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Ein paar Gedanken zur „Einlassung“ von Beate Zschäpe

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Gestern war nun in München im NSU-Verfahren der große Tag. Wie man lesen kann, war der Saal wieder gut gefüllt. Viele wollten die angekündigte Einlassung von B. Zschäpe hören. Im Internet sind bei den großen Zeitungen Liveticker gelaufen und sie haben sich nach Abschluss des Hauptverhandlungstages mit Berichten und Kommentaren überschlagen. Die gingen z.B. bis zum „juristischen Selbstmord“ in der „Welt“ (vgl. hier).

Natürlich machen sich auch viele Verteidiger/Rechtsanwälte, die das Verfahren von außen nur aus der Ferne beobachten, ihre Gedanken, was ich u.a. auch an den vielen Kommentaren zu dem von mir geteilten „Welt-beitrag“ erkenne. Das war aber auch gestern auf der Weihnachtsfeier der Strafverteidigervereinigung Münsterland-Ostwestfalen der Fall. Auch da waren die Geschehnisse und Erklärungen in München Gegenstand der Diskussion. Auf dem Heimweg von der Veranstaltung sind mir dann noch so ein paar Gedanken durch den Kopf gegangen. Und zwar:

1. Teileinlassung?

An einigen Stellen wird von Teileinlassung gesprochen. Auch ich habe das auf Facebook in einem Kommentar zu dem von mir geteilten Beitrag aus der „Welt“ getan. Nur, wenn man es sich noch einmal genau(er) überlegt, stellt sich doch dann die Frage: War das nun eine „Teileinlassung“ i.e.S.?

M.E. dann doch wohl nicht. „Teileinlassung“ bedeutet ja, dass zu bestimmten Punkten der Anklage Erklärungen abgegeben werden, zu anderen aber ausdrücklich nicht. Das hat B. Zschäpe aber nicht getan. Sie hat ja nicht zu den ihr auch zur Last gelegten Anschlägen/Morden geschwiegen bzw. dazu gesagt: „Dazu sage ich nichts“. Sondern sie hat, wenn man der Berichterstattung Vertrauen darf, auch zu diesen Aspekten Angaben gemacht – nämlich, indem sie dazu angegeben hat, davon immer erst im Nachhinein erfahren zu haben. Das ist aber eine Einlassung zur Sache auch insoweit, durch das Bestreiten der Mittäterschaft und des vorherigen Wissens wird die Einlassung ja nicht zu einer „Teileinlassung“ i.e.S.

In der Sache macht das auch schon einen Unterschied. Es liegt nämlich nun eine Erklärung der Angeklagten vor, die das Gericht auf der Grundlage der übrigen erhobenen Beweise und Erkenntnisse würdigen und widerlegen muss; das kann dauern. Der Senat wird die Einlassung, ihren Inhalt und das Umgehen mit der Einlassung mit den übrigen Beweisergebnissen abgleichen müssen, ggf. muss zusätzlich Beweis erhoben. Einfach nur zu sagen: Das glauben wir nicht, reicht nicht. Man wird aber Rückschlüsse auf das Gefüge in der Gruppe ziehen können/müssen, die ggf. sonst so wohl nicht möglich gewesen wären. Aus dem (späten) Zeitpunkt der Einlassung können aber keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Darauf weist der BGH immer wieder hin. Alles in allem ein Punkt, zu dem man ohne genaue Kenntnis der Akten und des bisherigen Ergebnisses der Beweisaufnahme nur wenig wird sagen können.

2. Form der Einlassung?

In der Diskussion wird dann auch immer wieder auf die Form der Einlassung hingewiesen, also Verlesung eines Schriftstücks durch den Verteidiger. Allein das dürfte/hätte nicht ausgereicht, um von einer Einlassung/Erklärung der Angeklagten i.e.S. auszugehen. Aber dabei ist es ja nicht geblieben. Denn B. Zschäpe hat – so habe ich es den Presseberichten entnommen – auf Befragen des Vorsitzenden ja anschließend dem Sinne nach erklärt, dass sie die verlesene Erklärung als ihre eigene gelten lassen will. Damit dürfte nach der Rechtsprechung des BGH der Weg insoweit frei sein.

3. Schriftliche Fragen

Prozessual interessant finde ich die „Volte“ mit den schriftlichen Fragen, also die Erklärung: Fragen werde ich zulassen, aber nur schriftliche und ich werde auch nur schriftlich antworten. Was dahinter steckt, ist m.E. klar: Die Angeklagte und ihren (Wahl)Verteidiger scheuen den direkten Schlagabtausch der Angeklagten mit dem Gericht. Man befürchtet wahrscheinlich, dass die Angeklagte dem nicht gewachsen sein wird und/oder die Einlassung dann ggf. doch „zerschossen“ wird. Nur stellt sich die Frage, ob das so gehen wird und wie der Senat damit umgehen wird. Es gilt ja nun mal das Mündlichkeitsprinzip. Ob man das dadurch (teilweise) umgehen kann, dass ich als Angeklagte schriftliche Fragen verlange und nur auf solche antworten will, wage ich zu bezweifeln. Nach der StPO wird der/die Angeklagte „vernommen“. Auch wird es den Beweiswert der bisherigen Aussagen m.E. schmälern können, wenn man sich als Gericht keinen persönlichen Eindruck von der Angeklagten machen kann/konnte.

