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Wenn sich ein Erwachsener dazu entschließt, „ruhig auch mal was Verrücktes zu machen“

entnommen wikimedia.org Urheber LepoRello

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Folgender Sachverhalt liegt dem OLG Naumburg, Urt. v. 22.11.2013 – 10 U 1/13 zugrunde:

„Die zum Unfallzeitpunkt 33-jährige Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz einschließlich Schmerzensgeldes wegen eines behaupteten Sturzes am 13. März 2011 und dessen behaupteter Folgen, weil die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht für den Kinderspielplatz in B. OT D. verletzt habe: Die Klägerin sei von einer sich unvermittelt nach hinten drehenden runden, metallischen Querstange zwischen zwei Holzbalken eines dort aufgebauten mehrseitigen Klettergerüsts rücklings aus einer Höhe von ca. 1,00 m auf den Rasenboden gefallen. Auf diese Metallstange habe sie sich gesetzt bzw. zu setzen versucht, weil sie davon ausgegangen sei, dass diese Stange starr zwischen den Pfosten befestigt sei.“

Das OLG sagt: Nein, es gibt keinen Schadensersatz. An die Verkehrssicherungspflicht bei Kinderspielplätzen sind zwar besonders hohe Anforderungen zu stellen. Das verbietet aber nicht bewegliche Teile, wie z.B. eine drehbare Querstange mit der Kinder in verschiedener Weise spielen können. Die Verkehrssicherungspflicht geht auch nicht soweit, dass Erwachsene vor jedem möglichen Schaden bei der Nutzung eines Klettergerüstes eines Spielplatzes geschützt werden müssten.

Und: Überwiegendes Mitverschulden der Klägerin.

„Wenn sich ein Erwachsener dazu entschließt, „ruhig auch mal was Verrücktes zu machen“ (so die eigene Einlassung der Klägerin), so ist das nicht nur aus Rechtsgründen völlig in Ordnung und nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund und im Umfang des Art. 2 Abs. 1 GG jedem gestattet. Es muss dann allerdings auf dem Klettergerüst eines Spielplatzes mit den dort vorherrschenden und oben ausgeführten Besonderheiten gerechnet und insbesondere auch mit einkalkuliert werden, dass ein Erwachsener sich grundsätzlich ängstlicher oder positiv formuliert: vorsichtiger bewegt als ein Kind, damit befangener, auch naturgemäß weniger beweglich ist, und in aller Regel auch weniger trainiert, weil es im Lauf des Erwachsenwerdens naturgemäß allgemein jedenfalls zu nicht unerheblichen Reduktionen körperlicher Aktivitäten in Beruf, Verkehr und Haushalt kommt, wobei die heutige sog. Digitalisierung noch das ihrige beiträgt. Dieser natürliche Schwund körperlicher Leistungsfähigkeit, auch wenn er hinausgeschoben werden mag, muss dann aber mit einbezogen werden, nutzt man als erwachsene Person Spielgeräte, die grundsätzlich für andere, weit jüngere Altersgruppen geschaffen sind. Für all dies typisch ist die weitere Einlassung der Klägerin, sie habe dann die Höhe der Stange bemerkt und wieder herunterspringen wollen, weil genau dies ein nicht kindlich unbesorgtes Verhalten darstellt, dass das Seine zum – behaupteten – Unfallgeschehen beigetragen hat. Die Klägerin muss sich somit jedenfalls mindestens als ergänzende Argumentation auch noch eine grobe Sorgfaltspflichtverletzung in eigenen Angelegenheiten vorhalten lassen, wie es das Landgericht in letzter Konsequenz weiterhin zutreffend ausgeführt hat.

