Schlagwort-Archive: Haftungsverteilung

Verlassen eines Grundstücks – da muss man besonders aufmerksam sein

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Keine bahnbrechenden neuen Aussagen enthält das AG Schwarzenbek, Urt. v. 23.05.2016 – 2 C 741/15. Es erinnert aber noch einmal an die Sorgfaltspflichten des Fahrzeugführers bei Verlassen einer Einfahrt (§ 10 StVO). Dann gilt: Ein Fahrzeugführer hat sich bei Verlassen einer Einfahrt so zu verhalten, dass eine Gefährdung vorfahrtberechtigter anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Verletzt er diese Pflichten, tritt die Betriebshaftung des Fahrzeuges des Vorfahrtberechtigten hinter dieses Verschulden zurück und der die Einfahrt Verlassende haftet voll:

„Dementsprechend hat die Beklagte zu 2) den ihr obliegenden Beweis, dass sie dem Kläger ein gefahrloses Vorbeifahren an ihrem Fahrzeug ermöglicht hätte, nicht erbracht hat. Vielmehr hat sie durch ihre Fahrweise den Kläger zu einer Vollbremsung und einem anschließenden Ausweichmanöver gezwungen, um einen Zusammenstoß mit ihrem Fahrzeug zu vermeiden. Aufgrund der Verletzung dieser Kardinalpflicht aus § 8 StVO konnte und musste die von dem Fahrzeug des Klägers ausgehende Betriebsgefahr unberücksichtigt bleiben, so dass die Beklagten grundsätzlich zu 100 % haften.“

Unfall beim rückwärts Einparken, wie wird gehaftet?

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Aus der Serie der „Haftungsverteilungsentscheidungen“ nach einem Verkehrsunfall stammt das LG Saarbrücken, Urt. v. 15.07.2016 – 13 S 20/16. Zu dem Unfall kam es, als der Kläger mit seinem Kfz beim Einparken in eine freie Parkbucht – gelegen in einer Sackgasse in der Innenstadt – rückwärts gegen das Fahrzeug des Beklagten stieß. Hierbei wurden beide Fahrzeuge beschädigt. Das AG hat die Klage abgewiesen. Nach eigenen Angaben habe der Kläger den Unfall beim Rückwärtsfahren verschuldet, während den Erstbeklagten kein nachweisbares Verschulden treffe und sein Mitverursachungsanteil jedenfalls hinter dem groben Verschulden des Klägers zurücktrete.

Das LG sieht es anders und kommt zu „halbe/halbe“:

„2. Im Rahmen der nach § 17 Abs. 1, 2 StVG gebotenen Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile hat das Erstgericht zu Lasten des Klägers angenommen, diesen treffe ein Sorgfaltsverstoß beim Rückwärtsfahren, wofür ein Anscheinsbeweis spreche. Dies ist im Ergebnis zutreffend. Allerdings ergibt sich dies nicht, wie das Erstgericht annimmt, aus einem Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO. Die Vorschrift dient primär dem Schutz des fließenden und deshalb typischerweise schnelleren Verkehrs und ist auf Flächen, die nicht dem fließenden Verkehr dienen, wie etwa auf öffentlichen Parkplätzen, nicht unmittelbar anwendbar (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.2015 – VI ZR 6/15 NJW 2016, 1098 m.w.N.). Dies gilt auch für die Straße ppp., die ausweislich der Verkehrsunfallanzeige der den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten verkehrsberuhigter Bereich i.S.v. § 42 StVO (Zeichen 325.1 u. 2) ist. Dieser dient, wie § 10 StVO zeigt, ebenfalls nicht (primär) dem fließenden Verkehr (Kammerurteile v. 20.07.2007, DAR 2008. 216 und vom 01.04.2015 – 13 S 165/14, DAR 2015, 343; a.A. LG Düsseldorf Schaden-Praxis 2013, 321; LG Stendal Schaden-Praxis 2008, 249 für § 14 StVO), sondern verpflichtet den Verkehrsteilnehmer ähnlich wie auf dem Parkplatz wegen des vorrangigen Fußgängerverkehrs und der erlaubten Kinderspiele so langsam zu fahren, dass jederzeit so-fort angehalten werden kann (Vgl. OVG Münster, zfs 1998, 76; LG Saarbrücken a.a.O.). In verkehrsberuhigten Zonen kommt deshalb wie auf Parkplätzen § 1 Abs. 2 StVO zur Anwendung (vgl. Lafontaine in: Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR, § 42 StVO Rdn. 71 m.w.N.). Gleichwohl führt auch die Anwendung von § 1 Abs. 2 StVO dazu, dass ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden desjenigen spricht, der – wie hier der Kläger – während des Rückwärtsfahrens mit einem anderen Verkehrsteilnehmer zusammenstößt (BGH a.a.O.).

