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Verschulden des Rechtsanwalts an Fristversäumung, oder: Unvorhergesehener Ausfall des Rechtsanwalts

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Im zweiten Posting dann hier der BGH, Beschl. v. 24.04.2025 – III ZB 81/24 – noch einmal zum Verschulden des Rechtsanwalts an einer Fristversäumung. Dazu führt der BGH aus:

„2. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Die Annahme eines Verschuldens ihres Prozessbevollmächtigten, das sich die Beklagte gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

a) Danach muss ein Rechtsanwalt allgemeine Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt. Er muss seinem Personal die notwendigen allgemeinen Anweisungen für einen solchen Fall geben. Ist er als Einzelanwalt ohne eigenes Personal tätig, muss er zumutbare Vorkehrungen für einen Verhinderungsfall treffen. Auf einen krankheitsbedingten Ausfall muss sich der Rechtsanwalt aber nur durch konkrete Maßnahmen vorbereiten, wenn er einen solchen Ausfall vorhersehen kann. Wird er unvorhergesehen krank, muss er nur das unternehmen, was ihm zur Fristwahrung dann noch möglich und zumutbar ist (Senat, Beschluss vom 2. Juni 2016 – III ZB 2/16, NJW-RR 2016, 1022 Rn. 8; BGH, Beschlüsse vom 8. August 2019 – VII ZB 35/17, NJW 2020, 157 Rn. 12 und vom 16. April 2019 – VI ZB 44/18, NJW-RR 2019, 1207 Rn. 11). Diese Grundsätze gelten auch, wenn ein Rechtsanwalt die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels bis zum letzten Tag ausschöpft und daher wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden hat, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. August 2019 aaO Rn. 13 und vom 22. Oktober 2014 – XII ZB 257/14, NJW 2015, 171 Rn. 18).

Die fristwahrenden Maßnahmen eines unvorhergesehen erkrankten Einzelanwalts ohne eigenes Personal können sich darin erschöpfen, die Vertretung, für die er zuvor im Rahmen der ihm obliegenden allgemeinen Vorkehrungen für Verhinderungsfälle Vorsorge zu treffen hatte, zu kontaktieren und um die Beantragung einer Fristverlängerung zu bitten (BGH, Beschlüsse vom 8. August 2019 und vom 16. April 2019; jeweils aaO). Auch bei einer unvorhergesehenen Erkrankung muss ein Rechtsanwalt aber alle ihm dann noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Wahrung einer Frist ergreifen. An einem dem Verfahrensbeteiligten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden seines Rechtsanwalts fehlt es nur, wenn infolge der Erkrankung weder kurzfristig ein Vertreter eingeschaltet noch ein Fristverlängerungsantrag gestellt werden konnte (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2014 aaO Rn. 19).

Der Rechtsanwalt hat durch geeignete organisatorische Vorkehrungen dafür Sorge zu tragen, dass Fristversäumnisse möglichst vermieden werden. Hierzu gehört nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung die allgemeine Anordnung, bei Prozesshandlungen, deren Vornahme ihrer Art nach mehr als nur einen geringen Aufwand an Zeit und Mühe erfordert, wie dies regelmäßig bei Rechtsmittelbegründungen der Fall ist, außer dem Datum des Fristablaufs noch eine grundsätzlich etwa einwöchige Vorfrist zu notieren. Die Vorfrist dient dazu sicherzustellen, dass auch für den Fall von Unregelmäßigkeiten und Zwischenfällen noch eine ausreichende Überprüfungs- und Bearbeitungszeit bis zum Ablauf der zu wahrenden Frist verbleibt (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2023 – VI ZB 53/22, NJW-RR 2024, 266 Rn. 9 mwN). Hat ein Rechtsanwalt nicht alle ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Wahrung einer Berufungsbegründungsfrist ergriffen, geht es zu seinen Lasten, wenn nicht festgestellt werden kann, dass die Frist auch bei Durchführung dieser Maßnahmen versäumt worden wäre (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 2023 aaO Rn. 12 mwN).

b) Nach diesen Maßgaben ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht eine Wiedereinsetzung abgelehnt hat, weil ein der Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist vorliegt….“

Wiederanfahren nach Halten in „zweiter Reihe“, oder: In „zweiter Reihe“ nicht verkehrsbedingt auf Busspur

Im „Kessel-Buntes“ köcheln heute dann zwei zivilrechtliche Entscheidungen, die mit Verkehrsrecht zu tun haben, und zwar einmal KG und einmal AG Brandenburg.