Worauf der Radfahrer beim Einfahren achten muss…

FahrradfahrerFür Radfahrer von Interesse sein dürfte das OLG Saarbrücken, Urt. v. 13?.?02?.?2014? – 4 U ?59?/?13?, das sich zur Sorgfaltspflicht eines Radfahrers beim Einfahren vom Radweg auf die Fahrbahn verhält und eine erhöhte Sorgfaltspflicht des Radfahrers postuliert. Dazu die Leitsätze der Entscheidung:

„1. Fährt ein Radfahrer von einem rechts neben der Fahrbahn verlaufenden Radweg in die Fahrbahn ein, um sogleich nach links abzubiegen, unterliegt dieser Vorgang sowohl den Regeln des Einfahrens gemäß § 10 Satz 1 StVO als auch denjenigen des Abbiegens gemäß § 9 Abs. 1 und 2 StVO.

2. Kommt es in einem solchen Fall zum Zusammenstoß mit einem auf dieser Fahrbahn geradeausfahrenden Pkw, kann das grobe Mitverschulden des Radfahrers gemäß §§ 9 StVG, 254 BGB so weit überwiegen, dass die einfache Betriebsgefahr des Pkw dahinter vollständig zurücktritt.“

 

Rosenmontagszug, ist nicht immer lustig, oder: Wer haftet für welche Schäden?

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Jetzt/heute quälen sie sich wieder durch die Städte im Rheinland: Die Rosenmontagszüge. Dazu passt dann der OLG Koblenz, Beschl. v. 19.12.2013 – 3 U 985/13 -, der schon in einigen anderen Blogs „gelaufen“ ist. Ich habe es mir aber wegen des thematischen Zusammenhnags für heute, Rosenmontag 2014, „aufbewahrt“. Denn das Urteil befasst sich mit der Frage der Haftung des Veranstalters eines Rosenmontagsumzugs – es war der in Mainz – für einen Unfall bei (angeblich) ausreichender Absperrung und Sicherung. Das Entscheidende ergibt sich aus den Leitsätzen, die auch schön zeigen, wie oft die Fragen schon entschieden worden sind:

„1. Die Verkehrssicherungspflicht verpflichtet grundsätzlich denjenigen, der eine Gefahrenlage schafft, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (in Anknüpfung an OLG Koblenz, Hinweisverfügung gemäß § 522 Abs. 2 vom 16.12.2009 i.V.m. Zurückweisungsbeschluss vom 22.01.2010 – 2 U 904/09MDR 2010, 630; Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom 15.06.2010 i.V.m. Zurückweisungsbeschluss vom 04.10.2010 – 2 U 950/09VersR 2012, 374; Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom 19.1.2011 – 2 U 468/10MDR 2011, 787; Hinweisbeschluss vom 06.10.2011 – 2 U 1104/10 – i.V.m Zurückweisungsbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom 01.12.2011).
2. Der Verkehrssicherungspflichtige ist aber nicht gehalten, für alle denkbaren, entfernt liegenden Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge zu treffen. Es genügen diejenigen Vorkehrungen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Erforderlich sind die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für notwendig und ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, d.h. nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs geeignet sind, solche Gefahren von Dritten tunlichst abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßem oder bei nicht ganz fernliegender bestimmungswidriger Benutzung drohen. Der Dritte ist aber nur vor den Gefahren zu schützen, die er selbst, ausgehend von der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann.
3. Der Veranstalter eines Rosenmontagsumzugs hat im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht dafür Sorge zu tragen hat, dass Personen, insbesondere minderjährige Zuschauer, nicht zu nahe an die Festwagen kommen können und dass eine Absperrung vorzunehmen ist (in Anknüpfung an LG Ravensburg, Urteil vom 15.08.1996 – 3 S 145/96NJW 1997, 402; OLG Köln, Entscheidung vom 15.02.1979 – 14 U 123/76, R+S 1979, 121 f.; ferner zur Verkehrssicherungspflicht bei Rosenmontagsumzügen AG Köln, Urteil vom 07.01.2011 – 123 C 254/10, zitiert nach […]; LG Trier, Urteil vom 05.06.2011 – 1 S 18/01NJW-RR 2001, 1470 f.; LG Trier, Urteil vom 05.06.2001 – 1 S 18/01NJW-RR 2001, 1470 f.; AG Köln, Urteil vom 19.06.1998 – 111 C 422/97NJW 1999, 1972 f. = R+S 1999, 151).“

