Schlagwort-Archive: Kraftfahrzeugrennen

VR I: Verurteilung wegen verbotenen Rennens, oder: Der BGH hebt zum zweiten Mal auf, auf in die 3. Runde

© Shutter81 – Fotolia.de

Heute ist dann ein Verkehrsrechtstag, den ich mit einer Entscheidung des BGH eröffne.

Im BGH, Beschl. v. 27.03.2024 – 4 StR 493/23 – geht es mal wieder um ein Kraftfahrzeugrennen (§ 315d StGB). „Mal wieder“ passt auch noch aus einem anderen Grund. Denn die Sache war schon einmal beim BGH. Der hatte das erste LG-Urteil mit Urteil v. v. 18.08.2022 (4 StR 377/21)  aufgehoben. Im zweiten Rechtsgang hat das LG den Angeklagten dann erneut verurteilt. Dagegen dann erneut die Revision des Angeklagten, die wieder Erfolg hatte. Ich stelle hier dann auch mal die doch recht umfangreichen Feststellungen des LG mit ein. Der BGH führt aus:

„1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen als bindend angesehen: Am 20. Oktober 2019 befuhr der 22-jährige Angeklagte mit seinem BMW M4 kurz nach 23:00 Uhr die Bundesautobahn 9 bei Ingolstadt. Sein Fahrzeug verfügte – auch aufgrund von mittels einer für den Off-road-Betrieb bestimmten Tuning-App vorgenommenen technischen Veränderungen – über 575 PS, 850 Nm Drehmoment und eine theoretische Höchstgeschwindigkeit von 330 km/h. Wegen der durch die Veränderungen und weitere Umbauten bedingten Verschlechterung der Geräusch- und Abgasemissionen war die Betriebserlaubnis des BMW erloschen. Der von dem Angeklagten befahrene geradlinig und eben verlaufende Streckenabschnitt der A 9 verfügt über drei nicht beleuchtete Spuren mit separatem Standstreifen. Aus Lärmschutzgründen ist die Geschwindigkeit ab 1.400 m vor der tatgegenständlichen Unfallstelle in der Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr auf 120 km/h beschränkt, ab 750 m vor dieser auf 100 km/h. Das Verkehrsaufkommen war moderat, die Sicht war gut und die Fahrbahn trocken. Es befanden sich von Zeit zu Zeit Fahrzeuge auf allen drei Spuren. Auch die linke Spur wurde regelmäßig für Überholvorgänge genutzt.

Bereits innerhalb der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 120 km/h überholte der links fahrende Angeklagte einen mit ca. 100 km/h auf der mittleren Fahrspur befindlichen Pkw, wechselte vor diesem zunächst auf die mittlere Spur, dann auf die rechte Spur und ließ sich anschließend hinter den Pkw zurückfallen, so dass der Pkw wieder an ihm vorbeifuhr. Anschließend wechselte er über die mittlere Spur auf die linke Spur, setzte zu einer massiven Beschleunigung an und passierte den weiterhin auf der mittleren Fahrspur fahrenden Pkw erneut mit hoher, nicht mehr näher feststellbarer Geschwindigkeit. Das gesamte Fahrmanöver nahm er in der Absicht vor, eine möglichst schnelle Beschleunigung und die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen und die Leistungssteigerung seines Fahrzeugs „auszuleben“. Dabei ignorierte er die ihm bekannten Geschwindigkeitsbegrenzungen auf 120 km/h und 100 km/h, weil er „seinen Geschwindigkeitsrausch ausleben wollte“. Wenige Sekunden später schloss er zu einem vor ihm auf der linken Fahrspur fahrenden Pkw auf und ging leicht vom Gas. Nachdem der Fahrer dieses Pkw, der den mit hoher Geschwindigkeit sich nähernden BMW bemerkt hatte, auf die mittlere Spur gewechselt war, gab der Angeklagte wieder stark Gas, überholte den Pkw mit weit überhöhter Geschwindigkeit und beschleunigte weiter auf mindestens 233 km/h.

Noch im Sichtbereich des Fahrers des zuvor überholten Pkw nahm der Angeklagte erst im letzten Augenblick den mit eingeschaltetem Abblendlicht vor ihm mittig auf der linken Spur fahrenden Audi A4 des Geschädigten wahr. Obwohl er noch eine Vollbremsung einleitete und weitest möglich nach links auswich, fuhr er mit 207 km/h auf das Heck des Audi auf. Der Geschädigte, der angeschnallt mit ca. 120 km/h auf der mittleren Spur gefahren war, hatte etwa 4,2 Sekunden vor der Kollision seinen linken Blinker gesetzt und war sodann auf die linke Spur gewechselt, um ein vor ihm mit ca. 100 km/h fahrendes Wohnwagengespann, das seinerseits einen mit etwa 85 km/h auf der rechten Fahrspur fahrenden Lkw passierte, zu überholen. Als der Geschädigte den Blinker setzte, war der Angeklagte noch 125 m entfernt. Der Geschädigte hätte zu diesem Zeitpunkt die Lichter des BMW im Rück- und Seitenspiegel erkennen und den Spurwechsel unterlassen können. Eine zutreffende Einschätzung der Position des BMW und dessen hoher Geschwindigkeit war dem Geschädigten allerdings nur eingeschränkt und nur mit hoher Fehlertoleranz möglich. Der Unfall wäre vermeidbar gewesen, wenn der Angeklagte höchstens 197 km/h gefahren wäre.

