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Kostenerstattung für mehrere Verteidiger?, oder: Im sog. „Göttinger Transplantantionsskandal“ ja

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Der Kollege S. Stern aus Göttingen hat mir den von ihm erstrittenen OLG Braunschweig, Beschl. v.  20.06.2019 – 1 Ws 292/18 – übersandt. Ergangen ist er im sog. „Göttinger Transplantationsskandal“, in dem der Kollege und ein weiterer Verteidiger verteidigt hatten. Gestritten worden ist nach dem Freispruch des ehemaligen Angeklagten dann (natürlich) um die Frage der Kostenerstattung und da vornehmlich um die Frage: Muss die Staatskasse dem ehemaligen Angeklagten die Kosten für zwei Verteidiger erstatten. Die Staatskasse meinet natürlich nein. Anders das OLG Braunschweig:

W1. Die erstinstanzlichen Kosten, die durch die Mitwirkung von Rechtsanwalt Dr. H. entstanden sind, sind neben den Kosten für die Beauftragung von Rechtsanwalt Prof. Dr. S. ersatzfähig. Zwar sind die Kosten mehrerer Anwälte nach dem Wortlaut des § 91 Abs. 2 S. 2 Var. 1 ZPO, der über § 464 a Abs. 2 Nr. 2 StPO zur Anwendung kommt, nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen. Die grundsätzlich verfassungskonforme (dazu: BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30.07.2004, 2 BvR 1436/04, juris, Rn. 5) Vorschrift ist im vorliegenden Sonderfall jedoch im Wege der Rechtsfortbildung teleologisch zu reduzieren. Eine solche telelogische Reduktion ist den Gerichten über die Grenze des Wortsinns hinaus gestattet (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23.05.2016, 1 BvR 2230/15, juris, Rn. 50), sofern sie ihre Gerechtigkeitsvorstellungen nicht an die Stelle jener des Gesetzgebers setzen, sondern sich stattdessen darauf beschränken, eine planwidrige Regelungslücke zu füllen. Zu der verfahrensgegenständlichen Vorschrift des § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO (seit 01.07.2014: § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO) hat das Bundesverfassungsgericht bereits in einem Beschluss vom 28.03.1984 darauf hingewiesen, dass eine großzügigere Handhabung gerade im Strafprozess, der im Gegensatz zum Zivilverfahren vom Offizialprinzip geprägt werde, in Betracht komme (BVerfG, 2 BvR 275/83, juris, Rn. 28). Die Regelung sei als „Grundsatzregel‘ zu verstehen, die Ausnahmen zulasse (BVerfG, a.a.O.).

Dass eine durch einen Erstattungsanspruch zu schließende Regelungslücke vorliegt, ist bei einem Freigesprochenen, bei dem zur Begründung der finanziellen Haftung nicht an die begangene Straftat angeknüpft werden kann, inzwischen anerkannt, wenn ihm zuvor ein Sicherungsverteidiger beigeordnet wurde (OLG Gelle, Beschluss vom 10.09.2018, 1 Ws 71/18, juris, Rn. 19, 17 m.w.N.; KG, Beschluss vom 02.05.1994, 4 Ws 1-2/94 = NStZ 1994, S. 451). Eine vergleichbare Regelungslücke liegt aber ebenso bei einem Freigesprochenen, der zwei Wahlverteidiger beauftragt hat, vor, wenn seine Verteidigung im Hinblick auf Umfang, Schwierigkeit und Komplexität durch nur einen Wahlverteidiger nicht möglich war. Dass eine solche Sonderkonstellation im vorliegenden Fall, der als „Göttinger Transplantationsskandal“ auch in den Medien ein breites Echo gefunden hat, hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten ausnahmsweise gegeben war, folgt aus der Stellungnahme des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Celle Pp. vom 08.04.2019, der damals den Vorsitz der Schwurgerichtskammer des Landgericht Göttingen geführt hat. Er hat ausgeführt, dass die Verteidigung im Hinblick auf Umfang, Schwierigkeit und Komplexität des Verfahrens schlechterdings nur durch das arbeitsteilige Zusammenwirken von zwei Wahlverteidigern zu bewältigen war. Die besonderen Anforderungen in tatsächlicher Hinsicht seien zunächst darin begründet gewesen, dass die Kammer schon unmittelbar nach Eingang der Anklage, als das Verfahren bereits 33 Umzugskartons gefüllt habe, umfänglich Beweis erhoben hätte, etwa durch diverse Anfragen bei Eurotransplant zu den Transplantationslisten und zu möglichen Auswirkungen der Manipulationen, die dem Freigesprochenen zur Last gelegt wurden. Zudem habe die Kammer mit Prof. Dr. Bechstein einen weiteren Sachverständigen hinzugezogen, um sowohl die sogenannten Manipulationsfälle als auch die Indikationsfälle zu begutachten. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit den von Prof. Dr. Bechstein sukzessive vorgelegten Gutachten habe eine wiederholte Aufarbeitung der Patientenakten, die ihrerseits teilweise den Umfang mehrerer Umzugskartons eingenommen hätten, erfordert. Außerdem habe das Gutachten des vom Gericht bestellten Sachverständigen mit dem Gutachten des Sachverständigen abgeglichen werden müssen, der im Ermittlungsverfahren herangezogen worden sei. Wenn der Freigesprochene lediglich einen Wahlverteidiger mandatiert hätte, hätte er— so der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Pp. — „definitiv“ für das gesamte Ver-fahren einen zweiten Verteidiger als Sicherungsverteidiger bestellt.

