Schlagwort-Archive: Haftungsverteilung

Grundlos gebremst

entnommen wikimedia.org Author Harald Wolfgang Schmidt at de.wikipedia

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Schon etwas älter ist das AG München, ‌Urt. v. 19‌.‌02‌.‌2014‌ – 345 C ‌22960‌/‌13‌, recht frisch aber die PM des AG München vom 30.01.2015. Mehr habe ich zu dem Urteil aber auch nicht. Den Volltext kann ich nicht bringen. Also muss die PM reichen, in der es heißt:

„Wer im Straßenverkehr sein Fahrzeug grundlos abbremst, gefährdet andere Verkehrsteilnehmer und haftet für einen daraus entstandenen Schaden mit 30 Prozent. Das hat das AG München mit einem Urteil entschieden.

Der Ehemann der Klägerin, ein Rechtsanwalt aus Ebenhausen, fuhr am 13.11.12 mit dem PKW Golf seiner Frau mit 50 Stundekilometern auf der Garmischer Straße in München. Auf Höhe der Einmündung der Lindauer Autobahn bremste die Fahrerin des bei der beklagten Münchner Versicherung versicherten PKW Mercedes Benz stark und unvermittelt ab, da aufgrund einer geänderten Baustellenführung die Fahrerin dachte, sie habe sich verfahren. Der Rechtsanwalt konnte nicht mehr bremsen und fuhr auf den PKW Mercedes vor ihm auf. Durch den Unfall ist der Klägerin an ihrem Golf ein Schaden in Höhe von 3892 Euro entstanden, wovon 1297 Euro bereits von der beklagten Versicherung bezahlt worden sind. Die Klägerin ist der Meinung, dass die Fahrerin des Mercedes den Unfall alleine verursacht hat und zu 100% die Schuld daran trägt. Die Klägerin verlangt von der gegnerischen Versicherung die restlichen 2595 Euro. Da sich diese weigerte, den Restbetrag zu zahlen, erhob die Klägerin Klage vor dem Amtsgericht München. Der zuständige Richter gab der Versicherung Recht. Es wies die Klage insoweit ab. Die Klägerin bekommt über den bereits bezahlten Betrag hinaus keinen Schadensersatz für ihren PKW Golf.

Das Gericht führt aus, dass grundsätzlich derjenige, der mit seinem PKW auf ein vorausfahrendes Fahrzeug auffährt (hier also der Ehemann der Klägerin), nach allem Anschein entweder nicht den nötigen Sicherheitsabstand eingehalten hat oder mit unangepasster Geschwindigkeit gefahren ist oder falsch reagiert hat. In dem vorliegenden Fall jedoch stehe fest, dass der Mercedes ohne jeden verkehrsbedingten Grund und somit vollkommen grundlos abgebremst worden ist. Insoweit liege eine Abweichung vom typischen Fall vor. Der Fahrerin des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs wird vom Gericht vorgehalten, ohne irgendeinen Grund abgebremst zu haben. Nach Ansicht des Gerichts führt dies zu einer Mithaftungsquote von 30 Prozent zu Lasten der Fahrerin des PKW Mercedes und damit der beklagten Versicherung. „Bremst der unaufmerksame Beklagte ohne zwingenden Grund und trägt er durch dieses Verhalten zu einer Kollision bei, so gefährdet er andere Verkehrsteilnehmer im Sinn von § 1 Absatz 2 STVO. Diese Gefährdung begründet eine Mithaftung …, eine Mithaftungsquote von 30% ist gerechtfertigt“ (so Landgericht München I). Das Amtsgericht folgt insoweit der Rechtsprechung des Landgerichts München I für einen Fall des grundlosen Bremsens. Da vorgerichtlich bereits 33 % von der beklagten Versicherung an die Klägerin bezahlt wurden, hat der Richter die Klage in der Hauptsache abgewiesen.“

1, 33 o/oo BAK – kein Schadensersatz, also „teures Kölsch“.

