderung einer vorsätzlich oder leichtfertig gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten erbrachten Leistung aus (vgl. BGH, Urteil v. 23. Februar 2005, VIII ZR 129/04, NJW 2005, 1490 m. w. N.; Grüneberg-Sprau, BGB, 82. Aufl. 2023, Rn. 17 zu § 817).“

Zur Sache: Man ist immer wieder erstaunt, wie leichtgläubig doch mancher ist, wenn es um das „Geld verdienen“. Dass das, was man der Angeklagten hier angetragen hat, nicht koscher sein konnte, lag m.E. auf der Hand. Teures Lehrgeld

Der auswärtige Verteidiger in Bußgeldverfahren, oder: Reisekosten für auswärtige Verteidiger?

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Die zweite Entscheidung, der LG Hildesheim, Beschl. v. 12.12.2022 – 22 Qs 18/22 – nimmt Stellung zur Auslagenerstattung für den auswärtigen Rechtsanwalt in Bußgeldsachen. Die Frage macht gerade in Bußgeldsachen häufig Schwierigkeiten.

Der Betroffene hatte im Bußgeldverfahren einen auswärtigen Verteidiger beauftragt. Dieser hat, nachdem der Betroffene frei gesprochen worden ist und das AG der Staatskasse auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen auferlegt hat, die Erstattung seiner Reisekosten (224,28 EUR Fahrtkosten und 50 EUR Abwesenheitsgeld nebst anteiliger Umsatzsteuer) beantragt. Das AG hat diese festgesetzt. Das dagegen gerichtete Rechtsmittel der Staatskasse hatte Erfolg:

„Das so verstandene Rechtsmittel der Landeskasse hat im vollen Umfang Erfolg. Die Reisekosten des Verteidigers (224,28 € Fahrtkosten und 50 € Abwesenheitsgeld nebst anteiliger Umsatzsteuer) sind keine aufgrund des Urteils des Bußgeldrichters vom 9. August 2021 aus der Landeskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen.

Aus der Bezugnahme in § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO auf § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2. ZPO ergibt sich, dass Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts nach VV RVG Nr. 7003 ff. „nur insoweit“ zu erstatten sind, als seine Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig ist (vgl. KK-StPO/Gieg, 8. Aufl. 2019, StPO § 464a Rn. 12).

1. Selbst auf Grundlage der Rechtsauffassung des Amtsgerichts hätten die Kosten des auswärtigen Verteidigers daher nicht in voller Höhe festgesetzt werden dürfen, sondern – wie der Verteidiger selbst im Schriftsatz vom 29. August 2022 ausgeführt hat – nur in Höhe der Reisekosten eines Rechtsanwalts mit der höchstmöglichen Entfernung im Amtsgerichtsbezirk (BGH, Beschl. v. 9. Mai 2018 I ZB 62/17, MDR 2018, 1022), was hier zu festsetzbaren Reisekosten von etwa 63,60 € nebst Umsatzsteuer geführt hätte (33,60 € Reisekosten für jeweils etwa 40km Hin- und Rückweg zzgl. 30 € Abwesenheitsgeld).

2. Nach der Rechtsprechung der Kammer lässt sich diese zivilgerichtliche Rechtsprechung (n. d. v. g. Beschl. v. 9. Mai 2018, zuletzt etwa Beschl. v. 14.09.2021, VIII ZB 85/20 MDR 2021, 1486ff.) aber nicht auf Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren übertragen. Sie betrifft ganz andere Verfahrenssituationen, nämlich Zivilprozesse mit Anwaltszwang.

a) Im Strafverfahren ist hingegen § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO seit jeher differenziert ausgelegt worden. So ist die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines auswärtigen Anwalts – unabhängig von (Amts-)Gerichtsbezirken – grundsätzlich nur dann bejaht worden, wenn das Verfahren ein schwieriges und abgelegenes Rechtsgebiet betrifft, weshalb nur ein Anwalt mit besonderen Kenntnissen auf diesem Spezialgebiet zur ordnungsgemäßen Verteidigung in der Lage ist und ein solcher Spezialist am Sitz des Prozessgerichts nicht ansässig ist (vgl. LG Koblenz NStZ 2003, 619; OLG Köln NJW 1992, 586; OLG Jena StV 2001, 242; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt Rn. 12, s. a. Kotz: Aus der Rechtsprechung zu den Verfahrenskosten und notwendigen Auslagen in Strafsachen 2010/2011, NStZ-RR 2012, 265, 266f.). Ferner kommt bei einem schweren Schuldvorwurf dem besonderen Vertrauensverhältnis regelmäßig eine größere Bedeutung als die Ortsnähe zu. Wenn der auswärtige Verteidiger gemäß §§ 141, 142 StPO als Pflichtverteidiger hätte bestellt werden können, dürfen seine als Wahlverteidiger geltend gemachten Auslagen dahinter nicht zurückbleiben (vgl. OLG Stuttgart Beschl. v. 12.10.2017 ,1 Ws 140/17, BeckRS 2017, 129463; OLG Nürnberg ZfS 2011, 226).