Durch den Zusammenprall schleuderte der Audi A4 über die mittlere und rechte Spur ins Bankett und überschlug sich. Der Geschädigte erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma und verstarb an der Unfallstelle. Der BMW des Angeklagten geriet ebenfalls ins Schleudern, kollidierte mit dem auf der mittleren Spur fahrenden Wohnwagengespann und überschlug sich. Aufgrund der Sicherheitsausstattung seines Fahrzeugs erlitt der Angeklagte nur leichte Verletzungen. An beiden Fahrzeugen entstand Totalschaden. An weiteren Fahrzeugen wurden hohe Sachschäden verursacht.

2. Zur subjektiven Tatseite hat das Landgericht zusätzlich festgestellt: Der Angeklagte hielt den Eintritt einer kritischen Verkehrssituation durch einen Spurwechsel anderer Verkehrsteilnehmer direkt vor ihn auf seine Fahrspur für möglich und fand sich hiermit ab. Er ging dabei jedoch ernsthaft davon aus, sein Fahrzeug auch bei hohen Geschwindigkeiten sicher beherrschen und so einen Unfall ggf. im letzten Moment verhindern zu können. Er vertraute hierdurch auf das Ausbleiben einer Kollision und eines damit einhergehenden tödlichen Erfolges.

II.

Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Der Schuldspruch wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge nach § 315d Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 und 5 StGB weist einen durchgreifenden Rechtsfehler zu seinen Lasten auf. Denn die von dem hier maßgeblichen Grundtatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB geforderte Rennabsicht des Angeklagten ist nicht festgestellt.

1. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft keine Feststellungen zu der für den hier einschlägigen Grundtatbestand des sog. Alleinrennens nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB erforderlichen Absicht des Angeklagten getroffen, mit seinem Fahrzeug eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erzielen. Vielmehr hat es in seinem Urteil wiederholt ausgeführt, dass eine solche Absicht nach dem Urteil des Senats bereits bindend feststehe. Dies trifft nicht zu. Die Strafkammer hat die Reichweite der Aufhebung und damit auch den Umfang der Bindungswirkung von Feststellungen verkannt.

Der Senat hat das im ersten Rechtsgang angefochtene Urteil „mit den Feststellungen zur subjektiven Tatseite“ aufgehoben (vgl. § 353 StPO). Diese Formulierung erfasst sämtliche Feststellungen zur inneren Tatseite, ohne dass der Senat Teile hiervon ausgenommen hätte. Aus dem Umstand, dass er in den Entscheidungsgründen die im Ersturteil festgestellte Absicht des Angeklagten, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, als rechtsfehlerfrei festgestellt bezeichnet hat, lässt sich diesbezüglich nichts Gegenteiliges ableiten. Diese Ausführungen waren ohnehin lediglich der gebotenen Prüfungsreihenfolge bei der hier auf dem Grundtatbestand nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB aufbauenden Qualifikation nach § 315d Abs. 2 und 5 StGB geschuldet. Im maßgeblichen Tenor der Senatsentscheidung (vgl. BGH, Beschluss vom 28. März 2007 – 2 StR 62/07 Rn. 5; Urteil vom 27. August 2009 – 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135, 137) haben sie hingegen keinen Niederschlag gefunden. Auch in deren Gründen findet sich im Rahmen der Ausführungen zum Aufhebungsumfang keine entsprechende Einschränkung, so dass sich schon deshalb die Frage einer Auslegung des Tenors im Sinne des landgerichtlichen Verständnisses nicht stellt.

2. Das Fehlen von Feststellungen zur Tat, hier zur subjektiven Tatseite des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB, ist ein sachlich-rechtlicher Mangel, der auf die allgemeine Sachrüge zu beachten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. März 2007 – 2 StR 62/07 Rn. 8 mwN). Da sich die Strafkammer für die Rennabsicht des Angeklagten an die Feststellungen des ersten Rechtsgangs gebunden sah, sind entsprechende Feststellungen auch der Gesamtheit der Urteilsgründe nicht zu entnehmen. Zudem beruht das Urteil auf dem Rechtsfehler (§ 337 StPO). Der Schuldspruch unterliegt daher – zugleich wegen des tateinheitlich verwirklichten Delikts (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 2023 – 2 StR 308/22 Rn. 20) – der Aufhebung. Dasselbe gilt für die Folgeentscheidungen. Der Senat hebt auch die Entscheidung zur Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung auf; das neue Tatgericht wird insoweit ohnehin den gesamten (auch weiteren) Verfahrensablauf zu berücksichtigen haben.

Die vom Landgericht im zweiten Rechtsgang getroffenen Feststellungen zum Gefährdungsvorsatz des Angeklagten (bei zugleich fehlendem Tötungsvorsatz) sind von dem Rechtsfehler ebenfalls betroffen (§ 353 Abs. 2 StPO). Denn das Landgericht hat den ansonsten rechtsfehlerfrei bejahten Gefährdungsvorsatz des Angeklagten auch damit begründet, dass er ein „Alleinrennen“ gefahren habe. Diese Erwägung des Landgerichts knüpft an die zu Unrecht als bindend angesehene Rennabsicht des Angeklagten an. Der Senat hebt vor diesem Hintergrund alle im zweiten Rechtsgang neu getroffenen Feststellungen ebenfalls auf.

III…..

IV.