Der Höhe nach orientiert sich der Erstattungsanspruch des Freigesprochenen im Gegensatz zu der Entscheidung des Kammergerichts vom 02.05.1994 (KG, Beschluss vom 02.05.1994, 4 Ws 1-2/94 = NStZ 1994, S. 451) nicht an den hypothetischen Kosten eines Pflichtverteidigers (die das Kammergericht dann über § 51 RVG erhöht hat), sondern unmittelbar an den Wahlverteidigergebühren. Dies folgt wiederum aus dem Grundsatz, dass bei einem Freigesprochenen nicht an die strafrechtliche Verurteilung angeknüpft werden kann, wie das Oberlandesgericht Celle wegen der Regelung des § 52 Abs.1 S. 1 RVG zutreffend nach Freispruch für die Kosten des Sicherungsverteidigers entschieden hat (OLG Celle, Beschluss vom 10.09,2018, 1 Ws 71/18, juris, Rn. 19). In gleicher Weise müssen aber die Kosten des — wie hier — zur Verteidigung unerlässlichen zweiten Wahlverteidigers von der Landeskasse ersetzt werden, weil dieser ohnehin die Wahlverteidigergebühren vom Freigesprochenen fordern kann.

Es sind ferner auch die Mehrkosten zu ersetzen, die dadurch entstanden sind, dass Dr. H. seinen Kanzleisitz in Hannover hatte. Zwar sind die jeweiligen Reisekosten und das jeweilige Abwesenheitsgeld eines Rechtsanwalts, dessen Kanzlei sich nicht im Bezirk des Prozessgerichts befindet und der dort auch nicht wohnt, nach § 464 a Abs. 2 Nr. 2 StPO i. V. m. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO nur zu erstatten, wenn das zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig ist. Das war hier allerdings der Fall. So legt die Rechtsprechung bei besonders schwerwiegenden Vorwürfen, insbesondere in Schwurgerichtssachen, einen großzügigeren Maßstab an (OLG Celle, Beschluss vom 28.10.1991, 3 Ws 226/91). Ebenso kommt dem Gesichtspunkt des Vertrauensverhältnisses zu dem Verteidiger nach der Rechtsprechung besonderes Gewicht zu, wenn der Tatvorwurf massiv in die berufliche und wirtschaftliche Existenz des Angeklagten eingreift (OLG Braunschweig, Beschluss vom 17.09.2013, 1 Ws 255/13 [unveröffentlicht]; OLG Naumburg, StraFo 2009, S. 128). Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt und es kommt noch hinzu, dass sich die Mehrkosten durch die Beauftragung von Rechtsanwalt Dr. H., der den Freigesprochenen zuvor sowohl gegenüber dem Arbeitgeber als auch im berufsrechtlichen Verfahren vertreten hatte, angesichts der Entfernung von Hannover nach Göttingen nur maßvoll erhöht haben.

2. Eine Erstattung der Auslagen von zwei Wahlverteidigern kommt indes in Bezug auf die im Revisionsverfahren entstandenen Auslagen nicht in Betracht, so dass es insoweit bei den vom Landgericht festgesetzten Kosten verbleibt. Eine Erstattung scheidet deshalb zunächst in Bezug auf die Terminsgebühr für die Revisionshauptverhandlung in Höhe von 560,- € (Nr. 4132 des Vergütungsverzeichnisses), die Fahrtkosten nach Leipzig in Höhe von 157,20 € (Nr. 7003 des Vergütungsverzeichnisses), das Abwesenheitsgeld in Höhe von 150,- € (Nr. 7005 des Vergütungsverzeichnisses) sowie die darauf entfallende Umsatzsteuer in Höhe von 164,77 €. Diese Auslagen (insgesamt: 1.031,97 €) des Rechtsanwalts Dr. H. sind neben jenen des Rechtsanwalts Prof. Dr. S. nicht zu ersetzen, weil der Prüfungsumfang des Revisionsgerichts durch die von der Staatsanwaltschaft nur erhobene Sachrüge in diesem Zeitpunkt feststand (§§ 344, 352 StPO). Ein auf das Revisionsrecht spezialisierter Wahlverteidiger — wie hier Prof. Dr. S. — konnte sich auf die Verhandlung allein vorbereiten, weil klar war, dass die Urteilsgründe lediglich in sachlich rechtlicher Sicht geprüft werden. Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers war nicht damit zu rechnen, dass der Bundes-gerichtshof unerwartete Fragen zu Details aus Patientenakten, die nicht Prüfungsgegenstand waren, stellen würde.