3. Ein Mitverschulden des Erstbeklagten ergibt sich entgegen der Berufung nicht daraus, dass dieser entgegen § 9 Abs. 5 StVO in ein Grundstück eingebogen wäre. Ungeachtet der Frage, ob eine Parkbucht als Grundstück i.S.d. § 9 Abs. 5 StVO eingeordnet werden kann (zum Meinungsstreit etwa Saarl. OLG, MDR 2015, 647; Kammer, Urteil vom 21.11.2014 – 13 S 138/14, NZV 2015, 247), kommt § 9 Abs. 5 StVO bereits aus dem unter 2) Ausgeführten nicht zur Anwendung. Auch insoweit fehlt es an dem von § 9 Abs. 5 StVO geschützten fließenden Verkehr.

3. Mit Recht macht die Berufung allerdings geltend, dass der Erstbeklagte den Vorrang des Klägers beim Einparken verletzt hat. Gem. § 12 Abs. 5 StVO hat an einer Parklücke Vorrang, wer sie zuerst erreicht; dies ist nicht auf den fließenden Verkehr beschränkt, gilt also auch auf Parkplätzen und – wie hier – in verkehrsberuhigten Bereichen. Der Vorrang bleibt erhalten, auch wenn der Berechtigte an der Parklücke vorbeifährt, um rückwärts einzuparken (zum Ganzen Heß in: Burmann u.a., Straßenverkehrsrecht, § 12 Rn. 78 m.w.N.). So liegt es hier. Der Kläger hatte die Parklücke zuerst erreicht, mithin Vorrang, auch wenn er zunächst nach rechts einbog, um dann rückwärts in die Parklücke zu fahren. Ausweislich der Unfalldarstellung der Polizei, denen der Erstbeklagte in seiner mündlichen Anhörung nicht entgegengetreten ist, beabsichtigte auch der Erstbeklagte in die Parklücke einzufahren. Dem entspricht die Unfallendstellung des Beklagtenfahrzeuges, wie sie auf dem Lichtbild Bl. 38 d.A. festgehalten ist. Danach war der Erstbeklagte dabei, in die Parklücke einzufahren, ob-wohl er den Vorrang des Klägers berücksichtigen musste. Ob er vor der Kollision angehalten und gehupt hatte, wie er behauptet, ist insoweit unerheblich. Denn er hat ungeachtet dessen den Vorrang des Klägers schon dadurch unfallursächlich verletzt, dass er zum Einfahren in die Parklücke angesetzt und diese auch bereits erreicht hatte.

4. Im Rahmen der Haftungsabwägung steht die um das Verschulden beim Rückwärtsfahren erhöhte Betriebsgefahr des Klägerfahrzeuges der durch die Vorrangverletzung erhöhten Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs gegenüber. Die Kammer hält die gegenseitigen Verursachungsanteile letztlich für gleichwertig. Zwar hat sich einerseits die besondere Gefährlichkeit des Rückwärtsfahrens im Unfallhergang niedergeschlagen. Andererseits hätte der Erstbeklagte den Unfall dadurch verhindert, wenn er zunächst abgewartet hätte, ob der bevorrechtigte Kläger – wie dies nahelag – in die Parklücke einfährt, bevor er seinerseits zum Einfahren in die Parklücke ansetzte. Vor diesem Hintergrund ist der von Klägerseite geltend gemachte Haftungsanteil von 50% zu Lasten der Beklagtenseite nicht zu beanstanden.“