Heißt also: Der Veranstalter eines Rosenmontagsumzugs hat im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht dafür Sorge zu tragen hat, dass Personen, insbesondere minderjährige Zuschauer, nicht zu nahe an die Festwagen kommen können und dass eine Absperrung vorzunehmen ist. Der Veranstalter haftet aaber nicht für ein Unfallereignis während eines Rosenmontagsumzugs, wenn der Geschädigte nicht dargetan hat und es auch nicht ersichtlich ist, dass eine vorhandene Absperrung nicht ausreichend gewesen wäre oder andere Sicherungsmaßnahmen geboten gewesen wären. Nach dem StVG findet zudem die Vorschrift des § 7 StVG keine Anwendung, wenn der Unfall durch ein Kraftfahrzeug verursacht wurde, das auf ebener Bahn mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20 Kilometer in der Stunde fahren kann.

Die Selbstentzündung in der Tiefgarage

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Möglicherweise häufiger, als man denkt, passiert das Geschehen, das das LG Karlsruhe zu beurteilen hatte.: Die Selbstentzündung eines Pkws in der Tiefgarage und das Übergreifen des Brandes auf einen anderen Pkw. Dann stellt sich (natürlich) die Frage der Haftung. Das AG Karlsruhe hatte eine entsprechende Klage abgewiesen. Zur Begründung hatte es ausgeführt, angesichts eines Zeitraums von mehr als 24 Stunden zwischen Abstellen des Fahrzeugs der Beklagten in der Tiefgarage und dem Inbrandgeraten aufgrund Selbstentzündung durch technischen Defekt fehle es am Tatbestandsmerkmal „bei dem Betrieb“ des Kraftfahrzeugs i.S.v. § 7 I StVG. Der erforderliche Zurechnungszusammenhang sei nicht gegeben.

Das LG Karlsruhe hat das im LG Karlsruhe, Urt. v. 28.05.2013, 9 S 319/12 – anders gesehen: Komme es an einem in einer privaten Tiefgarage abgestellten Kfz zu einer Selbstentzündung durch einen technischen Defekt und infolgedessen zu einem Brand, der auf ein anderes Fahrzeug übergreift, ist das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb“ im Sinne des § 7 StVG regelmäßig erfüllt. Das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb“ sei entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der entsprechenden Vorschrift weit auszulegen. Die Haftung nach dem StVG umfasst daher alle durch den Kfz-Verkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genügt, dass sich eine von dem Kfz ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kfz mitgeprägt worden ist. Für eine Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz steht. Und:

„…Unter normativer Betrachtung des weiten Schutzzwecks der Norm greift § 7 I StVG erst dann nicht mehr ein, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Fahrzeugs keine Rolle mehr spielt (so auch OLG Düsseldorf, NZV 2011, 195, 196). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn es zu Inspektionszwecken aus dem allgemeinen Verkehr entfernt und in eine Werkstatt eingestellt wurde (vgl. OLG Düsseldorf, NZV 2011, 190, 192). Demgegenüber kann nach Auffassung des Gerichts der ursächliche Zusammenhang von Schadensereignis und Betrieb des Kfz nicht auf den Zeitraum zwischen Beginn und Ende einer Fahrt mit dem Kfz begrenzt werden (so aber wohl LG Coburg, Urteil v. 27.01.2010 – 21 O 195/09 -, wiedergegeben bei […]). Der weite Schutzzweck des § 7 I StVG ist sozusagen der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kfz – erlaubterweise – eine Gefahrenquelle eröffnet wird (BGH, a.a.O.; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 7 StVG, Rn. 1). Die Besonderheit eines Kfz, für andere Verkehrsteilnehmer eine spezifische Gefahr darstellen zu können, besteht nicht nur, solange es fortbewegt wird. Spezifische Gefahren können auch – wenn auch weitaus seltener – aus den für die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Fahrzeugs erforderlichen Betriebseinrichtungen erwachsen. Dies gilt auch nach Abstellen des Kfz (ähnlich OLG Düsseldorf, NZV 2011, 195, 196; Grüneberg, NZV 2001, 109, 111 f.)…“

Hundebiss? Kein Problem, mein Herrchen haftet immer….

