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OWi III: Fristberechnung bei Doppelzustellung, oder: Viele Köche verderben den Brei

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Und dann zum Tagesschluss noch eine Entscheidung aus der gestrigen Lieferung des KG, nämlich der KG, Beschl. v. 30.08.2021 – 3 Ws (B) 223/21 –zur Fristberechnung bei Doppelzustellung des Urteils an mehrere Verteidiger.

Der Betroffene hat in einem Bußgeldverfahren die Rechtsanwälte H. und P. jeweils mit seiner Verteidigung beauftragt. In der Hauptverhandlung vom 16.10.2020 hat ein Verteidiger den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und zugleich war er mit einer begründungslosen Entscheidung durch Beschluss einverstanden. Danach hat das AG die Hauptverhandlung ausgesetzt und mit Beschluss vom 25.05.2021 aufgrund des rechtskräftigen Schuldspruches auf dieselben Rechtfolgen wie im Bußgeldbescheid erkannt. Zur Begründung hat es auf dessen Inhalt verwiesen.

Gegen die Rechtsanwalt H. am 31.05.2021 und Rechtsanwalt P. am 12.08.2021 zugestellte Entscheidung richtet der Betroffene seine am 07.06.2021 bei Gericht eingegangene Rechtsbeschwerde. Die Verteidiger haben weder die erforderlichen Rechtsbeschwerdeanträge noch deren Begründung innerhalb der gesetzlichen Frist beim AG eingereicht.

Das KG hat die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen:

„Denn der Betroffene hat die Rechtsbeschwerde nicht innerhalb der sich aus § 345 StPO ergebenen Monatsfrist durch einen Verteidiger begründen lassen.

Bei mehrfacher Verteidigung genügt grundsätzlich die förmliche Zustellung der Entscheidung an einen der Verteidiger; hierdurch beginnt für alle Verteidiger die Begründungsfrist (für Revision: BVerfG NJW 2001, 2532; BGH NStZ-RR 1997, 364). Wird aber die Entscheidung an mehrere Empfangsberechtigte förmlich zugestellt – wie im vorliegenden Fall –, berechnet sich die Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde bei Doppelzustellung gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 37 Abs. 2 StPO nach der zuletzt bewirkten Zustellung.

Danach endet die Monatsfrist erst mit Ablauf des 12. September 2021.

War aber die durch die erste Zustellung eröffnete Frist zum Zeitpunkt der zweiten Zustellung bereits abgelaufen, so wird sie durch die Zustellung an einen weiteren Empfangsberechtigten nicht erneut eröffnet (BGH NStZ 2018, 153). So liegt der Fall hier. Die Begründungsfrist von einem Monat nach §§ 79 Abs. 3 OWiG, 345 StPO, die mit der Zustellung des angegriffenen Beschlusses am 25. Mai 2021 an Rechtsanwalt H. begonnen hatte, war im Zeitpunkt der Zweitzustellung an Rechtsanwalt P. am 12. August 2021 bereits beendet.

Auch wenn der Tatrichter zu der nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 346 Abs. 1 StPO gebotenen Verwerfung der Rechtsbeschwerde des Betroffenen als unzulässig berufen gewesen wäre, verbietet sich die Rückgabe des Verfahrens an das Tatgericht. Vielmehr war das Rechtsmittel durch den Senat als unzulässig zu verwerfen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 64. Aufl., § 349 Rn. 1).“

Tja: Viele Köche verderben den Brei.

 

OWi III: Verjährungseintritt, oder: Welche Vorschriften gelten für die Fristberechnung?

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Und als dritte Entscheidung des Tages stelle ich dann noch den AG Hermeskeil, Beschl. v. 14.08.2020 – OWi 8112 Js 854/20 – vor. Es geht um den (Ab)Lauf der Verjährungsfrist und die Frage der Anwendbarkeit der §§ 42, 43 StPO.

Tatzeit war am 20.06.2019. Schriftlich Anhörung des Betroffenen am 23.07.2019 unter seiner Büroadresse, später dann noch einmal an der Privatanschrift angehört. Erlass des Bußgeldbescheides am 23.10.2019. Das AG sagt:  Verjährung ist eingetreten. Es stellt ein:

„Das Verfahren wurde eingestellt, da einer weiteren Strafverfolgung des Betroffenen die Verjährung entgegensteht. Abweichend von § 31 Abs. 2 Nr. 4 OWiG verjähren Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten vor dem Erlass des Bußgeldbescheides gemäß § 26 Abs. 3 StVG i.V.m. § 24 Abs. 1 StVG innerhalb von drei Monaten. Die dem Betroffenen zur Last gelegte Tat ereignete sich gemäß dem Bußgeldbescheid am 20.06.2019. Dem Betroffenen wurde mit Schreiben vom 23.07.2019 unter seiner Kanzleiadresse ein an ihn gerichteter Anhörungsbogen übersandt, welcher gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 O“iG zu einer Unterbrechung der Verjährung führte, sodass ab diesem Zeitpunkt eine weitere Frist von drei Monaten bis zum Eintritt der Verjährung lief. Diese Frist endete am 22.10.2019. Auf die Verfolgungsverjährung sind die Regelungen zur Fristberechnung aus §§ 42, 43 StPO nicht anwendbar. Stattdessen ist bei der Berechnung der Frist der Tag, auf den das Ereignis fällt, welches zur Verjährungsunterbrechung führt, mit einzurechnen. Die Verjährungsfrist endet daher mit Ablauf des Tages, der seiner kalendermäßigen Bezeichnung nach dem Tag vorausgeht, auf den das für den Verjährungsbeginn maßgebliche Ereignis fällt (Mitsch in Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2020, § 78 StGB, Rn. 20). Diese für die Verfolgungsverjährung gemäß §§ 78 ff. StGB anzuwendenden Regelungen, finden auch im Bußgeldverfahren entsprechend Anwendung (OLG Karlsruhe Beschluss vom 28.6.2019, 2 Rb 8 Ss 486/19). Zwar wurde dem Betroffenen unter seiner Privatadresse mit Schreiben vom 26.08.2019 ein weiterer Anhörungsbogen zugesandt, doch führt die Wiederholung einer Maßnahme gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG nicht zu einer erneuten Unterbrechung der Verjährung (OLG Braunschweig , Beschluss vom 10.10.2007 – Ss OWi 95/07). Der Bußgeldbescheid wurde am 23.10.2019 erlassen. Da die Verjährung jedoch bereits am 22.10.2019 eingetreten war, konnte er nicht mehr rechtzeitig eine weitere Unterbrechung der Verjährung herbeiführen. Der Betroffene

Den Beschluss hat mit der Kollege Gratz geschickt. Er hat leider auch nur das „Fragment“.

Frage: Ist Silvester ein (gesetzlicher) Feiertag?

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Heute im Kessel Buntes dann mal eine „fächerübergreifende“ Entscheidung zu der Frage: Ist Silvester ein (gesetzlicher) Feiertag? Ist für 2018 ja noch ein weing früh, aber der gute Mann baut vor.

Die Frage stellte sich (mal wieder) in einem beim BFH anhängigen Verfahren. In dem hatte ein auf den 28.12.2012 datierter Antrag des Klägers auf Investitionszulage für das Kalenderjahr 2008 von den beklagten „Freunden“ vom Finanzamt den Eingangsstempel des 02.01.2013 erhalten. Der Antrag hatte war mit der Begründung abgelehnt worden, dass mit Ablauf des 31.12.2012 –einem Montag– Festsetzungsverjährung eingetreten sei (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung –AO– i.V.m. § 13 des Investitionszulagengesetzes 2007). Der Kläger hat demgegenüber geltend gemacht, der Antrag sei am 31.12.2012 eingegangen, also an Silvester. Silvester sei also ein gesetzlicher Feiertag, so dass die Frist erst am nächsten Werktag abgelaufen sei, das sei aber der 02.01.2013 gewesen.

Der BFH hat das im BFH, Beschl. v. 20.03.2018 – III B 135/17 – anders gesehen:

2. Die Frage, ob der 31. Dezember –Silvester– bei der Fristberechnung einem Feiertag gleichzustellen ist, ist nicht klärungsbedürftig. Sie ist offensichtlich zu verneinen, wie es das FG getan hat.

a) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist gemäß § 108 Abs. 3 AO mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags. Wortgleiche Regelungen finden sich in § 31 Abs. 3 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG), in § 43 Abs. 2 der Strafprozessordnung, in § 64 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und in § 222 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO), auf den wiederum in anderen Verfahrensordnungen –z.B. § 54 Abs. 2 FGO, § 57 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung und in § 16 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit– verwiesen wird. Eine ähnlich formulierte entsprechende Regelung findet sich z.B. in § 193 BGB.

b) Fristbestimmungen müssen klar überschaubar und leicht handhabbar sein. Die dabei erforderliche Rechtssicherheit darf nicht durch schwer berechenbare und nicht selten erst in einem Rechtsstreit zu klärende Billigkeitserwägungen ersetzt werden, vielmehr muss über die Dauer einer Frist aus Gründen der Rechtssicherheit allgemein Gewissheit bestehen (z.B. BGH-Urteil vom 17. Februar 2005 III ZR 172/04, BGHZ 162, 175; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 12. April 1999  2 ObOWi 145/99, Versicherungsrecht 2000, 1293). Da Silvester kein gesetzlicher Feiertag ist, widerspräche die vom Kläger erstrebte Rechtsfortbildung dem klaren Gesetzeswortlaut. Rechtsprechung und Literatur vertreten soweit ersichtlich einheitlich die Auffassung, dass nur gesetzliche Feiertage den Fristablauf verschieben, nicht aber auch kirchliche, konfessionelle oder religiöse Feiertage, die keine gesetzlichen Feiertage sind, und auch nicht Gedenk- und Trauertage, Brauchtumstage oder lokale Festtage, selbst wenn diese dienst- oder arbeitsfrei sind (z.B. Leipold in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 54 FGO Rz 36; Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 64 Rz 29).

Darüber hinaus würde eine Gleichstellung des 31. Dezembers mit gesetzlichen Feiertagen bei Fristberechnungen die Frage aufwerfen, inwieweit sie auf andere Tage zu übertragen ist, die ebenfalls arbeitsfrei sind, ohne gesetzlicher Feiertag zu sein. Dies würde zu weiterer Rechtsunsicherheit führen: Verlängert sich eine am dienstfreien Rosenmontag endende Frist gemäß § 222 Abs. 2 ZPO auf den Ablauf des nächsten Werktages (dagegen BFH-Urteil vom 18. April 1996 V R 25/95, BFHE 180, 512, BStBl II 1996, 578)? Ist die dem § 108 Abs. 3 AO entsprechende Regelung des § 222 Abs. 2 ZPO auf den Heiligabend entsprechend anwendbar (dagegen Oberverwaltungsgericht Hamburg, Urteil vom 9. Februar 1993 Bs VI 4/93, NJW 1993, 1941)?

Die Gleichstellung des 31. Dezembers mit gesetzlichen Feiertagen i.S. des § 108 Abs. 3 AO könnte auch dazu führen, dass gleichlautende Regelungen verschiedener Rechtsgebiete unterschiedlich ausgelegt werden; dies widerspräche ebenfalls der erforderlichen Rechtssicherheit.

Das FG-Urteil widerspricht nicht dem vom Kläger zur Begründung der Beschwerde herangezogenen BFH-Urteil in BFHE 142, 125, BStBl II 1984, 809 und dem BGH-Urteil in NJW 2015, 2666; die Revision ist daher auch nicht wegen Divergenz zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO).

a) Das BFH-Urteil in BFHE 142, 125, BStBl II 1984, 809 betraf keine Fristenberechnung, sondern Lohnzuschläge für Feiertagsarbeit (§ 34a Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes –EStG– 1971). Es beruht auf der Erwägung, dass „Feiertagsarbeit“ in § 34a Abs. 2 EStG 1971 sich nur auf Arbeit an gesetzlichen Feiertagen bezieht, wegen des Fehlens der Einschränkung „gesetzlich“ aber für die Fälle des § 34a Abs. 1 EStG 1971 primär dem jeweiligen Tarifvertrag zu entnehmen sei, wann „Feiertagsarbeit“ vorliegt; dies könne auch am 24. Dezember ab 16 Uhr und am 31. Dezember ab 21 Uhr zutreffen.

b) Das BGH-Urteil in NJW 2015, 2666 betraf ebenfalls keine Fristenberechnung, sondern die Vorwirkung „demnächstiger“ Zustellung der Klageschrift; eine vorwerfbare (!) Verzögerung von mehr als 14 Tagen wurde verneint, weil die Einzahlung des Kostenvorschusses an Wochenend- und Feiertagen sowie am Heiligabend und Silvester nicht erwartet werden könne.“

Wo nichts versäumt ist, braucht man auch keine Wiedereinsetzung

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Wenn keine Frist versäumt ist,  ist ein Wiedereinsetzungsantrag (§§ 44 ff. StPO) auch nicht erforderlich. Ein dennoch gestellter Antrag ist unzulässig. Das wird häufig übersehen. Und: Übersehen wird auch nicht selten, dass bei einer Zustellung an mehrere Zustellungsempfänger, sich die einzuhaltende Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung richtet. Steht in § 37 Abs. 2 StPO und im BGH, Beschl. v. 28.08.2012 – 3 StR 353/12:

1. Zu dem Wiedereinsetzungsantrag hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:
„Die Revisionsbegründungsschrift ist rechtzeitig eingegangen, mangels Fristversäumnis ist der Wiedereinsetzungsantrag nach ständiger Rechtsprechung unzulässig (vgl. Meyer-Goßner StPO 55. Aufl. § 44 Rdnr. 2 m. w. N.).
Die vom Vorsitzenden der Strafkammer angeordnete Urteilszustellung an den Angeklagten (Bl. 646 Bd. III d. A.) erfolgte am 20. Juni 2012 (Bl. 655 Bd. III d. A.). Wird eine Zustellung an mehrere Empfangsberechtigte bewirkt, richtet sich die Berechnung der Frist nach der zuletzt bewirkten Zustellung (§ 37 Abs. 2 StPO). Der Eingang der Revisionsbegründung am 19. Juli 2012 (Bl. 665 Bd. III d. A.) lag somit innerhalb der Monatsfrist des § 345 Abs. 1 StPO.“
Dem schließt sich der Senat an.