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Prüfung der Haftfähigkeit des Verurteilten, oder: Der Verurteilte muss die Kosten tragen

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Es ist „Gebührenfreitag“, also geht es heute ums Geld 🙂 . Und da stelle ich als erstes den (kostenrechtlichen) OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.10.2019 – 1 Ws 178/19 – vor, der die Frage beantwortet: Wer zahlt die Kosten der Prüfung der Haftfähigkeit eines Verurteilten?

Im vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall war der Verurteilte im Dezember 2017 rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden, die auch seit Dezember 2017 vollstreckt wird. Ihm wurden im Urteil die Kosten des Verfahrens auferlegt. Am 12.9.2018 beantragte der Verteidiger des Verurteilten die Unterbrechung des Vollzugs der Freiheitsstrafe, weil der Verurteilte gesundheitsbedingt haftunfähig sei. Daraufhin beauftragte die Staatsanwaltschaft das Gesundheitsamt mit der Begutachtung des Verurteilten, die im Ergebnis zur Bejahung der Haftfähigkeit und zur Ablehnung der Haftverschonung führte. Mit Kostenmitteilung vom 23.11.2018 rechnete das Gesundheitsamt dann ein Sachverständigenhonorar von rund 500 EUR ab, das die Staatsanwaltschaft dem Verurteilten in Rechnung stellte. Dagegen hat der Verurteilte Erinnerung eingelegt, die das LG als unbegründet verworfen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Verurteilten hatte beim OLG keinen Erfolg. Das OLG sagt: Der Verurteilte haftet:

1. Die durch das von der Staatsanwaltschaft Mosbach in Auftrag gegebene Gutachten zur Prüfung der Haftfähigkeit des Verurteilten entstandenen Kosten sind Verfahrenskosten im Sinne des § 464a Abs. 1 StPO, die gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 GKG von der Staatsanwaltschaft anzusetzen und beim Verurteilten, der die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, zu erheben sind.

a) Das OLG Koblenz vertritt zwar in einem Beschluss vom 08.01.1997 (NStZ 1997, 256) die – offenbar in einem späteren, unveröffentlichten Beschluss desselben Senats vom 16.07.2001 (2 Ws 576/01, wiedergegeben im Beschluss dieses Senats vom 04. Mai 2005 – 2 Ws 274/05 –, Rpfleger 2005, 627) bestätigte – auch in der Literatur verbreitete Ansicht (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. 2019, § 464a Rn. 3; KK-StPO/Gieg, 8. Aufl. 2019, StPO § 464a Rn. 5; BeckOK StPO/Niesler, 34. Ed. 1.7.2019, StPO § 464a Rn. 15; Temming/Schmidt in: Gercke/Julius/Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 6. Aufl. 2019, § 464a Rn. 6; SK-StPO/Degener, 4. Aufl. 2013, § 464a Rn. 9; zwar nicht ausdrücklich, aber wohl im Ergebnis, Hilger in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 464a Rn. 18; differenzierend danach, ob das Gutachten von der Staatsanwaltschaft oder von einem Gericht in Auftrag gegeben wurde, Peglau, NJW 2003, 870), dass es sich bei der Einholung eines Gutachtens durch die Staatsanwaltschaft zur Überprüfung der Vollzugstauglichkeit um eine Amtshandlung der Justizverwaltung im Sinne des – die Kostenfreiheit anordnenden – § 9 Nr. 1 JVKostO handele, die durch den Antrag des zum Haftantritt geladenen Verurteilten, seine Vollzugstauglichkeit begutachten zu lassen, veranlasst worden sei, weshalb die dadurch verursachten Kosten keine Verfahrenskosten im Sinne des § 464 Abs. 1 StPO seien und dem Verurteilten nicht auferlegt werden könnten.

b) Dem vermag sich der Senat sich jedoch nicht anzuschließen.