Zusammenstoß schleudernder/entgegenkommender Pkw – wer haftet wie?

entnommen wikimedia.org Author Fotograf: Stefan Lampert

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Und nach dem KG, Urt. v. 15.01.2015 – 22 U 68/11 (und dazu: HWS/Schleudertraum, Haushaltsführungsschaden und das KG) noch mal Schleudern. Jetzt aber kein Schleudertraum, sondern ein schleudernder Pkw und die Frage der Haftungsverteilung, wenn der mit einem entgegenkommenden Fahrzeug, zusammenstößt. Das OLG München, Urt. v. 30.10.2015 – 10 U 2360/14, sagt: Der schleudernde Pkw haftet – im entschiedenen Fall – voll:

c“) Den Beklagten ist zuzugeben, dass auch dem Kläger der Nachweis, dass der Unfall für ihn unvermeidbar gewesen sei und selbst ein Idealfahrer den Unfall nicht hätte verhindern können, nicht gelungen ist (Schriftsatz v. 15.09.2015, Bl. 166/167 d. A.). Dies ist jedoch nach Ansicht des Senats im Streitfall nicht erforderlich, weil hinter dem schwerwiegenden Verkehrsverstoß der Beklagten zu 1) und deren gewichtigen Verschulden selbst die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs zurückzutreten hat. Die Beklagte zu 1) hat gegen das Gebot rechtmäßiger Fahrbahnbenutzung und das – auch den Gegenverkehr schützende – Rechtsfahrgebot (2 I 1, II StVO) verstoßen, was auf anscheinsbeweislich festgestellter Alkoholisierung im Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit beruhte. Ergänzend wird auf die Hinweise vom 21.09.2015 (S. 3/4 = Bl. 170/171 d. A.) Bezug genommen.

Der Senat ist deswegen davon überzeugt, dass die Beklagte zu 1) den streitgegenständlichen Unfall allein verursacht und verschuldet hat. Somit können die Beklagten dem Kläger im Rahmen der Abwägung nach § 17 I, II StVG lediglich die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs entgegengehalten, die jedoch angesichts eines schweren Verkehrsverstoßes zurückzutreten hat.

Begegnung auf schmaler Straße, oder: Verständigungspflicht

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Ich habe schon länger keine Entscheidung mehr aus der Reihe: Haftungsverteilung bzw. Sorgfaltspflichten im Straßenverkehr, vorgestellt. In die passt dann aber jetzt das OLG Hamm, Urt. v. 07.06.2016 – 9 U 59/14 -, das sich zu den Verhaltensregeln bei der Begegnung von zwei Fahrzeugen verhält, wenn für die Begegnung/das „Aneinandervorbeifahren“ an sich nicht genug Platz vorhanden ist. Nach dem Sachverhalt begegneten sich auf einer (nur)  5,8 m breiten Straße zwei Traktoren, und zwar der Traktor des Klägers mit angehängtem Grubber und der Traktor des Beklagten mit angehängtem Fasswagen zum Transport von Gülle. Die Geschwindigkeit des Gespanns des Klägers betrug ca. 35 – 40 km/, das des Beklagten ca. 30 km/h. Die Abmessungen der angehängten Arbeitsgeräte in der Breite betrugen 2,85 m bzw. 3,03 m. Als die Fahrzeuge etwa auf gleicher Höhe waren, lenkte der Fahrer des Klägertraktors sein Gespann auf den rechtsseitig gelegenen Grünstreifen. Dabei geriet er mit den rechten Reifen des Traktors in eine mit Gras bewachsene Bodenmulde. Infolgedessen kippte das Gespann auf die Seite. Das LG hat dem Kläger hälftigen Ersatz seines Schadens aus dem Verkehrsunfall zugesprochen. Dabei hat das LG mangels Nachweises eines Verschuldens der Beteiligten bei der nach § 17 Abs. 2 StVG vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge lediglich die von beiden Fahrzeugen ausgehende Betriebsgefahr berücksichtigt. Dagegen die Berufung des Beklagten, die beim OLG keinen Erfolg hatte.