Das im dritten Rechtsgang erkennende Tatgericht wird aufgrund eigener Beweiserwägungen Feststellungen zur subjektiven Tatseite aller in Betracht kommenden Delikte (Grund- und Qualifikationstatbestände) zu treffen haben. Dies betrifft namentlich die Rennabsicht und den Gefährdungsvorsatz des Angeklagten, die weiteren subjektiven Voraussetzungen von § 315d Abs. 1 Nr. 3, § 315c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) StGB (vgl. Fischer, StGB, 71. Aufl., § 315c Rn. 18) und den Tötungsvorsatz.

Auch eine Verurteilung des Angeklagten wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts, sollte sich das neue Tatgericht von seinem Tötungsvorsatz überzeugen können, verböte sich nicht. Einer derartigen Verschärfung des Schuldspruchs stünden weder das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) noch die Bindung des neuen Tatgerichts an die Aufhebungsansicht des Senats (§ 358 Abs. 1 StPO) entgegen, die sich hierüber nicht verhält. Das neu zuständige Schwurgericht wird jedoch das Verschlechterungsverbot hinsichtlich der gegen den Angeklagten zu verhängenden Rechtsfolgen zu beachten haben, denn die Urteilsaufhebung ist nunmehr allein zu seinen Gunsten erfolgt (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1991 – 2 StR 288/91, BGHSt 38, 66, 67; Gericke in KK-StPO, 9. Aufl., § 358 Rn. 18 mwN).

Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass mangels damaliger Aufhebung auch die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten aus dem ersten Rechtsgang bindend sind. Sie können widerspruchsfrei ergänzt werden.“

Dann darf als die nächste Strafkammer ihr Glück versuchen. Vielleicht klappt es ja.

Verkehrsrecht II: Schon wieder „verbotenes Rennen“, oder: Gefährdungsvorsatz? und „nur kurze Strecke“

© Shutter81 – Fotolia.de

Im zweiten Posting dann zwei Entscheidungen zum Dauerbrenner „verbotenes Rennen“, also § 315d StGB, und zwar einmal BGH und einmal KG. Von beiden gibt es nur die Leitsätze.

Bei der BGH-Entscheidung handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 13.09.2023 – 4 StR 132/23 – noch einmal zum Gefährdungsvorsatz – Lebensgefährdungs- oder Tötungsvorsatz? – beim Kraftfahrzeugrennen/Alleinrennen, und zwar:

Die Voraussetzungen des (bedingten) Gefährdungsvorsatz i.S. des von § 315d Abs. 2 StGB sind gegeben, wenn der Täter über die allgemeine Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugrennens hinaus auch die Umstände kennt, die den in Rede stehenden Gefahrerfolg im Sinne eines Beinaheunfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen, und er sich mit dem Eintritt einer solchen Gefahrenlage zumindest abfindet.

Bei der zweiten Entscheidung handelt es sich um den auch nicht mehr taufrischen KG, Beschl. v. 12.06.2023 – 3 ORs 30/23 – 161 Ss 74/23 – zur Frage des Vorliegens eines „Einzelrennens“ nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB bei nur kurzer tatsächlich gefahrener Strecke. Dazu das KG:

Vor dem Hintergrund einer tatsächlich sehr kurzen gefahrenen Strecke ist allein die Absicht des Angeklagten maßgeblich, die nach seinen Vorstellungen unter den konkreten situativen Gegebenheiten (Motorisierung, Verkehrslage, Streckenverlauf, Witterungs- und Sichtverhältnisse) maximal mögliche Geschwindigkeit auf einer nicht ganz unerheblichen Wegstrecke zu erreichen.

Verkehrsrecht I: Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge, oder: Zweite BGH-Aufhebung im Moerser-Rennenfall

© Shutter81 – Fotolia.de

Und heute dann hier ein „Verkehrsrechtstag“.

Den beginne ich mit dem BGH, Urt. v. 16.02.2023 – 4 StR 211/22. Die Entscheidung hat mal wieder ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen (§ 315d StGB) zum Gegenstand. Der BGH hat sich zu dem Fall übrigens nicht das erste Mal geäußert, sondern es ist bereits das zweite Mal, dass er etwas dazu sagt. Das erste mal hat er im BGH, Beschl. v. 18.02.2021 – 4 StR 266/20 – etwas zur Abgrenzung zwischen bewusster Fahrlässigkeit und bedingtem Tötungsvorsatz durch wertende Gesamtschau beim verbotenes Kraftfahrzeugrennen gesagt. Er hatte in dem Beschluss ein Urteil des LG Kleve, das den Angeklagten wegen Mordes verurteilt hatte, aufgehoben und zurückverwiesen.

Das LG hat nun den Angeklagten wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge ver­urteilt (§ 315d Abs. 2 StGB). Grundlage waren folgende Feststellungen: Der Angeklagte hatte mit dem früheren Mitangeklagten ein Kraftfahrzeugren­nen durch das Stadtgebiet von Moers verabredet. Er führte einen Pkw Mercedes AMG E63 S mit 612 PS, der frühere Mitangeklagte einen PKW Jaguar Range Rover Sport mit 528 PS. Nach Passieren von der späteren Unfallstelle ca. 226 Meter entfernter Bahngleise lenkte der Angeklagte sein Fahrzeug in Umsetzung der Rennabrede auf die Gegenfahrspur und beschleunigte maximal auf 160 km/h.. Kurz darauf nahm er wahr, dass die Geschädigte mit ihrem PKW aus seiner Sicht von links aus einer Seitenstraße  kommend in Fahrtrichtung des Ange­klagten einbog. Um einen Zusammenstoß zu vermeiden, leitete der weiterhin die Gegenfahrspur mit einer Geschwindigkeit von nunmehr 167 km/h befahrende Angeklagte eine Vollbremsung ein. Zugleich versuchte er, dem PKW der Geschädigten auszuweichen. Gleichwohl konnte er eine Kollision nicht vermeiden und fuhr mit einer Ge­schwindigkeit von noch 105 km/h auf das Heck des Fahrzeugs der Geschädigten auf. Diese erlitt tödliche Verletzungen.