Hingegen hätte die unreflektierte Anwendung der vorgenannten zivilistischen Rechtsprechung ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des Strafverfahrens hingegen auch die Konsequenz, dass in Fällen notwendiger Verteidigung die Fahrtkosten eines auswärtigen Wahlverteidigers, der zum Verteidiger hätte bestellt werden können, nur bis zur Höhe der im (Amts-)Gerichtsbezirk maximal anfallenden Reisekosten erstattungsfähig wären und wohl auch nicht auf die Schwierigkeit oder Entlegenheit des Rechtsgebiets abgestellt werden könnte (vgl. Beschl. der Kammer v. 30. August 2022, 22 Qs 9/22).

b) Im Ordnungswidrigkeitenverfahren treten die vorgenannten Konstellationen nur ganz selten auf. Im Verfahren kann sich der Betroffene selbst vertreten und die Sachverhalte sind regelmäßig – wie hier bei dem Vorwurf eines überschaubaren Verkehrsverstoßes – einfach gelagert.

Wie die die Landeskasse vertretende Bezirksrevisorin zutreffend ausgeführt hat, ist es dann dem Betroffenen grundsätzlich zumutbar, einen Rechtsanwalt am Gerichtssitz zu mandatieren, für dessen Terminswahrnehmung keine Reisekosten anfallen (vgl. Beschlüsse der Kammer vom 14.05.2007, 22 Qs 6/07; vom 15.04.2010, 22 Qs 4/10; vom 15.01.2013, 22 Qs 8/13; vom 26.11.2014, 22 Qs 14/14, vom 12.03.2015, 22 Qs 1/15, vom 25.08.2017, 22 Qs 11/17 und v. 30. August 2022, 22 Qs 9/22).

c) In den vorgenannten Entscheidungen hat die Kammer hingegen dem Betroffenen regelmäßig Reisekosten in Höhe der nicht umsatzsteuerbelasteten Kosten einer fiktiven Informationsfahrt des Betroffenen zu einem Rechtsanwalt am Gerichtssitz zuerkannt.

Dies kommt im vorliegenden Fall aber nicht in Betracht. Eine persönliche Besprechung in der Kanzlei des mandatierten Rechtsanwalts hat es nicht gegeben, sodass auch nicht fiktiv für den Fall der Mandatierung eines Rechtsanwalts am Gerichtsort davon ausgegangen werden kann, dass der Betroffene diesen zum Zwecke der Information bzw. persönlichen Beratung aufgesucht hat und in entsprechender Höhe in jedem Falle Reisekosten entstanden wären.

Vielmehr sind – dem einfachen und überschaubaren Sachverhalt entsprechend – schriftliche beziehungsweise telefonische Besprechungen erfolgt. Diese hätten – wie die Bezirksrevisorin ebenfalls zutreffend ausgeführt hat – in gleicher Weise bei Mandatierung eines Rechtsanwalts am Gerichtsort erfolgen können (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 25. Aufl. 2021, Rn. 173 zu VV RVG Nr. 7003), sodass insgesamt keine Reisekosten zu den notwendigen Auslagen gehören.“

Anzumerken ist: Leider kann man, da die Entscheidung nun überhaupt keine konkreten Umstände aus dem Verfahren mitteilt, nicht abschließend beurteilen, ob die Entscheidung zutreffend ist oder nicht. Es spricht allerdings einiges dafür, dass hier in der Tat die Zuziehung eines auswärtigen Verteidigers nicht erforderlich gewesen sein dürfte. Das LG spricht von einem „einfachen und überschaubaren“ Sachverhalt, der offenbar eine persönliche Beratung und Besprechung nicht erfordert hat. Wenn aber, was offenbar der Fall war, die telefonische Beratung ausgereicht hat, dann dürfte auch die Zuziehung eines Verteidigers, der vor Ort war, ausgereicht haben  (zu allem eingehend auch Burhoff/Volpert/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Teil A Rn 1366 ff. m.w.N. ).

