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Die Kosten im Verfassungsbeschwerdeverfahren, oder: Billigkeitsentscheidung

Als zweite Entscheidung dann mal etwas ganz Anderes, nämlich etwas Kostenrechtliches vom BVerfG. Das hat im BVerfG, Beschl. v. 10.01.2022 – 2 BvR 1851/21 – zu § 34a Abs. 3 BVerfGG Stellung genommen, also Kostenerstattung im Verfassungsbeschwerdeverfahren:

„1. Über die Verfassungsbeschwerde, mit der sich der Beschwerdeführer gegen die Ablehnung seines Asylantrags gewendet hat, ist nicht mehr zu entscheiden, weil der Beschwerdeführer das Verfassungsbeschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2021 für erledigt erklärt hat.

2. Die Auslagenerstattung war in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang anzuordnen.

a) Über die Auslagenerstattung ist gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Die Erstattung der Auslagen nach dieser Vorschrift stellt im Hinblick auf die Kostenfreiheit des Verfahrens (§ 34 Abs. 1 BVerfGG), den fehlenden Anwaltszwang und das Fehlen eines bei Unterliegen des Beschwerdeführers erstattungsberechtigten Gegners die Ausnahme von dem Grundsatz des Selbstbehalts der eigenen Auslagen (vgl. BVerfGE 49, 70 <89>) dar (vgl. BVerfGE 66, 152 <154>). Bei der Entscheidung über die Auslagenerstattung kann insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zukommen. So ist es billig, einer beschwerdeführenden Person die Erstattung ihrer Auslagen zuzuerkennen, wenn die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt beseitigt oder der Beschwer auf andere Weise abhilft, weil in diesem Fall ? falls keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind ? davon ausgegangen werden kann, dass sie das Begehren der beschwerdeführenden Person selbst für berechtigt erachtet hat (vgl. BVerfGE 85, 109 <114 ff.>; 87, 394 <397 f.>). Im Hinblick auf die Funktion und die Tragweite der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts findet eine überschlägige Beurteilung der Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde im Rahmen der Entscheidung über die Auslagenerstattung nicht statt (vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 12. März 2021 – 2 BvR 2069/19 -, Rn. 3).

b) Nach diesen Maßstäben entspricht es der Billigkeit, die Auslagenerstattung zu zwei Dritteln anzuordnen.

Die Auslagenerstattung ist anzuordnen, soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofs gerichtet hat. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat diese mit Beschluss vom 26. November 2021 aufgehoben und damit zum Ausdruck gebracht, dass er das Begehren des Beschwerdeführers insoweit selbst für berechtigt erachtet hat.

Soweit sich der Beschwerdeführer auch gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts gewendet hat, ist die Auslagenerstattung nicht anzuordnen. Zum einen ist dieses durch den Verwaltungsgerichtshof nicht aufgehoben worden. Zum anderen war die Verfassungsbeschwerde insoweit mangels hinreichender Begründung (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG) offensichtlich unzulässig, sodass eine Auslagenerstattung aus Billigkeitsgesichtspunkten ausscheidet (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Februar 2018 – 2 BvR 2628/17 -, Rn. 2).

3. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Bevollmächtigten für das Verfassungsbeschwerdeverfahren erledigt sich, soweit das Land Baden-Württemberg zur Kostenerstattung verpflichtet wird (vgl. BVerfGE 62, 392 <397>; 71, 122 <136 f.>; 105, 239 <252>). Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt, weil die vom Beschwerdeführer beabsichtigte Rechtsverfolgung mangels hinreichender Erfolgsaussicht die Voraussetzungen der entsprechend anzuwendenden §§ 114 ff. ZPO (vgl. BVerfGE 1, 109 <112>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Juni 2021 – 2 BvR 307/21 -, Rn. 2) nicht erfüllt.

4. Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>; BVerfGK 20, 336 <337 f.>).“

Bemessung des Gegenstandswertes in der Revision, oder: Zusätzliche Verfahrensgebühr

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Und als zweite Entscheidung dann noch einmal etwas zur zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG – Stichwort: Einziehung, und zwar den BGH, Beschl. v. 09.06.2021 – 5 StR 43/20. Der BGH hat in dem Beschluss seine bisherige Rechtsprechung zur Bemessung des Gegenstandswertes für die Tätigkeit des Verteidigers im Revisionsverfahren bestätigt. Kurz und zackig 🙂 .

„Der Gegenstandswert ist nach § 33 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2, § 2 Abs. 1 RVG auf Antrag des Verteidigers des Angeklagten festzusetzen, weil sich seine Tätigkeit im Revisionsverfahren auf die angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen in dieser Höhe erstreckt hat und deshalb nach Nr. 4142 VV RVG der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG eine besondere Verfahrens-gebühr als Wertgebühr angefallen ist. Deren Gegenstand bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Angeklagten. Maßgeblich ist der Wert der Einziehungsforderung, wie ihn das Landgericht beziffert hat (BGH, Beschlüsse vom 22. Mai 2019 –1 StR 471/18; vom 29. November 2018 –3 StR 625/17, NStZ-RR 2019, 127 f.).“

Steht übrigens auch alles in <<Werbemodus an: Burhoff/Volpert, 6. Aufl. 2021, RVG Straf- und Bußgeldsachen. Nein, ich sage jetzt nicht, wo und wie man den bestellen kann.<<Werbemodus aus>>.