Die Revision der StA hat erneut zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen zur subjektiven Tatseite geführt:

„2. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat in ihrem beschränkten Anfechtungsumfang Erfolg. Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz verneint hat, halten auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2018 ? 4 StR 399/17, BGHSt 63, 88 Rn. 16 f.; Urteil vom 5. Dezember 2017 ? 1 StR 416/17, NStZ 2018, 206, 207) einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Bedingter Tötungsvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes eines anderen Menschen abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement). Bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 18. Februar 2021 ? 4 StR 266/20; Urteil vom 18. Juni 2020 ? 4 StR 482/19, NJW 2020, 2900 Rn. 22; Urteil vom 1. März 2018 ? 4 StR 399/17, BGHSt 63, 88 Rn. 17).

Ob der Täter nach diesen rechtlichen Maßstäben bedingt vorsätzlich gehandelt hat, ist in Bezug auf beide Elemente im Rahmen der Beweiswürdigung umfassend zu prüfen und durch tatsächliche Feststellungen zu belegen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2021 ? 4 StR 403/20 Rn. 16; Urteil vom 7. Juli 2016 ? 4 StR 558/15 Rn. 14 mwN).

b) Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz verneint hat, sind im Ergebnis nicht tragfähig. Zwar sind sie entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht durchgreifend lückenhaft (aa)). Sie stehen aber in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis zu den Ausführungen, mit denen das Landgericht seine Überzeugung vom Vorliegen bedingten Gefährdungsvorsatzes im Sinne des § 315d Abs. 2 StGB begründet hat (bb)). Im Einzelnen:

aa) Entgegen der Auffassung der Revision weisen die Beweiserwägungen zur voluntativen Seite des bedingten Tötungsvorsatzes für sich genommen keine einen Rechtsfehler begründende Lücke auf. Das Landgericht war nicht gehalten, als ein auf bedingten Tötungsvorsatz hindeutendes Indiz ausdrücklich in seine Gesamtwürdigung einzustellen, dass der Angeklagte sein Fahrzeug nach dem Überholen seines Kontrahenten nicht sofort auf die rechte Fahrspur zurücklenkte, sondern seine Fahrt auf der Gegenfahrspur fortsetzte. Denn es ist nicht festgestellt, dass ? wovon die Revision ausgeht ? der Angeklagte die Gegenfahrspur noch zu einem Zeitpunkt befuhr, zu dem ihm ein gefahrloses Überwechseln auf die rechte Fahrspur bereits möglich war. Zwar hat das sachverständig beratene Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte mit seinem Fahrzeug bereits einen „deutlichen Vorsprung“ gegenüber dem PKW Range Rover erzielt hatte, bevor es zu dem Unfall kam. Es hat jedoch keine Feststellungen zu treffen vermocht, nach welcher Wegstrecke der Angeklagte mit seinem höher motorisierten Fahrzeug seinen Kontrahenten überholt hatte und ab wann ihm ein gefahrloses Wiedereinscheren auf die rechte Fahrbahn möglich war. Angesichts dieses sowie des weiteren Umstands, dass das Rennen bis zur späteren Kollision nur fünf Sekunden dauerte, liegt es nicht nahe, dass der Angeklagte nach erfolgreichem Überholen seines Gegners ein risikoverminderndes Verhalten unterlassen hat, das als ein auf einen bedingten Tötungsvorsatz hindeutendes Indiz ausdrücklicher Erörterung bedurfte.

bb) Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz verneint hat, stehen aber in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis zu den Ausführungen, mit denen es an anderer Stelle die Annahme bedingten Gefährdungsvorsatzes im Sinne des § 315d Abs. 2 StGB begründet hat. Dies nötigt zur Aufhebung des Urteils.

Das Landgericht hat das Wissenselement des bedingten Tötungsvorsatzes mit der Begründung bejaht, dem Angeklagten sei klar gewesen, dass er sein Fahrzeug innerhalb einer geschlossenen Ortschaft im Bereich eines Wohngebiets maximal beschleunigen und die Gegenfahrspur befahren werde; ihm sei weiterhin bewusst gewesen, dass andere Verkehrsteilnehmer jederzeit aus den angrenzenden Straßen einfahren, er mit ihnen kollidieren und eine solche Kollision zu ihrem Tod führen könnte. Das voluntative Element des bedingten Tötungsvorsatzes hat das Landgericht mit der Begründung verneint, der Angeklagte habe trotz objektiv hoher Gefährlichkeit der Tathandlung darauf vertraut, dass es nicht zu einem Unfall und zur Tötung anderer Verkehrsteilnehmer kommen werde; aufgrund des Umstands, dass es sich bei der von ihm befahrenen Straße um eine gut ausgebaute Vorfahrtsstraße handelte, das Rennen nach seiner Vorstellung nicht lange dauern und er den Range Rover rasch überholen werde, habe er nicht ausschließbar darauf vertraut, dass andere Verkehrsteilnehmer seine Vorfahrt beachten oder „grundsätzlich, wenn auch eingeschränkt, in der Lage sein würden, sein äußerst riskantes Fahrverhalten und das seines Kontrahenten zu erkennen und sich auf die hieraus ergebende Gefahrenlage einzustellen“; er habe darauf vertraut, dass es „letztlich nicht zu einem Zusammenstoß“ kommen werde.