Dass die Urteilsgründe mit 1.232 Seiten äußerst umfangreich waren und die Revisionserwiderung, die auf den gemeinsamen Überlegungen und Anstrengungen beider Verteidiger beruht hat, im „Tandem“ möglicherweise leichter zu fertigen war, ändert an dieser Bewertung nichts. Maßgeblich ist allein, dass ein Verteidiger den Stoff des Revisionsverfahrens, mag er auch umfangreich sein, allein hätte bewältigen können. Das ist hier der Fall, weil es darum ging, die Urteilsgründe gegenüber der Revisionsbegrün-dung der Staatsanwaltschaft, die keine Verfahrensrüge erhoben hatte, zu verteidigen. Eines Rückgriffs auf die umfangreichen Akten bedurfte es insoweit nicht. Würde der Senat hier anders entscheiden, würde er nicht lediglich im Wege der teleologischen Reduktion eine planwidrige Regelungslücke schließen, sondern sich über die klare Regelung des § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO hinwegsetzen.

Kein anderes Ergebnis ergibt sich für die Verfahrensgebühr in Höhe von 1.110,- € (Nr. 4130 des Vergütungsverzeichnisses). Zwar entsteht die Verfahrensgebühr nebst Aus-lagenpauschale in Höhe von 20,- (Nr. 7002 des Vergütungsverzeichnisses) sowie Umsatzsteuer in Höhe von 214,70 (insgesamt also 1.344,70 €) bereits mit der ersten Tätigkeit des Verteidigers im Revisionsverfahren (Burhoff in Burhoff/Volpert, RVG, VV 4130, Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl., Rn.14), so dass sie bei der Einlegung einer staatsanwaltlichen Revision nicht von der Kenntnis der Revisionsanträge oder deren Begründung abhängt. Es gab in diesem frühen Verfahrensstadium, in dem der Freigesprochene lediglich über die Konsequenzen der Revisionseinlegung zu beraten war, aber keinen Anlass für die Mitwirkung von zwei Verteidigern.

Dass sich die Beiordnung eines Pflichtverteidigers auf das Revisionsverfahren erstreckt hätte, mag zutreffen, führt aber nicht zur Ersatzfähigkeit der Auslagen für zwei Wahlverteidiger. Denn diese waren nicht notwendig. Dem Freigesprochenen war gerade kein Pflichtverteidiger beigeordnet und er hätte die Verteidigung nach dem erstinstanzlichen Freispruch jederzeit durch Kündigung des zweiten Mandats auf einen Wahlverteidiger beschränken können. Er hätte dann zunächst abwarten können, ob das Revisionsverfahren (beispielsweise durch eine äußerst umfangreiche Revisions-begründung der Staatsanwaltschaft mit einer Vielzahl von Verfahrensrügen) wiederum nur durch zwei Wahlverteidiger zu bewältigen war.“

M.E. zutreffend. Über die Kosten der Revision kann man streiten. Und: Der Kollege wird bei der weiteren Abrechnung Vorbem. 4 Abs. 5 VV RVG i.V.m. Nr. 3500 VV RVG nicht übersehen 🙂 .

Wahlanwalt und Pflichtverteidiger nebeneinander, oder: Kostenerstattung bei Freispruch?

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Am heutigen „Gebührenfreitag“ stelle ich zunächst den OLG Celle, Beschl. v. 06.05.2019 – 3 Ws 136/19 – vor. Es geht um Erstattungsfragen nach einem Freispruch, und zwar um die Frage der Erstattung der Gebühren von zwei Rechtsanwälten/Verteidigern.

