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Urteil II: Überschreitung der Urteilsabsetzungsfrist, oder: Welche „Nachfrist“ in einer Haftsache?

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Und die zweite „Urteilsentscheidung“ behandelt auch einen Dauerbrenner, nämlich die Urteilsabsetzungsfrist (§ 275 Abs. 1 S. 4 StPO). Allerdings geht es im dem OLG Celle, Beschl. v.  20.02.204 – 2 ORs 1/24 – um eine Abwandlung, nämlich um die Frage: Wie lange darf es nach Wegfall des eine Überschreitung der Urteilsabsetzungsfrist rechtfertigenden Umstandes dauern, bis das Urteil zur Akte gebracht ist.

Dazu führt das OLG aus:

“ ….. Die erhobene Verfahrensrüge gemäß § 338 Nr. 7 StPO führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hannover.

1.Wird die Überschreitung der Urteilsabsetzungsfrist gerügt, muss in tatsächlicher Hinsicht vorgetragen werden, dass das unterschriebene Urteil nicht innerhalb der Frist zur Akte gelangt ist. Dabei sind alle Tatsachen darzulegen, die eine sichere Berechnung der sich aus § 275 Abs. 1 StPO ergebenden Frist ermöglichen. Das Datum des Urteilseingangs ist anzugeben (vgl. Senat, Beschluss vom 01.03.2023 – 2 ORs 10/23 -). Diesen Anforderungen wird die erhobene Verfahrensrüge gerecht.

…..

Die Verfahrensrüge stellt darauf ab, dass das Urteil bereits am 02.11.2023 hätte abgesetzt werden müssen und die dienstliche Erklärung keine Angaben dazu enthalte, was dem entgegengestanden habe. Zudem verweist sie auf den Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen.

Der Senat hat im Freibeweisverfahren eine ergänzende dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden eingeholt. Diese Stellungnahme lag dem Senat am 14.02.2024 vor.

2. Die in zulässiger Weise erhobene Rüge der Überschreitung der Urteilsabsetzungsfrist (§ 338 Nr. 7, § 275 Abs. 1 Satz 2 und 4 StPO) greift durch.

Das Urteil wurde am 01.09.2023, dem 5. Hauptverhandlungstag, verkündet, so dass es gemäß § 275 Abs. 1 S. 2, 2. Halbsatz StPO spätestens am 20.10.2023 zu den Akten zu bringen gewesen wäre. Am 01.10.2023 verunfallte der Vorsitzende. Er war deshalb bis einschließlich 30.10.2023 dienstunfähig erkrankt. Nach dem Feiertag am 31.10.2023 (Reformationstag) nahm er am 01.11.2023 seinen Dienst wieder auf. Am 07.11.2023 legte er das Urteil in Diktatform nieder. Am 16.11.2023 ging das vollständig geschriebene und vom Vorsitzenden unterzeichnete Urteil bei der Geschäftsstelle ein.

Nach § 275 Abs. 1 S. 4 StPO darf die Frist nur überschritten werden, wenn und solange das Gericht durch einen im Einzelfall nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand an ihrer Einhaltung gehindert worden ist. Der Unfall des Vorsitzenden am 01.10.2023 und seine daraus folgende Dienstunfähigkeit bis zum 30.10.2023 einschließlich stellen zwar einen solchen nicht voraussehbaren unabwendbaren Umstand dar, der mithin eine Fristüberschreitung gemäß § 275 Abs. 1 S. 4 StPO rechtfertigte. Jedoch hätte das Urteil nicht erst am 16.11.2023 zu den Akten gelangen dürfen.

Das Urteil ist nicht bereits am 07.11.2023 im Sinne von § 275 Abs. 1 S. 2 StPO zu den Akten gebracht worden. An diesem Tag hat der Vorsitzende das Urteil vielmehr nur „in Diktatform niedergelegt“. Das auf einen Tonträger diktierte Diktat genügt aber nicht. Vielmehr muss das zu den Akten gebrachte Urteil in Schriftform vorliegen und von allen Berufsrichtern unterzeichnet sein (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage, § 275 Rn. 3 m. w. N.). Das war nach der vom Senat eingeholten dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden vom 14.02.2024 erst am 16.11.2023 der Fall. Am Morgen dieses Tages hat er gegen 9:30 Uhr das von ihm unterschriebene Urteil persönlich auf die Geschäftsstelle gebracht.