© roostler - Fotolia.com

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Vielleicht gar nicht so selten ist der Sachverhalt, der dem AG Köln, Urt. v. 20.05.2014 – 272 C 20/14 – zugrunde gelegen hat. Nach einem Verkehrsunfall in Köln wurde Schadensersatz verlangt. Grundlage war folgendes Verkehrsgeschehen:

„Die Fahrerin des Klägerfahrzeugs befuhr mit Abblendlicht gegen 23.55 Uhr die Heinrichstraße. Das Beklagtenfahrzeug stand in Höhe der Hausnummer 13 entgegen der Fahrtrichtung und ohne Beleuchtung am – aus Sicht des Klägerfahrzeugs – rechten Straßenrand im absoluten Halteverbot, und zwar halb auf dem Gehweg und halb auf einem mit einer unterbrochenen Leitlinie von der Fahrbahn getrennten, sich auf der Straße befindlichen Radweg. Das Klägerfahrzeug fuhr ungebremst mit der vorderen rechten Seite gegen die vordere rechte Seite des Beklagtenfahrzeugs. Eine der Fahrerin des Klägerfahrzeugs um 01.33 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,33 Promille.“

Für den Kläger hat es aber keinen Schadensersatz gegeben, ihm schlägt die Alkoholisierung des Fahrers seines Pkw „auf die Butterseite“, denn:

„Nach einer solchen Abwägung der Verursachungsanteile ist eine Alleinhaftung des Klägers gegeben. Die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs tritt hinter das erhebliche Verschulden der Fahrerin des Klägerfahrzeugs zurück.

Auf Beklagtenseite ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass das Beklagtenfahrzeug nicht ordnungsgemäß geparkt war. Zum einen befand sich der Bereich, in dem das Beklagtenfahrzeug stand, das Verkehrszeichen Nr. 283 (absolutes Halteverbot). Zum anderen folgt aus Anlage 3, Abschnitt 8, lfd. Nummer 22, lit. 3 zu § 42 Abs. 2 StVO, dass, wer ein Fahrzeug führt, auf durch Leitlinien markierten Schutzstreifen für den Radverkehr nicht parken darf. Ferner stand das Beklagtenfahrzeug entgegen § 12 Abs. 4 StVO am linken Fahrbahnrand.

Auf Klägerseite ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, dass die Fahrerin des Klägerfahrzeugs mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,33 Promille (um 01.33) im Unfallzeitpunkt absolut fahruntauglich war, und dennoch ein Fahrzeug im Straßenverkehr in Betrieb gesetzt hat.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Fahrerin des Klägerfahrzeugs den Fahrradschutzstreifen jenseits der unterbrochenen Leitlinie am rechten Fahrbahnrand befahren hat. Hierdurch hat sie gegen Anlage 3, Abschnitt 8, lfd. Nummer 22, lit. 2 Satz 1 zu § 42 Abs. 2 StVO verstoßen. Hiernach darf, wer ein Fahrzeug führt, auf der Fahrbahn durch Leitlinien markierte Schutzstreifen für den Radverkehr nur bei Bedarf überfahren. Vorliegend ist nicht erkennbar, dass nachts um 23.55 Uhr ein solcher Bedarf bestand. Das Klägerfahrzeug hätte deshalb die unterbrochene Leitlinie als rechte Fahrbahnbegrenzung einhalten müssen.

Bei einer Abwägung dieser Umstände treten die einfache Betriebsgefahr und der Parkverstoß der Beklagten zu 1) hinter die groben Verkehrsverstöße der Fahrerin des Klägerfahrzeugs und dessen Betriebsgefahr zurück.

Maßgeblich in die Abwägung einzustellen ist, dass die Fahrerin des Klägerfahrzeugs mit einer erheblichen Blutalkoholkonzentration von (um 01.33 noch) 1,33 Promille ohne überhaupt zu bremsen innerorts über einen Fahrradschutzstreifen und ohne jede Reaktion frontal gegen das dort stehende Beklagtenfahrzeug gefahren ist. Die erhebliche Alkoholisierung der Fahrerin des Klägerfahrzeugs hat sich auch im streitgegenständlichen Unfall niedergeschlagen. Dafür, dass eine zum Unfallzeitpunkt vorliegende absolute Fahruntüchtigkeit unfallursächlich ist, spricht ein Anscheinsbeweis, wenn sich der Unfall unter Umständen und in einer Verkehrslage ereignet hat, die ein nüchterner Fahrer hätte meistern können (statt aller BGH, Urt. v. 10.01.1995 – VI ZR 247/94) Die bei einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 Promille vorliegende absolute Fahruntüchtigkeit umschreibt einen Zustand, in dem jeder Fahrzeugführer nicht mehr in der Lage ist, sein Fahrzeug sicher zu führen (BGH, Beschl. v. 28.06.1990 – 4 StR 297/90). Deshalb kann insoweit von der feststehenden Ursache einer solch erheblichen Alkoholisierung unter den soeben genannten Voraussetzungen auf ihre Unfallursächlichkeit geschlossen werden. Es handelt sich um einen typischen Geschehensablauf (OLG Hamm, Urt. v. 28.01.2010 – 6 U 159/09).