Zu entscheiden war über folgenden Sachverhalt: Das LG hat den ehemaligen Angeklagten am 20.08.2018 – inzwischen rechtskräftig -freigesprochen und der Landeskasse seine notwendigen Auslagen auferlegt. Mit Beschluss vom 01.03.2019 hat das LG dem Festsetzungsbegehren hinsichtlich der Kosten der Verteidigung durch RA S., den – nach anfänglichem Handeln als Wahlverteidiger – der Strafkammervorsitzende am 18.04.2018 dem ehemaligen Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet hatte, entsprochen. Außerdem war die Festsetzung der Kosten auch der Verteidigung durch RA K. in Höhe von 2.832,10 € beantragt. Diese Festsetzung hat das LG abgelehnt. Rechtsanwalt K. hatte sich am 07.08.2018 mit Vollmacht als Wahlverteidiger gemeldet und war in den Verhandlungsterminen am 09., 14. und 20.08.2018 neben dem Pflichtverteidiger RA S. aufgetreten. Die sofortige Beschwerde des ehemaligen Angeklagten gegen die Zurückweisung seines Festsetzungsbegehrens hinsichtlich der Kosten der Verteidigung durch RA K. hatte keinen Erfolg:

„Das Landgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO in Verbindung mit § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit erstattet werden, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt aaO § 464a Rn. 13 mwN).

Dieser Grundsatz verstößt nicht gegen das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30. Juli 2004 – 2 BvR 1436/04, NJW 2004, 3319). Aus dem durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gewährleisteten Recht des Beschuldigten, sich im Strafverfahren von zwei Anwälten seines Vertrauens verteidigen zu lassen, folgt nicht, dass dem nicht verurteilten Beschuldigten in jedem Fall die gesamten Auslagen für zwei Wahlverteidiger zu erstatten wären. Zur Gewährleistung eines rechtsstaatlich fairen Verfahrens genügt es regelmäßig, wenn ihm ein Verteidiger zur Seite steht, dessen Kosten im Falle eines Freispruchs grundsätzlich erstattet werden (BVerfG aaO).

Dies gilt auch im Verhältnis zwischen Wahlverteidiger und Pflichtverteidiger; neben Letzterem ist eine Wahlverteidigung regelmäßig nicht mehr „notwendig“ (vgl. OLG Rostock NJ 2017, 39 mwN). Daher sieht das Gesetz in § 141 Abs. 1 StPO die Bestellung eines Verteidigers nur dann vor, wenn der Angeklagte nicht bereits einen (Wahl-)Verteidiger hat. Die Kosten eines (zusätzlichen) Wahlverteidigers kann er im Falle einer ihm günstigen Kostenentscheidung insoweit nicht bzw. nur in Höhe der Differenz zu den entstandenen Pflichtverteidigerkosten gegen die Staatskasse geltend machen (OLG Rostock aaO; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2002, 317). Wurde – wie im vorliegenden Fall – zunächst der Pflichtverteidiger bestellt, so sind die Gebühren des später beauftragten Wahlverteidigers mithin regelmäßig um die an den Pflichtverteidiger gezahlten Gebühren zu kürzen (OLG Rostock aaO; KK-Gieg, StPO, 7. Aufl., § 464a Rn. 13).

Der Grundsatz der Anrechnung von Pflichtverteidigerkosten auf die erstattungsfähigen Gebühren eines daneben tätigen Wahlverteidigers gilt zwar nicht uneingeschränkt. So wird die ungekürzte Erstattungsfähigkeit der Wahlverteidigerkosten ausnahmsweise als gerechtfertigt angesehen, wenn das Nebeneinander von Wahl- und Pflichtverteidiger nicht der Sphäre des Angeklagten zuzurechnen ist (KG StV 2003, 175), die Beiordnung eines Pflichtverteidigers also nicht von dem Angeklagten oder seinem Wahlverteidiger zu vertreten ist. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn einem Beschuldigten ohne dessen Veranlassung neben dem Wahlverteidiger ein Pflichtverteidiger zur Verfahrenssicherung bestellt wird (so OLG Köln, Beschluss vom 24. August 2004 – 2 Ws 383/04, juris; KG NStZ-RR 2000, 163) oder wenn eine zuvor erfolgte Pflichtverteidigerbestellung entgegen § 143 StPO nicht zurückgenommen wird (so KG aaO; OLG Oldenburg NStZ-RR 2010, 63; OLG Frankfurt NStZ-RR 1998, 287).

Vorliegend greift keine dieser Ausnahmen. Denn dem Freigesprochenen war zunächst sein gewählter Verteidiger bestellt worden und die Anzeige der Wahl eines neuen Verteidigers erfolgte Monate später und erst zwei Tage vor Beginn der Hauptverhandlung. Zu diesem späten Zeitpunkt kam eine Rücknahme der Bestellung des Pflichtverteidigers ohne Gefährdung des Beginns und zügigen Fortgangs der Hauptverhandlung nicht mehr in Betracht, weil der Wahlverteidiger nicht hinreichend eingearbeitet und eine Verschiebung der Hauptverhandlung mit Blick auf das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen zu vermeiden war. Bei einer derartigen Sachlage liegt das Nebeneinander von Wahl- und Pflichtverteidigung in der Sphäre des Freigesprochenen (vgl. OLG Rostock aaO).

