Der Kollege Flauaus hatte vor einigen Tagen hier über den Beschl. des OLG Hamm v. 02.11.2010- III – 4 RBs 374/10 – berichtet, den er mit freundlicherweise für Homepage hat zukommenlassen, da esfür mich schon sehr schwierig ist, die Entscheidungssammlung dort weiter zu vervollständigen. Ich habe mir den Beschluss inzwischen angesehen. Man kann nur sagen: An der amtsgerichtlichen Entscheidungs passte aber auch fast gar nichts. Dennoch lässt das OLG nicht zu, da es davon ausgeht, dass „die festzustellenden Rechtsfehler lediglich den Einzelfall betreffen und – nach diesem Hinweis durch den Senat – eine Wiederholung nicht zu besorgen ist.“ Ob das so zutrifft, kann man nicht abschließend beurteilen, da man nicht sagen kann, ob es nun wirklich ein Einzelfall ist; dazu müsste man die „sonstige Arbeitsweise“ des Amtsrichters kennen. Andererseits: Ggf. hätte man auch aufheben können bei der Vielzahl von Fehlern. Und: Der Kollege Flauaus hat jetzt das Vergnügen :-), dem Mandanten erklären zu dürfen, dass die amtsgerichtliche Entscheidung zwra nicht ausreichend begründet ist, das aber dennoch nicht zur Aufhebung führt. Wird nicht so ganz einfach sein.
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Kleiner Grundkurs: Keine „Quasiverdachtsentziehung“ einer ausländischen Fahrerlaubnis
Einen kleinen Grundkurs zu den Fragen der Entziehung einer ausländischen Fahrerlaubnis enthält die Entscheidung des OLG Stuttgart v. 23.09.2010 – 5 Ss 471/10. Offenbar hatte das LG „es nötig“. :-). Das könnte man auch aus der Segelanweisung ableiten, in der das OLG dem LG im Einzelnen vorgegeben hat, was jetzt noch zu tun ist. Das OLG hat dann aber nicht auch noch die Schreiben vorformuliert , die es für erforderlich ansieht.
In der Sache hatte das OLG gerügt, dass das LG eine ausländische Fahrerlaubnis entzogen hat, ohne Feststellungen dazu getroffen zu haben, ob der Angeklagte überhaupt im Besitz einer solchen war. Also eine „Quasi-Verdachtsentziehung“.
Warum tun Tatrichter das?, oder: Die geschriebene Lücke
Selbst auf die Gefahr hin, dass ich jetzt wieder böse Kommentare von Amstrichtern bekomme: Ich war gelinde gesagt sehr erstaunt, als ich den Beschl. des OLG Celle v. 02.02.2010 – 32 Ss 6/10, den mir ein Kollege im Anschluss an ein Seminar hat zukommen lassen, gelesen habe. Es geht um die Anforderungen an die Urteilsgründe bei einem nicht rechtskräftigen Urteil. Da scheint der Amtsrichter einiges in § 267 StPO gründlich missverstanden zu haben. Ist ja auch eine „lange“ Vorschrift mit sechs Absätzen, die auch noch aus mehreren Sätzen bestehen. Nicht gelesen (Kann ich mir nicht vorstellen)? Oder: Hatte der Tatrichter einfach keine Lust, mehr zu schreiben bzw. zu diktieren als „Einrücken Anklagesatz Klammer Blatt…..“. Denn mehr als den Anklagesatz hatte er hier zur Begründung einer Verurteilung wegen Straßenverkehrsgefährdung nicht gebracht, von den anderen Lücken des Urteils mal abgeshen
Das führt dann beim OLG, dessen Verstimmung man im Beschl. deutlich spüren kann, zu den Ausführungen:
„Die Feststellungen geben den (eingerückten) Anklagevorwurf, mit dem dem Angeklagten u.a. gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr vorgeworfen worden war, wieder und führen ergänzend aus, dass sich der diesem Anklagepunkt zugrunde gelegte Sachverhalt bestätigt hat. Unabhängig davon, dass Feststellungen zum inneren Tatbestand gänzlich fehlen und hier auch nicht auf der Hand liegen, tragen die Feststellungen auch nicht den objektiven Tatbestand der ausgeurteilten Straßenverkehrsgefährdung. Es ist bereits fraglich, ob aufgrund der Feststellungen ein grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Handeln des Angeklagten angenommen werden kann. Zumindest aber eine konkrete Gefahr lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen.“
Das ist ein „satter“ Verstoß gegen § 267 StPO und führt zur Aufhebung. Das Urteil des Tatrichters ist m.E. ein Lehrstück, wie man es nicht macht: Lücke bei den tatsächlichen Feststellungen, Lücke bei der Beweiswürdigung, Lücke bei der Strafzumessung, alles in allem: Ein großes Loch. Man fragt sich, warum tun Tatrichter das? Bringt doch nur Mehrarbeit, da ein anderer Kollege die Sache jetzt noch mal verhandeln darf/muss. Der freut sich natürlich.
