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OWi II: Messung mit Dräger ALCOTEST 9510 DE, oder: Ein Lutschbonbon „Fisherman’s Friend“ im Mund

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Die zweite Entscheidung des Tages kommt mit dem OLG Dresden, Beschl. v. 28.04.2021 – OLG 22 Ss 672/20 (B) – vom OLG Dresden. Gegenstand der Entscheidung ist eine Trunkenheitsfahrt nach § 24a Abs. 1 StVG und in dem Zusammenhnag die Frage der Bedeutung der sog. Kontrollzeit. Das AG hatte nicht ausschließen können, dass der Betroffene während der Kontrollzeit von 10 Minuten vor Beginn der Messung mit Dräger ALCOTEST 9510 DE ein Lutschbonbon ‚Fisherman’s Friend‘ im Mund hatte.

Das OLG hat die amtsgerichtliche Verurteilung aufgehoben:

1. Das Amtsgericht hat unter anderem festgestellt:

„Der Betroffene führte unter Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt am 07.12.2018 um 01.18 Uhr in B-Straße/I-Straße den Pkw mit dem amtlichen Kennzeichenpp. mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,25 mg/I oder mehr. Die festgestellte Atemalkoholkonzentration betrug 0,26 mg/I. Die Feststellung der Atemalkoholkonzentration erfolgte mit dem Gerät Dräger ALCOTEST 9510 DE.“

2. Zur Beweiswürdigung führt das Amtsgericht unter anderem aus:

„Im Ergebnis der Beweisaufnahme war der Bußgeldrichter davon überzeugt, dass der Betroffene am 07.12.2018 in B um 01.18 Uhr ein Kraftfahrzeug mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,26 mg/I geführt hat. Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass der Betroffene während der Kontrollzeit von 10 Minuten vor Beginn der Messung ein Lutschbonbon ‚Fisherman’s Friend‘ im Mund hatte. Dieses hatte er zu Beginn der Messung verschluckt. Das durch den Bußgeldrichter eingeholte Gutachten S weist überzeugend nach, dass das Lutschen des Bonbons in der Kontrollzeit keinen Einfluss auf die Messung hat. Der Bußgeldrichter ging daher von einer Atemalkoholkonzentration von 0,26 mg/I nach Durchführung der Beweisaufnahme aus.“

3. Diese Feststellungen und beweiswürdigenden Erwägungen des Amtsgerichts rechtfertigen den angefochtenen Schuldspruch nicht.

Nach den Urteilsfeststellungen konnte der Bußgeldrichter nicht mit „letzter Gewissheit“ ausschließen, dass der Betroffene während der Kontrollzeit ein Bonbon „Fisherman’s Friend‘ eingenommen hat. Diese Einlassung des Betroffenen hat er auch nicht als Schutzbehauptung behandelt, so dass der Senat an diese Feststellungen gebunden ist.

Die Frage der Verwertbarkeit eines unter Nichteinhaltung der zehnminütigen Kontrollzeit gewonnenen Messergebnisses ist mittlerweile in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt.

a) Bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich vorgesehen, dass bei der Atemalkoholbestimmung nur Messgeräte eingesetzt und Messmethoden angewendet werden dürfen, die den im Gutachten des Bundesgesundheitsamtes gestellten Anforderungen genügen (BGHSt, 46, 358 ff.). Nach diesem Gutachten des Bundesgesundheitsamtes besteht für das Messverfahren neben dem Erfordernis einer Kontrollzeit von zehn Minuten vor der Atemalkoholmessung unter anderem die Vorgabe, dass zwischen der Beendigung der Alkoholaufnahme (Trinkende) und der Atemalkoholmessung ein Zeitraum von 20 Minuten verstrichen sein muss. Die vorgeschriebene Kontrollzeit von zehn Minuten vor der ersten Messung dient dazu, die Gefahr der Verfälschung der Messwerte durch Mund- oder Mundrestalkohol auf das Messergebnis auszuschließen. In der sogenannten Kontrollzeit von zehn Minuten muss gewährleistet sein, dass der Betroffene keinerlei Substanzen mehr zu sich genommen hat (OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2006, 250).