Soweit der Wahlverteidiger geltend macht, dass seine Einschaltung neben der des Pflichtverteidigers „gerade aufgrund der detaillierten Kenntnis und Zugang in den Bereich der hier tätigen polnischen Bauarbeiter“ notwendig gewesen sei, greift dies nicht durch. Durch die unmissverständliche Verweisung in § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO auf § 91 Abs. 2 ZPO, also auch auf dessen Satz 3, sind die Grenzen der Erstattbarkeit von Wahlverteidigerkosten eindeutig abgesteckt. Dies gilt regelmäßig auch für umfangreiche und schwierige Verfahren (vgl. Hilger in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. § 464a Rn. 32). Ungeachtet dessen ist nicht erkennbar, warum die Einschaltung des Wahlverteidigers erst zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, als der Strafkammervorsitzende nicht mehr entsprechend § 143 StPO reagieren konnte, ohne das Verfahren ernsthaft zu gefährden.“

Dürfte wohl „passen“.

Das private SV-Gutachten (im Verkehrsstrafrecht), oder: Kostenerstattung

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Heute am Gebührenfreitag zwei Entscheidungen zur Kostenerstattung. Und da stelle ich zunächst den LG Oldenburg, Beschl. v. 17.01.2019 – 5 Qs 444/18 – vor. Ein Klassiker, der in einem Verfahren wegen wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort ergangen ist. Da hatte die Angeklagte ein privates Sachverständigengutachten eingeolt gegen das von der Staatsanwaltschaft eingeholte Gutachten, dass dem Strafbefehlsantrag zugrunde gelegt worden war. Dann ist die Angeklagte später frei gesprochen worden. Und: Das LG Oldenburg sagt: Die privaten Gutachterkosten werden erstattet:

„Die geltend gemachten Kosten für das von der Beschwerdeführerin eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. xxxxxxxxxxx gehören zu den nach § 464a Abs. 2 StPO zu erstattenden notwendigen Auslagen. Zwar sind private Ermittlungen in der Regel nicht notwendig, weil Staatsanwaltschaft und Gericht bereits von Amts wegen zur Sachaufklärung verpflichtet sind. Die Möglichkeiten, gegebenenfalls Beweisanträge im Ermittlungsverfahren oder im gerichtlichen Verfahren zu stellen, muss der Beschuldigte bzw. Angeklagte daher grundsätzlich ausschöpfen, bevor private Sachverständigengutachten eingeholt werden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 464a Rn. 16 m.w.N.). Eine Erstattungsfähigkeit kommt demgegenüber ausnahmsweise in Betracht, wenn sich die Prozesslage des Angeklagten aus seiner Sicht bei verständiger Betrachtung der Beweislage ohne solche eigenen Ermittlungen alsbald erheblich verschlechtert hätte oder wenn komplizierte technische Fragen betroffen sind, so dass insbesondere die Einholung eines Privatgutachtens im Interesse einer effektiven Verteidigung als angemessen und geboten erscheinen durfte (Gieg, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Aufl., § 464a Rn. 7 m.w.N.).

So ist es hier: In dem wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort gegen die Beschwerdeführerin geführten Ermittlungsverfahren hatte die Staatsanwaltschaft bereits das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. xxxxxxxxxxxxxx eingeholt, um zu klären, ob eine von der Beschwerdeführerin beim Einparken ihres PKWs verursachte Beschädigung eines anderen Fahrzeuges von dieser wahrnehmbar gewesen ist. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die „akustische und taktile-/vestibuläre Wahrnehmbarkeit aus technischer Sicht seitens der Beschuldigten für den in Rede stehenden Vorgang als wahrnehmbar zu bewerten“ sei. Mit diesem vorläufigen Beweisergebnis hat die Staatsanwaltschaft gegen die Beschwerdeführerin einen Strafbefehl beantragt, der vom Amtsgericht erlassen wurde. Das Amtsgericht hat damit zum Ausdruck gebracht, dass es die Beschwerdeführerin auf Grundlage der Akten- und Beweislage für hinreichend verdächtig hält (vgl. § 408 Abs. 2 und 3 StPO), so dass diese mit einer überwiegenden Verurteilungswahrscheinlichkeit rechnen musste. In einem solchen Fall erscheint es im Sinne einer effektiven Verteidigung gegen den Tatvorwurf durchaus notwendig, dem bisherigen Beweisergebnis durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens entgegenzutreten. Auch hätte die Beschwerdeführerin in der Hauptverhandlung – anders als in dem von der Bezirksrevisorin zitierten Beschluss der Kammer vom 12.12.2016 (Az.: 5 Qs 478/16) – nur noch eingeschränkte prozessuale Möglichkeiten gehabt, den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen entgegentreten zu können. Insbesondere der Antrag auf Anhörung eines weiteren Sachverständigen hätte vom Gericht unter den erleichterten Voraussetzungen des § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO abgelehnt werden können. Jedenfalls musste die Beschwerdeführerin mit dieser Möglichkeit rechnen, so dass sie sich nur durch substantiierte Einwendungen gegen das bisherige Gutachten effektiv verteidigen konnte, für die sie im Hinblick auf die komplizierten technischen Fragestellungen auf die Hilfe eines Privatgutachters angewiesen war (vgl. BVerfG NJW 2006, 136).