Ich starte mit dem KG. Es handelt sich um das KG, Urt. v. 27.03.2025 – 22 U 29/24. Das KG nimmt Stellung zu den Sorgfaltspflichten beim Wiederanfahren nach Halten in „zweiter Reihe“.

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beklagte zu 1. stand mit seinem Pkw auf der Busspur neben dem auf dem rechten Parkstreifen stehenden Pkw der Zeugin K. in zweiter Reihe. Der Zeuge G. war Beifahrer des Beklagten zu 1. Der Zeugin K., die in ihrem Pkw saß, wurden aus dem Pkw des Beklagten zu 1. heraus Schlüssel übergeben und ein kurzes Gespräch geführt. Der Beklagte zu 1. fuhr, die Vorderräder des Pkw leicht links eingeschlagen, an, weshalb sein Pkw mit dem des Klägers zusammenstieß, der in diesem Moment von dem linken Fahrstreifen an der dafür vorgesehenen Stelle (Leitlinien Zeichen 340) die (mittlere) Busspur (Zeichen 245 [Bussonderfahrstreifen]) querte, um den Rechtsabbiegerfahrstreifen zu erreichen.

Das LG hat die Klage nur in Höhe von 1/3 als begründet angesehen. Dagegen die Berufung des Klägers, die in vollem Umfang Erfolg hatte.

„Die daran anknüpfende rechtliche Beurteilung des Landgerichts hinsichtlich des Mitverschuldens und der Anteile des Klägers und des Beklagten zu 1. vermag der Senat nicht zu teilen.

1. Der Beklagte zu 1. verschuldete den Unfall vielmehr allein.

a) Zwar ist zutreffend, dass das Anfahren aus zweiter Reihe nicht durch den Wortlaut des § 10 S. 1 StVO („vom Fahrbahnrand anfahren“) erfasst wird. Jedoch besteht bei einem Anfahren vom Fahrbahnrand und dem Anfahren aus zweiter Reihe eine vergleichbare Situation, die keinen wesentlichen Unterschied bedeutet, sondern das Erkennen des Anfahrens für andere Verkehrsteilnehmer eher zusätzlich erschwert, weil nicht aus einer Lücke ausgefahren, sondern aus dem Stand unvermittelt losgefahren wird. Das Landgericht übersieht, dass der Verordnungsgeber für ohnehin verbotene (rechtswidrige) Sachverhalte Regelungen nicht treffen muss, weshalb das unzulässige Parken bzw. das grundsätzlich unzulässige Halten in zweiter Reihe (§ 12 Abs. 4 StVO; vgl. König in: Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 48. Auflage (2025), § 12 StVO Rn. 40, 60; Schubert in: Münchener Kommentar, StVR, Band 1, 1. Aufl. § 12 StVO Rn. 87 ff.; Freymann in: Geigel, Haftpflichtprozess, 29. Aufl., Kap. 27 Rn. 369; BGH, Beschluss vom 3.10.1978 – 4 StR 263/78NJW 1979, 224 f.) naturgemäß nicht in die Spezialregelung des § 10 StVO einbezogen ist, obwohl der Sachverhalt und die Gefährdungslage prinzipbedingt nicht abweichen. Den Bussonderfahrstreifen durfte der Beklagte nicht benutzen. Auf ihm darf auch nicht gehalten werden (vgl. Zeichen 245 Nr. 1 [Benutzungsverbot] und Nr. 3., der selbst Taxis das Halten nur im Haltestellenbereich erlaubt; VwV zu Zeichen 245 Bussonderfahrstreifen IV.: „Die Funktionsfähigkeit der Sonderfahrstreifen hängt weitgehend von ihrer völligen Freihaltung vom Individualverkehr ab.“). Die Grundsätze müssen deshalb für das Anfahren aus zweiter Reihe erst recht gelten, weil andernfalls derjenige, der ohnehin schon gegen das Recht verstößt, gegenüber dem rechtmäßig parkenden oder haltenden Verkehrsteilnehmer besser gestellt wäre. Im Rahmen der allgemeinen Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflicht (§ 1 Abs. 2 StVO) gelten daher die gleichen Anforderungen und Grundsätze. Es besteht eine gesteigerte Sorgfaltspflicht, die Absicht zum Einfahren in den fließenden Verkehr ist rechtzeitig (mindestens 5 s zuvor) anzuzeigen (selbst bei Geradeausfahrt im Fahrstreifen) und dessen Vorrang zu beachten. Ferner gelten die zu § 10 StVO entwickelten Grundsätze hinsichtlich des Anscheinsbeweises für die Verletzung dieser Pflichten (Senat, [Hinweis-] Beschluss vom 17. November 2022 – 22 U 50/22; vgl. Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 48. Auflage (2025), § 10 StVO Rn. 7, 10; Burmann in: Burmann u.a., Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl., § 10 StVO Rn. 12; Scholten in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl. [Stand: 24.02.2025], § 10 StVO Rn. 38).

