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Was ist nun mit ESO ES 3.0? Verwertbar – auch ohne Kenntnis der Messdaten?

Die Urteile des AG Kaiserslautern (zfs 2012, 407) und des AG Landstuhl (VRR 2012, 273), die den Betroffenen vom Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung frei gesprochen hatten, haben vor einiger Zeit für Aufsehen gesorgt (vgl. zu AG Landstuhl hier). Die Begründung der AG ging im Groben dahin, dass dann, wenn von der Herstellerfirma eines Messgeräte (hier: ESO ES 3.0) die Mess-/Gerätedaten zu einer Messung nicht zur Verfügung gestellt werden, so dass die Ordnungsgemäßheit der Messung nicht überprüft werden könne, ein Verstoß gegen den zu Gunsten des Betroffenen geltenden Grundsatz des rechtlichen Gehörs vorliege, der zur Unverwertbarkeit der Messung führe.

Dass die Urteile nicht bei den AG rechtskräftig werden würden, war vorauszusehen. Und: Die Staatsanwaltschaft ist – zumindest gegen das Urteil des AG Kaiserslautern – in die Rechtsbeschwerde gegangen. Der OLG-Beschluss liegt inzwischen vor. Der OLG Zweibrücken, Beschl. v. 22.10.2012 – 1 SsBs 12/12 – hat das AG Kaiserslautern-Urteil aufgehoben (vgl. auch hier). Begründung:

Die mangelnde Kenntnis der genauen Funktionsweise des Geschwindigkeitsmessgerätes ESO ES 3.0; das eine Bauartzulassung von der Physikalisch-Technische Bundesanstalt erhalten hat, begründet keine rechtliche Unverwertbarkeit des Messergebnisses. Die genaue Funktionsweise von Messgeräten ist den Gerichten auch in den Bereichen der Kriminaltechnik und der Rechtsmedizin nicht bekannt, ohne dass insoweit jeweils Zweifel an der Verwertbarkeit der Gutachten aufgekommen wären, die auf den von diesen Geräten gelieferten Messergebnissen beruhen.

Nach welchem Prinzip das Geschwindigkeitsmessgerät funktioniert,  ist bekannt (vgl. Böttger in Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, S. 727. ff.). Auch mögliche Ursachen für Fehlmessungen Sind bekannt (Böttger a.a.O.).

Bei dem Messverfahren handelt es sich um standardisiertes. Messverfahren (OLG Koblenz, Beschluss vom 16. Oktober 2009, 1 SsRs 71/09). Dies entbindet den Richter selbstverständlich nicht von der Prüfung, ob die konkrete Messung zuverlässig ist. Zweifel an der Zuverlässigkeit der Messung können aber nur konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung begründen. Fehlt es an derartigen Anhaltspunkten, überspannt der Tatrichter die an seine Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen, wenn er dennoch an der Zuverlässigkeit der Messung zweifelt. Konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung zeigen die Urteilsgründe nicht auf.

Im Ergebnis nicht überraschend. Die Argumentationskette ist bekannt – standardisiertes Messverfahren = Messung verwertbar, so lange nicht konkrete Messfehler geltend gemacht werden.

Allerdings: Die Argumentation der AG war m.E. ein wenig (?) anders. Denn – zumindest vom AG Landstuhl – wurde nicht nur die Frage nach der Funktionsweise des ESO ES 3.0 gestellt – die war dem Amtsrichter bekannt. Sondern er hatte auch beanstandet, dass die Messdaten nicht herausgegeben werden und deshalb eine Überprüfung der Messung nicht möglich sei, so dass der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt sei. Das ist m.E. etwas anderes, so dass die Begründung des OLG Zweibrücken für mich am AG Urteil vorbei geht. Standardisiertes Messverfahren bedeutet doch nicht, dass ich als Betroffener kein Recht habe, die Messung zu überprüfen. Wie soll ich denn „konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung begründen“, wenn ich die Messung nicht kenne und nicht überprüfen kann?

Vielleicht wäre es doch besser gewesen, der Senatsvorsitzende hätte nicht allein entschieden, sondern man hätte sich zu Dritt an die Prüfung gemacht.

eso ES 3.0, immer wieder – heute mit der Fotolinie

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Geschwindigkeitsmessungen mit dem Lichtschrankenmessgerät eso ES 3.0 beschäftigen im Moment die Praxis und vor allem auch die Rechtsprechung. Frage: Standardisiert, ja oder nein? Fehlerfrei oder Fehleranfällig, verwertbar oder nicht?.