(1) Amtshandlungen im Sinne des § 3 Nr. 1 JVKostG – der den § 9 Nr. 1 JVKostO mit Wirkung zum 01.08.2013 inhaltsgleich (Bundestagsdrucksache 17/11471 vom 14.11.2012, Seite 239) ersetzt hat – sind solche, die nicht von Amts wegen vorgenommen werden können oder müssen, sondern einen Antrag voraussetzen. Dies ist bei der Einholung eines Gutachtens zur Frage der Haftfähigkeit im Rahmen der Haftverschonung nach § 455 StPO nicht der Fall. Die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde hat nämlich nicht nur auf Antrag, sondern auch von Amts wegen zu prüfen, ob die Vollstreckung der Freiheitsstrafe gemäß § 455 StPO aufzuschieben oder zu unterbrechen ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. 2019, § 455 Rn. 15; BeckOK StPO/Coen, 34. Ed. 1.7.2019, StPO § 455 Rn. 11; MüKoStPO/Nestler, 1. Aufl. 2019, StPO § 455 Rn. 4). Eine – formale – Pflicht der Staatsanwaltschaft zur Einholung eines Gutachtens sieht das Gesetz – auch bei einem dahingehenden Antrag des Verurteilten – nicht vor. Die Einholung eines Gutachtens steht im pflichtgemäßen Ermessen der Staatsanwaltschaft. Sie wird sich nur dann sachverständiger Hilfe bedienen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vollzugsuntauglichkeit bestehen und eine Entscheidung ohne Gutachten nicht möglich erscheint. Wie diese konkreten Anhaltspunkte zur Kenntnis der Staatsanwaltschaft gelangen – etwa durch einen Bericht der Justizvollzugsanstalt oder eben durch einen Antrag des Verurteilten auf Haftverschonung – ist dabei unerheblich. Der Antrag eines Verurteilten auf Aufschub oder Unterbrechung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe nach § 455 StPO hat also nur zur – unmittelbaren – Folge, dass die Staatsanwaltschaft den Antrag prüft und bescheidet. Im Ergebnis kann es deshalb für die Frage, wer die Kosten für das Gutachten zu tragen hat, keine Rolle spielen, ob die Prüfung der Haftfähigkeit durch einen Antrag des Verurteilten initiiert wurde.

(2) Die Kosten für ein Gutachten zur Überprüfung der Haftfähigkeit als Kosten des Verfahrens im Sinne des § 464a Abs. 1 StPO anzusehen, entspricht dem im strafrechtlichen Kostenrecht verankerten Verursacherprinzip, dessen Kern die Ursächlichkeit des verurteilten Angeklagten für die Durchführung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens und damit auch für die Entstehung der hiermit verbundenen Kosten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2005 – 4 StR 143/05 –, NStZ-RR 2006, 32; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 28. Juni 2006 – 2 BvR 1596/01 –, Rpfleger 2007, 107). Wie § 464a Abs. 1 Satz 2 StPO ausdrücklich anführt, gehören dazu auch die „Kosten der Vollstreckung der Rechtsfolge einer Tat“. Damit hat der Verurteilte im Grundsatz auch für alle Verfahrenskosten einzustehen, die nach Erlass des Urteils entstanden sind, und zwar unabhängig davon, ob er im Einzelfall in einem gerichtlichen Verfahren obsiegt oder unterliegt (Senat, Beschluss vom 17. April 2003 – 1 Ws 229/02 –, NStZ-RR 2003, 350; OLG Koblenz, Beschluss vom 29. April 2017 – 2 Ws 140/17 –, juris). Die Kosten der Überprüfung der Haftfähigkeit des Verurteilten nach § 455 StPO sind in diesem Sinne durch seine Verurteilung verursacht, weil die Haftfähigkeit – unter Berücksichtigung des § 455 Abs. 4 Satz 2 StPO, wonach die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe nicht unterbrochen werden darf, wenn überwiegende Gründe, namentlich der öffentlichen Sicherheit, entgegenstehen – grundsätzlich Voraussetzung für den Vollzug einer Freiheitsstrafe ist. Insoweit ist die Sachlage mit der des § 454 Abs. 2 StPO vergleichbar, wonach ein Gutachten einzuholen ist, wenn die Strafaussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen bestimmter Gewalt- und Sexualdelikten (§ 66 Abs. 3 Satz 1 StGB) bezeichneten Art zu prüfen ist. Die Auslagen für ein solches Gutachten sind Vollstreckungskosten im Sinne des § 464a Abs. 1 Satz 2 StPO (Senat a.a.O.; OLG Koblenz, Beschluss vom 29. April 2017 – 2 Ws 140/17 –, juris; KK-StPO/Appl, 8. Aufl. 2019, StPO § 454 Rn. 13; a.A. OLG Hamm, Beschluss vom 04. September 2000 – 2 Ws 189/00 –, NStZ 2001, 167).