Nach Wegfall des Hindernisses muss das Urteil mit größtmöglicher Beschleunigung zu den Akten gebracht werden (vgl. BGH NStZ, 1982, 519; StV 1995, 514). Nach dieser Rechtsprechung des BGH sind insoweit Verzögerungen von vier Arbeitstagen nicht  mehr zu rechtfertigen. Im vorliegenden Fall waren es von der Wiederaufnahme der Dienstgeschäfte des Vorsitzenden am 01.11.2023 bis zum Eingang des unterschriebenen Urteils auf der Geschäftsstelle am 16.11.2023 zwölf Arbeitstage (16 Kalendertage). Im Hinblick darauf, dass auf der einen Seite die Hauptverhandlung fünf Tage in Anspruch nahm, der Angeklagte jede Tatbeteiligung bestritt, eine umfassende Beweiswürdigung unter Auswertung auch eines Sachverständigengutachtens vorzunehmen war und das fertige Urteil 19 Seiten füllt, auf der anderen Seite der Vorsitzende seiner dienstlichen Stellungnahme vom 14.02.2024 zufolge nur mit einem Arbeitskraftanteil von 0,5 eingesetzt ist, nach Wiederaufnahme seiner Tätigkeit am 01.11.2023 und Durchsicht sämtlicher aufgelaufener von insgesamt 37 in der Kammer anhängigen Sachen die vorrangig zu bearbeitenden Verfahren gesichtet und sodann unverzüglich mit der Bearbeitung der vorliegenden Sache begonnen, eine auf den 06.11.2023 terminierte Hauptverhandlung aufgehoben und zudem trotz seiner halben Stelle das Urteil am 07.11.2023 ganztägig zu Ende diktiert sowie unter „Eilt sehr! Haft!“ persönlich zur Geschäftsstelle gebracht hat, wo es um 16:53 Uhr zur weiteren Bearbeitung durch die Phonokanzlei ins Netz gestellt wurde, erscheinen die vom Vorsitzenden für das vollständige Diktieren des Urteils insgesamt benötigten fünf Arbeitstage (sieben Kalendertage) nicht als unangemessen lang.

Unangemessen lang war hingegen die Zeit von sieben weiteren Arbeitstagen (neun Kalendertagen) vom Eingang des Diktats auf der Geschäftsstelle am 07.11.2023 bis zum Eingang des unterschriebenen Urteils dort am 16.11.2023. Die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden vom 14.02.2024 führt dazu aus, dass die zuständige Justizangestellte der Phonokanzlei, die auf 5-Stunden-Basis täglich beschäftigt sei, sowohl für den Straf- als auch für den Zivilbereich zu schreiben habe und zusätzlich eine seit Oktober 2023 erkrankte Kollegin vertreten müsse, das Schreiben des Diktats nach ihrer Erinnerung entweder am 08.11.2023, eher aber am 09.11.2023 begonnen und ihm das geschriebene Diktat am 13.11.2023 zugeleitet habe. Er habe den Urteilsentwurf am Morgen des 14.11.2023 auf seinem Schreibtisch vorgefunden und neben der Sitzungsvorbereitung für die auf den 16.11.2023 angesetzte Hauptverhandlung mit Fortsetzungstermin am 20.11.2023 unverzüglich weiterbearbeitet.

Angesichts des Urteilsumfangs von 19 Seiten war sowohl die Verweildauer des Diktats von vier Arbeitstagen (sechs Kalendertagen) bei der Phonokanzlei, als auch die Verweildauer beim Vorsitzenden von drei weiteren Arbeitstagen zu lang. Da Strafsachen stets Zivilsachen vorgehen und nicht ersichtlich ist, dass die zuständige Kanzleikraft am 08.11.2023 Diktate in vorrangigen Strafsachen zu schreiben hatte, hätte sie die vorliegende, als solche gekennzeichnete Haftsache gleich am 08.11.2023 bearbeiten müssen und hätte das Schreiben des 19-seitigen Urteils auch gut im Rahmen ihrer fünfstündigen Arbeitszeit an diesem Tag bewältigen können, so dass der Entwurf dem Vorsitzenden bereits am nächsten Tag (09.11.2023) hätte wieder vorliegen können. Auch dieser hätte den Entwurf noch am Tag des Vorfindens auf seinem Schreibtisch (14.11.2023) sowie – im Hinblick auf seine halbe Stelle auch noch – am Folgetag (15.11.2023) korrekturlesen, fertigstellen, unterschreiben und zu den Akten bringen müssen, anstatt dies wegen der parallelen Vorbereitung auf eine nicht vorrangige neue Hauptverhandlung am 16.11.2023, die er vielmehr – wie zuvor schon die Sitzung vom 06.11.2023 – hätte aufheben müssen, um einen weiteren Tag (bis zum Morgen des 16.11.2023) zu verschieben. Dann wären es von der Wiederaufnahme der Dienstgeschäfte des Vorsitzenden bis zum Eingang des unterschriebenen Urteils auf der Geschäftsstelle insgesamt nur acht statt zwölf Arbeitstage (zehn statt 16 Kalendertage) gewesen. Die Vorbereitung einer Nichthaftsache hat gegenüber der raschen Absetzung eines überfälligen Urteils zurückzutreten (KG StV 2016, 798).