Die somit notwendigen Sachverständigenkosten sind auch in der geltend gemachten Höhe zu erstatten. Die Kammer teilt die Auffassung der Bezirksrevision nicht, wonach die Kosten für ein privat eingeholte Sachverständigengutachten ausschließlich nach den Grundsätzen des JVEG zu erstatten sei. Die Erstattungsfähigkeit dieser Kosten richtet sich wie auch in Zivilsachen gerade nicht nach den Vergütungssätzen des JVEG (BGH NJW 2007, 1532). Diese können allerdings als Richtlinie herangezogen werden, auf deren Grundlage der privatrechtlich vereinbarte Stundensatz einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen ist (Schneider, Justizvergütungs- und entschädigungsgesetz, 3. Aufl., § 1 Rn. 148 m.w.N.). Dies gestaltet sich hier allerdings schwierig, da der Sachverständige xxxxxx den Gesamtaufwand seines Gutachtens pauschal mit 595 € abgerechnet hat. Aus seiner Kostenrechnung vom 24.01.2018 wird allerdings deutlich, dass er inhaltlich im Wesentlichen die gleichen Tätigkeiten in Rechnung gestellt hat, wie der Sachverständige xxxxxxxx. Sein Gutachten ist sowohl hinsichtlich der schriftlichen Ausführungen als auch hinsichtlich der Anlagen (Lichtbilder, Skizzen, Diagramme etc.) deutlich umfangreicher als das xxxx Gutachten des Sachverständigen xxxxxxxxxx. Da es trotzdem deutlich günstiger als das xxxx Gutachten (948,07 €) war, erscheint es im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung ausgeschlossen, dass die Stundensätze des Sachverständigen xxxxxx die Vergütungssätze des JVEG überstiegen haben, wobei insoweit sogar eine Abweichung um bis zu 20 % für vertretbar erachtet wird (KG, Beschl. v. 20.02.201, Az.: 1 Ws 72/09 – zitiert nach juris).

Erstattung von Wahlanwaltsgebühren für zwei (Pflicht)Verteidiger nach Freispruch, oder: Sicherungsverteidiger

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Die zweite gebührenrechtliche Entscheidung kommt auch vom OLG Celle. Es handelt sich um den OLG Celle, Beschl. v. 10.09.2018 – 1 Ws 71/18. Der ist – fast hätte ich geschrieben: ausnahmsweise 🙂 – richtig.

Es geht im Beschluss um die Erstattung von Wahlanwaltsgebühren für zwei (Pflicht)Verteidiger nach einem Freispruch. Dem ehemaligen Angeklagten ist im Verfahren ein versuchter Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zur Last gelegt worden. Ihm wurde bereits im Ermittlungsverfahren im Rahmen der Haftbefehlsverkündung Rechtsanwalt Dr. T als Pflichtverteidiger beigeordnet. Im weiteren Verlauf ordnete der Kammervorsitzende des LG dem Angeklagten Rechtsanwalt Dr. M. als zweiten Pflichtverteidiger bei. Eine nähere Begründung findet sich in dem Beiordnungsbeschluss nicht. In einem Vermerk legte der Vorsitzende jedoch dar, dass aufgrund der zu erwartenden Dauer der Hauptverhandlung die Beiordnung eines zusätzlichen Verteidigers zur Sicherung des Verfahrens insbesondere vor dem Hintergrund des in Haftsachen zu beachtenden Grundsatzes der Beschleunigung geboten sei. Nach 21-tägiger Hauptverhandlung wurde der frühere Angeklagte durch Urteil des LG freigesprochen, wobei die Strafkammer die notwendigen Auslagen der Landeskasse auferlegte.