Rücknahme der Verfassungsbeschwerde, oder: Gegenstandswert nur 5.000 EUR und nicht 30.000.000 EUR

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Und dann am Ende der Pfingstwoche noch die gebührenrechtlichen Entscheidungen.

Heute beginne ich mit einem „kleinen“ Beschluss vom BVerfG. Das hatte nach Rücknahme einer Verfassungsbeschwerde über einen Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes zu entscheiden. Zur Erinnerung: Die Gebühren nach § 37 RVG sind der Höhe nach vom Gegenstandswert abhängig.

Das BVerfG hat im BVerfG, Beschl. v. 10.05.2021 – 2 BvR 2863/17 – den Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes auf 30.000.000 EUR (!) zurückgewiesen.:

„Der Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswerts ist unzulässig. Für die gerichtliche Festsetzung des Gegenstandswerts besteht kein Rechtsschutzbedürfnis.

Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG beträgt der Mindestgegenstandswert im Verfahren der Verfassungsbeschwerde 5.000 Euro. Ein höherer Gegenstandswert kommt in Fällen, in denen eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen oder zurückgenommen worden ist, regelmäßig nicht in Betracht. Umstände, die hier ausnahmsweise einen höheren Gegenstandswert rechtfertigen könnten, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Ist deshalb vom Mindestgegenstandswert auszugehen, so besteht für die gerichtliche Festsetzung des Gegenstandswerts kein Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BVerfGE 79, 365 <369>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Juni 2018 – 2 BvR 2263/16 -).“

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.“

Na, das merkt man aber auf dem Konto 🙂 .

Gegenstandswert II: Maßregelvollzugssache, oder: Dreimonatige Zwangsmedikation

Die zweite Entscheidung kommt vom OLG Hamm. Der OLG Hamm, Beschl. v. 25.3.2021 – 4 Ws 53/21 – ist nach einer Entscheidung über eine Rechtsbeschwerde eines Untergebrachten in einer Maßregelvollzugssache ergangen.

Der Rechtsanwalt hat einen seit dem 06.09.2016 nach § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachten Betroffenen, der an einer paranoiden Schizophrenie (ICD-10 F 20.0) leidet, vertreten. Da sich die psychotische Symptomatik des Betroffenen seit Mitte Juni 2019 deutlich verschlechtert hatte, beabsichtigte die Klinik, den Betroffenen zur Erreichung seiner Entlassfähigkeit entgegen seinem Willen mit 150 mg Haloperidol-Dec. (3 ml) i. m. alle drei Wochen zunächst für die Dauer von drei Monaten zu behandeln. Hiergegen stellte der Betroffene mit Eingaben vom 21.11.2019, 29.11.2019 und 02.01.2020 Antrag auf gerichtliche Entscheidung, den die Strafvollstreckungskammer des LG mit Beschluss vom 27.01.2020 als unbegründet zurückwies. Gegen diesen Beschluss legte der Betroffenen mit Schreiben vom 18.02.2020 Rechtsbeschwerde ein. Im Verfahren vor dem 1. Strafsenat des OLG Hamm (Az. III-1 Vollz(Ws) 81/20) wurde dem Betroffenen sodann der Kollege als Verteidiger beigeordnet und zudem Prozesskostenhilfe bewilligt. Der Verteidiger legte für den Betroffenen mit anwaltlichem Schriftsatz vom 03.03.2020 erneut Rechtsbeschwerde ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 20.03.2020. Mittlerweile war allerdings die angeordnete und am 11.12.2019 sowie am 02.01.2020 bereits erfolgte Zwangsmedikation mit dem Medikament Haldol nicht weiter fortgesetzt worden, da der Betroffene seit geraumer Zeit eine orale Gabe des Medikaments Abilify akzeptiert hatte. Daher beantragte der Betroffene mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20.03.2020 nun festzustellen, dass die erfolgte Anordnung der Zwangsmedikation rechtswidrig gewesen sei. Mit Beschluss vom 17.06.2020 hat das OLG Hamm die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung über den Feststellungsantrag des Betroffenen zurück an die Strafvollstreckungskammer beim LG zurückverwiesen. Die hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung erneut als unbegründet zurückgewiesen und den Verfahrenswert auf bis zu 500 EUR festgesetzt. Dagegen das Rechtsmittel des Verteidigers, das beim OLG (teilweise) Erfolg hatte.

„Die Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss des Landgerichts Paderborn vom 01.09.2020 ist zulässig; sie wurde insbesondere innerhalb der Sechs-Monatsfrist nach Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung (§ 68 Abs. 1 Satz 3 GKG i. V. m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG) eingelegt.

Die Beschwerde hat auch in der Sache teilweise Erfolg. Der Streitwert war im vorliegenden Fall zwar nicht antragsgemäß auf 5.000 EUR, aber zumindest auf 2.000 EUR festzusetzen (§§ 65 S. 1, 60 Halbsatz 1, 52 Abs. 1 GKG).

