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Der „kostenneutrale“ neue Pflichtverteidiger – so nicht

© pedrolieb -Fotolia.com

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In der Praxis gibt es immer wieder Streit um die Auswechselung eines Pflichtverteidigers. Die damit zusammenhängenden Fragen sind umstritten, vor allem, wenn ggf. kein zerrüttetes Vertrauensverhältnis vorliegt, sondern der Beschuldigte den zunächst bestellten Rechtsanwalt – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr wünscht. Dann lässt die obergerichtliche Rechtsprechung den Verteidigerwechsel nur zu, wenn dadurch keine Mehrkosten für die Staatskasse entstehen. Lassen wir mal die mit dem Verteidigerwechsel zusammenhängenden grudnsätzlichen Fragen dahinstehen und greifen nur eine Problematik heraus, die in dem Zusammenhang auch immer eine Rolle spielt: Nämlich die Frage, ob die Auswechselung des Pflichtverteidigers auch dann mit dem Zusatz, dass damit der Staatskasse keine zusätzlichen Kosten entstehen (dürfen), zulässig ist, wenn der neue Pflichtverteidiger damit nicht einverstanden ist. Das ist häufig ein Ausweg/Umweg, der von den Instanzgerichten gegangen wrd.

So auch beim AG Hagen. Der (neue) Pflichtverteidiger hat dagegen Beschwerde eingelegt und beim LG Hagen Recht bekommen. das führt dazu im LG Hagen, Beschl. v. 03.08.2015 – 31 Qs-400 Js 157/15-1/15 67 Gs 992/15 – aus:

„Die vom Amtsgericht vorgenommene Einschränkung der Pflichtverteidigerbestellung im Rahmen der Auswechselung des Pflichtverteidigers, dass damit der Staatskasse keine zusätzlichen Kosten entstehen (dürfen), entbehrt einer gesetzlichen Grundlage.

…….

cc) Da aber der Austausch des Pflichtverteidigers im vorliegenden Fall mit zusätzlichen Kosten für die Staatskasse verbunden ist, hätte der Antrag auf Auswechselung des Pflichtverteidigers vom 26. Juni 2015 mangels Vorliegen der unter a) aufgeführten Voraussetzungen zurückgewiesen werden müssen. Die für die Auswechslung des Pflichtverteidigers insoweit erforderlichen Voraussetzungen können nicht dadurch herbeigeführt werden, dass — wie hier geschehen — die Beiordnung des Beschwerdeführers mit der Maßgabe erfolgt, dass der Staatskasse hierdurch keine zusätzlichen Kosten entstehen; vielmehr wären die Voraussetzungen vor der Entscheidung des Amtsgerichts zu prüfen und entsprechend zu beachten gewesen (zur Mehrkostenproblematik und eines Vergütungsverzichts vgl. auch OLG Naumburg, Beschluss vom 14.04.2010 – 2 Ws 52/10).“

M.E. in doppelter Hinsicht von Bedeutung: Einmal wegen der klaren Aussage zur Zulässigkeit einer solchen Einschränkung und dann vor allem auch wegen der Beschwerdeberechtigung.

Ein Einspruch, der sich lohnte – der hier bringt 1.341,90 €

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Ich hatte am Montag über eine Gegenvorstellung gegen einen LG, Beschluss berichtet, die dem Verteidiger 212 € „gebracht“ hat (vgl. hier  LG Saarbrücken, Beschl. v. 03.02.105 – 2 Qs 8/15 und dazu: Lernfähig, oder: Die Gegenvorstellung hat 212 € gebracht).

Heute berichte ich über den Einspruch eines Betroffenen gegen einen Bußgeldbescheid der noch lukrativer war. Nämlich eine Verminderung der Geldbuße um 5 €, was nicht sp spektakulär ist 🙂 , aber gleichzeitig auch eine Ersparnis bei den Kosten/Auslagen des Verfahrens um 1.336,90 €, was schon interessanter ist. Es geht um den AG Osterode am Harz, Beschl. v. 16.03.2015 – 3b OWi 26 Js 32702/14 (257/14). Ergangen in einem Bußgeldverfahren gegen eine Betroffene, gegen die ursprünglich ein Strafverfahren wegen des Verdachts auf unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) geführt wurde, nachdem sie einen am Straßenrand parkenden PKW beim Ausparken gestreift haben soll. Die Betroffene hat den Tatvorwurf bestritten und darauf hingewiesen, dass sie einen Unfall nicht bemerkt habe. Daraufhin holte die Staatsanwaltschaft ein Gutachten ein zur Frage der Unfallverursachung und Bemerkbarkeit. Der Sachverständige kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Betroffene den Unfall verursacht habe, sie dies jedoch weder optisch noch akustisch oder taktil bemerken konnte. Das Strafverfahren wurde daraufhin eingestellt und an die Bußgeldbehörde abgegeben. Diese erließ dann den Bußgeldbescheid. Es wurde eine Geldbuße in Höhe von 35,00 € nebst Gebühren sowie weitere 1.336,90 € als „Auslagen“ für das Sachverständigengutachten festgesetzt.