Zur Begründung des bedingten Gefährdungsvorsatzes im Sinne des § 315d Abs. 2 StGB hat das Landgericht an anderer Stelle knapp, aber für sich genommen tragfähig ausgeführt, der Angeklagte habe insbesondere mit der Möglichkeit gerechnet, dass andere Verkehrsteilnehmer plötzlich aus angrenzenden Straßen auftauchen, in die Bi.      straße einbiegen und es in der Folge zu einem Zusammenstoß mit ihnen kommen könnte. Dies und die angesichts der gefahrenen Geschwindigkeit mit einer solchen Kollision verbundenen Folgen für die beteiligten Verkehrsteilnehmer habe er billigend in Kauf genommen, weil er die Überlegenheit des Fahrzeugs seiner Familie vor seinen Freunden habe demonstrieren und sein Ansehen mehren wollen.

Diese Ausführungen zum bedingten Gefährdungsvorsatz lassen sich nicht widerspruchsfrei mit den Erwägungen zum bedingten Tötungsvorsatz vereinbaren, wonach der Angeklagte darauf vertraut habe, dass es „letztlich nicht zu einem Zusammenstoß“ mit Fahrzeugen des Querverkehrs kommen werde. Weiterhin lassen die Urteilsgründe offen, aus welchen rational einsichtigen Gründen der Angeklagte angesichts dieses im Rahmen des Gefährdungsvorsatzes festgestellten Vorstellungsbildes einer möglichen Kollision seines Fahrzeugs mit seitlichem Querverkehr ernsthaft und tatsachenbasiert, nicht nur vage auf das Ausbleiben eines tödlichen Erfolgs vertraut haben könnte. Dies versteht sich nicht von selbst, sondern hätte eingehender Erörterung bedurft. Hieran fehlt es.

3. Die tatgerichtliche Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite ist damit auch zum Nachteil des Angeklagten rechtsfehlerhaft. Dies führt auf die Revision der Staatsanwaltschaft (vgl. § 301 StPO) zur Urteilsaufhebung, soweit der Angeklagte wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge (§ 315d Abs. 2 und Abs. 5 StGB) verurteilt worden ist.

a) Ein bedingter Gefährdungsvorsatz im Sinne des § 315d Abs. 2 StGB liegt vor, wenn der Täter über die allgemeine Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugrennens hinaus auch die Umstände kennt, die den in Rede stehenden Gefahr erfolg im Sinne eines Beinaheunfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen, und er sich mit dem Eintritt einer solchen Gefahrenlage zumindest abfindet (vgl. BGH, Urteil vom 18. August 2022 ? 4 StR 377/21 Rn. 10; Beschluss vom 13. Januar 2016 ? 4 StR 532/15 Rn. 10; Beschluss vom 9. September 2014 ? 4 StR 365/14 Rn. 3; Urteil vom 24. Juli 1975 ? 4 StR 165/75, BGHSt 26, 176, 179; Urteil vom 15. Dezember 1967 ? 4 StR 441/67, BGHSt 22, 67, 73 ff.).

b) Gemessen hieran hat das Landgericht seine Überzeugung, dass der Angeklagte eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer für möglich gehalten hat, weil sie in die Bi.     straße einbiegen und mit seinem Fahrzeug kollidieren könnten, nicht tragfähig belegt. Das Landgericht hat das voluntative Element bedingten Tötungsvorsatzes mit der Begründung verneint, er habe auf das Ausbleiben einer Kollision mit dem Querverkehr vertraut; die Annahme bedingten Gefährdungsvorsatzes im Sinne des § 315d Abs. 2 StGB hat es aber mit der Begründung bejaht, der Angeklagte habe mit einer Kollision mit Verkehrsteilnehmern gerechnet, die aus angrenzenden Straßen in die von ihm auf der Gegenfahrspur befahrene Vorfahrtsstraße einbiegen könnten. Diese auch unter Berücksichtigung des Zusammenhangs nicht miteinander zu vereinbarenden Ausführungen lassen auch die Annahme bedingten Gefährdungsvorsatzes als rechtsfehlerhaft erscheinen.

Zwar liegt die Annahme von Gefährdungsvorsatz im Sinne des § 315d Abs. 2 StGB angesichts der vom Landgericht zu Recht angenommenen, anschaulichen Höchstgefährlichkeit des vom Angeklagten absprachegemäß durchgeführten Kraftfahrzeugrennens durch die Innenstadt von M.   , in dessen Verlauf er die Gegenfahrspur befuhr und ? wenn auch kurzfristig ? die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit um ein Mehrfaches überschritt, nahe. Den Urteilsgründen kann aber auch unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs nicht eindeutig entnommen werden, welche konkreten Gefährdungsszenarien sich der Angeklagte vorstellte, die zwar nicht zu einer Kollision, aber doch zu einer Situation führten, die als Beinaheunfall (vgl. dazu im Einzelnen BGH, Urteil vom 18. August 2022 ? 4 StR 377/21 Rn. 9 mwN) beschrieben werden kann. Unter den hier gegebenen besonderen Umständen hätte das Landgericht jedoch im Einzelnen darlegen und tragfähig belegen müssen, welche Geschehensabläufe sich der Angeklagte vorgestellt hat, die zwar nicht zu einer Kollision mit anderen Verkehrsteilnehmern, aber zu einem Beinaheunfall in dem beschriebenen Sinne führen könnten. Hieran fehlt es.“

Also: Dritter „Rechtsgang“ und sicherlich danach dann auch zum dritten Mal beim BGH.