Beider Verteidiger haben dann aus abgetretenem Recht beantragt, die dem früheren Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen unter Berücksichtigung bereits erhaltener Pflichtverteidigergebühren festzusetzen. Dem ist der Rechtspfleger des LG bei der Dr. M. weitgehend nachgekommen – er war der erste. Bei der Rechtsanwalt Dr. T ebenfalls sind die zu erstattenden notwendigen Auslagen nur zu einem geringen Teil festgesetzt worden. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, dass eine Erstattung der notwendigen Auslagen nach § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO nur insoweit in Betracht komme, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Demzufolge setzte es Gebühren ab, die bereits gegenüber dem weiteren Verteidiger Dr. M festgesetzt worden waren.Das hat das OLG anders gesehen.

„3. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

a) Im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 464b StPO wird die Höhe der Kosten und Auslagen festgesetzt, die ein Beteiligter einem anderen zu erstatten hat (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, Rn. 1). Dabei geht das Landgericht zunächst zutreffend davon aus, dass nach § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO die Kosten mehrerer Verteidiger grundsätzlich nur insoweit zu erstatten sind, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, 61. Auflage, § 464a StPO Rn. 13). Dieser Grundsatz gilt auch für umfangreiche und schwierige Verfahren, insbesondere auch in Schwurgerichtssachen (vgl. KK-StPO/Gieg StPO § 464a Rn. 9-14, beck-online m.w.N.) und wird weder durch das durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gewährleistete Recht des Angeklagten auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren noch das Recht auf Hinzuziehung von bis zu drei Verteidiger gemäß § 137 Abs. 1 Satz 2 StPO relativiert (vgl. BVerfG NJW 2004, 3319, beck-online; KK-StPO/Gieg StPO aaO).

b) In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass dieser Grundsatz dann eine Ausnahme erfährt, wenn die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers aus vom Angeklagten nicht zu vertretenden Gründen – wie etwa zur Sicherung des Fortgangs des Verfahrens – erfolgt (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 25. Oktober 2012 – 2 Ws 176/12 –, juris; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 16. September 2011 – 1 Ws 417/11 –, juris; OLG Dresden, Beschluss vom 19. Oktober 2006 – 1 Ws 206/06 –, juris; OLG Köln, Beschluss vom 09. August 2002 – 2 Ws 191/02 –, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04. Mai 2005 – III-3 Ws 62/05 –, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 24. Juli 2014 – III-1 Ws 305/14 –, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04. Mai 2005 – III-3 Ws 62/05 –, juris; KK-StPO/Gieg StPO § 464a Rn. 13, beck-online; aA Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 10. November 1993 – 1b Ws 255/93 –, juris).

Der überwiegenden Ansicht liegt die Erwägung zugrunde, dass der Freigesprochene durch den Umstand einer ihm nicht zuzurechnenden Beiordnung eines weiteren Pflichtverteidigers nicht benachteiligt werden darf. Dies steht auch in Einklang mit der verfassungsrechtlichen Vorgabe, wonach bei der Auslegung der gesetzlichen Verweisung in § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO auf § 91 Abs. 2 ZPO der Sinnzusammenhang aller einschlägigen Regelungen der Strafprozessordnung zu berücksichtigen ist und § 91 Abs. 2 ZPO lediglich als Grundsatzregel zu verstehen ist, die Ausnahmen zugänglich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. März 1984 – 2 BvR 275/83 –, BVerfGE 66, 313-323, Rn. 28).

c) Der Senat schließt sich der herrschen Ansicht an. Da jede Beiordnung eines Pflichtverteidigers nach § 52 Abs. 1 Satz 1 RVG für diesen den vollen gesetzlichen Vergütungsanspruch entstehen lässt, auch wenn sie gegen den Willen des Angeklagten erfolgt (vgl. BeckOK RVG/Sommerfeldt/Sommerfeldt RVG § 52 Rn. 1, beck-online; KK-StPO/Gieg StPO § 464a Rn. 9-14, beck-online), wäre eine Versagung eines Erstattungsanspruchs nach § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO dann nicht gerechtfertigt, wenn die Umstände nicht in der Sphäre des Angeklagten liegen, sondern auf anderen ihm nicht zuzurechnenden Faktoren – wie etwa der Verfahrenssicherung – beruhen. Nur auf diese Weise wird dem Umstand hinreichend Rechnung getragen, dass bei einem freigesprochenen Angeklagte vorangegangenes strafbaren Verhaltens nicht als Grund für eine finanzielle Haftung in Betracht kommt und dieser daher nicht mit Kosten belastet werden darf, die aus von ihm selbst nicht zu vertretenen Gründen entstanden sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. März 1984 – 2 BvR 275/83 –, BVerfGE 66, 313-323, Rn. 28).