b) Der Beklagte zu 1. musste (und wollte ausweislich des Einschlages der Vorderräder) die Busspur nach links verlassen. Für ihn und nicht den Kläger – wie noch unten ausgeführt wird – galt daher bereits beim Einleiten des bevorstehenden Fahrstreifenwechsels durch Anfahren aus zweiter Reihe zusätzlich die Pflicht zur äußersten Sorgfalt und Beachtung des Vorrangs des fließenden Verkehrs gemäß § 7 Abs. 5 StVO (Burmann in: Burmann u.a., Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl., § 10 StVO Rn. 4; LG Frankfurt a. M. LG Frankfurt, Urteil vom 19. Juli 1993 – 2/24 S 131/92 –, juris = DAR 1993, 393).

c) Ein Vorrang des Beklagten zu 1. hätte sich – unterstellt, er hätte die Busspur verbotswidrig weiterhin befahren wollen – auch nicht aus § 9 Abs. 3 S. 2 StVO ableiten lassen. Ihn musste der Kläger nicht durchfahren lassen. Die Regelung bevorrechtigt ausschließlich (im gleichgerichteten Verkehr) benutzungsberechtigte Verkehrsteilnehmer, wie u.a. Linienbusse (KG, Beschluss vom 03.12.2009 – 12 U 32/09 – beck-online; Senat, Urteil vom 14.12.2017 – 22 U 31/16 – beck-online = r+s 2018, 36; Freymann in: Geigel, Haftpflichtprozess, 29. Aufl., Kap. Rn. 287; Burmann in: Burmann u.a., Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl., § 9 StVO Rn. 38; König in: Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 48. Auflage (2025), § 9 StVO Rn. 39; anders im Begegnungsverkehr: KG, Beschluss vom 3. 12. 2007 – 12 U 191/07NZV 2008, 297; Burmann in: Burmann u.a., Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl., § 9 StVO Rn. 28a).

d) Die Verkehrsverstöße des Beklagten zu 1., der den Vorrang des Klägers nicht einmal in Betracht gezogen hatte, waren schwerwiegend und objektiv grob. Mit einem Wechsel anderer Verkehrsteilnehmer von dem linken Fahrstreifen über die Busspur auf die Rechtsabbiegerspur war im Bereich der Querung zu rechnen. Der Beklagte zu 1. hätte also auch insoweit auf rückwärtigen Verkehr achten müssen und erst nach hinreichend langem Linksblinken zum Zeichen der Anfahrabsicht losfahren dürfen, wobei er allerdings den Vorrang der anderen Verkehrsteilnehmer zu beachten und sicherzustellen hatte, dass diese weder behindert noch gefährdet wurden.