Der Unfall geschah in einer Situation, die ein nüchterner Fahrer ohne Weiteres hätte meistern können. Die Fahrerin des Klägerfahrzeugs hatte selbst das Abblendlicht eingeschaltet und hätte das innerorts stehende Beklagtenfahrzeug sehen müssen. Das Beklagtenfahrzeug hatte seine Scheinwerfer nicht eingeschaltet und blendete die Fahrerin des Klägerfahrzeugs hierdurch auch nicht. Selbst die reine Reflektion ausgeschalteter Scheinwerfer (unterstellt, dass diese die Fahrerin des Klägerfahrzeugs geblendet hätten), ist für einen nüchternen Verkehrsteilnehmer kein Grund, über den Fahrbahnverlauf einer – wie hier – innerorts gelegenen Straße zu zweifeln und nicht einmal durch einen Bremsvorgang zu versuchen, eine Kollision zu verhindern.“

Teures Kölsch, wenn es denn Kölsch war, das zu der Alkoholisierung geführt hat.

Ta-Tü-Tata, hier kommt die Polizei: Haftungsverteilung bei Verkehrsunfall mit Einsatzfahrzeug.

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In der Praxis sicherlich nicht alltäglich sind Verkehrsunfälle, an denen Polizeifahrzeuge, die sich im Einsatz befinden und mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn fahren. Aber man findet dann doch immer wieder Entscheidungen, in denen es um die Haftung und Haftungsverteilung geht, wenn bei Verkehrsunfall ein Polizeifahrzeug im Einsatz beteiligt ist. So das LG Düsseldorf, Urt. v. 25.06.2014 – 2b O 165/13.

Auszugehen war von folgendem Sachverhalt:

„Am 04.02.2012 gegen 12:20 Uhr hatte der Sohn des Klägers, der Drittwiderbeklagte, das Fahrzeug an der Tankstelle an der Meerbuscher T7 in Meerbusch-Osterrath betankt. Kurz zuvor waren zwei Polizeieinsatzfahrzeuge von der Polizeiwache unter Nutzung von Sonderrechten zur Grundschule h losgefahren, wo ein laufender Einbruchdiebstahl gemeldet worden war. Als der Drittwiderbeklagte von der Tankstellenkasse zum Fahrzeug zurückkehrte, sah er das erste Einsatzfahrzeug der Polizei mit Blaulicht und Martinshorn mit sehr hoher Geschwindigkeit in seiner Fahrtrichtung vorbeifahren. Der Drittwiderbeklagte fuhr dann zur Tankstellenzufahrt, um nach rechts abzubiegen. Er ließ zwei Fahrzeuge passieren und ordnete sich vor dem Fahrzeug des Zeugen B, das sich in Höhe der auf der anderen Straßenseite befindlichen Tankstelle befand, nach rechts ein, da er nach ca. 40 m nach links in den E abbiegen wollte. Der Drittwiderbeklagte reduzierte seine Geschwindigkeit dazu bis zum Stillstand, so dass der Zeuge B hinter ihm anhalten musste. Da er das Polizeifahrzeug durch das Blaulicht im Rückspiegel hinter sich bemerkte, zog der Zeuge B sein Fahrzeug nach rechts an den Straßenrand. Im Abbiegevorgang kollidierte das Klägerfahrzeug mit dem von der Zeugin gelenkten, überholenden zweiten Polizeifahrzeug, an dem jedenfalls Blaulicht angeschaltet war.“

Das LG kommt zu einer Haftung „halbe/halbe“.

Der festgestellte Unfallhergang führt zu einer Haftung der Beteiligten für die Unfallschäden zu gleichen Teilen. Anhaltspunkte, die eine unterschiedliche Haftung eines Beteiligten rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Das durch einen Unfall beim Linksabbiegen bewiesene Verschulden des Drittwiderbeklagten beschränkt sich auf die fehlende Einordnung. Hinzukommt allerdings die Tatsache, dass er dem Polizeifahrzeug nicht freie Bahn verschafft hat. Die Zeugin u als Fahrerin des Polizeifahrzeuges ist ihrerseits angesichts der stark überhöhten Geschwindigkeit der auch bei einer Sonderrechtsfahrt nach § 35 StVO bestehenden Pflicht zu besonders umsichtigem Verhalten nicht nachgekommen. Dies rechtfertigt jeweils eine Haftung zu 50 %.

