In den letzten Tagen gab es mal wieder einige Meldungen aus dem NSU-Verfahren. U.a. hatte LTO hier über (weiteren) Streit zwischen den Verteidgern von B. Zschäpe abr auch zwischen den Verteidigern und den Nebenklägervertretern berichtet. Wir hatten ja lange nichts mehr von dem Verfahren gehört, in meinen Augen ein (fast) vergessenes Verfahren, aber es lebt dann doch wohl noch.
Zu dem Verfahren gab es dann gestern eine Entscheidung des BGH, und zwar den BGH, Beschl. v. 14.07.2016 – StB 20/16. Es handelt sich um eine Haftfortdauerentscheidung betreffend den Angeklagten Wohlleben, der – wie zum derzeitigen Zeitpunkt nicht anders zu erwarten „drin bleibt“. Der BGH hat seine (Haft)Beschwerde gegen eine Haftfortdauerentscheidung des OLG München aus Februar 2016 verworfen. Na ja, ganz schön lange hate man gebraucht. Lag ab er wohl nicht am BGH, das OLG hat erst im Juni die Nichtabhilfe beschlossen.
Der BGH nimmt in der Entscheidung noch einmal zur Frage der Beurteilung des dringenden Tatverdachts während laufender Hauptverhandlung Stellung:
„a) Wie der Senat bereits im Beschluss vom 5. Februar 2015 (StB 1/15, BGHR StPO § 304 Abs. 4 Haftbefehl 3) dargelegt hat, unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht. Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme. Allerdings muss das Beschwerdegericht in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen, damit den erhöhten Anforderungen, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen zu stellen sind (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2013 – 2 BvR 2098/12, StV 2013, 640, 642 f.), ausreichend Rechnung getragen werden kann. Daraus folgt indes nicht, dass das Tatgericht alle bislang erhobenen Beweise in der von ihm zu treffenden Entscheidung einer umfassenden Darstellung und Würdigung unterziehen muss. Die abschließende Bewertung der Beweise ist den Urteilsgründen vor-behalten. Das Haftbeschwerdeverfahren führt insoweit nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatverdachts hinausgehenden Zwischenverfah-ren, in dem sich das Tatgericht zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste.“
Und: Er meint, dass das OLG „hinreichend konkret dargelegt [hat], dass auf der Grundlage des bisherigen Beweisergebnisses der dringende Verdacht der Beihilfe zu neun Fällen des Mordes fortbesteht.“ Das ist natürlich etwas, was man als Verteidiger gar nicht gerne liest, aber ein solches Präjudiz ist die große Gefahr bei solchen Rechtsmitteln. Man könnte auch sagen: Der BGH richtet es schon mal….
Und zur Strafzumessung – wenn es denn zur Verurteilung kommt – gibt es auch gleich einen Hinweis:
„Auch in Anbetracht der insgesamt zu erwartenden Verfahrensdauer steht der weitere Vollzug der Untersuchungshaft noch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle der Verurteilung des Angeklagten zu erwartenden Strafe (vgl. hierzu auch EGMR, Entscheidung vom 6. November 2014 – Application no. 67522/09 Ereren gegen Deutschland, NJW 2015, 3773, 3775). Zwar wird sich der Angeklagte, soweit derzeit absehbar, zum Zeitpunkt des Urteils noch deutlich länger als die bislang vollzogenen vier Jahre und sieben Monate in Untersuchungshaft befinden. Das aufzuklärende Tatgeschehen stellt sich jedoch nicht nur nach der gesetzlichen Strafandrohung als eine er-hebliche Straftat dar, sondern wiegt auch unter den konkret gegebenen Um-ständen schwer. Die im Falle der Verurteilung des Angeklagten zu erwartende und zu verbüßende Strafe wird deshalb bis auf Weiteres die Untersuchungshaft nicht nur unwesentlich übersteigen. ….“
M.E. hätte man es besser gelassen.