2. Den Kläger trifft dagegen kein Verschulden.

a) Es ist zum einen nicht ersichtlich, dass er die Absicht des Beklagten zu 1., aus dem Stand anzufahren, hätte erkennen müssen oder können, und deshalb Unfall vermeidend hätte reagieren können (§ 1 Abs. 2 StVO). Wegen des haltenden Pkw des Beklagten zu 1., der die Busspur blockierte, musste der Kläger auch nicht mit berechtigtem Verkehr auf dem Bussonderfahrstreifen rechnen.

b) Zum anderen hatte der Kläger, was das Landgericht übersehen hat, dem Beklagten gegenüber keine Sorgfaltspflichten aus § 7 Abs. 5 StVO zu beachten. Dem Kläger stand als Teilnehmer des fließenden Verkehrs der Vorrang vor dem nicht verkehrsbedingt haltenden Beklagten zu 1. zu, denn § 7 Abs. 5 StVO schützt nur den fließenden Verkehr (BGH, Urteil vom 08. März 2022 – VI ZR 1308/20 –, juris Rn. 11 ff.; Freymann in: Geigel, Haftpflichtprozess, 29. Aufl., Kap. 27 Rn. 206, 216),

3. Hinter dem grob sorgfaltswidrigen Verhalten des Beklagten zu 1. tritt im Rahmen der Abwägung der Mitverursachungs- und -verschuldensanteile (§ 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG; §§ 9 StVG, 254 BGB) die Haftung des Klägers aus der Betriebsgefahr vollständig zurück, weshalb die Beklagten allein haften.“

Verkehrsunfall am/im Kreisverkehr, oder: Sorgfaltspflichten und Haftung

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Wer Münster kennt, der kennt bestimmt auch den Ludgeriplatz (ganz in der Nähe wohne ich). Der Ludgeriplatz ist ein großer Kreisverkehr. In ihn münden sechs größere Straßen und man kann sich vorstellen, was das – ohne Ampelbetrieb, aber mit regem Auto-, Fußgänger- und Fahrradverkehr – bedeutet: Dreimal am Tag Chaos, nämlich morgens, mittags und abends. Die Stadt Münster bekommt das Verkehrsproblem einfach nicht in den Griff.

Nun dies vorab und als Einleitung zum OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.09.2016 – 1 U 195/14 -, in dem es um die Pflichten und die Haftungsverteilung bei einem Verkehrsunfall am/im Kreisverkehr geht. Das OLG hat seiner Entscheidung folgende Leitsätze vorangestellt:

  1. Das Überfahren der Mittelinsel eines Kreisverkehrs verletzt gerade auch eine Schutznorm zugunsten des einmündenden Verkehrs. Kommt es im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dieser Schutznormverletzung zu einem Zusammenstoß, war der Verstoß typischerweise für den Unfall zumindest mitursächlich.
  2. Erreichen zwei Kraftfahrzeuge gleichzeitig den Kreisverkehr, verstößt der Verkehrsteilnehmer gegen die allgemeine Sorgfaltspflichtanforderung des § 1 Abs. 2 StVO, der sich nicht auf das Fahrzeug im Kreisverkehr vor ihm einstellt und stattdessen mit nicht reduzierter Geschwindigkeit mit anschließender Kollisionsfolge weiterfährt. In einem solchen Fall haftet er für die Unfallfolgen allein.
  3. Nähern sich Verkehrsteilnehmer aus verschiedenen Richtungen einem Kreisverkehr und besteht bei der Einfahrt die Gefahr, dass sich im Kreisel ihre Bewegungslinien berühren oder gefährlich annähern, gebührt demjenigen Fahrer der Vorrang, der als Erster die Wartelinie erreicht, denn dieser hat die Gelegenheit, als Erster in den Kreisverkehr einzufahren und für sich das Vorfahrtrecht gemäß § 8 Abs. 1 a Satz 1 StVO in Anspruch zu nehmen. Im Kreisverkehr gibt es keinen feststehenden räumlichen Bereich, in welchem die Vorfahrt eines Verkehrsteilnehmers gleichbleibend und unabänderlich geregelt ist. Es kommt nicht darauf an, wer bereits die längere Strecke im Kreisverkehr zurückgelegt hat.