(3) Schließlich ist zu sehen, dass die Entscheidung der Staatsanwaltschaft über den Strafaufschub der gerichtlichen Überprüfung nach § 458 Abs. 2 StPO unterliegt. Eine Kostenentscheidung des Gerichts ist dabei aber nicht veranlasst, weil auch hier die Kostengrundentscheidung des verurteilenden Urteils fortwirkt; die im gerichtlichen Verfahren nach § 458 Abs. 2 StPO entstandenen Kosten sind Verfahrenskosten im Sinne des § 464a Abs. 1 StPO (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 15. Oktober 2014 – 1 Ws 267/14 –, juris; BeckOK StPO/Coen, 34. Ed. 1.7.2019, StPO § 458 Rn. 8). Die Kosten eines vom Gericht eingeholten Gutachtens sind damit ohne Weiteres von einem Verurteilten zu tragen, dem gemäß § 465 StPO die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden (so auch Peglau a.a.O.). Davon ausgehend kann es aber nicht darauf ankommen, ob bereits die Staatsanwaltschaft für ihre Entscheidung nach § 455 StPO ein Gutachten in Auftrag gibt oder erst – aufgrund der Einwendung des Verurteilten gegen die staatsanwaltschaftliche Entschließung – das Gericht.

c) Aufgrund der fortwirkenden Kostengrundentscheidung des Urteils des Landgerichts Mosbach vom 11.12.2017 bedurfte es im Übrigen auch keiner weiteren – gerichtlichen – Entscheidung, dass der Verurteilte die Kosten eines zur Vorbereitung der Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach § 455 StPO eingeholten Gutachtens zu tragen hat (vgl. Senat a.a.O.), so dass die Staatsanwaltschaft diese Kosten gemäß § 19 GKG in Verbindung mit der Kostengrundentscheidung des Urteils des Landgerichts Mosbach vom 11.12.2017 zulasten des Verurteilten festsetzen konnte.

2. Es besteht kein Anlass, wegen unrichtiger Sachbehandlung gemäß § 21 GKG von der Erhebung der Kosten abzusehen.

a) Eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne des § 21 GKG kann nur dann angenommen werden, wenn der Handlungs-, Bewertungs- und Entscheidungsspielraum der Staatsanwaltschaft bei der Erteilung des Gutachtenauftrags eindeutig überschritten wurde, die Einholung des Gutachtens gleichsam ein grober Fehler war (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 2018 – 5 StR 249/18 –, juris; BDZ/Zimmermann, 4. Aufl. 2019, GKG § 21 Rn. 5 mwN; BeckOK KostR/Dörndorfer, 26. Ed. 1.6.2019, GKG § 21 Rn. 3 mwN). Dies ist hier nicht der Fall.