Der Umstand, dass drei der insgesamt vier und damit der Großteil der zu viel benötigten Arbeitstage nicht vom Vorsitzenden selbst, sondern von der gleichzeitig mit Straf- und Zivilsachen sowie einer Krankheitsvertretung belasteten Teilzeitkraft der Phonokanzlei verursacht wurden, vermag nicht zu einer anderen Würdigung führen, weil es sich um Umstände handelt, die die Organisation des Gerichts betreffen, und solche Umstände in der Regel schon eine Fristüberschreitung nicht zu rechtfertigen vermögen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 275 Rn. 14 m. w. N.), was dann erst recht für die Zeit nach Wegfall des Hindernisses gelten muss. Auch aus Sinn und Zweck der Vorschrift lässt sich nichts Anderes ableiten. Die Urteilsabsetzungsfrist, die das Beschleunigungsgebot konkretisiert, soll verhüten, dass ein längeres Hinausschieben der Urteilsabfassung die Zuverlässigkeit der Erinnerung der erkennenden Richter beeinträchtigt und zu einer Darstellung der Sach- und Rechtslage in den Urteilsgründen führt, bei der nicht mehr gesichert ist, dass sie der das Urteil tragenden Ansicht der Richter bei der Beratung entspricht (vgl. Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Auflage, § 275 Rn. 2 m. w. N.). Dieser Gesetzeszweck ist auch dann verletzt, wenn zwischen dem vollständigen Diktieren des Urteils und der abschließenden Unterschrift unangemessen viel Zeit verstreicht. Das gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als zusätzlich das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen zu beachten war.

Die unangemessen lange Zeit zwischen dem Fertigstellen des Diktats und dem Eingang des Urteils auf der Geschäftsstelle von sieben Arbeitstagen kann im vorliegenden Fall schließlich auch nicht dadurch als kompensiert angesehen werden, dass der Vorsitzende etwa das Urteil mit überobligatorischer Beschleunigung vollständig diktiert hätte. Letzteres gilt zwar für den 07.11.2023 selbst, als der Vorsitzende das Urteil trotz seines Arbeitskraftanteils von nur 0,5 ganztägig zu Ende diktiert hat, genügt aber nicht, um die insgesamt vier zu viel benötigten Arbeitstage zu kompensieren.“

Haft III: Beschleunigungsgrundsatz bei U-Haft, oder: Mal wieder verzögerte Einholung eines SV-Gutachtens

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Und als dritte und letzte Entscheidung dann ein haft(verfahrens)rechtlicher Dauerbrenner, nämlich die Frage: Wie müssen die Gerichte in Haftsachen mit der Einholung von Sachverständigengutachten umgehen. Dazu verhält sich der OLG Naumburg, Beschl. v. 22.03.2022 – 1 Ws (s) 84/22 – auf der Grundlage folgenden Verfahrensablaufs:

Der Angeklagte befindet sich seit dem 06.04.2021 aufgrund eines Haftbefehls des AG Bernburg vom 09.12.2020 in Untersuchungshaft. Der Haftbefehl stützt sich auf den Vorwurf des Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und den Haftgrund der Fluchtgefahr. Der Haftbefehl war dem Angeklagten nach Festnahme in anderer Sache am 21.01.2021 verkündet worden.

Am 25.02.2021 verurteilte das AG Bernburg den Angeklagten in dieser Sache wegen Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, Diebstahls und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten. Auf die Berufung des Angeklagten fand am 25.05.2021 eine erste Hauptverhandlung vor dem LG Magdeburg statt, in deren Verlauf sich herausstellte, dass eine Begutachtung des Angeklagten aufgrund dessen Drogensucht im Hinblick auf eine Unterbringung gemäß § 64 StGB notwendig war.

Mit Beschluss vom 11.06.2021 erteilte das LG Magdeburg – nach Stellungnahme der zuständigen Staatsanwaltschaft Magdeburg – den Auftrag zur Erstellung eines Gutachtens an den Sachverständigen Dr. med. pp.. Dieser teilte am 04.07.2021 mit, dass die ambulanten Untersuchungstermine nach Zuführung des in der Justizvollzugsanstalt Burg inhaftierten Angeklagten für den 21. und 22.09.2021 vorgesehen seien. Am 03.11.2021 fragte das Landgericht per E-Mail beim Gutachter an, wann mit dem Eingang des Gutachtens gerechnet werden könne. Am 22.11.2021 ging das Gutachten bei Gericht ein. Am 23.11.2021 bestimmte der Vorsitzende Termin zur Hauptverhandlung am 09.03.2022.