Im Übrigen auch bitte selbst lesen. Lässt sich hier schwer darstellen 🙂 .

Begegnung auf schmaler Straße, oder: Verständigungspflicht

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Ich habe schon länger keine Entscheidung mehr aus der Reihe: Haftungsverteilung bzw. Sorgfaltspflichten im Straßenverkehr, vorgestellt. In die passt dann aber jetzt das OLG Hamm, Urt. v. 07.06.2016 – 9 U 59/14 -, das sich zu den Verhaltensregeln bei der Begegnung von zwei Fahrzeugen verhält, wenn für die Begegnung/das „Aneinandervorbeifahren“ an sich nicht genug Platz vorhanden ist. Nach dem Sachverhalt begegneten sich auf einer (nur)  5,8 m breiten Straße zwei Traktoren, und zwar der Traktor des Klägers mit angehängtem Grubber und der Traktor des Beklagten mit angehängtem Fasswagen zum Transport von Gülle. Die Geschwindigkeit des Gespanns des Klägers betrug ca. 35 – 40 km/, das des Beklagten ca. 30 km/h. Die Abmessungen der angehängten Arbeitsgeräte in der Breite betrugen 2,85 m bzw. 3,03 m. Als die Fahrzeuge etwa auf gleicher Höhe waren, lenkte der Fahrer des Klägertraktors sein Gespann auf den rechtsseitig gelegenen Grünstreifen. Dabei geriet er mit den rechten Reifen des Traktors in eine mit Gras bewachsene Bodenmulde. Infolgedessen kippte das Gespann auf die Seite. Das LG hat dem Kläger hälftigen Ersatz seines Schadens aus dem Verkehrsunfall zugesprochen. Dabei hat das LG mangels Nachweises eines Verschuldens der Beteiligten bei der nach § 17 Abs. 2 StVG vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge lediglich die von beiden Fahrzeugen ausgehende Betriebsgefahr berücksichtigt. Dagegen die Berufung des Beklagten, die beim OLG keinen Erfolg hatte.

Das OLG kommt zu folgenden amtlichen Leitsätzen:

  1. Eine Begegnung darf nur dann in beiderseitiger zügiger Fahrt durchgeführt werden, wenn zwischen den sich begegnenden Fahrzeugen unter Berücksichtigung des nötigen Abstandes zum rechten Fahrbahnrand ein Seitenabstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann.
  2. Kann dieser Seitenabstand nicht eingehalten werden, muss nach § 1 Abs. 2 StVO sein Fehlen durch eine besonders vorsichtige Durchführung der Begegnung und Herabsetzung der beiderseitigen Fahrgeschwindigkeiten ausgeglichen werden.
  3. Reicht auch dies nicht, so haben beide Fahrzeugführer anzuhalten und sich darüber zu verständigen, welcher von ihnen am stehenden Fahrzeug des anderen in langsamer Fahrt vorbeifährt.

Auf der Grundlage geht das OLG von einer gleichmäßigen Haftungsverteilung aus:

„….Die Breite beider Fahrzeuge erlaubte in keinem Fall ein gegenseitiges Passieren unter alleiniger Nutzung der Fahrbahnbreite von 5,80 m. Selbst unter Inanspruchnahme der 20 cm breiten Bankette war ein Aneinandervorbeifahren, insbesondere unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden seitlichen Wankbewegungen, und des aus diesem Grund einzuhaltenden ausreichenden Seitenabstandes nicht problemlos möglich. Um eine Kollision im Begegnungsverkehr sicher auszuschließen, musste der Zeuge E mit seinem Traktor in den Grünstreifen ausweichen. Beide Fahrzeugführer hätten daher ihre Geschwindigkeit in der gegenseitigen Annäherung gegebenenfalls bis zur Schrittgeschwindigkeit reduzieren und notfalls anhalten müssen, um – gegebenenfalls nach vorheriger Verständigung – ein gefahrloses Passieren zu ermöglichen. Diesen erhöhten Sorgfaltsanforderungen haben beide Fahrzeugführer nicht Rechnung getragen. Beide sind mit einer für die konkrete Situation unangepassten Geschwindigkeit aufeinander zugefahren und haben gegenseitig darauf vertraut, dass der jeweils andere noch weiter Platz schafft. Unangemessen ist dabei nicht nur die Geschwindigkeit des Zeugen E, die dieser mit 35 km/h bis 40 km/h bei Ausweichen auf den Grünstreifen angegeben hat. Auch die von dem Beklagten zu 1) bei seiner persönlichen Anhörung durch den Senat eingeräumte, und nicht weiter reduzierte Geschwindigkeit von ca. 30 km/h ist mit Blick auf die nicht ausreichende Straßenbreite deutlich übersetzt, weil sie eine angemessene Reaktion auf die konkrete Situation nicht zulässt…“