b) Wenn diese Kontrollzeit von zehn Minuten nicht eingehalten wird, muss dies zumindest in den Fällen, in denen der Grenzwert gerade erreicht oder nur ganz geringfügig überschritten worden ist, zur Unverwertbarkeit der Messung führen (vgl. OLG Karlsruhe, DAR 2004, 466 für einen AAK-Wert von 0,26 mg/I; OLG Bamberg, BA 45, 197 für einen AAK-Wert von 0,25 mg/l). Nur unter der Voraussetzung, dass binnen eines Zeitraumes von zehn Minuten vor der Messung der Betroffene keinerlei Substanzen, insbesondere alkoholhaltiger Art, mehr im Rachenraum hatte, kann mit Sicherheit gewährleistet werden, dass das mittels des Messgerätes Dräger Evidential 7110 bzw. Dräger ALCOTEST 9510 DE gewonnene Ergebnis nicht durch Rückstände im Rachenraum beeinträchtigt worden ist. Dementsprechend liegt nur bei Einhaltung dieser Kontrollzeit – jedenfalls bei bloßem Erreichen des Grenzwertes bzw. bei nur geringfügiger Überschreitung desselben – ein verwertbares Messergebnis vor (OLG Bamberg, a.a.O.; OLG Karlsruhe, a.a.O.). Wenn somit in Fällen wie dem vorliegenden (AAK von 0,26 mg/l) kein verwertbares Messergebnis vorliegt, so kann auch nicht durch HinzuZie.1 eines Sachverständigen geklärt werden, inwieweit dieses unverwertbare Messergebnis durch die aufgenommenen Fremdsubstanzen beeinflusst worden sein kann (vgl. OLG Bamberg, a.a.O.; OLG Karlsruhe, DAR 2016, 150).

Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat für den Fall der Nichteinhaltung der Kontrollzeit bei Erreichen oder nur geringfügigem Überschreiten des Grenzwertes an.

Mit den Feststellungen des Amtsgerichts in den Urteilsgründen ist somit nicht der Nachweis erbracht, dass sich der Betroffene zur Tatzeit im Sinne des § 24 a Abs. 1 OWiG ordnungswidrig verhalten hat. Das angefochtene Urteil ist deshalb auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hin aufzuheben.“

Nichteinhaltung der Kontrollzeit bei der AAK – Verwertungsverbot ja oder nein?

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Nochmal positioniert hat sich das OLG Karlsruhe im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.10.2015 – 2 (7) SsBs 499/15 – AK 151/15 – in einem Streit, der die OLG-Rechtsprechung seit einiger Zeit beschäftigt. Nämlich bei der Frage: Welche Auswirkungen hat die Nichteinhaltung der sog. Kontrollzeit bei einer Atemalkoholmessung im Rahmen des § 24a Abs. 1 StVG. Verwertungsverbot, ja oder nein, wenn die Kontrollzeit nicht beachtet worden ist. Das AG hatte den Betroffenen frei gesprochen, eben weil die zehnminütige Kontrollzeit nicht eingehalten worden sei. Deren Einhaltung sei unabdingbar. Nur bei Einhaltung der Kontrollzeit könne ein verwertbares Messergebnis vorliegen.

Das OLG sieht das anders:

„Die festgestellte Nichteinhaltung der zehn Minuten dauernden Kontrollzeit, die dazu dient die Gefahr der Verfälschung der Messwerte durch eine kurz vor der Messung erfolgte Einnahme von möglicherweise die Messung beeinflussenden Substanzen auszuschließen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19.4.2004, 1 Ss 30/04, NZV 2004, 426; Schoknecht, Beweissicherheit der Atemalkoholanalyse, Gutachten des Bundesgesundheitsamtes, Unfall- und Sicherheitsforschung Straßenverkehr, Heft 86, S. 12), führt entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht generell zu einer Unverwertbarkeit des Messergebnisses (so auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 2.7.2010, 4 Ss 369/10, BA 47, 360; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 4.2.2011, 3 (4) SsBs 803/10).

Die Nichteinhaltung der zehnminütigen Kontrollzeit stellt nur in den Fällen, in denen der Grenzwert gerade erreicht (OLG Bamberg, Beschluss vom 27.11.2007, 2 Ss OWi 1489/07, BA 45, 197) oder nur geringfügig – um 0,01 mg/l – überschritten wurde (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19.4.2004, 1 Ss 30/04, NZV 2004, 426), einer Verwertbarkeit grundsätzlich entgegen, weil der gewonnene Messwert nur dann ohne Sicherheitsabschlag verwertbar ist, wenn die Bedingungen für ein gültiges Messverfahren gewahrt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 3.4.2001, 4 StR 507/00, BGHSt 46, 358; OLG Stuttgart, Beschluss vom 2.7.2010, 4 Ss 369/10, BA 47, 360).