Einziehung III: Kraftfahrzeugrennen mit Leasing-Pkw, oder: „Quasi-Beihilfe“ oder „Sicherungseinziehung“?

Bild von Pexels auf Pixabay

Und als dritte Entscheidung dann noch ein landgerichtlicher Beschluss. Der LG Tübingen, Beschl. v. 11.06.2021 – 3 Qs 16/21 – ist schon etwas älter. Manchmal übersehe ich eben Entscheidungen im Blogordner.

In der Entscheidung geht es um die Beschlagnahme eines Pkw in einem Verfahren wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB). Nach Einleitung des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO hat das AG die Beschlagnahme des Pkw VW Golf GTI, mit welchem der Angeklagte an dem fraglichen Kraftfahrzeugrennen teilgenommen haben soll, angeordnet. Das AG hat seine Entscheidung auf §§ 94, 98, 111b StPO in Verbindung mit §§ 315f S. 2, 74b StGB gestütztz. Die Beschlagnahme sei zur Sicherung der zu erwartenden Einziehung des Pkw angezeigt. Mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers gehe es darum, der Raserszene die Grundlage zu entziehen. Sich daraus ergebende wirtschaftliche Härten seien nicht vermeidbar und vom Gesetzgeber gerade in Kauf genommen worden. Auch im Eigentum Dritter stehende Kraftfahrzeuge – es handelte sich um ein Leasingfahrzeug – könnten nach § 74b StGB eingezogen werden.

Der Verteidiger hat Beschwerde eingelegt. Er hat unter Vorlage eines Schreibens der Volkswagen Bank an die Mutter des Angeklagten darauf hingewiesen, dass das Fahrzeug im Eigentum der Volkswagen Leasing GmbH stehe und Leasingnehmerin die Mutter des Angeklagten sei. Diese trage sämtliche finanzielle Lasten des Fahrzeuges, nutze dieses selbst insbesondere für den Arbeitsweg und überlasse es dem Angeklagten auch zu dessen Nutzung. Der Angeklagte selbst verfüge über kein eigenes Einkommen. Die Beschlagnahme des Pkw stehe außer Verhältnis zum Tatvorwurf.

Das LG hat die Beschwerde als begründet angesehen:

„Die zulässige Beschwerde ist begründet. An den Voraussetzungen für eine Einziehung des Pkw gemäß §§ 315f, 74a, 74b StGB fehlt es hier nach aller Voraussicht, sodass die vorläufige Beschlagnahme zur Sicherung der Einziehung keinen Bestand haben kann,

Das Amtsgericht nimmt im Ausgangspunkt zutreffend an, dass sich nach Aktenlage ein hochgradiger Tatverdacht gegen den Angeklagten ergibt, an einem nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen im Sinne des § 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB teilgenommen zu haben und der Gesetzgeber gezielt die Möglichkeit eröffnet hat, das dabei eingesetzte Kraftfahrzeug nach § 315f StGB als Tatmittel einzuziehen.

Ob von der im richterlichen Ermessen stehenden Einziehung des Pkw hier insbesondere aus den in § 74f StGB normierten Verhältnismäßigkeitserwägungen abzusehen wäre, kann dahinstehen. Jedenfalls wird die Einziehung hier an den Voraussetzungen der §§ 74a, 74b StGB scheitern.

Das betreffende Kraftfahrzeug steht im Eigentum der tatunbeteiligten Volkswagen Leasing GmbH als Leasinggeberin. Die Einziehung wäre daher nach § 74a Nr, 1 StGB möglich, wenn ein Fall der sog. „Quasi-Beihilfe“ vorläge, wofür keine Anhaltspunkte bestehen (vgl. hierzu MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl. 2020, StGB § 74a Rn. 8). Die zweite Alternative des § 74a Nr. 2 StGB kommt ebenfalls evident nicht in Betracht.

Eine Sicherungseinziehung nach § 74b StGB wäre zu erwägen, wenn der Pkw nach seiner bloßen Beschaffenheit oder der Art seiner konkreten Verwendung auch künftig eine Gefährdung fremder Rechtsgüter besorgen ließe. Auch dies kann die Kammer hier nicht erkennen.

Allein die vom Amtsgericht durch ein Zitat aus der Presse hervorgehobene „sportliche“ Ausrichtung des Pkw ab Werk macht diesen abstrakt-generell zumindest so lange noch nicht zur sozial inadäquaten Gefahrenquelle, wie es in der Bundesrepublik grundsätzlich erlaubt bleibt, ohne kompetitive Ambitionen auf den Bundesautobahnen die Beschleunigungs- und Geschwindigkeitspotentiale solcher Sportwagen auszureizen.