Rückwärts statt vorwärts – bedeutet nicht besoffen oder bekifft
In der letzten Zeit sind einige Entscheidungen zu den Anforderungen an die Urteilsfeststellungen einer rauschmittelbedingten Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit aufgrund vorangegangenen Drogenkonsum veröffentlicht worden.
In die Reihe reiht sich jetzt auch der Beschl. des OLG Hamm v. 29.06.2010 – III 3 RVs 45/10 ein, mit dem das AG wegen zu knapper Feststellungen aufgehoben worden ist. Das AG hatte nur festgestellt, dass der Angeklagte aufgrund vorherigen Kokainkonsums zur sicheren Führung von Kraftfahrzeugen nicht in der Lage. Dessen ungeachtet habeer seinen auf einem Parkplatz an der N-Straße in C abgestellten Pkw in Betrieb genommen. Obwohl der Angeklagte im Vorwärtsgang aus der Parklücke hätte herausfahren müssen, legte er – so das AG – infolge seiner rauschmittelbedingten Fahruntüchtigkeit versehentlich den Rückwärtsgang ein und fuhr auf den hinter ihm abgestellten PKW der G auf. Infolge des starken Aufpralls wurde dieser PKW auf den dahinter parkenden PKW des P geschoben. Beide Fahrzeuge wurden beschädigt.
Dem OLG haben die Feststellungen nicht gereicht. Anders als beim Alkoholkonsum eines Kraftfahrers sei eine Fahruntüchtigkeit nach Genuss von Drogen allein aufgrund eines positiven Wirkstoffspiegels im Blut nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft (noch) nicht zu begründen. Trotz der erheblichen Gefahren, die von der Teilnahme eines unter Rauschgifteinfluss stehenden Kraftfahrers im Straßenverkehr ausgehen können, kann der für die Erfüllung der geltenden §§ 316 StGB und 315 c Abs. 1 Nr. 1 a) StGB vorausgesetzte Nachweis der „relativen“ Fahruntüchtigkeit auch nach der gegenwärtigen Gesetzeslage grds. nur aufgrund des konkreten rauschmittelbedingten Leistungsbildes des Betreffenden im Einzelfall geführt werden. Dazu bedarf es außer des positiven Blutwirkstoffbefundes regelmäßig weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen.
Und Rückwärts statt Vorwärts reicht dafür nicht.
Die Entscheidung entspricht der ganz h.M. in der Rechtsprechung seit BGH 44, 219 (vgl. u.a. OLG Köln NJW 1990, 2945, 2946; OLG Düsseldorf NZV 1999, 174, 175; OLG Zweibrücken VRS 105, 125 = BA 2003, 321; DAR 2004, 409, OLG Hamm VA 2007, 183 = StRR 2007, 355 = VRR 2007, 394 und Beschl. v. 03.04.2003, 4 Ss 158/03; AG Hermeskeil DAR 2008, 222; AG Bielefeld VA 2008, 141 für Amphetamin-Genuss
Tod beim Liebesspiel
Der Kollege, der die Revisionsentscheidung beim BGH im Verfahren 5 StR 246/10 erstritten hat, übersendet mir gerade die Entscheidung des BGH vom 21.07.2010, die bislang noch nicht auf der Homepage des BGH steht.
Es ist schon deutlich, wenn der BGH zu den Feststellungen des LG schreibt:
„[…] Die Beweiswürdigung des Landgerichts beruht hinsichtlich der subjektiven Tatseite, insbesondere des Tötungsmotivs, auf einer nicht ausreichenden Tatsachengrundlage, vielmehr weitestgehend auf Vermutungen (vgl. BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 26). Im Hinblick auf den untrennbaren Zusammenhang der Vorsatzannahme mit der Frage der Todesursache hebt er – auch insoweit dem Antrag des Generalbundes anwalts folgend – die Feststellungen insgesamt auf.“
Also: Nochmal machen. Zum Ganzen vgl. auch noch hier.