Andererseits wird der Senat seine Fragen stellen müssen – schon wegen der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO). Die Frage ist nur: In welcher Form und wie antwortet die Angeklagte? Auch wieder mit einer vom Verteidiger verlesenen Erklärung, die sich die Angeklagte dann zu eigen macht? Dazu gibt es bisher m.E. noch keine Rechtsprechung. Wenn der Senat das zulässt – mit dem Argument: Ist ja auch (noch) Einlassung der Angeklagten – würde man da wohl Neuland betreten.

4. Fragen der Nebenkläger

Zschäpe hat es abgelehnt, Fragen der Nebenkläger(vertreter) zu beantworten. Das kann sie. M.E. macht das ihre Einlassung nicht zu einer Teileinlassung. Allerdings wird man den Umstand bewerten/werten dürfen.

Fazit: Es ist sicherlich zu früh, eine abschließende Bewertung des gestrigen Tages zu geben. Man wird sehen, wie der Senat und auch B. Zschäpe damit weiter umgehen. Alles in allem: Viel weiter ist man nicht. M.E. wäre es – so hatte ich es auch gestern schon geschrieben – besser gewesen, auch weiterhin zu schweigen. Die Angeklagte nach 248 Tagen reden zu lassen, war m.E. „mutig“. Mutig“- wenn nicht sogar „leichtsinnig“, so gestern ein Kommentator auf FB -, weil/wenn man als Verteidiger die bisherige Beweisaufnahme nicht kennt, weil man nicht daran teilgenommen hat, und– wie der Kollege Grasel in seiner Kollegenschelte ja wohl behauptet hat –die „Altverteidiger“ ihre Mitschriften nicht zur Verfügung stellen. Neue Besen kehren dann eben doch wohl nicht immer gut.

Sieben Staatsanwälte arbeiten an einer Anklage – so im Verfahren Beate Zschäpe

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Der BGH, Beschl. v. 12.09.2012 – AK 27/12 – am 13.09.2012 auf der Homepage des BGH eingestellt, alle Achtung !! – ist aus drei Gründen interessant:

1. Der BGH nennt den Klarnamen der Beschuldigten.

2. An der Anklage gegen Beate Zschäpe arbeiten wegen des Beschleunigungsgebotes sieben Staatsanwälte. Dazu:

„Unmittelbar nach der Anordnung der Haftfortdauer über sechs Monate hinaus durch den Beschluss des Senats vom 18. Mai 2012 hat der Generalbundesanwalt mit der Erstellung der Anklageschrift begonnen, zu diesem Zweck sieben Staatsanwälte von der Tätigkeit in anderen Verfahren entbunden und ausgeführt, die Anklage voraussichtlich noch deutlich vor Ablauf weiterer drei Monate zu erheben. Damit wird den im genannten Beschluss dargelegten, bei der Behandlung von Haftsachen zu beachtenden rechtlichen Maßstäben entgegen der Ansicht der Verteidiger in noch ausreichender Weise Rechnung getragen. Insbesondere ist der für die Fertigung der Anklageschrift insgesamt veranschlagte Zeitraum nicht als unangemessen anzusehen. Dass mit Blick vor allem auf den Bestand von mittlerweile 600 Bänden Ermittlungsakten und 780 Beiakten einer früheren Anklageerhebung tatsächliche Hindernisse entgegen-stehen, liegt bei objektiver Betrachtung nahe.“

Man beachte allerdings das „in noch ausreichender Weise Rechnung getragen„. Es wird also Zeit mit der Anklage. „Noch“ länger kann der GBA nicht warten bzw. Der BGH möchte die Sache in der Haftprüfung wohl nicht noch einmal sehen.

3. M.E. nicht glücklich ist der BGH damit, dass der GBA „die Ermittlungen gegen die Beschuldigte wegen des Verdachts der Beteiligung an den mutmaßlich von Mitgliedern des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ begangenen konkreten Ausführungstaten ebenfalls fortsetzt. Die Ermittlungen zu diesen schweren Kapitalverbrechen neben den Arbeiten an der Anklageschrift fortzuführen, ist den Strafverfolgungsbehörden von Rechts wegen nicht verwehrt. Im Anschluss an seine Ausführungen in dem Beschluss vom 18. Mai 2012 bemerkt der Senat jedoch, dass der unverändert gebliebene Haftbefehl, dessen Inhalt die Grundlage der vorzunehmenden Haftprüfung bildet, nicht auf diese Taten gestützt ist.“ In meinen Augen ein deutlicher Hinweis, dass in einer 12-Monats-Prüfung die weitere Fortdauer der U-Haft damit nicht gerechtfertigt werden kann und werden wird..

Beate Zschäpe kommt nicht frei – BGH verwirft Haftbeschwerde – Zusammenstellung der bisherigen Ermittlungen zum Nachlesen

Der BGH meldet gerade mit einer PM, dass der 3. Strafsenat in BGH, Beschl. v. 28.02.2012 – StB 1/12 die Haftbeschwerde von Beate Zschäpe verworfen hat.

M.E. verwundert das nicht. Der BGH-Beschl. enthält auch keine neuen Erkenntnisse zu U-Haft-Fragen, aber eine anschauliche Zusammenstellung des bisherigen Ermittlungsergebnisses. Von daher vielleicht lesenswert.