Der Pkw kann durch die konkrete Form seiner Verwendung im Straßenverkehr zwar durchaus zu einer nicht hinzunehmenden Gefahrenquelle werden, etwa als Tatmittel im Rahmen eines illegalen Rennens. Dies ist zum derzeitigem Stand allerdings künftig nicht zu erwarten. Ein solcher (nochmaliger) Einsatz als Rennfahrzeug liegt aus mehreren Gründen fern. Die Leasingnehmerin steht nicht im Verdacht, das Fahrzeug selbst zur Begehung von Straßenverkehrsstraftaten zu missbrauchen oder der „Raser-Szene“ anzugehören. Ihr Sohn, der Angeklagte, wird aller Voraussicht nach bis auf Weiteres schon nicht über die erforderliche Fahrerlaubnis verfügen, um das Fahrzeug erneut im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Zudem geht die Kammer anhand des kooperativen Nachtatverhaltens des Angeklagten und der Einschätzung der Jugendgerichtshilfe davon aus, dass das laufende Strafverfahren nachhaltigen Einfluss auf sein Verhalten im Straßenverkehr haben wird und ihn auch nach Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von vergleichbar gefährlichen missbräuchlichen Verwendungen von Kraftfahrzeugen abhalten wird. Für diese Annahme spricht zudem, dass der Angeklagte hier erstmalig mit einem Straßenverkehrsdelikt auffällig geworden ist.“

Verkehr I: 360-Grad-Kehren beim Hochzeitskorso?, oder: „Donuts“ sind kein Kraftfahrzeugrennen

Bild von Edward Lich auf Pixabay

Und weiter geht es mit der Berichterstattung über neuere interessante Entscheidungen. Heute mal wieder „Verkehrsrecht“.

Und als erste Entscheidung zu der Thematik stelle ich das KG, Urt. v. 18.01.2022 – 3 Ss 59-60/21  – vor. Das AG hat den Angeklagten wegen Nötigung zu einer Geldstrafe verurteilt und ihm zugleich die Fahrerlaubnis entzogen. Es hat den Angeklagten für schuldig befunden, am 09.02.2020 gegen 16.45 Uhr – während eines sog. Hochzeitskorsos – mit einem PKW Maserati auf einer zentralen und stark belebten Kreuzung des Berliner Bezirks Charlottenburg, nämlich vor dem Bahnhof Zoologischer Garten, mit quietschenden Reifen und starker Qualmentwicklung sogenannte Donuts (360-Grad-Kehren) gefahren zu haben. Wegen der Feststellungen im Einzelnen verweis ich auf den Volltext.

Dagegen richten sich die Revisionen der Amtsanwaltschaft und des Angeklagten. Erstere macht geltend, der Angeklagte hätte auch wegen eines verbotenen Einzelrennens nach § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB verurteilt werden müssen. Letzterer vertritt die Auffassung, die Feststellungen trügen eine Verurteilung wegen Nötigung weder in Bezug auf die innere noch auf die äußere Tatseite. Auch beanstandet der Angeklagte die Beweiswürdigung sowie die Bemessung der Rechtsfolgen, namentlich die Entziehung der Fahrerlaubnis. Beide Rechtsmittel bleiben erfolglos.

Das KG hat beide Revisionen verworfen.

Wegen der Revision des Angeklagten verweise ich auch auf den Volltext und stelle hier nur den Leitsatz ein:

Der Tatbestand der Nötigung erfordert in Bezug auf die Zwangswirkung nicht in jedem Fall Absicht.

Die Verwerfung der Revision der Amtsanwaltschaft hat das KG wie folgt begründet:

„Das Amtsgericht hat rechtsfehlerfrei davon abgesehen, den Angeklagten wegen eines mit der Nötigung tateinheitlich begangenen verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§§ 315d Abs. 1 Nr. 3, 52 StGB) zu verurteilen. Nach dieser Strafvorschrift macht sich strafbar, wer „sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“.

So offenkundig die Merkmale der groben Verkehrswidrigkeit und der Rücksichtslosigkeit durch den Angeklagten auch verwirklicht sein mögen, so fällt sein Verhalten doch nicht unter die weiteren Merkmale des 2017 eingeführten Straftatbestands.

1. Als nicht verwirklicht sieht der Senat zunächst das Merkmal der „Fortbewegung“ an, zumal in der vom Gesetz gewählten Form des „Sichfortbewegens“. Denn der Angeklagte hat sich durch seine sinnlosen Kehren gerade nicht fortbewegt, sondern er rotierte auf der Stelle. Eine Auslegung dahin, Rotationen seien eine Art der Fortbewegung, scheitert bereits an der Wortlautgrenze. Da man etwa einem Uhrzeiger eine Bewegung ebenso wie eine Geschwindigkeit attestieren kann, könnte man zwar zutreffend formulieren, der Zeiger bewege sich in oder mit einer bestimmten Geschwindigkeit. Unüblich und wohl falsch wäre es hingegen zu äußern, der Zeiger bewege sich „fort“. Unter Fortbewegung ist, wie die beiden Bestandteile des Kompositums unzweifelhaft zeigen, eine Bewegung von einem Ort zu einem anderen zu verstehen (vgl. Duden online: „von der Stelle bewegen“; Fischer, a.a.O., § 315d Rn. 13).