Gemessen an diesen Grundsätzen waren vorliegend die Auslagen in Höhe der Wahlverteidigergebühren unter Anrechnung bereits erhaltener Vergütung als Pflichtverteidiger als notwendige Auslagen des Angeklagten dem Grunde nach erstattungsfähig. Zwar findet sich im Beiordnungsbeschluss vom 20. Juli 2017 keine Begründung für die Bestellung eines zusätzlichen Verteidigers. Dem zuvor gefertigten Vermerk des Vorsitzenden Richters vom 18. Juli 2017 lässt sich diese hingegen zureichend entnehmen. Danach erfolgte die Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers vor allem deshalb, um dem verfassungsrechtlichen Beschleunigungsgebot unter Berücksichtigung der Interessen des Angeklagten an der Verteidigung durch den von ihm gewünschten Verteidiger seines Vertrauens hinreichend Rechnung zu tragen. Die zusätzliche Beiordnung war demnach nicht einem Verhalten des früheren Angeklagten, sondern dem Umstand geschuldet, dass der zunächst beigeordnete Verteidiger seines Vertrauens erklärt hatte, an einigen avisierten Hauptverhandlungsterminen verhindert zu sein. Die Verfahrenssicherung erfolgte damit aus Fürsorgegesichtspunkten zur Sicherung eines reibungslosen Verfahrens.“

Privat-SV-Gutachten führt zur Einstellung des OWi-Verfahrens, oder: Dann Kostenerstattung

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So, und zum Abschluß bringe ich heute dann den AG Eisleben, Beschl. v. 25.04.2018 – 12 OWi 284/16, den mir der Kollege Ratzka aus Eisleben geschickt hat. Es geht mal wieder um die Erstattung von Kosten eines Sachverständigengutachtens nach Einstellung eines Bußgeldverfahrens wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitun, wozu das Gutachten beigetragen hat. Die Bußgeldbehörde hatte die Erstattung abgelehnt, und zwar mit der immer wieder kehrenden Begründung: Die Einholung eines Privatgutachtens könne immer nur dann notwendig sein, wenn Mängel vorliegen, die zur Einholung des Gutachtens drängen, d.h., wenn die bisher geführten Ermittlungen unzureichend waren. Allerdings sei es den Betroffenen auch in diesen Fällen zuzumuten, die Behebung solcher Ermittlungslücken durch das Gericht oder die Ermittlungsbehörden zu beantragen.

Das AG hat das zu Recht anders gesehen:

„Die von der Betroffenen geltend gemachten Auslagen für das Gutachten der VUT i.H.v. 1.061,41 € hingegen wurden von der Bußgeldbehörde zu Unrecht nicht festgesetzt. Gemäß § 464a StPO sind die der Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten. Hierbei verkennt das Gericht nicht die überwiegend vertretene Ansicht, dass die Einholung eines Privatgutachtens im Rahmen eines Bußgeldverfahrens zwar zweckmäßig erscheinen mag, jedoch nicht notwendig ist (vergleiche hierzu Meyer-Gossner, § 464 Buchst. a, Rn. 16). Auch die Rechtsprechung des Landgerichts Halle (Beschluss vom 11.02.2016 Az. 3 QS 20/16) hat das Gericht nicht außer Acht gelassen. Allerdings weicht der vorliegende Sachverhalt deutlich von dem durch das Landgericht Halle zu entscheidenden Fall ab. Im vorliegenden Fall nämlich hat die Bußgeldbehörde einen Bußgeldbescheid auf Grundlage einer Messung erlassen, die ersichtlich nicht den Auswertekriterien des Herstellers entsprach. Die Betroffene konnte daher auch aus der Sicht ex ante nicht darauf vertrauen, dass die Bußgeldbehörde von Amts wegen, also aus eigenem Antrieb, ihren Bußgeldbescheid wieder zurücknehmen werde, wenn ihr nicht aufgrund gutachterlicher Tätigkeit Veranlassung hierzu gegeben worden wäre, das Verfahren zu weiteren Aufklärung und Stellungnahme der hierfür zuständigen Stelle im Hause vorzulegen. Bei einer aufmerksamen Prüfung des Messfotos hätte die Bußgeldstelle bereits vor Erlass des Bußgeldbescheides Veranlassung gehabt, diese Erklärung herbeizuführen, da sie dies nicht getan hat, war es aus Sicht der Betroffenen nicht nur zweckmäßig, sondern auch notwendig, die Messung mittels eines von ihr eingeholten Gutachtens überprüfen zu lassen. Sie kann also nun nicht darauf verwiesen werden, durch das Stellen entsprechender Anträge bei der Bußgeldbehörde hätte ein Privatgutachten vermieden werden können. Da letztlich auch ex post betrachtet das Sachverständigengutachten entscheidungserheblich geworden ist, da es letztlich zur Einstellung des Verfahrens geführt hat, sind der Betroffenen die durch die Einholung des Gutachtens entstandenen Kosten auch zu erstatten.“