Die rechtlichen Ausführungen des LG kann man etwa wie folgt zusammenfassen

  1. Ein Fahrer eines Pkw ist nach der StVO gegenüber einem Polizei-Einsatzfahrzeug, das mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn fährt, verpflichtet, sofort freie Bahn zu schaffen, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für die Verwendung von Blaulicht und Einsatzhorn tatsächlich gegeben sind.
  2. Wer einem Einsatzfahrzeug freie Bahn zu schaffen hat, muss sich so verhalten, dass eine Behinderung des Einsatzfahrzeuges ausgeschlossen ist. Dies gebietet es, ein Abbiegemanöver zurückzustellen, wenn nicht sicher ist, woher sich das Einsatzfahrzeug nähert.
  3. Bei einem Verkehrsunfall eines Pkw mit einem Polizeifahrzeug im Einsatz kann eine hälftige Haftungsverteilung gerechtfertigt sein, wenn der Pkw-Fahrer gegen die genannte Vorschrift verstoßen hat und wenn der Fahrer des Polizeifahrzeuges seiner angesichts der stark überhöhten Geschwindigkeit der auch bei einer Sonderrechtsfahrt bestehenden Pflicht zu besonders umsichtigem Verhalten nicht nachgekommen ist.

Der Parkplatzunfall auf der Autobahnraststätte – wie wird gehaftet?

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Vorfahrtsregeln auf Zufahrtsstraßen von Parkplätzen und/oder auf Parkplätzen, ein in der Praxis wichtiges Thema, bei dem allerdings doch das ein oder andere im Dunklen liegt. Ein wenig Licht bringt das OLG Hamm, Urt. v. 29.08.2014 – 9 U 26/14. Ausgangspunkt für die Entscheidung ist ein Verkehrsunfall, an dem auf einer Autobahnraststätte zwei Lastzüge beteiligt waren. Der Lastzug des Klägers befuhr den an einem BAB Rastplatz zur Autobahnauffahrt führenden Zufahrtsweg. An diesen grenzten rechtsseitig ca. 18 schräg angeordnete Lkw-Stellplätze, von denen die Einfahrt in die Zufahrtsstraße möglich war. Auf dem letzten Stellplatz rangierte der Lastzug der Beklagten. Beide Lastzüge stießen zusammen, als der Lastzug des Klägers den Lastzug der Beklagten passierte. Der Kläger verlangte 100 % seine Schadens. Das OLG Hamm hat ihm die gewährt:

1. Die Beklagten müssen sich neben der von dem Lastzug des Beklagten zu 1) ausgehenden Betriebsgefahr nach Anscheinsbeweisgrundsätzen ein unfallursächliches Verschulden des Beklagten zu 2) wegen Verstoßes gegen § 10 StVO anrechnen lassen. Nach dieser Vorschrift muss derjenige, der von anderen Straßenteilen oder vom Fahrbahnrand anfahren will, sich so verhalten, dass jede Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

2. Die Regeln der Straßenverkehrsordnung (StVO) sind auf einem – wie hier – öffentlich zugänglichen Parkplatz grundsätzlich anwendbar (OLG Frankfurt, ZfSch 2010, 19; Scheidler, DAR 2012, 313, 314); Senat, NJW-RR 2013, 33). Da Parkplätze dem ruhenden Verkehr dienen, trifft der dort Ein- und Ausparkende in der Regel nicht auf fließenden Verkehr, sondern auf Benutzer der Parkplatzfahrbahn. In diesen Fällen sind die gegenseitigen Rücksichtspflichten deshalb (verglichen mit den Pflichten aus §§ 9, 10 StVO) erhöht und einander angenähert. Einen Vertrauensgrundsatz zugunsten des „fließenden“ Verkehrs gegenüber dem wartepflichtigen Ein- oder Ausfahrenden gibt es nicht (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. § 8 StVO Rn. 31 a). Das führt dazu, dass bei Unfällen auf Parkplatzgeländen in der Regel für ein alleiniges Verschulden eines Verkehrsteilnehmers, insbesondere auch ein vollständiges Zurücktreten der Betriebsgefahr, kein Raum sein wird. Vielmehr wird hier – anders als im fließenden Verkehr – regelmäßig ein im Rahmen der Haftungsabwägung zu berücksichtigendes Mitverschulden, jedenfalls aber die Betriebsgefahr zu berücksichtigen sein (Scheidler, DAR 2012, 313, 316).