Unzutreffend wäre es zu argumentieren, dass sich das Heck eines rotierenden Fahrzeugs durchaus fortbewegt, nämlich im Kreis. § 315d StGB ist, wie die meisten Strafvorschriften, als Relativsatz konstruiert. Es heißt hier: „Wer sich … fortbewegt …“. Unzweifelhaft beziehen sich die beiden Pronomen „wer“ und „sich“ auf ein Subjekt, einen Menschen. Fortbewegen muss sich als also nicht ein Gegenstand, sondern eine Person. Ein Fahrzeug per Funk zu steuern, reichte nicht aus. Ebenso wenig reicht es aus, wenn sich nur das Heck eines Fahrzeugs im Kreis bewegt. Und selbst wenn man hier noch einwendete, dass auch der Fahrer eines rotierenden Fahrzeugs nicht immer an oder über der gleichen Stelle bleibt, sondern sich geringfügig bewegt, so fehlt es bei ihm doch am Umstand der „Fort-Bewegung“.

2. Auch hat das Amtsgericht nicht festgestellt, dass der Angeklagte handelte, „um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“. Wie oben angedeutet, erscheint es zwar noch nachvollziehbar, einem sich rotierenden Gegenstand eine Geschwindigkeit beizumessen. Messbar wäre im Falle eines sich drehenden Fahrzeugs die Geschwindigkeit des Hecks, z. B. als Umdrehungen pro Zeit. Hierbei handelte es sich aber um einen von der StVO abweichenden Geschwindigkeitsbegriff; § 3 StVO und allen anderen Vorschriften des Straßenverkehrsrechts liegt der Quotient „km/h“ zugrunde (ausführlich zur Bedeutung des § 3 StVO für § 315d StGB vgl. BGH NJW 2021, 1173). Zwar gilt auch hier, dass sich die Geschwindigkeit des Fahrzeughecks als Umlaufgeschwindigkeit in km/h und damit – im Grundsatz – in der durch die StVO zugrunde gelegten Maßeinheit messen ließe. Allerdings spricht auch hier nichts dafür, dass der Gesetzgeber bei § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB ausnahmsweise nicht auf die Geschwindigkeit des gesamten Fahrzeugs, sondern nur auf einen Teil davon (hier: das Heck) abstellen wollte.

Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber in § 315d StGB einen anderen Geschwindigkeitsbegriff gebrauchen wollte als die StVO, ist dem angefochtenen Urteil auch nicht zu entnehmen, dass die Zahl der Umdrehungen und mehr noch ihre „Geschwindigkeit“ bei der Tat und für den Täter überhaupt eine Rolle gespielt hat. Es ist auch auszuschließen, dass diesbezüglich noch etwas aufzuklären ist.

3. Der Terminus der „nicht angepassten Geschwindigkeit“ zeigt, dass der Gesetzgeber Fahrweisen unter Strafe stellen wollte, die einer angepassten Geschwindigkeit grundsätzlich zugänglich sind. Das missbräuchliche Rotierenlassen eines PKW fällt ersichtlich nicht darunter.

4. Auch die amtliche Überschrift des § 315d StGB „Verbotene Kraftfahrzeugrennen“ lässt erkennen, dass die Vorschrift das hier abgeurteilte Verhalten, dem jedes kompetitive Moment fehlt, nicht erfasst. Zwar wird eingewandt, die Überschrift sei ohnehin unzutreffend, weil sie mit Abs. 1 Nr. 3 das so genannte Einzelrennen unter Strafe stelle, dem der Wettbewerbscharakter gleichfalls fehle (Fischer, a.a.O., § 315d Rn. 1 m.w.N.). Nach Auffassung des Senats muss die Überschrift aber begrenzend in den sehr weit gefassten Straftatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB hineingelesen werden, so dass sich das äußere und innere Tatgeschehen „wie ein Rennen darstellen“ muss. Auch in den Materialien findet sich immer wieder die Formulierung, § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB wolle Sachverhalte erfassen, bei denen „nur ein einziges Fahrzeug objektiv und subjektiv ein Rennen nachstellt“ (vgl. BT-Drs. 18/12964, S. 5). Der für § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB üblich gewordene Terminus des „Einzelrennens“ ist geeignet, dem Rechnung zu tragen. Mit einem Rennen hatte die Aufführung des Angeklagten ersichtlich nichts gemein.

5. Schließlich hat das Amtsgericht zutreffend bedacht, dass § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG) eine zurückhaltende Anwendung erfordert (vgl. Senat NZV 2019, 314 [Volltext bei juris]).

6. Nichts anderes ergibt sich aus dem Hinweis der revidierenden Amtsanwaltschaft, aus einer im Bundesrat vorgelegten alternativen Begründungsempfehlung ergebe sich, dass mit Kraftfahrzeugrennen nicht nur Geschwindigkeitsrennen gemeint sein sollten, sondern auch Geschicklichkeits-, Zuverlässigkeits-, Leistungsprüfungs- und Orientierungsfahrten, so dass auch „Burnouts“, „Wheelies“, „Stoppies“ und „Donuts“ unter Strafe gestellt werden sollten (vgl. BR-Drs. 362/1/16, 12). Da diese Deutung mit dem Wortlaut des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht in Einklang zu bringen ist, verbietet sich eine entsprechende Anwendung; sie verstieße gegen den Schuldgrundsatz (Art 103 Abs. 2 GG). Im Übrigen handelt es sich um eine Empfehlung, die gerade nicht übernommen worden ist und daher von vornherein ungeeignet ist, Aufschluss über den tatsächlichen Willen des Gesetzgebers zu geben.“