Die Frage hat sich auch das OLG Hamm gestellt und im OLG Hamm, Beschl. v. 02.08.2012 – III 3 RBs 178/12 zu den Anforderungen an die Urteilsausführungen Stellung genommen. Der Verteidiger hatte nämlich offenbar gefordert, dass Angaben zum Abstand zwischen dem gemessenen Fahrzeug und der Fotolinie erforderlich seien.

Das OLG sagt nein:

Die Gegenerklärung des Verteidigers auf die Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 5. Juni 2012 gibt zu einer anderen Beurteilung keinen Anlass. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist hinreichend geklärt, dass das Tatgericht bei standardisierten Messverfahren wie dem hier verwendeten ES 3.0 lediglich Feststellungen zu dem verwendeten Messgerät, der verwendeten Messmethode, dem zu berücksichtigenden Toleranzwert sowie der gültigen Eichung des Messgeräts im Zeitpunkt der Messung treffen muss. Soweit der Betroffene den Zulassungsgrund zur Fortbildung des Rechts damit zu begründen sucht, dass bei dem Messverfahren ES 3.0 Angaben zum Abstand zwischen dem gemessenen Fahrzeug und der Fotolinie erforderlich seien, liegt hierin ein Zulassungsgrund daher nicht. Im Übrigen stellt die Fotolinie bei der Geschwindigkeitsmessung mit dem Geschwindigkeitsüberwachungsgerät ES 3.0 lediglich ein Mittel der eindeutigen Zuordnung der Messung zu einem bestimmten Fahrzeug dar, ist aber — anders als die Messlinie — selbst kein Fixum für die Messung (vgl. OLG des Landes Sachsen-Anhalt, 1. Senat für Bußgeldsachen, Az.: 1 Ss (B) 76/10 vom 25.10.2010 — juris.de; AG Landstuhl, Urteil vom 10.02.2011 — Az.: 4286 Js 12300/10, veröffentlicht bei BeckRS 2011, 06033; Schmuck, Steinbach: Neues von der Geschwindigkeitsmessanlage ESO, Steinbach, NZV 2010, 285). Da die Fotolinie lediglich für die Frage der Zuordnung von Relevanz ist, kommt es auf sie nur an, wenn tatsächlich Verwechslungsgefahr bzw. Zuordnungszweifel bestanden. Soweit — wie hier — auf andere Weise, etwa durch einen aufmerksamen Messbetrieb, sichergestellt werden kann, dass nur ein Fahrzeug in Frage kommt, dem der Geschwindigkeitsmesswert zuzuordnen ist, entbehrt die Fotolinie jeglicher Relevanz (OLG des Landes Sachsen-Anhalt, a.a.O., Zitate wie vor).

 

Immer wieder ESO – fehlerhaft? Auch bei Oliver Kahn?

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2009 hatte es ein Verfahren gegen Oliver Kahn wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung gegeben. Vorgeworfen worden war ihm Tempo 163 km/h an einer Stelle, an der nur 80 km/h erlaubt waren. Von dem Vorwurf ist Oliver Kahn frei gesprochen worden (vgl. hier unseren Bericht „Raser Kahn?“).

Jetzt bin ich über LTO auf eine Spiegel-Vorab-Meldung gestoßen, die sich mit der und anderen Messungen auseinandersetzt. Da heißt es bei LTO:

„Die Überprüfung einer Geschwindigkeitsmessung des Wagens von Ex-Nationaltorwart Oliver Kahn entlarvt die Tempokontrolle auf deutschen Straßen als unzuverlässig. Kahn war 2009 am Chiemsee mit 163 km/h gemessen worden, an der Stelle galt Tempo 80. Wie der SPIEGEL in seiner neuesten Ausgabe berichtet, stellten drei Gutachter danach fest, dass nicht Kahns 650 PS starker Mercedes, sondern ein vorauseilender Lichtreflex das Messgerät ausgelöst hatte. Die tatsächliche Geschwindigkeit konnte deshalb nicht mehr präzise festgestellt werden; das Bußgeldverfahren gegen Kahn wurde deshalb eingestellt. Eine Analyse ergab, dass an diesem Tag rund 40 weitere Autos bei der Messung nicht korrekt erfasst wurden. Gutachter vermuten, dass viele Bußgeldbescheide nicht die korrekte Geschwindigkeit wiedergeben und deshalb ungültig sind. Voraussetzung für die Fehlmessung ist, dass Sonnenlicht in einem bestimmten Winkel auf das Fahrzeug trifft und von dort zum Messsensor reflektiert wird. Der Hersteller Eso bestreitet jeden Gerätefehler.“

Zum letzten Satz kann man nur sagen: Natürlich.

Und dann nochmals: Es gibt kein „Vier-Augen-Prinzip“

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Nun hat auch der 1. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm im OLG Hamm, Beschl. v. 13.09.2012, 1 RBs 112/12 entschieden:

Ein Vier-Augen-Prinzip zur Überprüfung des Messergebnisses gibt es nicht. Eine entsprechende ausdrückliche verfahrensrechtliche Vorschrift sei nicht existent. Das Prinzip ergebe sich auch nicht aus anderen Vorschriften oder Grundsätzen. Existiere – wie bei dem Lasermessgerät „Riegl FG 21-P“ – keine von dem technischen Messsystem selbst hergestellte fotografisch-schriftliche Dokumentation des Messergebnisses, seien die Fragen nach dem vom Gerät angezeigten Messwert und nach der Zuordnung des Messergebnisses zu einem bestimmten Fahrzeug unter Heranziehung der hierfür im jeweiligen Einzelfall vorhandenen Beweismittel (z. B. Zeugenaussagen der beteiligten Polizeibeamten, Messprotokoll) nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu klären.

Das hatten wir schon zweimal vom OLG Hamm und einmal vom OLG Düsseldorf, letzteres mit der Frage: Widerspruch in der Hauptverhandlung: Ja oder Nein. Vorsorglich meine ich: Ja

Messung mit ESO ES 3.0 – ein oder zwei „Lübecker Hütchen“?

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Geschwindigkeitsmessungen mit dem System eso ES 3.0 sind immer „interessant“ bzw. beschäftigen derzeit die Rechtsprechung. So auch beim AG Lüdinghausen. Dort hatte der Verteidiger gegen die Ordnungsgemäßheit der Messung mit ESO ES 3.0 eingewendet, es sei erforderlich, dass die sog. Fotolinie durch zwei sog. Lübecker Hütchen markiert werde. Das hat das AG Lüdinghausen, Urt. v. 05.03.2012 – 19 OWi-89 Js 102/12-12/12 – nicht gelten lassen und dazu ausgeführt:

„Dem ist jedoch zu widersprechen. Die Bedienungsanleitung des genannten Messgerätes sieht ausdrücklich nur zumindest eine Markierung der Linie z.B. durch ein Lübecker Hütchen vor. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass die Dokumentation der Fotolinie für die Frage der Richtigkeit der Messung, d.h. der Richtigkeit des Messergebnisses ohne Relevanz ist. Vielmehr ist die Dokumentation der Fotolinie nur notwendig für die richtige Zuordnung des Messergebnisses, und zwar dann, wenn mehrere Fahrzeuge unmittelbar hintereinander her fahren. Hier ist jedoch auf das Messfoto Bl. 1 d.A. unten zu verweisen (auch hierauf wird nach § 267 I S. 3 StPO Bezug genommen), auf dem sich gerade nur das von der Betroffenen geführte Fahrzeug erkennen lässt. Zuordnungsschwierigkeiten sind damit nicht einmal ansatzweise ersichtlich.

Aus diesem Messfoto ergibt sich im Übrigen auch die von dem Messgerät gemessene Geschwindigkeit. Das Gericht hat nicht nur das Foto der Fotolinie und das Messfoto in Augenschein genommen, sondern auch das Datenfeld des Messfotos urkundsbeweislich verlesen. Hieraus ergab sich eine von dem Messgerät festgestellte Geschwindigkeit von 100 km/h, von der ein Sicherheitsabschlag von 3 km/h vorzunehmen war, so dass sich eine vorzuwerfende Geschwindigkeit von 97 km/h ergab.“

Ein Versuch war es wert, hat allerdings wohl zu Recht keinen Erfolg gebracht. Allerdings: Damit ist ESO ES 3.0 aber sicherlich nicht aus der Diskussion.:_)