Etwas anderes kann gelten, wenn die angelegten Fahrspuren zwischen den Parkplätzen eindeutig Straßencharakter haben und sich bereits aus ihrer baulichen Anlage ergibt, dass sie nicht dem Suchen von Parkplätzen dienen, sondern der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge. Handelt es sich bei einer bzw. mehreren der Zufahrtswege um eine gegenüber den Durchfahrtsgassen zwischen den Parkplätzen nochmals baulich größer und breiter ausgestalteten Zufahrtsstraße, so kann § 10 StVO, ob unmittelbar oder analog zur Anwendung kommen (KG, B.v. 12.10.2009 – 12 U 233/08 -, […], vgl. hierzu auch OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 28. Juli 2006 – 10 U 28/06 – VerkMitt 2007, Nr. 43, OLG Düsseldorf, U.v. 23.10.2010 – 1 U 156/09 -, […], LG Bremen, U.v. 20.06.2013 – 7 O 485/12 -.).

3. Hiervon ausgehend hat die nördlich parallel zur BAB 44 verlaufende Zufahrtsstraße, auf der sich der Unfall ereignet hat, Straßencharakter. Bereits der bauliche Ausbau belegt den Straßencharakter. Die Zuwegung ist zweispurig ausgebaut und durch einen Mittelstreifen gekennzeichnet. Dem Straßencharakter steht nicht entgegen, dass rechtsseitig die Parkplätze für Lastkraftwagen schräg angeordnet an die Zufahrtsstraße angrenzen. Das rechtfertigt nicht die Einordnung als eine dem Parkplatz suchenden Verkehr dienende Zufahrtsstraße. Zum einen ist diese Fläche im Gegensatz zur asphaltierten Fahrbahn in roten Verbundsteinen ausgeführt und damit optisch von dem Randbereich abgegrenzt. Von maßgeblicher Bedeutung ist darüber hinaus, dass aufgrund der baulichen Gestaltung der Benutzer der zweispurigen Fahrbahn allenfalls mit einfahrendem, den Parkplatz verlassenden LKW – Verkehr und nicht mit Parkplatz suchendem LKW – Verkehr rechnen muss. Die Zufahrtsstraßen auf dem Parkplatz sind so angeordnet, dass der auf den Parkplatz einfahrende LKW – Verkehr die mittlere Zufahrtsstraße nehmen muss, um von dieser aus nach schräg links in die Parkbucht einzufahren. Diese verlässt er anschließend vorwärts über die nördlich gelegene Zufahrt. Damit ist faktisch ein Ringstraßensystem in Form einer Einbahnstraße geschaffen worden. Danach stellt sich das Einfahren in die nördliche Zufahrtsstraße als das Anfahren von einem seitlich gelegenen Parkplatz in eine dem fließenden Verkehr dienende Fahrbahn dar.“

Oder, kürzer mit den Leitsätzen:

  1. Die Regeln der Straßenverkehrsordnung (StVO) sind auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz grundsätzlich anwendbar.
  2. Einen Vertrauensgrundsatz zugunsten des „fließenden“ Verkehrs gegenüber dem wartepflichtigen Ein- oder Ausfahrenden gibt es grundsätzlich nicht.
  3. Etwas anderes kann gelten, wenn die angelegten Fahrspuren zwischen den Parkplätzen eindeutig Straßencharakter haben und sich bereits aus ihrer baulichen Anlage ergibt, dass sie nicht dem Suchen von Parkplätzen dienen, sondern der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge (hier: Durchfahrtsstraße im Bereich der LKW-Stellplätze auf einem Rastplatz an einer Bundesautobahn).

Die unheilvolle Begegnung I: Schienenbahn/Pkw – Haftungsverteilung?

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Auf einem Bahnübergang im LG-Bezirk Detmold ist es am 22.06.2012 zu eine „Begegnung“ zwischen einer Schienenbahn und einem Pkw gekommen, der eine Bahnstrecke an einem Bahnübergang mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h überqueren wollte. Der Bahnübergang war an sich durch eine Schrankenanlage gesichert, die wurde jedoch, weil sie durch einen Blitzeinschlag beschädigt war, von einem Schrankenwärter bedient.  Die Sicherung hatte der Schrankenwärter zu dem Zeitpunkt nicht vorgenommen. Er war zwar von dem Herannahen eines Zuges benachrichtigt worden, hatte den Bahnübergang jedoch nicht abgesichert.