Der Senat hat sich bei der Wertfestsetzung an der sich aus dem Antrag des Betroffenen für ihn ergebenden Bedeutung der Sache orientiert (§ 52 Abs. 1 GKG). Die subsidiäre Regelung des § 52 Abs. 2 GKG war nicht anzuwenden, da der Sach- und Streitstand genügende Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Streitwerts nach § 52 Abs. 1 GKG bietet.

Bei der Streitwertbestimmung war nach § 52 Abs. 1 i. V. m. § 60 Halbsatz 1 GKG die hier besonders hoch anzusetzende Tragweite der Entscheidung für den Untergebrachten zu berücksichtigen.

Dem Landgericht Paderborn ist zwar insoweit zuzustimmen, als der Streitwert in Straf- und Maßregelvollzugssachen angesichts der geringen finanziellen Leistungsfähigkeit der meisten Gefangenen bzw. Untergebrachten wegen des Kostenrisikos eher niedrig festzusetzen ist, allerdings muss dieser aber bei Mitwirkung eines Verteidigers zumindest so hoch bemessen sein, dass die Tätigkeit des Verteidigers wirtschaftlich vertretbar erscheint. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass dem Betroffenen die Möglichkeit der Wahl eines Rechtsanwalts seines Vertrauens faktisch genommen wird (so auch OLG Koblenz, Beschluss vom 04.04.2019, Az. 2 Ws 767/18 Voll m. w. N.).

Soweit das Landgericht Paderborn ausführt, das Bundesverfassungsgericht habe sogar einen Streitwert von 200 EUR nicht beanstandet, greift dieses Argument schon deswegen nicht durch, weil das Bundesverfassungsgericht mangels Entscheidungserheblichkeit in der zitierten Entscheidung zur Angemessenheit der Höhe eines Streitwerts von 200 EUR inhaltlich gerade keine Stellung genommen hat. Die Festsetzung des Streitwerts auf 500 EUR statt auf 200 EUR bietet im Übrigen hinsichtlich der wirtschaftlichen Vertretbarkeit für den Verteidiger keine Vorteile, da sowohl § 13 Abs. 1 Satz 1 RVG als auch § 34 Abs. 1 Satz 1 GKG den ersten Gebührensprung erst bei 500 EUR ansetzen.

Unter Berücksichtigung des tiefgreifenden Grundrechtseingriffs in die körperliche Unversehrtheit und das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Art 1 Abs. 1 GG) durch die angeordnete dreimonatige Zwangsmedikation und aufgrund der Tatsache, dass dem Betroffenen das Medikament Haloperidol bereits zweimal injiziert worden war, ist der Streitwert im konkreten Fall auf bis zu 2.000 EUR festzusetzen.“

Gegenstandswert I: Adhäsionsverfahren, oder: (Nur) teilweise beschränkte Revision

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Heute ist RVG-Tag. An dem werde ich zwei Entscheidungen zur Bemessung des Gegenstandswertes vorstellen. Damit hat der Verteidger ja an sich weniger zu tun, aber ein paar Gebührenziffern sind dann der Höhe nach doch auch beim Verteidiger vom Gegenstandswert abhängig, so z.B. die Nrn. 4142, 4143 VV RVG oder auch, wenn der Verteidiger in Strafvollzugssachen tätig wird.

Aus dem Bereich als erste Entscheidung hier der BGH, Beschl. v. 17.03.2021 – 2 StR 351/20 – zur Festsetzung des Gegenstandswertes für die anwaltlichen Tätigkeit im Adhäsionsverfahren, und zwar für die Revisionsinstanz, wenn lediglich die Frage der Unterbringung vom Revisionsangriff ausgenommen worden ist, nicht aber auch die Entscheidung im Adhäsionsverfahren:

„Der nach § 33 Abs. 1 RVG durch den Senat (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 2 StR 337/14, juris Rn. 5; vgl. auch BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2020 – XI ZR 355/18, juris Rn. 39 mwN) festzusetzende Gegenstandswert für die Berechnung der Gebühren der anwaltlichen Tätigkeit des Antragstellers für den Adhäsionskläger im Revisionsverfahren (§ 2 Abs. 1, § 23 Abs. 1 RVG) bemisst sich, da der Angeklagte lediglich die Nichtanordnung der Unterbringung nach § 64 StGB von seinem im Übrigen unbeschränkten Revisionsangriff ausgenommen hat, nach der erstinstanzlichen gesamtschuldnerischen Verurteilung des Angeklagten (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 2 StR 337/14, juris Rn. 6; BGH, Beschluss vom 8. September 2020 – 6 StR 95/20, juris Rn. 1). Denn die im Auftrag des Adhäsionsklägers erfolgte anwaltliche Tätigkeit des Antragstellers umfasste die Verteidigung des vom Landgericht zu dessen Gunsten zuerkannten Betrages in Höhe von 3.710 €. Das vom Angeklagten im landgerichtlichen Adhäsionsverfahren erklärte Teilanerkenntnis in Höhe von insgesamt 1.460 € bleibt daher außer Betracht.“