In die Rubrik, „Wie das Leben so spielt“ …gehört die Meldung zum OLG Celle, Urt.v. 11. 06.2012 – 20 U 38/11(vgl. hier die PM.). In der heißt es:

Der Halter eines Tieres haftet für Schäden, die durch typisches Tierverhalten wie etwa das Beißen eines Hundes oder Austreten eines Pferdes verursacht werden. Dies gilt nach einem Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle selbst dann, wenn das Tier die Schäden verursacht, während es sich in der Obhut einer anderen Person – etwa eines Tierarztes – befindet und der Halter damit keinerlei Möglichkeit hat, steuernd auf sein Tier einzuwirken (OLG Celle, Urteil vom 11. Juni 2012 – 20 U 38/11). Das Urteil zeigt einmal mehr, wie wichtig für Tierhalter der Abschluss einer Tierhalterhaftpflichtversicherung ist.

Der 20. Zivilsenat hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem die Halterin eines Schäferhundes diesen in die Kleintierklinik des Klägers gebracht hatte. Dort wurde der Hund für die Behandlung narkotisiert. Beim Erwachen aus der Narkose biss das Tier den Tierarzt in die rechte Hand und verursachte schwere Verletzungen. Für diese Verletzungen verlangte der Tierarzt Schadensersatz und Schmerzensgeld im sechsstelligen Bereich, weil er durch die Handverletzungen seine tierchirurgische Tätigkeit nicht mehr ausüben könne.

Die beklagte Hundehalterin meinte, für die Schäden nicht einstehen zu müssen, weil sie keine Möglichkeit gehabt hätte, auf ihren Hund Einfluss zu nehmen. Diese Möglichkeit hätte allein der Kläger gehabt, der als Tierarzt über eine besondere Sachkunde verfügt und sich dem Risiko, von dem Hund angegriffen zu werden, bewusst ausgesetzt habe.

Dieser Argumentation folgte der 20. Zivilsenat jedoch nicht sondern entschied, dass allein der Umstand, dass man sein Tier zum Zweck der Behandlung o.ä. in die Obhut einer anderen Person gebe, nicht dazu führen könne, dass die Haftung des Halters ausgeschlossen sei. Denn die Haftung des Tierhalters bestehe unabhängig von der Möglichkeit seiner Einflussnahme. Allerdings könne die Haftung beschränkt werden, wenn der Geschädigte durch inadäquates Verhalten zu der Verletzung selbst beigetragen habe. Da Hunde während des Erwachens aus der Narkose mitunter außergewöhnlich und aggressiv reagieren würden, hätte der Tierarzt im zu entscheidenden Fall besondere Vorsicht beim Herangehen an den Hund walten lassen müssen, was er jedoch nicht getan hatte. Dementsprechend konnte er nur einen Teil der geltend gemachten Schäden ersetzt verlangen.

Der Pressesprecher und Richter am Oberlandesgericht Dr. Götz Wettich betont: „Angesichts der Schäden, die durch Bissverletzungen entstehen können, hat das Land Niedersachsen gut daran getan, im Gesetz über das Halten von Hunden den Abschluss einer Haftpflichtversicherung vorzuschreiben. Wer gegen dieses Gebot verstößt, riskiert nicht nur, bei Unfällen horrende Schadensersatzforderungen aus eigener Tasche zahlen zu müssen, sondern auch die Verhängung einer empfindlichen Geldbuße bis zu 10.000,- €.“

Da kann man wirklich nur sagen: Versicherung tut Not.

P-S- Der Hund auf dem Bild sieht nun wirklich nicht nach „Biss“ aus :-). Aber man weiß ja nie ……