Aber: Das ist nur der erste Schritt. Denn: Liegen die Voraussetzungen für die Erstattung der Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts nicht vor, wovon das LG ausgeht, führt das lediglich dazu, dass nur die Mehrkosten, die gegenüber der Beauftragung eines im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts angefallen sind, nicht erstattungsfähig sind. Der Angeklagte bzw. auch der Betroffene ist in jedem Fall berechtigt, einen im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwalt zu beauftragen mit der Folge, dass dessen Reisekosten ohne eine Notwendigkeitsprüfung zu erstatten sind. Das hat das LG hier m.E. falsch gesehen. ich verweise nur auf § 137 StPO.

Aber trotzdem: Vorsicht bei der Wahl des Verteidigers.

2. KostRMoG – Zwei Auslagenpauschalen: Gesetzesänderung oder nur „Klarstellung“?

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Das 2. KostRMoG hat § 17 RVG a.F. geändert. In § 17 Nr. 10a RVG ist jetzt bestimmt, dass im Strafverfahren vorbereitendes Verfahren und gerichtliches Verfahren verschiedene Angelegenheiten sind. Somit kann nach der Anm. zu Nr. 7002 VV RVG die Postentgeltpauschale zweimal geltend gemacht werden (zu den Änderungen durch das 2. KostRMoG hier). Die Frage, die sich wegen der Änderungen durch das 2. KostRMoG stellt: Handelt es sich um „richtige“ Gesetzesänderungen oder handelt es sich „nur“ um Klarstelllungen der bisherigen Gesetzeslage. Geht man von letzterem aus, dann kommt es auf die Übergangsregelung des § 60 RVG nicht an, sondern die Klarstellungen finden auch in Altfällen Anwendung. Geht man hingegen von Gesetzesänderungen aus, dann gelten die Neuerungen erst in den Fällen, in denen dem Rechtsanwalt der unbedingte Auftrag ab 01.08.2013 erteilt worden.

Zu der Frage gibt es jetzt eine erste Entscheidung eines LG. Der LG Hildesheim, Beschl. v. 23.09.2013 – 22 Qs 7/13 – stellt sich auf den Standpunkt: Gesetzesänderung; a.A. sind übrigens die Gebührenreferenten der RAK im Sommer 2013 gewesen. Dazu das LG:

„2. Das Amtsgericht hat auch zutreffend entschieden, dass der Rechtsanwalt der Nebenklägerin die Auslagenpauschale nach VV 7002 nur einmal fordern kann.

Es ist zwar richtig, dass aus § 17 Nr. 10 RVG n. F. folgt, dass nunmehr das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und das nachfolgende (erstinstanzliche) Gerichtsverfahren kostenrechtlich als verschiedene Angelegenheiten gelten und dem Verteidiger oder Nebenklägervertreter, der sowohl im Vorverfahren als auch im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren tätig war, daher künftig die Auslagenpauschale zweimal zusteht.

Die nunmehrige Fassung des RVG gilt aber nur, wenn der Rechtsanwalt nach ihrem Inkrafttreten im Rahmen des 2. KostRMoG am 1. August 2013 in derselben Angelegenheit beauftragt worden ist (§ 60 Abs. 1 S. 1 RVG). Dies ist vorliegend nicht der Fall; selbst der Abschluss der Angelegenheit(en) im kostenrechtlichen Sinne erfolgte vor dem Inkrafttreten des 2. KostRMoG, nämlich durch das Urteil des Amtsgerichts pp. vom 11. März 2013.

Entgegen der Auffassung der Nebenklägerin handelt es sich bei der Neufassung von § 17 RVG auch nicht um eine Klarstellung der bereits geltenden Rechtslage.

Vielmehr hat die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur – der auch die Kammer u. a. in dem v. g. Beschluss vom 2. März 2010 gefolgt ist – aus der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Gesetzesfassung geschlossen, dass Ermittlungsverfahren und nachfolgendes erstinstanzliches Strafverfahren kostenrechtlich dieselbe Angelegenheit darstellen und dem in beiden Verfahrensabschnitten tätigen Verteidiger daher die Auslagenpauschale nach VV Nr. 7002 nur einmal zusteht (vgl. LG Zweibrücken, Beschl. v. 29. Juni 2012, Qs 56/12, JurBüro 2013, 35 m. w. N.; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl., § 17 Rn. 59, a. A. ohne eigene Begründung AG Neuss, Beschl. v. 24. August 2007, 12 Ls 60 Js 40708/06, AGS 2008, 598)

Die von der Beschwerdeführerin angeführte Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (Beschl. v. 29. April 2013, 1 Ws 46/13) betrifft hingegen eine ganz andere Rechtsfrage, nämlich, ob das Beschwerdeverfahren in Strafvollstreckungssachen mit dem erstinstanzlichen Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer kostenrechtlich dieselbe Angelegenheit bilden könnte.“

Kann man auch anders sehen, aber ist sicherlich vertretbar.

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2014 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…