b) Der Verteidiger des Verurteilten hat zur Begründung des Antrags auf Haftverschonung vom 12.09.2018 konkrete und durch ärztliche Atteste untermauerte Ausführungen zum Gesundheitszustand des Verurteilten gemacht. Dass die Staatsanwaltschaft daraufhin zur Vorbereitung ihrer Entscheidung das amtsärztliche Gutachten in Auftrag gab, ist nicht zu beanstanden. Die Staatsanwaltschaft ist nicht verpflichtet, den vom Verurteilten selbst zur Begründung seiner Haftunfähigkeit vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen oder Gutachten ohne Weiteres zu folgen. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass – wie der Verurteilte mit der Begründung seiner Beschwerde vorträgt – das Landgericht Mosbach es im Erkenntnisverfahren abgelehnt hatte, ein Gutachten zur Haftfähigkeit einzuholen. Zum einen ist es nicht Sache des verurteilenden Gerichts, die Haftfähigkeit zu prüfen. Zum anderen lag dem Tätigwerden der Staatsanwaltschaft als Verfolgungsbehörde der Antrag des Verteidigers auf Haftverschonung zugrunde.“

Das OLG Hamm hat das mal anders gemacht und den Grundsatz angewendet: Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen. Aber das ist – wie man sieht – vereinzelt geblieben

Einstellung wegen Verhandlungsunfähigkeit, oder: Kostentragungspflicht bei der Staatskasse

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Auch in der zweiten Entscheidung, dem LG Amberg, Beschl. v. 11 Qs 67/18 – geht es um die Kostenerstattung, und zwar nach Einstellung des Verfahrens.

Die Staatsanwaltschaft hatte bei dem AG Amberg den Erlass eines Strafbefehls gegen den ehemaligen Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr beantragt. Der wurde am 02.11.2017 erlassen. Der ehemalige Angeklagte legte dann durch seinen Verteidiger mit Schriftsatz vom 13.11.2017 Einspruch gegen den Strafbefehl ein. Mit Schriftsatz vom 05.02.2018 teilte der Verteidiger mit, dass der Angeklagte einen Schlaganfall erlitten habe, wobei das Sprachvermögen stark eingeschränkt sei. Der ehemalige Angeklagte steht seit vielen Jahren unter Betreuung, da er an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis leidet. Mit gerichtspsychiatrischen Gutachten des gerichtsärztlichen Dienstes bei dem Oberlandesgericht Nürnberg wurd dann festgestellt, dass der ehemalige Angeklagte verhandlungsunfähig ist. Er leide an hebephrener Schizophrenie. Die Folgen des Anfang 2018 erlittenen Schlaganfalles seien mittlerweile nahezu ausgeheilt. Die schizophrene Psychose verlaufe jedoch chronisch. Im Vordergrund des psychopathologischen Befundes stünden deutliche kognitive Defizite. Es sei nicht zu erwarten, dass die Verhandlungsfähigkeit in absehbarer Zeit wieder hergestellt werden könne. Hinsichtlich des weiteren Inhalts wird auf das gerichtspsychiatrische Gutachten vom 17.07.2018 verwiesen.

Das Verfahren wurde dann gemäß § 206a StPO eingestellt und bestimmt, dass die Kosten sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten die Staatskasse trägt. Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft. Ohne Erfolg:

2. Die sofortige Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

a) Das Amtsgericht Amberg hat die notwendigen Auslagen des ehemaligen Angeklagten der Staatskasse auferlegt. Es hat von der Möglichkeit im Falle einer Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses diese Auslagen dem Angeklagten aufzuerlegen nach § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO keinen Gebrauch gemacht.

Erfolgt die Einstellung, wie hier, vor oder außerhalb der Hauptverhandlung, kann von einer Auslagenerstattung abgesehen werden, wenn – ohne das Verfahrenshindernis – ein erheblicher oder hinreichender Tatverdacht fortbesteht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage 2018, Rdnr. 16). Die Entscheidung darf nicht schematisch, sondern nur nach Ausübung des eingeräumten Ermessens erfolgen. Hierbei ist dem Ausnahmecharakter von § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO grundsätzlich Rechnung zu tragen. War das Verfahrenshindernis bei Klageerhebung bereits eingetreten, soll es deshalb bei der regelmäßigen Kostenfolge nach § 467 Abs. 1 StPO bleiben, es sei denn, eine solche Lösung erscheint grob unbillig, etwa weil der Eintritt des Verfahrenshindernisses auf ein vorwerfbares Verhaften des Angeklagten zurückzuführen ist (OLG Celle, Beschluss vom 6. 8. 2013 — 2 Ws 144/13 —, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage, § 467 Rdnr. 18).