Die Betroffene hat Einspruch eingelegt und das AG ist im Beschlussverfahren (§ 72 OWiG) (nur) von der Beschädigung eines anderen PKW bei einem Ein- oder Ausparkvorgang ausgegangen und hat nach Nr. 1.5 BKat eine Geldbuße von lediglich 30 € verhängt. Die Gutachterkosten hat es der Betroffenen nicht auferlegt. Begründung u.a.: § 465 Abs. 2 StPO, welcher nach § 46 Abs. 1 OWiG Anwendung findet. Nach der – oft übersehenen – Vorschrift  hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen sind, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Davon ist das AG ausgegangen:

b) Eine Belastung mit diesen Kosten wäre zudem unbillig. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn der ursprüngliche Vorwurf und die letztlich getroffene Entscheidung eklatant voneinander abweichen. So verhält es sich hier. Der Vorwurf einer Straftat wurde nicht nachgewiesen, vielmehr ist die Betroffene lediglich wegen der fahrlässigen Verursachung eines Unfalles zu einem Bußgeld von 30,00 € zu verurteilen. Dieser Vorwurf, der bereits aufgrund seiner Manifestation in § 1 Abs. 2 StVO als unterste Stufe des Unrechts zu bewerten ist, rechtfertigt nicht die Einholung eines Gutachtens für 1.336,90 €. Die Einholung eines so kostenintensiven Gutachtens wegen der Begehung einer solch marginalen Ordnungswidrigkeit wäre unter Verhältnismäßigkeitsgerichtspunkten schwer vertretbar, ebenso, dass die Verwaltungsbehörde die hierfür anfallenden Kosten, die nach § 467 Abs. 1 StPO eigentlich der Staat zu tragen hat, über die Umwege des Ordnungswidrigkeitenrechts geltend macht.

Auch ist entgegen der Auffassung der Bezirksrevisorin und der Bußgeldbehörde eine Teilung der Kosten nicht angezeigt. Dies auch unter dem soeben erwähnten Aspektes, dass die Einholung eines solchen Gutachtens für so marginale Schäden wie im vorliegenden Fall bereits dem Grunde nach unverhältnismäßig wäre. Es kann auch nicht zu Lasten der Betroffenen gehen, dass sie den Vorwurf nicht eingeräumt hat. Denn das Gutachten belegt, dass die Betroffene die Beschädigung des anderen PKW nicht gemerkt hat. Insofern ist das Verhalten der Betroffenen nur logisch. Denn wer die Beschädigung nicht bemerken kann, muss diese auch nicht einräumen.

Ähnlich: LG Wuppertal Beschl. v. 25.11.2009 – 26 Qs 309/09 – und dazu:  Erfreuliches aus Wuppertal: SV-Kosten bleiben bei der Staatskasse.

Wer zahlt mehr als 5.000 € Sicherstellungkosten für ein altes Möhrchen? – Ich nicht…

entnommen wikimedia.org Author: Maschinenjunge

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„Wer zahlt mehr als 5.000 € Sicherstellungkosten für ein altes Möhrchen?“ Das hatte sich auch der Sicherungseigentümerin eines still gelegten Pkw, eine Bank, gefragt.  Ich nicht, war ihre Antwort, und schon gar nicht, wenn es schrottreif ist und ich darauf hingewiesen habe, dass das alte Teil verschrottet werden kann. Mit der Antwort hatte sich aber das Abschleppunternehmen, bei dem der Pkw mehrere Monate gestanden hatte, nicht zufrieden gegeben. Und so kam es zum Streit, den dann das OLG Düsseldorf im OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.02.2014 – I-1 U 86/13, zu dem folgenden Leitsätze passen:

1. Der Sicherungseigentümer haftet für die Kosten der polizeilichen Sicherstellung eines Fahrzeugs (hier: mehr als 5.000 EUR für die Aufbewahrung eines schrottreifen Fahrzeugs über einen Zeitraum von fast 1,5 Jahren) allenfalls aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 677 BGB). Dies setzt allerdings voraus, dass der Aufwand in seinem Interesse lag.

2. Daneben besteht eine Einstandspflicht des Sicherungseigentümers allenfalls aufgrund von Rechtsgrundlagen, die dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind und für die der Zivilrechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gem. § 13 GVG nicht gegeben ist.

Strafbefehl/Kosten: Besser rechtskräftig werden lassen?