Das OLG kommt zu folgenden amtlichen Leitsätzen:

  1. Eine Begegnung darf nur dann in beiderseitiger zügiger Fahrt durchgeführt werden, wenn zwischen den sich begegnenden Fahrzeugen unter Berücksichtigung des nötigen Abstandes zum rechten Fahrbahnrand ein Seitenabstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann.
  2. Kann dieser Seitenabstand nicht eingehalten werden, muss nach § 1 Abs. 2 StVO sein Fehlen durch eine besonders vorsichtige Durchführung der Begegnung und Herabsetzung der beiderseitigen Fahrgeschwindigkeiten ausgeglichen werden.
  3. Reicht auch dies nicht, so haben beide Fahrzeugführer anzuhalten und sich darüber zu verständigen, welcher von ihnen am stehenden Fahrzeug des anderen in langsamer Fahrt vorbeifährt.

Auf der Grundlage geht das OLG von einer gleichmäßigen Haftungsverteilung aus:

„….Die Breite beider Fahrzeuge erlaubte in keinem Fall ein gegenseitiges Passieren unter alleiniger Nutzung der Fahrbahnbreite von 5,80 m. Selbst unter Inanspruchnahme der 20 cm breiten Bankette war ein Aneinandervorbeifahren, insbesondere unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden seitlichen Wankbewegungen, und des aus diesem Grund einzuhaltenden ausreichenden Seitenabstandes nicht problemlos möglich. Um eine Kollision im Begegnungsverkehr sicher auszuschließen, musste der Zeuge E mit seinem Traktor in den Grünstreifen ausweichen. Beide Fahrzeugführer hätten daher ihre Geschwindigkeit in der gegenseitigen Annäherung gegebenenfalls bis zur Schrittgeschwindigkeit reduzieren und notfalls anhalten müssen, um – gegebenenfalls nach vorheriger Verständigung – ein gefahrloses Passieren zu ermöglichen. Diesen erhöhten Sorgfaltsanforderungen haben beide Fahrzeugführer nicht Rechnung getragen. Beide sind mit einer für die konkrete Situation unangepassten Geschwindigkeit aufeinander zugefahren und haben gegenseitig darauf vertraut, dass der jeweils andere noch weiter Platz schafft. Unangemessen ist dabei nicht nur die Geschwindigkeit des Zeugen E, die dieser mit 35 km/h bis 40 km/h bei Ausweichen auf den Grünstreifen angegeben hat. Auch die von dem Beklagten zu 1) bei seiner persönlichen Anhörung durch den Senat eingeräumte, und nicht weiter reduzierte Geschwindigkeit von ca. 30 km/h ist mit Blick auf die nicht ausreichende Straßenbreite deutlich übersetzt, weil sie eine angemessene Reaktion auf die konkrete Situation nicht zulässt…“

Und das führt dann zu Halbe/Halbe.

Zusammenstoß wartepflichtiger Rechtsabbieger/Vorfahrtsberechtigter – wer haftet wie?

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Fährt ein Wartepflichtiger aus einer untergeordneten Straße nach rechts in eine bevorrechtigte Straße ein und stößt er in dem durch die Vorfahrt geschützten Bereich mit einem vorfahrtsberechtigten Fahrzeug zusammen, spricht gegen den Wartepflichtigen jedenfalls dann der Anscheinsbeweis, wenn er – etwa wegen der Straßenbreite – nicht darauf vertrauen durfte, dass er ohne Behinderung oder Gefährdung des bevorrechtigten Verkehrs in die Straße einfahren durfte. Das ist das Fazit aus dem LG Saarbrücken, Urt. v. 29.04.2016 – 13 S 3/16, das dann im Rahmen der Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG zu einer Alleinhaftung des Klägers, des wartepflichten Rechtsabbiegers, kommt:

„a) Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Verstoß des Vorfahrtsberechtigten gegen das Rechtsfahrgebot nach § 2 Abs. 2 StVO in Fällen wie hier zu einer Mithaftung des Vorfahrtsberechtigten wegen erhöhter Betriebsgefahr seines Fahrzeugs führen kann (vgl. KG, NZV 2007, 406; OLG Köln, VersR 1998, 1044; OLG Oldenburg, Schaden-Praxis 2002, 227; Thüring. OLG, DAR 2000, 570; Kammer, Urteil vom 18.09.2015 – 13 S 58/15). Von einem unfallursächlichen Verstoß gegen § 2 Abs. 2 StVO kann hier allerdings nicht ausgegangen werden.

aa) Gemäß § 2 Abs. 2 StVO ist möglichst weit rechts zu fahren. Bei der Beurteilung, ob ein Vorfahrtsberechtigter gegen dieses Gebot verstoßen hat, ist aber stets zu berücksichtigen, dass jeder Verkehrsteilnehmer auf der vorfahrtsberechtigten Straße grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass einbiegende Fahrzeuge sein Recht beachten und ihn vorbeilassen werden, bevor sie einbiegen. Dies gilt auch dann, soweit er nicht ganz rechts fährt (vgl. OLG Köln, VersR 1998, 1044). Das Rechtsfahrgebot bedeutet deshalb nicht, äußerst rechts oder soweit technisch möglich rechts zu fahren (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.05.2011 – I-1 U 232/07, juris; OLG Zweibrücken, VRS 74, 420). Es gilt auch nicht starr, sondern gewährt je nach den Umständen im Rahmen des Vernünftigen einen Spielraum (vgl. BGHZ 74, 25; OLG Stuttgart, OLG-Report 2007, 254; OLG Naumburg, OLG-Report 2004, 352). Welche Anforderungen das Rechtsfahrgebot im konkreten Fall stellt, ist daher unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Örtlichkeit, der Fahrbahnbreite und -beschaffenheit, der Fahrzeugart, eines vorhandenen Gegenverkehrs, der erlaubten und der gefahrenen Geschwindigkeit sowie der jeweiligen Sichtverhältnisse zu bestimmen (vgl. BGHZ 74, 25; OLG Stuttgart, VRS 128, 145; OLG Hamm, DAR 2004, 90).

bb) Hiervon ausgehend ist ein unfallursächlicher Verstoß der Erstbeklagten gegen das Rechtsfahrgebot nicht nachgewiesen. Denn die Verkehrssituation war – wie bereits gezeigt – aufgrund der Verengung der Fahrbahn, insbesondere durch beiderseits parkende Fahrzeuge, dadurch geprägt, dass für den Wartepflichtigen mit Gegenverkehr auf der eigenen Fahrbahnhälfte zu rechnen war und somit alleine durch möglichst weites Rechtsfahren der konkreten Gefahr einer Frontalkollision nicht sicher begegnet werden konnte (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.05.2011 – I-1 U 232/07, juris).

b) Entgegen der Auffassung der Berufung lässt die vorliegende Fallgestaltung auch keinen Raum für eine Mithaftung der Beklagten aus der einfachen Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs. Vielmehr gilt auch hier, dass die einfache Betriebsgefahr des bevorrechtigten Fahrzeugs grundsätzlich gegenüber dem Verkehrsverstoß gegen § 8 StVO zurücktritt und die Alleinhaftung des Wartepflichtigen begründet (vgl. OLG München, Urteil vom 29.07.2011 – 10 U 1131/11, juris; Kammer, st. Rspr.; vgl. Urteile vom 01.02.2013 – 13 S 176/12, Zfs 2013, 378). Diese Beurteilung folgt aus der besonderen Bedeutung der Vorfahrtsregelung, die dem wartepflichtigen Verkehrsteilnehmer die Pflicht zu erhöhter Sorgfalt auferlegt und deren Verletzung daher besonders schwer wiegt (so bereits BGH, Urteil vom 18.09.1964 – VI ZR 132/63, VersR 1964, 1195; vgl. auch BGH, Urteil vom 23.06.1987 – VI ZR 296/86, VersR 1988, 79).“