b) Vorliegend kann schon nicht ausgeschlossen werden, dass eine Verurteilung des ehemaligen Angeklagten, selbst wenn er verhandlungsfähig gewesen wäre, wegen aufgehobener Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit nach § 20 StGB nicht erfolgt wäre. Der ehemalige Angeklagte hatte gegenüber den Polizeibeamten angegeben, viel zu viele Tabletten vor Fahrtantritt eingenommen zu haben. Dies bestätigt letztlich auch der Ärztliche Befundbericht der pp. vom 07.09.2017. Zudem sei nach Aussage des Zeugen ein Gespräch mit dem ehemaligen Angeklagten nicht möglich gewesen. Dieser sei zu stark verwirrt und benommen gewesen. Er habe starke motorische Störungen gehabt, sei stark umher geschwankt und habe sich kaum auf den Beinen halten können. Der Zeuge pp. bestätigte dies. Diese Umstände legen eine aufgehobene Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit aufgrund der schizophrenen Psychose zumindest nahe.

c) Überdies bestand die Verhandlungsunfähigkeit des ehemaligen Angeklagten bereits vor dem Antrag auf Erlass des Strafbefehls. Aus dem gerichtspsychiatrischen Gutachten ergibt sich, dass der ehemalige Angeklagte aufgrund des chronischen Verlaufs der Schizophrenie und der damit einhergehenden kognitiven Defizite verhandlungsunfähig ist. Da diese Erkrankung bereits seit mehreren Jahren vorliegt, ist davon auszugehen, dass sie auch bereits vor bzw. bei dem Antrag auf Erlass des Strafbefehls vorlag. Dass die Verhandlungsunfähigkeit hier erst nach Erholung eines Sachverständigengutachtens bekannt wurde, steht dem nicht entgegen (vgl. hierzu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage, § 467 Rdnr. 18). Gerade unter Berücksichtigung der psychischen Erkrankung des ehemaligen Angeklagten, welche mit erheblichen kognitiven Defiziten verbunden ist und des Zustandes bei Begehung der Tat, erscheint es nicht grob unbillig, der Staatskasse seine notwendigen Auslagen aufzuerlegen.

Nach alledem liegen die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift aus § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2  StPO nicht vor. Die notwendigen Auslagen waren daher der Staatskasse aufzuerlegen.“

Weisung: Alkohol- oder Drogenkontrollen – was geht das den Bezirksrevisor an?

ParagrafenDer OLG Koblenz, Beschl. v. 08.05.2014 – 2 Ws 216/14 behandelt eine Frage, die im Verlauf einer Bewährung von Bedeutung sein kann. Es geht nämlich darum, wer die Kosten von dem Angeklagten auferlegten Alkohol- und Drogenkontrollen zu tragen hat. Dazu führt das OLG – allerdings eher im Vorbeigehen – aus:

„Bei den Kosten für Alkohol- oder Drogenkontrollen in Erfüllung einer Weisung nach § 56c StGB oder § 68b Abs. 1 Nr. 10, Abs. 2 Satz 4 StGB handelt es sich nicht um Vollstreckungskosten, mit denen der Verurteilte durch die Kostenentscheidung der Verurteilung belastet wäre. Allerdings hat er sie grundsätzlich nach dem Veranlassungsprinzip selbst zu tragen.“ Aber:

Die Zurechnung der Kosten findet ihre Grenze jedoch im verfassungsrechtlich verankerten Übermaßverbot und den Zumutbarkeitsklauseln der § 56c Abs. 1 Satz 2 StGB bzw. § 68b Abs. 3 StGB. Als Folge einer erforderlichen Weisung können bei fehlender finanzieller Leistungsfähigkeit die Kosten subsidiär der Staatskasse auferlegt werden. Die Kostentragungspflicht des Staates ergibt sich in diesem Fall als Annex zu den Entscheidungen nach § 56c StGB bzw. § 68b StGB (OLG Koblenz, Beschluss 1 Ws 381/11 vom 18.07.2011; OLG Nürnberg aaO; Thür.OLG aaO; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2011, 30; NStZ-RR 2014, 62; OLG München NStZ-RR 2012, 324; OLG Braunschweig, Be-schluss 1 Ws 333/13 vom 18.11.2013, juris; s.a. BVerfG, Beschluss 2 BvR 1392/02 vom 27.06.2006, juris JR 2006, 480; OLG Bremen NStZ 2011, 216). Sollten die von der Strafkammer in ihrer Nichtabhilfeentscheidung mitgeteilten Einkommensverhältnisse zutreffen, dürfte die Anordnung der Kostentragung durch die Staatskasse nicht zu beanstanden sein.

Insoweit nichts Neues, sondern wohl inzwischen h,M. (vgl. dazu u.a. im KG, Beschl. v. 01.10.2013 – 2 Ws 476/13 und Wer trägt eigentlich die Kosten für Urinkontrollen? und der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.09.2013 – 3 Ws 277/13 und Nachschlag: Wer trägt die Kosten einer forensischen Therapie?) Also „Mainstream“, aber schadet ja nicht, wenn man es weiß 🙂 .

„Interessant“ ist der Beschluss aber noch aus einem weiteren Grund: Die Auflage war dem Angeklagten im Bewährungsbeschluss einer Strafkammer gemacht worden. Als es zu der ersten Kontrolle kommt, entsteht Streit um die Kosten. Und in dem Streit legt dann die Bezirksrevisorin des LG Beschwerde gegen die Bewährungsentscheidung des LG ein, soweit darin die Kosten für die Kontrollen der Staatskasse auferlegt worden sind. Das macht das OLG aber nicht, denn: Der Bezirksrevisor ist nicht beschwerdeberechtigt, es sei denn, das Gesetz sieht ausdrücklich eine Beschwerdebefugnis der Staatskasse vor, wie es etwa in § 4 Abs. 3 JVEG der Fall ist (Zabeck in KK-StPO, 7. Aufl., § 304 Rn. 27; Matt in LR, StPO, § 304 Rn. 49; Frisch in SK, 4. Aufl., § 304 Rn. 40).“ Und aus § 304 Abs. 2 StPO kann man eine Beschwerdeberechtigung der Staatskasse auch nicht herleiten.

Sorry, wäre aber nun auch noch schöne, wenn der Bezirksrevisor auch da noch seine Finger drin haben könnte.

Erst verjähren lassen und dann dem Betroffenen die Kosten auferlegt – so läuft es nicht –

Kurz vor Beginn der Osterfreizeit mal was Positives bzw. ein positives Osterei für den Verteidiger:

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Beim Regierungspräsidium Kassel war ein Ordnungswidrigkeitenverfahren anhängig, in dem Verjährung eingetreten ist, weil das Regierungspräsidium es versäumt hat, das Verfahren rechtzei­tig vor Ablauf der sechsmonatigen Verjährungsfrist gemäß § 69 Abs. 3 S. 1 OWiG über die Staatsanwaltschaft an das Gericht zu übersenden (§ 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 OWiG). Daher wird das Verfahren eingestellt.

So weit, so gut: Wer nun aber gedacht hatte, das auch die Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt werden, hat sich geirrt. Das Regierungspräsidum hat nämlich unter Verweis auf § 105 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 467a Abs. 1 S. 2, 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO mit der Begründung zurück, das Verfahren sei eingestellt wor­den, da nach dem Erlass des Bußgeldbescheides Verfolgungsverjährung eingetreten sei, jedoch habe aufgrund der Beweismittel festgestanden, dass der Betroffene die ihm vorgeworfene Ordnungswidrigkeit begangen habe.