Und das führt dann zu Halbe/Halbe.

Der „Kampf-Fiffi“ oder: Anleinpflicht beim American Staffordshire Terrier-Mischling

entnommen wikimedia.org Uploaded by Tatanga 2006

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Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist jeder Hundehalter verpflichtet, seinen Hund zu überwachen und so abzusichern, dass Verletzungen oder sonstige Schädigungen Dritter verhindert werden. Denn – so die Rechtsprechung: Ein Hund stellt eine Gefahrenquelle dar, weil er in seinem Verhalten nicht vernunftgesteuert und im Allgemeinen unberechenbar ist. Das gilt insbesondere bei einem Kampfhund, bei ihm sind die Sorgfaltspflichten des Tierhalters verschärft. Darauf weist jetzt das OLG Karlsruhe im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 02.07.2014 – 2 Ss 318/14 AK 97/14 – betreffend einen American Staffordshire Terrier-Mischling hin:

„Handelt es sich um einen Kampfhund, werden die Sorgfaltspflichten des Tierhalters durch § 4 der Polizeiverordnung des Innenministeriums und des Ministeriums Ländlicher Raum über das Halten gefährlicher Hunde vom 03. August 2000 (PolVOgH) konkretisiert. Während die Pflichten des Tierhalters lediglich beim besonders gefahrenträchtigen Führen eines solchen Hundes außerhalb des befriedeten Besitztums in § 4 Abs. 2 bis 5 PolVOgH im Einzelnen geregelt sind, statuiert § 4 Abs. 1 PolVOgH im Übrigen, dass diese Tiere so zu halten und zu beaufsichtigen sind, dass von ihnen keine Gefahr für Menschen, Tiere oder Sachen ausgehen kann. Für die Beurteilung des Falles spielt dabei weiter eine Rolle, dass bei Kampfhunden aufgrund ihrer rassespezifischen Merkmale eine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit vermutet wird, diese Vermutung jedoch durch eine Verhaltensprüfung widerlegt werden kann (§ 1 Abs. 1 und 2 PolVOgH).

bb. Nachdem der Angeklagte eine Verhaltensprüfung des Hundes nicht vorgenommen hatte, musste der Angeklagte danach allein aufgrund der rassespezifischen Gefährlichkeit des Hundes damit rechnen, dass dieser auch ohne vorherige Warnzeichen Menschen anfallen könnte und dagegen Vorkehrungen treffen. Gerade beim Zusammentreffen mit Kindern, bei denen aufgrund ihrer altersbedingten Unerfahrenheit mit nicht sachgerechtem Umgang mit Hunden zu rechnen ist, war erhöhte Vorsicht geboten. Der Angeklagte wäre deshalb gehalten gewesen, den Hund in Anwesenheit des Kindes entweder anzuleinen oder ihn während des Besuchs des Kindes in einem anderen Raum einzusperren, um jegliche Gefährdung des Kindes durch den Hund auszuschließen. Die Missachtung dieser Sorgfaltspflichten, die vorhersehbar – wie geschehen – zu durch den Hund verursachten Verletzungen führen konnte, begründet den Vorwurf fahrlässigen Handelns, wobei dem Angeklagten auch die nachfolgende Verletzung des um den Schutz seiner Tochter bemühten Vaters zuzurechnen ist.“