Nach Auffassung des LG Detmold im LG Detmold, Urt. v. 02?.?07?.?2014? – 12 O ?210?/?12? – haften Bahnunternehmen und Mitarbeiter jeweils zu 100 %:

„Bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge tritt die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Klägerin vollständig hinter den Verursachungsbeiträgen der Beklagten zurück.

Die Schadensverteilung erfolgt auch bei Unfällen zwischen Schienenbahnen und Kfz auf Bahnübergängen nach § 17 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 StVG (vgl. SVR, Straßenverkehrsrecht 12/2010, 441 (444)). Danach hängt im Verhältnis zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Bei der Abwägung entscheiden in erster Linie das Maß der Verursachung, das Gewicht der von den Beteiligten gesetzten Schadensursachen und wie sie sich beim konkreten Unfall ausgewirkt haben.

Auszugehen ist dabei zunächst von den Betriebsgefahren. Dabei ist die allgemeine Betriebsgefahr der fahrenden Bahn aufgrund der großen, bewegten, schienengebundenen Masse und dem langen Bremsweg grundsätzlich höher als die des fahrenden Kfz (Hentschel/König/Dauer: Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 17, Rn. 6).

Die Beklagte zu 1) muss sich zudem das Verschulden eines für die Gewährleistung der Sicherheit an Bahnübergängen beauftragten Unternehmens nach § 278 BGB zurechnen lassen.

Ein Verschulden des Fahrers muss sich die Klägerin nach § 4 HPflG zurechnen lassen. Ein Verursachungsbeitrag der Klägerin tritt jedenfalls zurück.

Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 StVO darf sich der Straßenverkehr Bahnübergängen nach Satz 1 nur mit mäßiger Geschwindigkeit nähern. Mäßig ist die Geschwindigkeit dann, wenn die Wartepflicht erfüllt werden kann, ohne dass eine Gefahrbremsung notwendig wird (Hentschel/König/Dauer: Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 19, Rn.14). Maßgebend sind die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort.

Wenn die Schranke geöffnet ist, darf der Kraftfahrer jedoch darauf vertrauen, dass – auch bei Unübersichtlichkeit – kein Zug kommt. Ist die Geschwindigkeit vor dem Bahnübergang auf die allgemein innerorts zugelassene Geschwindigkeit beschränkt, darf sich der Fahrer auch mit dieser Geschwindigkeit dem Bahnübergang nähern. Denn der Kraftfahrer hält die an Bahnübergängen vorgeschriebene mäßige Geschwindigkeit ein, wenn er sich im Rahmen der allgemein für die benutzte Straße zugelassenen Höchstgeschwindigkeit fortbewegt (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 29. März 1985 – 1 Ss OWi 659/84 -, […]).

Vorliegend handelte es sich um einen gesicherten Bahnübergang. Dass die Schranke durch einen Bediensteten manuell bedient werden musste, ändert nichts daran, dass der Fahrzeugführer darauf vertrauen durfte, dass bei geöffneter Schranke kein Zug kreuzen würde. Dass die Schranke auch ordnungsgemäß bedient werden würde, konnte der Fahrzeugführer berechtigterweise aus dem beleuchteten Diensthäuschen und dem davor geparkten Pkw schließen. Vor dem Bahnübergang steht hier das Orteingangsschild, welches nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h anordnet.

Diese Umstände sprechen für die Kammer dafür, eine Annäherungsgeschwindigkeit an den Bahnübergang von 50 km/h als angemessen anzusehen und dann einen Verstoß gegen § 19 Abs. 1 Satz 2 StVO zu verneinen.

Dass der Fahrzeugführer sich mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von 50 km/h genähert hat, sieht die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als erwiesen an.

Aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. T ergibt sich, dass sich das Fahrzeug der Klägerin mit 50 km/h den Bahngleisen näherte.

Das Gericht folgt den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen. Sie sind auch für den Laien gut nachvollziehbar, das Gutachten ist in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Der Sachverständige ist für die vorliegende Beurteilung auch besonders qualifiziert. Er hat anschaulich und überzeugend dargelegt, wie er zu den jeweiligen Erkenntnissen gelangt ist und auf welchen Grundlagen diese beruhen……

Selbst wenn der Fahrzeugführer aufgrund der defekten und manuell betriebenen Bahnschranke gehalten gewesen wäre mit einer mäßigen Geschwindigkeit von nicht mehr als 40 km/h an den Bahnübergang heranzufahren, so träte auch diese erhöhte Betriebsgefahr nach Ansicht der Kammer gegenüber der Betriebsgefahr des Bahnbetreibers jedenfalls zurück.