Manchmal ist es eigenartig. Mich hatte vor einiger Zeit ein Kollege danach gefragt, wie mit der Kostenentscheidung umzugehen sei, wenn im Strafbefehlsverfahren ein beschränkter Einspruch gegen einen Strafbefehl Erfolg gehabt habe. Das war/ist die Frage, ob dann § 473 Abs. 3 StPO (entsprechend) anwendbar ist oder nicht. Ich hatte die Frage unter Hinweis auf den Wortlaut des § 473 Abs. 3 StPO – „Rechtsmittel“ verneint. Nun habe ich von einem anderen Kollegen den LG Ingolstadt, Beschl. v. 27.03.2014 – 2 Qs 32/14 übersandt bekommen, der sich mit genau der Frage befasst.

Im Verfahren ging es um die falsche Bildung einer Gesamtgeldstrafe im Strafbefehl, was dann nach Einspruch in der Hauptverhandlung bzw. im Urteil repariert worden ist. Das LG verneint die Anwendbarkeit des § 473 Abs. 3 StPO, was m.E. zutreffend ist.

Not amused bin ich allerdings über die Formulierung:

„Zutreffend ist zwar, dass die Gesamtgeldstrafe im Strafbefehl unter Verstoß gegen § 54 Abs. 2 StGB festgesetzt worden ist. Dies hätte den Beschwerdeführer allerdings nicht daran hindern müssen, den Strafbefehl dennoch rechtskräftig werden zu lassen. Ihm war bekannt, dass bei Einlegung eines Einspruchs weitere Verfahrens- und Verteidigerkosten anfallen.“

Also: Falsche/zu hohe Strafe hinnehmen….? Kann m.E. so nicht richtig sein, wenn es „auch, und in erster Linie darauf ankam, dass wegen der Regelungen in §§ 32 Abs. 2, 46 Abs. 1 Nr. 1 BZRG eine Gesamtgeldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen festgesetzt wird“, worauf das LG selbst hinweist.

Aber das LG zeigt dann (zumindest) einen Weg auf, wie es nach seiner Auffassung hätte richtig laufen können:

„Der Beschwerdeführer hätte die Entstehung der zusätzlichen Kosten möglicherweise dadurch verhindern können, dass er in Absprache mit der Staatsanwaltschaft unbeschränkten Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt hätte, die Staatsanwaltschaft daraufhin den Strafbefehlsantrag zurückgenommen und einen neuen Strafbefehlsantrag mit einer niedrigeren Gesamtgeldstrafe beantragt hätte. Dass der Beschwerdeführer diesen Weg nicht gegangen ist, zeigt, dass er sich die Chance auf eine Herabsetzung der Gesamtgeldstrafe auf nicht mehr als 90 Tagessätze erhalten wollte. Dies war nur möglich, wenn gegen einen Strafbefehl mit einer höheren Gesamtgeldstrafe Einspruch eingelegt wurde. Der Fehler bei der Bildung der Gesamtgeldstrafe im Strafbefehl war daher nicht ursächlich für die durch die Hauptverhandlung und das Urteil zusätzlich entstandenen Kosten und Auslagen.“

Na ja, auch da habe ich so meine Bedenken, ob das – in Bayern !! – machbar gewesen wäre.

 

Wer trägt eigentlich die Kosten für Urinkontrollen?

entnommen wikimedia.org Autor: Jove

entnommen wikimedia.org Autor: Jove

Ein Verurteilter steht unter Führungsaufsicht. Im Rahmen der Weisungen sind ihm vierteljährliche Urinkontrollen (Alkohol- und Drogenscreening) auferlegt (§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB) und es ist bestimmt worden, die dafür entstehenden Kosten, selbst zu tragen. Frage: Muss der Verurteilte die entstehenden Kosten nun tatsächlich immer selbst tragen?

Die Antwort gibt u.a. das KG. Nach seiner im KG, Beschl. v. 01.10.2013 – 2 Ws 476/13 vertretenen Auffassung wohl grundsätzlich ja,aber dann nicht, wenn die Weisung unverhältnismäßig ist.  Und das hat das KG – mit der h.M. – angenommen, denn:

„b) Allerdings teilt der Senat nicht die Auffassung der Strafvollstreckungskammer, dass es dem Verurteilten zuzumuten ist (§ 68b Abs. 3 StGB), die Kosten für die auf zwei Jahre begrenzten Kontrollen zu tragen, und zwar unabhängig davon, wie diese Kosten einzuordnen sind (vgl. Thüringer OLG NStZ-RR 2011, 296; Hanseatisches OLG Bremen NStZ 2011, 216; OLG Dresden NStZ 2009, 268). Unter Berücksichtigung eines Einkommens von 382 Euro (ALG II Regelsatz) erscheinen monatliche Belastungen von ungefähr 25 Euro hierfür zu hoch.“

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2014 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft