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Einziehung des gefälschten (polnischen) Führerscheins, oder: Der Gegenstandswert ist 0 EUR

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Am RVG-Freitag stelle ich zunächst einen Beschluss zum Gegenstandswert eines gefälschten (polnischen) Führerscheins vor. Dazu sagt der LG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 20.02.2023 – 22 Qs 1/23: Der hat keinen objektiven Verkehrswert, und zwar:

„Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Amtsgericht den Gegenstandswert für die Einziehung des gefälschten polnischen Führerscheindokuments zu Recht auf 0 Euro festgesetzt hat.

Die Gebühr nach Nr. 4142 VV RVG — Verfahrensgebühr bei Einziehung und verwandten Maßnahmen — entsteht für eine Tätigkeit des Rechtsanwalts für einen Beschuldigten, die sich auf die Einziehung, dieser gleichstehende Rechtsfolgen, die Abführung des Mehrerlöses oder auf eine diesen Zwecken dienende Beschlagnahme bezieht. Besondere Tätigkeiten des Rechtsanwalts sind für deren Entstehung nicht erforderlich. Die Gebühr steht ihm als reine Wertgebühr unabhängig von dem Umfang seiner ausgeübten Tätigkeit zu (OLG Oldenburg, NStZ-RR 2011, 392; KG Berlin, NStZ-RR 2005, 358 [359]; Gerold/Schmidt/Burhoff, 25. Aufl., RVG VV 4142 Rn. 2 und 11). Eine gerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts wird nicht vorausgesetzt. Die Einziehung muss auch nicht im Verfahren beantragt oder angeordnet worden sein (Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O. Rn. 12). Damit genügt es, wenn ein Verteidiger beratend im Zusammenhang mit einer möglichen, in Betracht kommenden oder nach Aktenlage gebotenen Einziehung für seinen Mandanten tätig wird (KG Berlin, Beschluss vom 30.06.2021, 1 Ws 16/21 = BeckRS 2021, 20744; dass, NStZ-RR 2005, 358 [359]; OLG Dresden, NJ 2020, 222; OLG Braunschweig, Beschluss vom 01.03.2022, 1 Ws 38/22, zitiert nach juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 15.05.2007, 2 Ws 260/07 = BeckRS 2008, 14031; LG Coburg, Beschluss vom 22.02.2022, 3 Qs 10/21 = BeckRS 2022, 6204; BeckOK RVG/Knaudt, 58. Ed., RVG W 4142 Rn. 10). Ausreichend ist, wenn sich der Verteidiger in oder außerhalb einer Hauptverhandlung mit der außergerichtlichen Einziehung eines Gegenstandes einverstanden erklärt oder er den Beschuldigten/Angeschuldigten/Angeklagten auch nur dementsprechend berät (KG Berlin, NStZ-RR 2005, 358 [359] Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O. Rn. 12; BeckOK RVG/Knaudt a.a.O.).

Das war hier offensichtlich der Fall. Die Beschuldigte bzw. ihr Verteidiger mussten mit einer Einziehung des gefälschten polnischen Dokuments rechnen; eine — durch die Kammer nicht in Abrede gestellte — Beratung war diesbezüglich nicht völlig fernliegend, so dass dem Beschwerdeführer grundsätzlich eine Gebühr nach Nr. 4142 VV-RVG zusteht.

Deren Wert beläuft sich indes auf 0 Euro, weil der zugrunde liegende Gegenstandswert 0 Euro beträgt.

Der der Wertgebühr nach Nr. 4142 VV RVG zugrunde liegende Gegenstandswert richtet sich nach § 2 Abs. 1 RVG. Danach ist Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit der Anspruch auf Einziehung, auf den sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts bezieht. Gegenstandswert ist damit der objektive Wert des der möglichen Einziehung unterliegenden Gegenstandes, das subjektive Interesse des Betroffenen ist unbeachtlich (OLG Frankfurt/Main; NStZ-RR 2022, 295f.; KG Berlin, Beschluss vom 29.10.2018, 1 Ws 49/18, zitiert nach juris; dass., NStZ-RR 2005, 358 [359]; LG Berlin, Beschluss vom 13.10.2006, 536 Qs 250/06 = BeckRS 2007, 10100; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O. Rn. 19). Die für die Wertgebühr maßgebende Höhe bestimmt sich dabei nach den zum Zeitpunkt der Beratung erkennbaren Anhaltspunkten. Ob sich später Anhaltspunkte für einen niedrigeren Wert ergeben, ist insoweit unerheblich. Für die Bestimmung des Gegenstandswertes ist somit nicht maßgeblich darauf abzustellen, ob und in welcher Höhe eine Einziehung angeordnet worden ist, sondern vielmehr darauf, in welcher Höhe einem Beschuldigten / Angeschuldigten eine Einziehung drohte (OLG Oldenburg a.a.O.; LG Coburg a.a.O.). Es werden Tätigkeiten eines Rechtsanwalts vergütet, die darauf gerichtet sind, dem Beschuldigten erhaltenswerte Gegenstände zu erhalten, wobei es maßgeblich auf den objektiven Verkehrswert möglicher Einziehungsgegenstände nach den im legalen Handel zu erzielenden Preisen ankommt (OLG Frankfurt/Main, a.a.O.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O. Rn. 19, 20). Gegenstände, denen die Rechtsordnung keinen messbaren Wert zuschreibt, wie etwa Falschgeld, unversteuerte und unverzollte Zigaretten und illegale Betäubungsmittel, haben dementsprechend keinen anerkannten objektiven Verkehrswert (vgl. OLG Frankfurt/Main, a.a.O.; KG Berlin, NStZ-RR 2005, 358 [359]; LG Berlin, a.a.O.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O. Rn. 19; Beck0K/ RVG/Knaudt, 58. Ed., W 4142 RVG Rn. 15).

Nichts anderes gilt nach Auffassung der Kammer für einen gefälschten (polnischen) Führerschein. Dieser hat ebenfalls keinen objektiven Verkehrswert. Denn er kann nicht als Legitimation für das Fahren eines Kraftfahrzeugs dienen. Er ist unter Beachtung der Rechtsordnung nicht handlungsfähig und kann nicht — wie z.B. ein eingezogener Gegenstand von Wert — versteigert werden. Im Falle seiner Einziehung wird er vielmehr vernichtet werden. Es handelt sich objektiv betrachtet nicht um einen erhaltenswerten Gegenstand…..“

Die Einziehungsgebühr im sog. „Bagatellbereich“, oder: Gegenstandswert eine „Diebestüte“

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Und als zweite Entscheidung dann noch ein Beschluss aus Frankfurt/Main, und zwar der AG Frankfurt am Main, Beschl. v. 10.05.2022 – 989 Ds 955 Js 18304/19. Er enthält auch eine Problematik in Zusammenhang mit der Nr. 4142 VV RVG, und zwar die Frage nach dem Gegenstandswert.

Der AG nimmt Stellung zum Gegendstandswert eine sog. „Diebestüte“ Stellung. Der Verteidiger hatte beantragt, den auf mindesens 30 EUR festzusetzen. Das AG sagt: Nein, der Gegenstandswert ist Null:

„Der Gegenstandswert ist nach § 33 Abs. 1 RVG festzusetzen. Mit Schriftsatz vom 30. März 2022 hat der Verteidiger, pp., beantragt den Gegenstandswert für das führende Verfahren 989 Ds 955 Js 18304/19 auf mindestens EUR 30,00 festzusetzen.

Selbst der Neupreis einer derartigen Tragetasche liegt weit unter dem vom Verteidiger angesetzten Wert. Die gegenständliche Tasche wurde ausweislich des Aufnähers bei „tegut“ erworben. Der Prospekt des „tegut“ führte für den Zeitraum vom 31. Januar bis zum 5. Februar 2022 derartige Tragetaschen der Marke „manomama“ zu einem Verkaufspreis in Höhe von lediglich EUR 4,44.

Im vorliegenden Fall sind ausweislich der Lichtbilder Bl. 24 ff. der Akte beide Tragegriffe der Tasche jeweils an einer Stelle abgerissen. Die Tragetasche kann als solche nur noch aufgrund der provisorischen Verknotung der Tragegriffe miteinander verwendet werden.

Einer derart beschädigten Tragetasche kann kein Verkehrswert beigemessen werden.

Der Inhalt der Tasche führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Gebühr nach VV 4142 RVG verlangt einen erhaltenswerten Gegenstand (vgl. Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl. 2021, Rn. 19). Eine „Diebestüte“, die mit Alufolie ausgehüllt darauf zielt, das Auslösen eines Alarms zu verhindern, hat keinen legalen Anwendungsbereich und stellt deshalb keinen erhaltenswerten Gegenstand dar.“

M.E. so zutreffend. Damit scheidet eine Abrechnung der Nr. 4142 VV RVG aus. Darum ging es, denn die entsteht ja im sog. „Bagatellbereich“ nicht.

Streitwert für Abwehr mehrerer Adhäsionsanträge, oder: Wirtschaftliches Interesse des Antragstellers

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Die zweite Entscheidung kommt vom BGH, der sich ja zu gebührenrechtlichen Fragen nicht so häufig äußert. Der hat nun im BGH, Beschl. v. 07.11.2022 – 6 StR 124/22 – zum Gegenstandswert im Adhäsionsverfahren Stellung genommen, wenn es um die Abwehr mehrerer Adhäsionsansprüche geht.

Der BGH meint:

„Das Landgericht hatte den Angeklagten im Adhäsionsverfahren verurteilt, Schmerzensgeld an die beiden Geschädigten zu zahlen, an die Adhäsionsklägerin S.K.in Höhe von 2.000 Euro und an den Adhäsionskläger M.K.in Höhe von 12.000 Euro. Außerdem hatte es festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, beiden Adhäsionsklägern künftige materielle Schäden zu ersetzen, die aus den abgeurteilten Taten entstehen, und dass die Ansprüche der Adhäsionskläger aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen des Angeklagten herrühren. Gegen das Urteil hatte der Angeklagte unbeschränkt Revision eingelegt. Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der dem Angeklagten beigeordnete Verteidiger nunmehr beantragt, den Gegenstandswert seiner Tätigkeit im Adhäsionsverfahren in der Revisionsinstanz betreffend die Adhäsionsklägerin S.K. festzusetzen (§ 33 Abs. 1 RVG).

Der Antrag auf Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren ist dahin auszulegen, dass er sich auf beide Adhäsionskläger bezieht (§ 300 StPO). Tritt der Verteidiger – wie hier – im Adhäsionsverfahren den Anträgen mehrerer Adhäsionskläger entgegen, ist für die Gebührenberechnung der Gesamtgegenstandswert maßgeblich (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2017, 296), der sich aus einer Zusammenrechnung der Gegenstandswerte der einzelnen Adhäsionsanträge ergibt (vgl. Volpert in Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, Mehrere Auftraggeber (§ 7, Nr. 1008 VV) Rn. 1590 mwN).

Für die beantragte Wertfestsetzung ist nach § 1 Abs. 3 RVG i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG der Berichterstatter als Einzelrichter zuständig (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. August 2021 – GSZ 1/20; vom 18. August 2021 – 1 StR 363/18).

Der Gegenstandswert von Adhäsionsanträgen bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der Antragsteller, insbesondere nach den in den Anträgen genannten Beträgen (vgl. MüKo-StPO/Maier, § 472a Rn. 28). Im Rechtsmittelverfahren ist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG der Antrag des Rechtsmittelführers maßgeblich, wobei der Wert durch denjenigen des Streitgegenstands im ersten Rechtszug beschränkt ist (§ 47 Abs. 2 Satz 1 GKG).

Danach beläuft sich der Gesamtgegenstandswert hier auf 19.000 Euro. Er ergibt sich aus den zuerkannten Schmerzensgeldbeträgen von 2.000 Euro und 12.000 Euro sowie dem Wert der Aussprüche über die Feststellung der Ersatzpflicht des Angeklagten für künftige materielle Schäden der Adhäsionskläger, den der Senat in Anbetracht der sich aus den Urteilsgründen ergebenden Umstände – ebenso wie das Landgericht für das erstinstanzliche Verfahren – mit jeweils 2.500 Euro bemisst. Die Feststellungsaussprüche, wonach die Ansprüche der Adhäsionskläger aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen des Angeklagten herrühren, erhöhen den Gegenstandswert nicht, weil insoweit wirtschaftliche Identität mit den auf Vorsatztaten beruhenden Schmerzensgeldaussprüchen besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2013 – II ZR 46/13, NJW-RR 2013, 1022 Rn. 3 mwN).“

Haben Betäubungsmittel einen Gegenstandswert?, oder: Es gibt keinen „legalen Markt“

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Die Frage, (ob) eingezogene Betäubungsmittel einen Gegenstandswert haben, ist für die Frage, ob der Verteidiger ggf. die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG verdient hat, von entscheidender Bedeutung. Dazu hat jetzt auch der BGh im BGH, Beschl. v. 02.09.2022 – 5 StR 169/21– Stellung genommen.

In einem Verfahren wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das BtMG sind einige Gegenstände und beim Angeklagten aufgefundene Betäubungsmittel eingezogen worden. Der Verteidiger hat nach Abschluss des Verfahrens die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Revisionsverfahren beantragt. Der Einzelrichter des Senats hat den Gegenstandswert auf 3.800 EUR festgesetzt:

„Der Gegenstandswert ist nach § 33 Abs. 1, § 2 Abs. 1 RVG auf Antrag des Verteidigers festzusetzen. Er bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Angeklagten an der Abwehr der Einziehung (BGH, Beschluss vom 18. August 2021 – 1 StR 363/18). Im angefochtenen Urteil wurde bezüglich des Angeklagten I.    die Einziehung von 3.700 Euro Bargeld, eines Handys „Samsung“ schwarz, eines Mini-Telefons L8Star, der aufgefundenen Betäubungsmittel sowie sonstiger Kleingegenstände wie einer Waage, Verpackungsmaterialien etc. angeordnet.

Die eingezogenen Betäubungsmittel haben bei der Wertfestsetzung von vornherein außer Betracht zu bleiben, da für sie kein legaler Markt besteht und ihnen deshalb kein objektiver Verkehrs-, sondern nur ein subjektiver Unrechts- oder Szenewert zukommt (BeckOK RVG/Knaudt, 56. Ed. RVG VV 4142 Rn. 13).

Ausgehend vom Nennwert des eingezogenen Bargeldes in Höhe von 3.700 Euro und einem Schätzwert von maximal 100 Euro für die übrigen Gegenstände ergibt sich ein Gegenstandswert von 3.800 Euro.“

Gegenstandswert der Verfassungsbeschwerde, oder: Bei 59,50 EUR im Ausgangsverfahren keine 35.370 EUR

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Und als zweite Entscheidung aus dem Gebührenbereich etwas zur Bemessung des Streitwertes in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren, und zwar der VerfGH NRW, Beschl. v. 12.07.2022 – VerfGH 104/21.VB-2. Ergangen ist er in dem Verfassungsbeschwerdeverfahren, in dem der VerfGH NRW durch den VerfGH NRW, Beschl. v. 21.06.2022 – VerfGH 104/21.VB-2 entschieden hat, den ich hier ja auch schon vorgestellt habe (vgl. Übergehen des wesentlichen Kerns des Vorbringens, oder: Rechtliches Gehör im Zivilverfahren).

Der Verfassungsgerichtshof hat der Verfassungsbeschwerde eines Klägers stattgegeben, mit der dieser sich gegen die teilweise Klageabweisung – es ging um einen Betrag von 59 EUR – in einem verkehrsrechtlichen Verfahren vor dem AG gewandt hatte. Der Verfassungsgerichtshof hat eine Verletzung des Klägers in seinem Recht auf rechtliches Gehör festgestellt, das angegriffene amtsgerichtliche Urteil im Umfang der Klageabweisung aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das AG zurückverwiesen. Der Bevollmächtigten des Klägers hat nunmehr die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Verfassungsbeschwerdeverfahren beantragt. Der Wert soll auf mindestens 35.370- EUR festgesetzt werden. Der VerfGH hat den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit auf (nur) 10.000 EUR festgesetzt:

„1. Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 14 Abs. 1 RVG. Der Verfassungsgerichtshof folgt bei der Festsetzung des Gegenstandswerts nach diesen Vorschriften den in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Maßstäben (vgl. grundlegend VerfGH NRW, Beschluss vom 18. Juni 2019 – VerfGH 2/19.VB-2, juris, Rn. 3 m. w. N. zur Rechtsprechung des BVerfG). Danach kommt es sowohl auf die subjektive als auch die objektive Bedeutung der Sache an. In diesem Zusammenhang hat auch der Erfolg einer Verfassungsbeschwerde Einfluss auf die Höhe des festzusetzenden Gegenstandswerts. Ferner sind der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit zu berücksichtigen. Schließlich fließen die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers bei der Bemessung des Gegenstandswerts ein, soweit sie deutlich aus dem Rahmen fallen und dem Verfassungsgerichtshof mitgeteilt oder aufgrund des Gegenstands oder Verlaufs des Verfahrens offenbar werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Februar 1989 – 1 BvR 1291/85, BVerfGE 79, 365 = juris, Rn. 14). Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist der Mindestgegenstandswert des § 37 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 RVG bei Verfassungsbeschwerden, die zwar Erfolg haben, aber in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinausgehen, nicht von überdurchschnittlicher Schwierigkeit sind, keinen großen Umfang haben und auch im Übrigen nicht mit außergewöhnlichen Umständen verbunden sind, regelmäßig zu verdoppeln (VerfGH NRW, Beschluss vom 18. Juni 2019 – VerfGH 2/19.VB-2, juris, Rn. 3).

2. Dies zugrunde gelegt, ist der in § 37 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 RVG gesetzlich vorgesehene Mindestgegenstandswert auch hier lediglich zu verdoppeln (siehe für einen vergleichbaren Fall VerfGH NRW, Beschluss vom 14. September 2021 – VerfGH 137/20.VB-2, r+s 2021, 725 = juris, Rn. 22) und dem weitergehenden Antrag im Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 5. Juli 2022 nicht zu entsprechen.

Die subjektive Bedeutung der Verfassungsbeschwerde für den Beschwerdeführer ist in wirtschaftlicher Hinsicht als gering zu bewerten, weil sie nur einen Betrag von 59,50 Euro betrifft. Begrenzt wird die subjektive Bedeutung zudem durch den Inhalt der vom Verfassungsgerichtshof getroffenen Entscheidung. Er hat dem Beschwerdeführer den Betrag von 59,50 Euro nicht etwa zugesprochen, sondern das angegriffene Urteil im Umfang der Klageabweisung nur aufgehoben und die Sache insoweit an das Amtsgericht zurückverwiesen. Der weitere Gang des dortigen Verfahrens ist offen. Allerdings hatte die Verfassungsbeschwerde damit den vom Beschwerdeführer erstrebten Erfolg. Überdies hatte die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs für ihn rehabilitierende Wirkung. Die Verfassungsbeschwerde war auch im Umfang seiner Rüge einer eigenständigen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch den Anhörungsrügebeschluss vom 3. August 2021 begründet, mit dem ihm das Amtsgericht – zu Unrecht – ein prozessual unzulässiges Vorgehen vorgeworfen hatte.

In objektiver Hinsicht kommt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs entgegen den Ausführungen im Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 5. Juli 2022 keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zu. Der Fall hat keine erstmals klärungsbedürftigen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Vielmehr hat der Verfassungsgerichtshof lediglich die bekannten Maßstäbe für eine Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör zur Anwendung gebracht. Soweit im Schriftsatz der Bevollmächtigten darauf hingewiesen wird, dass die Unfallschadensregulierung ein Massengeschäft sei und die im amtsgerichtlichen Verfahren umstrittenen Verbringungskosten – mit entsprechender wirtschaftlicher Bedeutung – massenhaft vor nordrhein-westfälischen Gerichten geltend gemacht würden, lässt sich hieraus für die objektive Bedeutung der Sache nichts ableiten. Über die einfach-rechtliche Frage der Ersatzfähigkeit von Verbringungskosten hat der Verfassungsgerichtshof nicht entschieden.

Soweit im Schriftsatz der Bevollmächtigten schließlich der erhebliche anwaltliche Arbeitsaufwand für das Verfassungsbeschwerdeverfahren hervorgehoben wird, fließt der Aspekt sorgfältiger anwaltlicher Arbeit in die Wertbemessung mit ein, rechtfertigt hier im Rahmen der Gesamtschau aber keine Anhebung des Gegenstandswerts über den verdoppelten Mindestwert hinaus. Zum einen war die Sache von nicht mehr als durchschnittlicher tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeit und auch vom Umfang her überschaubar. Zum anderen muss ungeachtet des anwaltlichen Aufwands stets die Bedeutung der Sache das ausschlaggebende Moment für die Wertfestsetzung bleiben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Februar 1989 – 1 BvR 1291/85, BVerfGE 79, 365 = juris, Rn. 12).

Da die Verfassungsbeschwerde auch im Übrigen nicht mit außergewöhnlichen Umständen verbunden war, erscheint in der gebotenen Gesamtschau die Festsetzung des Gegenstandswerts auf 10.000,- Euro angemessen.“