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Nebenklage III: Nochmals Akteneinsicht des Verletzten, oder: Tief greifender Grundrechtseingriff

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Und im letzten Posting geht es noch einmal zurück zur Akteneinsicht des Verletzten. Der ehemalige Angeklagte ist wurde durch Urteil des AG vom 03.07.2020 wegen Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung verurteilt worden. Mit Schriftsatz vom 07.07.2020 – eingegangen am 09.07.2020 – zeigte Rechtsanwalt R. unter Vorlage einer auf ihn lautenden Vollmacht die Vertretung des Verletzten, von dem er mit der Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche beauftragt worden sei, an und bat um Akteneinsicht.

Mit Schriftsatz vom 09.07.2020 legte der Verteidiger gegen das Urteil des Amtsgerichts „Rechtsmittel” ein. Nachdem in der Folge keine nähere Wahl hinsichtlich des Rechtsmittels getroffen worden war, legte die Staatsanwaltschaft die Akte dem LG zur Entscheidung über das als Berufung auszulegende Rechtsmittel vor.

Dort ist dann Termin zur Berufungshauptverhandlung bestimmt worden und, ohne den Angeklagten oder seinen Verteidiger zuvor anzuhören, die Übersendung der Akte an Rechtsanwalt R. zur Einsichtnahme angeordnet worden. Nachdem der Verteidiger durch ihm in Vorbereitung auf den Berufungshauptverhandlungstermin antragsgemäß gewährte Akteneinsicht Kenntnis von der Rechtsanwalt R. gewährten Einsicht in die Akte erlangt hatte, hat er mit – in der Berufungshauptverhandlung vom 17.11.2020 zur Akte gereichtem – Schriftsatz  gegen die Rechtsanwalt R. gewährte Akteneinsicht Beschwerde eingelegt und beantragt, „festzustellen, dass die dem Rechtsanwalt R. für den angeblich Geschädigten R. T. erteilte Akteneinsicht rechtswidrig war.” Das LG, das die Berufung des Angeklagten mit – inzwischen rechtskräftigem – Urteil vom 17.11.2020 verworfen hat, hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Das OLG hat die Beschwerde als unzulässig angesehen. Hier die Leitsätze der Entscheidung des OLG Saarbrücken, Beschl. v. 18.01.2021 – 1 Ws 4/21:

  1. Vor der Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht an den Verletzten ist der Beschuldigte regelmäßig anzuhören.

  2. Hat der Verletzte tatsächlich Einsicht in die Akten genommen, ist die vorangegangene richterliche Anordnung der Akteneinsicht prozessual überholt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beschuldigten ist daher grundsätzlich unzulässig.

  3. Der Verstoß gegen das Recht des Beschuldigten auf rechtliches Gehör begründet für sich allein die Zulässigkeit der Beschwerde nicht. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn ein anerkannter Ausnahmefall (Wiederholungsgefahr, fortwirkende Beeinträchtigung, tiefgreifender Grundrechtseingriff) vorliegt.