Mit Urteil vom 09.03.2022 hat das LG dann unter Verwerfung der Berufung des Angeklagten im Übrigen das erstinstanzliche Urteil im Rechtsfolgenausspruch abgeändert und den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt und mit Beschluss vom gleichen Tage die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Haftbeschwerde des Angeklagten, welche die Verletzung des Beschleunigungsgebotes in Haftsachen rügt. Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Gegen das Urteil des LG hat der Angeklagte fristgerecht Revision eingelegt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift an das OLG beantragt, auf die Haftbeschwerde des Angeklagten den Haftbefehl aufzuheben.

Und die Haftbeschwerde hat Erfolg. Man muss formulieren: „natürlich“, denn so geht es nicht. Und das, was die GStA in ihrer Zuschrift, auf die sich das OLG bezieht, ausführt, ist nichts Neues, sondern das konnte man schon häufg lesen in OLG-Beschlüssen, wenn es um Verzögerungen in Zusammenhang mit der Erstellung von Sachverständigengutachten ging. Daher reichen hier jetzt m.E. die Leitsätze zu der Entscheidung:

Bei der Einholung eines Gutachtens ist es zur gebotenen Beschleunigung des Verfahrens unerlässlich, auf zeitnahe Erstellung des Gutachtens hinzuwirken. Es sind deshalb mit dem Gutachter Absprachen darüber zu treffen, in welcher Frist ein Gutachten zu erstellen ist und gegebenenfalls zu prüfen, ob eine zeitnähere Gutachtenerstattung durch einen anderen Sachverständigen zu erreichen ist.

Vielleicht liest man das ja beim LG. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

U-Haft I: Wenn die Fertigstellung des HV-Protokolls 4 1/2 Monate dauert, oder: Haftentlassung

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Die erste Haftentscheidung kommt heute vom OLG Brandenburg. Es handelt sich um den OLG Brandenburg, Beschl. v. 06.12.2018 – 1 Ws 184/18. Ergangen ist er auf eine Haftbeschwerde des Kollegen Milke aus Potsdam, der mir den Beschluss auch zugeleitet hat.

Thematik: Dauerbrenner „Beschleunigungsgrundsatz“ in Haftsachen, und zwar mal wieder nach Erlass des Urteils. Das Schwurgericht hatte den Angeklagten am 05.02.2018 wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Gegen das Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, die inzwischen beim BGH liegt. Das unterschriebene Urteil gelangte am 22. März 2018 zu den Akten und wurde an die Verteidiger des Angeklagten am 8. August 2018 zugestellt. Grund für die verzögerte Fertigstellung des Protokolls: Außerordentliche Belastung der Kammer spätestens seit Beginn des Jahres 2018 mit zahlreichen Schwurgerichtssachen.

Dem OLG reicht das als „Entschuldigung“ nicht. Es hat den Haftbefehl gegen den Angeklagten wegen der Verzögerung – das OLG geht von rund vier einhalb Monaten aus – aufgehoben. Konkret zur Sache führt es aus:

„b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist das Verfahren nicht in einer Weise gefördert worden, die den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Vorgaben gerecht wird. Die nach Urteilserlass entstandenen Verfahrensverzögerungen verstoßen gegen das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Beschleunigungsgebot in Haftsachen.

Mit dem verfassungsrechtlich zu beachtenden Beschleunigungsgebot ist es vorliegend unvereinbar, dass das Hauptverhandlungsprotokoll erst am 27. Juli 2018 fertiggestellt wurde und Urteil und Protokoll erst am 8. August 2018 an die Verteidiger zugestellt wurden.

Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen, verlangt nämlich auch, dass die Erstellung eines kompletten Hauptverhandlungsprotokolls im unmittelbaren Anschluss an die Hauptverhandlung und damit parallel zur Erstellung der Urteilsgründe erfolgt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2005 – 2 BvR 2057/05, StV 2006, 81, bei juris Rn 70; OLG Nürnberg, Beschluss vorn 28.09.2018, Az,: 2 Ws 645/18, BeckRS 2018, 25539).