Angesichts dessen, dass vorliegend der Grenzwert – worauf die Revisionsführerin zutreffend hinweist – nicht geringfügig, sondern um 8% bzw. 0,02 mg/l überschritten wurde und die in der Kontrollzeit eingenommenen Substanzen festgestellt werden konnten, kommt eine Verwertbarkeit der Messung auch unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlags in Betracht. Ob und ggfs. in welcher Art und Weise das festgestellte Rauchen einer Zigarette und das Trinken von Wasser während der Kontrollzeit die Messung beeinträchtigt haben könnte und in welcher Höhe ggfs. ein Sicherheitsabschlag vorzunehmen ist, lässt sich mit sachverständiger Hilfe aufklären (OLG Stuttgart, Beschluss vom 2.7.2010, 4 Ss 369/10, BA 47, 360; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 4.2.2011, 3 (4) SsBs 803/10). Ein allgemeiner Grundsatz, dass Bedienungsfehler bei standardisierten Messverfahren – hierzu gehört auch die Verwendung eines Atemalkoholgeräts, das die Bauartzulassung für die amtliche Überwachung des Straßenverkehrs erhalten hat (BGH, Beschluss vom 3.4.2001, 4 StR 507/00, BGHSt 46, 358) – generell zu deren Unverwertbarkeit führen (so OLG Hamm Beschluss vom 24.1.2008, 2 Ss OWi 37/08, NZV 2008, 260), existiert nicht. Vielmehr hat der Tatrichter bei konkreten Anhaltspunkten für Messfehler, die Zuverlässigkeit der Messung – ggfs. mit sachverständiger Hilfe – zu prüfen (vgl. für standardisierte Messverfahren der Geschwindigkeitsmessung, BGH, Beschluss vom 19.8.1993, 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291 und Beschluss vom 30.10.1997, 4 StR 24/97, BGHSt 43, 277).“

M.E. im Hinblick auf die Entscheidung des BGH zur Atemalkoholmessung nicht richtig. Vielleicht legt ja dann auch diese Frage (endlich) mal ein OLG dem BGH vor.

„Konsum“ von Fisherman’s Friend und die Atemalkoholkontrolle

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist die Frage, welche Folge es hat, wenn die sog. Warte- und Kontrollzeiten bei der Atemalkoholmessung nicht eingehalten werden, unter den OLG umstritten. Das OLG Hamm (VA 2007, 35 = VRR 2007, 70 = VRS 114, 292, 294) hat in diesen Fällen die Messung insgesamt als unverwertbar angesehen. Dem hat sich das OLG Bamberg (OLG Bamberg VA 2008, 31 = VRR 2008, 153 = StRR 2008, 196) jedenfalls für den Fall angeschlossen, in dem der Grenzwert gerade erreicht ist.

Das OLG Stuttgart hält demgegenüber nun in seinem Beschl. v.02.07.2010 – 4 Ss 369/10, über den auch schon hier berichtet worden ist, – eine generelle Unverwertbarkeit der Messung für nicht angezeigt und schließt sich damit den Obergerichten an, die die Messung auch verwerten, wenn die Wartezeit von 20 Minuten nicht eingehalten ist (so etwa OLG Celle NZV 2004, 318; OLG Karlsruhe NJW 2006, 1988 = VA 2006, 140 (Ls.) = NZV 2006, 438 = VRR 2006, 355; so jetzt auch OLG Hamm VA 2010, 50 = VRR 2010, 156).

Das begründet das OLG u.a. mit einem vom AG eingeholten SV-Gutachten. Das wird im Beschluss teilweise mitgeteilt. Interessant :-), wenn es dort heißt:

Der Sachverständige führte aus, dass, die Richtigkeit der Angaben des Betroffenen unterstellt, zwar die Durchführungsbedingungen für das ALCO-TEST-Messgerät Dräger nicht eingehalten seien, da in den letzten 10 Minuten vor der Durchführung der Messung keine fremde Substanz in die Mundhöhle gelangt sein dürfe, dies jedoch vorliegend nicht zu einer Verfälschung des Messergebnisses führe, das außerhalb der erlaubten Messschwankungsbreiten liegt. Derartige Verfälschungen seien bislang bei keiner der untersuchten Fremdsubstanzen festgestellt worden. Zwar sei zu berücksichtigen, dass die Untersuchungen zum Einfluss von Fremdsubstanzen in der Mundhöhle bei Atemalkoholmessungen bislang überwiegend bei alkoholnüchternen Probanden durchgeführt worden seien, so dass bei bereits alkoholisierten Probanden unter Umständen eine Zuordnung geringfügig abweichender Werte zu unvermeidbaren Messfehlerschwankungen oder durch die Fremdsubstanz verursachten Verfälschungen nicht sicher erfolgen könne, jedoch sei von Abweichungen von maximal 0.02 mg/l auszugehen.

Eine solche Abweichung sei lediglich bei Untersuchungen nach dem Konsum eines „Fisherman’s Friend“-Bonbons festgestellt worden; bei sämtlichen anderen Fremdsubstanzen wie Kaugummis und Lutschbonbons sei es zu keinen Verfälschungen gekommen. Der Sachverständige führte überdies aus, dass sich beim bloßen Lutschen an einem Kaugummi oder einem Bonbon weitaus weniger Fremdsubstanzen in der Mundhöhle lösten, als dies beim Kauen der Fall sei.“

Also: Auf zu Fischerman’s Friend?