Das AG Dillenburg, Beschl. v. 22.03.2012 – 3 OWi 25/12 sieht das nun gänzlich anders:

„...Notwendig ist jedoch das Fortbestehen eines erheblichen Tatverdachts, solange klargestellt ist, dass die Auslagenentscheidung nicht auf einer Schuldfeststellung beruht, sondern nur auf der Beschreibung und Bewertung der Verdachtslage (BGH NJW 2000, 1427; OLG Frankfurt NStZ- RR 2002, 246).

Ein derartiger erheblicher Tatverdacht, der es rechtfertigen würde, dem Betroffenen die Erstattung seiner notwendigen Auslagen zu versagen, kann im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden. Der Betroffene hat sich im Bußgeldverfahren nicht zur Sache eingelassen. Um die Begehung der Ordnungswidrigkeit durch den Betroffenen fest­stellen zu können, hätte dieser daher zunächst als Fahrer identifiziert werden müssen. Hierzu hätte das Gericht in einer Hauptverhandlung Feststellungen durch einen Ab- gleich zwischen dem Beweisfoto und der Person des Betroffenen treffen müssen. Al­lein der Umstand, dass es sich bei dem Betroffenen um den Halter des Fahrzeugs handelt, dessen Geschwindigkeit gemessen wurde, begründet einen erheblichen, eine Verurteilung wahrscheinlich machenden Tatverdacht noch nicht.

Hinzu kommt, dass das Regierungspräsidium in seinem Kostenbescheid gerade keine Verdachtslage beschrieben und bewertet, sondern in unzulässiger Weise eine Schuldfeststellung vorgenommen hat, indem das Absehen von der Auslagenerstattung mit der Überlegung begründet wurde, aufgrund der Beweismittel habe festgestanden, dass der Betroffene die ihm vorgeworfene Ordnungswidrigkeit begangen habe. Hierin liegt eine unzulässige, die Unschuldsvermutung verletzende Schuldzuschreibung. Schließlich wäre es auch deswegen unbillig, die notwendigen Auslagen des Betroffe­nen nicht der Staatskasse aufzuerlegen, weil die Verfolgungsverjährung dadurch ein­getreten ist, dass es das Regierungspräsidium versäumt hat, das Verfahren rechtzei­tig vor Ablauf der sechsmonatigen Verjährungsfrist gemäß § 69 Abs. 3 S. 1 OWiG über die Staatsanwaltschaft an das Gericht zu übersenden (§ 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 OWiG). ...“

Recht hat das AG.

Wer zahlt das Prognosegutachten?

Für den Verurteilten ist die Frage von Bedeutung, wer eigentlich die Gutachter-/Pflichtverteidigerkosten zu zahlen hat im Falle des positiven Ausfalls eines Prognosegutachtens und der Aussetzung der Vollstreckung einer Maßregel zur Bewährung. Er oder die Staatskasse? In dem Bereich geht es schnell um sehr viel Geld bzw. eine erhebliche Belastung, die auf den ggf. gerade frei Gelassenen zukommt.

Die Antwort auf die Frage ist in der Rechtsprechung der OLG nicht ganz unstrittig. Das OLG Hamm hatte vor einiger Zeit diese Kosten bei der Staatskasse gesehen.

Anders jetzt (erneut) das OLG Koblenz, Beschl. v. 24.02.2011 – 2 Ws 110/11. Danach hat auch dann, wenn ein Prognosegutachten gem. § 454 Abs. 2 StPO positiv ausfällt und die Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung ausgesetzt wird, der Verurteilte die Gutachter-/Pflichtverteidigerkosten gem. § 464a Abs. 1 StPO zu tragen; die Auferlegung sei nicht unbillig, eine nicht mehr zu vertretene Beeinträchtigung des aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG abzuleitenden Anspruchs auf Resozialisierung sei nicht gegeben.

Das OLG bestätigt damit die Entscheidung des LG Koblenz v. 30.12.2010 – 1 AR 3/10.