Bei Beachtung dieser Vorgaben und des Umstandes, dass sich der Angeklagte zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung seit elf Monaten und zwischenzeitlich seit einem Jahr und neun Monaten in Untersuchungshaft befindet, ist das Verfahren vor dem Landgericht Potsdam nach Urteilsverkündung dadurch erheblich verzögert worden, dass eine Fertigstellung des Protokolls nicht zeitnah zur Urteilserstellung erfolgt ist. Vom Tag der Urteilsverkündung am 5. Februar 2018 bis zur Fertigstellung des Protokolls am 27. Juli 2018 vergingen dreieinhalb Monate. Selbst ab dem 22. März 2018, dem Zeitpunkt an dem das Urteil zur Geschäftsstelle gelangt ist, dauerte die Fertigstellung des Protokolls, die gemäß § 273 Abs. 4 StPO Voraussetzung für die ‚Wirksamkeit der Urteilszustellung ist, noch mehr als vier Monate. Vom Tag der Fertigstellung des Urteils bis zur Zustellung des Urteils und des Protokolls an die Verteidiger vergingen insgesamt vier Monate und 17 Tage. Der Fortgang des Revisionsverfahrens hat sich durch die verspätete Fertigstellung des Protokolls mithin erheblich verzögert. Die Revisionsbegründungsfrist hat nämlich gemäß § 345 Abs. 1 Satz 2 StPO erst mit der Zustellung des Urteils an die Verteidiger zu laufen begonnen.

Die verspätete Fertigstellung des Protokolls war sachlich nicht gerechtfertigt und vermeidbar. Die Hauptverhandlung erstreckte sich über einen Zeitraum von eineinhalb Monaten mit acht Hauptverhandlungstagen, wobei das Protokoll der Hauptverhandlung keinen außergewöhnlichen Umfang erreichte. Es besteht lediglich aus einem Band mit etwa 200 Seiten. Bei diesem Umfang stand für die Prüfung und Korrektur des Protokolls mit dem sechswöchigen Zeitraum vom 5. Februar 2018 bis zum 22. März 2018 ausreichend Zeit zur Verfügung. Die Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls hätte somit durchaus im unmittelbaren Anschluss an die Hauptverhandlung und damit parallel zur Erstellung der Urteilsgründe erfolgen, können. Durch die gebotene zügige Vorgehensweise wäre eine Verfahrensverzögerung von etwa viereinhalb Monaten vermieden worden.

Die eingetretene Verzögerung kann nicht mit der auch dem Senat bekannten außerordentlichen Belastung der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Potsdam gerechtfertigt werden. Die Überlastung des Schwurgerichts ist allein der Sphäre des Gerichts und nicht der des Angeklagten zuzurechnen (vgl. OLG Nürnberg, a.a.O.). Der hohe Geschäftsanfall ist nicht unvorhersehbar kurzfristig eingetreten und nur von vorübergehender Dauer. Darauf lässt bereits die Tatsache, dass im ersten Halbjahr 2018 acht Schwurgerichtssachen aus dem Jahr 2017 verhandelt wurden, schließen. Die Sicherstellung einer beschleunigten Bearbeitung von Haftsachen hätte rechtzeitig durch geeignete gerichtsorganisatorische Maßnahmen der Justiz erfolgen müssen.“

Warum braucht die StA 7 Monate, um sich nicht zu erklären? oder: Schon unfassbar….

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Beginnen wir die neue Woche mit Haftrecht. Und dazu macht der OLG Köln, Beschl. v. 29.02.2016 – 2 Ws 60/16, den (unschönen) Auftakt. Es geht um die Verletzungs des Beschleunigungsgrundsatzes im Rechtsmittelverfahren. Und der war hier „so „dicke“ verletzt, dass das OLG den gegen den Angeklagten bestehenden Haftbefehl wegen gemeinschaftlichen versuchten Totschlags aufgehoben hat. Dem lag folgender Verfahrensablauf zugrunde:

  • Urteil des LG Köln 05.12.2014; Freiheitsstrafe  wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung  7 Jahre und 9 Monate.
  • Nach Revisionseinlegung aller Angeklagten, Fertigstellung des Urteils am letzten Tag der Urteilsabsetzungsfrist, dem 06.02.2015, Fertigstellung des Sitzungsprotokolls am 16.03.2015 sowie Zustellungsverfügung der Vorsitzenden vom 17.03.2015, Zustellung des Urteils den Verteidigern, dem letzten am 13.04.2015.
  • Die Verteidiger haben bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gerügt und die allgemeine Sachrüge auch teilweise ausgeführt. Die letzte Revisionsschrift, die die Verletzung formellen Rechts rügt, ist am 13.05.2015 beim LG eingegangen.
  • Mit Verfügung der Vorsitzenden vom 26.05.2015 sind die Akten der StA, Eingang dort am 28.05.2015, zwecks Abgabe der Revisionsgegenerklärung übersandt worden.
  • Der zuständige Staatsanwalt vermerkt unter dem 17.07.2015, dass er aufgrund der unvorhersehbaren Abordnung eines Kollegen zur Erprobung und weiterer, im Einzelnen näher aufgeführter dringlicher Amtsgeschäfte bisher nicht in der Lage gewesen sei, eine Revisionsgegenerklärung abzugeben. Er werde sich nach seiner Urlaubsrückkehr am 10.08.2015 umgehend dem Verfahren zuwenden. Der Behördenleitung sei diese Situation bekannt; sie sehe sich jedoch aufgrund der angespannten Personalsituation nicht in der Lage, die Stelle des zur Erprobung abgeordneten Kollegen neu zu besetzen.
  • Nach insgesamt neun Sachstandsanfragen des Landgerichts im Zeitraum vom 23.07.2015 bis zum 03.12.2015 hat der zuständige Staatsanwalt am 09.12.2015 die Übersendung der Akten an die Generalbundesanwaltschaft verfügt, eine Revisionsgegenerklärung wurde nicht abgegeben. Im Hinblick auf den erneuten Zeitablauf hat er vermerkt, dass die Prüfung des Revisionsvorbringens erst zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen werden konnte. Vorher sei er hierzu aufgrund vordringlicher Amtsgeschäfte, die er wiederum im Einzelnen aufgeführt hat, nicht in der Lage gewesen.
  • Und dann noch: Die Akten sind aufgrund eines justizinternen Versehens von der StA zunächst wieder an das LG und zurück an die StA übersandt worden. Der für die Übersendung zuständige Rechtspfleger hatte am 16.12.2015 festgestellt, dass das Urteil nicht an alle im Revisionsverfahren tätigen Verteidiger förmlich zugestellt worden war. Er übersandt die Akte deshalb zunächst erneut der Strafkammer. Deren Vorsitzende vermerkte am 22.12.2015, dass infolge der förmlichen Zustellung an jeweils einen Verteidiger eine weitere förmliche Zustellung nicht erforderlich sei, gleichwohl verfügte sie die formlose Übersendung des Urteils an die Rechtsanwälte W und Q. Nach Ausführung dieser Verfügung wurden die Akten zunächst an die StA versandt, wo sie mit Verfügung vom 30.12.2015, die am 14.01.2016 ausgeführt wurde, an die Generalbundesanwaltschaft abgesandt wurden. Eine Antragsschrift der Generalbundesanwaltschaft liegt noch nicht vor. Die Akten wurden am 16.01.2016 dem BGH zur Kenntnisnahme vorgelegt.

Da kann man nur sagen: Noch Fragen zur Beschleunigung? Ich habe sie nicht. Und das OLG Köln hatte sie auch nicht und meint – zutreffend: Die nach Urteilserlass entstandenen Verfahrensverzögerungen gegen das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Beschleunigungsgebot in Haftsachen. Begründung:

  • Die erste vermeidbare Verfahrensverzögerung liegt bereits darin begründet, dass das Protokoll erst am 16.03.2015, mithin über 5 Wochen nach Ablauf  der Urteilsabsetzungsfrist am 06.02.2015, fertiggestellt worden ist. Diese Verzögerung ist als solche auch von Belang, da nach § 273 Abs. 4 StPO das Urteil zuvor nicht zugestellt werden darf und sie sich daher auf die zügige Durchführung des Revisionsverfahrens auswirkt.
  • War bereits diese vermeidbare Verzögerung des Verfahrens im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot bedenklich, ist dies jedenfalls in Zusammenschau mit dem Zeitablauf von über 6 Monaten, den die Staatsanwaltschaft für die Prüfung benötigt hat, dass keine Revisionsgegenerklärung abgegeben wird, und den unter II.3.b.cc. ausgeführten Verzögerungen mit dem Grundrecht des Angeklagten auf die Freiheit seiner Person, Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG, nicht mehr vereinbar.
  • Die Akten sind nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist bei der StA am 28.05.2015 eingegangen. Gemäß § 347 Abs. 1 S. 2 StPO hatte die StA Gelegenheit, binnen einer Woche eine schriftliche Gegenerklärung abzugeben. Tatsächlich hat die StA erst mit Verfügung vom 09.12.2015 die Akten der Generalbundesanwaltschaft übersandt, ohne Revisionsgegenklärung. „….Es kann dahingestellt bleiben, ob die Zeit, die die Staatsanwaltschaft zur Überprüfung des Revisionsvorbringens der Angeklagten benötigen durfte, der in § 347 Abs. 1 S. 2 StPO aufgeführte Wochenfrist entsprochen hat. Jedenfalls genügt eine Sachbehandlung, die einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten für die Überprüfung beinhaltet, nicht mehr dem in Haftsachen zu beachtenden Beschleunigungsgebot….“ und: ….Eine Stellungnahme zu den teilweise auf wenigen Seiten ausgeführten Sachrügen war nach Maßgabe der in Nr. 162 (1) der Richtlinien für das Straf- und das Bußgeldverfahren gegebenen Empfehlung nicht erforderlich…..“ und: „…..Ebenso wie sich aus dem Beschleunigungsgebot die Pflicht des Gerichtspräsidenten ableitet, durch Ergreifen geeigneter organisatorischer Maßnahmen die beschleunigte Bearbeitung von Haftsachen sicher zu stellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 1973 – 2 BvR 558/73 –, zitiert nach juris, Rz. 27), folgt daraus zugleich die Verpflichtung, solche gerichtsorganisatorische Maßnahmen zu unterlassen, die einer beschleunigten Bearbeitung von Haftsachen zuwiderlaufen (vgl. BVerfGE Beschluss vom 29. Dezember 2005 – 2 BvR 2057/05 –, zitiert nach juris, Rz. 69). Dass diese Verpflichtung in gleicher Weise auch für die Staatsanwaltschaft gilt, bedarf nach Auffassung des Senats keiner näheren Darlegung. Die Abordnung eines Kollegen an eine andere Behörde ist daher generell ungeeignet eine Verletzung des Beschleunigungsgebots zu rechtfertigen (BVerfG, a.a.O., Rz 69).“

Fazit des OLG:

„Vorliegend ist insgesamt eine vermeidbare, auf justizinterne Ursachen zurückzuführende Verfahrensverzögerung von über 8 Monaten zu verzeichnen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich der Angeklagte bereits 2 Jahre und 4 Monate in Untersuchungshaft befindet und die Akten erst 1 Jahr und 1 Monat nach Urteilsverkündung der Generalbundesanwaltschaft übersandt worden sind, die naturgemäß noch keine Antragsschrift gefertigt hat, so dass eine Revisionsentscheidung nach den Erfahrungen des Senats frühestens nach mehreren weiteren Monaten zu erwarten sein dürfte, zwingen die aufgezeigten vermeidbaren Verfahrensverzögerungen zur Aufhebung des Haftbefehls und des Haftfortdauerbeschlusses. Auch die – noch nicht rechtskräftige – Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 9 Monaten rechtfertigt aufgrund der massiven Verfahrensverzögerungen keine Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05. Dezember 2005 – 2 BvR 1964/05 –, zitiert nach juris, Rz. 106).

Wenn man es liest, denkt man Freiheitsberaubung im Amt durch Unterlassen…. ich weiß, ich weiß, ich brauche dazu keine Kommentare. Aber man ist fassunglos. Vor allem darüber, dass die Akten – es handelt sich um eine Haftssache (!!!!!!!!) – erst mal zwei Monate beim zuständigen StA liegen, der dann mitteilt, dass er jetzt erst mal für mehr als drei Wochen in Uralub fährt und sich dann der Sache widmen wird. Und dann dauert es immer noch bis Weihnachten…..

Ein wenig zu langsam war die StA…

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Ein wenig zu langsam hat die StA Berlin in einer Haftsache in Berlin in einem Verfahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge gearbeitet. Ergebnis: Wegen des Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen hat das KG im Haftprüfungsverfahren nach den §§ 121, 122 StPO den Haftbefehl mit KG, Beschl. v. 09.08.2013 – (4) 141 HEs 44/13 (23/13) – aufgehoben.  In der Sache ging es um das in der Praxis bekannte Problem der (nicht) rechtzeitigen Einholung von Sachverständigengutachten. Insoweit hält das KG dem LG zwei Versäumnisse vor:

„Bei Eingang der Akten bei der Staatsanwaltschaft am 12. März 2013 standen noch die Ergebnisse der im Anschluss an die Obduktion des C. eingeleiteten weiteren gerichtsmedizinischen Untersuchungen (neuropathologische und feingewebliche Begutachtung der inneren Organe) aus. Diese wurden von der Staatsanwaltschaft am 13. März 2013 telefonisch im Büro des hiermit beauftragten Sachverständigen unter Hinweis auf das Beschleunigungsgebot in Haftsachen angemahnt. Ob die Staatsanwaltschaft damit ihrer Aufgabe gerecht geworden ist, den Sachverständigen zu überwachen und auf eine beschleunigte Erstellung des Gutachtens hinzuwirken, kann dahin stehen. Denn die neuropathologische Begutachtung des Gehirns und feingewebliche Untersuchung von Lunge, Leber, Milz und Nieren des Verstorbenen waren am 5. April 2013 abgeschlossen, was für derartige Untersuchungen eine noch angemessene Dauer darstellt. Wann das an diesem Tage gefertigte und an die Staatsanwaltschaft abgesendete schriftliche Gutachten bei dieser eingegangen ist, kann der Senat den ihm vorliegenden Akten nicht entnehmen. Spätestens am 15. April 2013 lag es dem sachbearbeitenden Staatsanwalt aber vor, denn an diesem Tag verfügte er die Vorlage der mitübersandten Rechnung und einer Kopie des Gutachtens an die Berechnungsstelle zur Entschädigung des Sachverständigen.

 Obwohl nach Eingang des (letzten) gerichtsmedizinischen Gutachtens eine umgehende Anklageerhebung geboten war, um dem Beschleunigungsgrundsatz Rechnung zu tragen, wurde die Anklageschrift erst am 31. Mai 2013 gefertigt und sogar erst am 10. Juni 2013 zum Landgericht erhoben, ohne dass sich den Akten Gründe hierfür entnehmen lassen.

bb) Neben der späten Anklageerhebung hat es die Staatsanwaltschaft zusätzlich versäumt, forensisch-psychiatrische Gutachten zur Schuldfähigkeit der Beschuldigten noch im Ermittlungsverfahren in Auftrag zu geben, obwohl sich deren Notwendigkeit schon frühzeitig aufdrängte.

Um dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen zu genügen, hat die Staatsanwaltschaft möglichst früh auch alle erforderlichen Untersuchungen in Auftrag zu geben (vgl. Senat, Beschlüsse vom 9. Juli 2009 – [4] 1 HEs 26/09 [17/09] – und vom 27. Mai 2011 – [4] 1 HEs 22/11 [21/11] –; KG, Beschluss vom 25. August 2009 – [2] 1 HEs 30/09 [6-7/09] –). Dies gilt auch und insbesondere für die Einholung forensisch-psychiatrischer Gutachten zur Schuldfähigkeit des Beschuldigten (ständige Rechtsprechung der Senate des Kammergerichts, vgl. etwa Beschlüsse vom 25. August 2009 – [2] 1 HEs 30/09 [6-7/09] –; vom 13. Oktober 2009 – [4] 1 HEs 41/09 [27/09] –; vom 29. September 2010 – [4] 1 HEs 37, 44/10 [20-23/10] – ; vom 11. November 2010 – [4] 1 HEs 45/10 [29-32/10] – und vom 2. März 2012 – [4] 141 HEs 21/12 [7/12] –). Gleichwohl hat es die Staatsanwaltschaft Berlin vorliegend abermals ohne ersichtlichen Grund unterlassen, insoweit bereits ihrerseits das Erforderliche zu veranlassen. Die deutliche tataktuelle Alkoholisierung der Beschuldigten, die sich – neben den mit den Erstermittlungen befassten Polizeibeamten – insbesondere auch der (einzigen) unmittelbaren Tatzeugin N. offenbart hatte, war bereits mit der Anzeigenaufnahme aktenkundig gemacht worden und ergab sich aus dem Protokoll der Vernehmung der Zeugin N. vom Tattag. Zudem hatten beide Beschuldigte in ihren Vernehmungen am Tattag angegeben, in erheblichen Mengen Alkohol getrunken zu haben. Der Angeklagte F. hatte zudem einen Cannabiskonsum am Tattag behauptet. Seit Ende Januar bzw. Februar 2013 war auf Grund der Untersuchung des Bluts und des Urins beider Beschuldigter und entsprechender Rückrechnungsgutachten deren Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit (F.: max. 3,12 ‰) und der begleitende Drogenkonsum (Cannabis) des Angeklagten F. bekannt. Die Staatsanwaltschaft sah die Begutachtung der Beschuldigten (auch) zum Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für die Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB und (insbesondere) § 64 StGB ausweislich eines Vermerks vom 8. März 2013 („ … Es fehlen dann noch die abschließenden Untersuchungen der Gerichtsmedizin. Nach deren Eingang sollen die Sachverständigen beauftragt und die Anklage begonnen werden.“) auch als erforderlich an. Gründe, warum sie gleichwohl (auch) nach Eingang des neuropathologischen Gutachtens von der Einholung solcher Gutachten abgesehen hat, lassen weder die Akten noch der Vorlagevermerk der Staatsanwaltschaft erkennen.“