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Standardisiertes Messverfahren beim Fahrtenbuch, oder: Zugang bei der Bußgeldstelle erstrebt?

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Und dann heute im „Kessel Buntes“ zwei Entscheidungen aus dem Verwaltungsrecht.

Als erste stelle ich den VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 06.08.2024 – 13 S 1001/23 – vor. Gestritten wird mal wieder um eine Fahrtenbuchauflage. Die Klage dagegen hatte das VG abgewiesen. Der VGH hat die Berufung nicht zugelassen. Die von ihm angesprochenen Fragen sind nicht neu, so dass ich mich auf den Leitsatz beschränke und im Übrigen auf den verlinkten Volltext verweise.

Hier die Leitsätze:

1. Wird eine Fahrtenbuchanordnung auf die mit einem standardisierten Messverfahren ermittelte Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gestützt, muss das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung auch bei fehlenden Rohmessdaten nur dann von Amts wegen überprüft werden, wenn der Adressat der Anordnung plausible Anhaltspunkte für einen Messfehler vorträgt oder sich solche Anhaltspunkte sonst ergeben.

2. Der Adressat einer Fahrtenbuchanordnung, der sich gegen die Verwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren wendet, kann sich nicht mit Erfolg auf die Verweigerung des Zugangs zu bei der Bußgeldstelle gespeicherten Daten berufen, wenn er nicht seinerseits alles ihm Zumutbare unternommen hat, um – ggf. auch nach Ablauf der Verjährungsfrist für die Ahndung des Verkehrsverstoßes – den gewünschten Zugang von der Bußgeldstelle zu erhalten.

Zwei OVG-Entscheidungen zur Fahrtenbuchauflage, oder: Mitwirkungspflicht beim Firmenfahrzeug

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Und im Kessel Buntes dann heute (Verkehrs)Verwaltungsrecht.

Zunächst hier zwei OVG-Entscheidungen zum Fahrtenbuch (§ 31a StVZO). Ich stelle, da die Problematik ja weitgehend bekannt ist, hier nur die Leitsätze der beiden Entscheidungen ein, und zwar:

Aus der Perspektive des späteren Verfahrens zur Anordnung einer Fahrtenbuchführungspflicht obliegt einer GmbH als Halterin des Tatfahrzeugs einer Geschwindigkeitsüberschreitung auch dann eine hinreichende Mitwirkung an der Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers, wenn sie im Bußgeldverfahren nicht nur als Zeugin, sondern in erster Linie als Betroffene angehört wird.

1. Steht fest, dass die Fahrzeughalterin einen Zeugenfragebogen erhalten und darauf nicht reagiert hat, kommt es auf den Einwand, ein vorangegangenes Anhörungsschreiben nicht erhalten zu haben, nicht entscheidend an.
2. Auf die Einhaltung der sog. Zweiwochenfrist, die weder ein formales Tatbestandsmerkmal des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO noch eine starre Grenze darstellt, kann sich der Halter nicht bei Verkehrsverstößen berufen, die mit einem Firmenfahrzeug eines Kaufmanns im geschäftlichen Zusammenhang begangen worden sind. Denn bei Firmenfahrzeugen fällt es in die Sphäre der Geschäftsleitung, organisatorische Vorkehrungen dafür zu treffen, dass im Falle einer Verkehrszuwiderhandlung ohne Rücksicht auf die Erinnerung Einzelner festgestellt werden kann, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Geschäftsfahrzeug benutzt hat.

 

Fahrtenbuch II: Fahrtenbuchauflage versus DSGVO, oder: Sind 36 Monate verhältnismäßig?

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Und als zweite Fahrtenbuchentscheidung dann der OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 20.06.2023 – 7 B 10360/23. Die Beschwerde gegen die Anordnung des Fahrtenbuchs hatte auch hier keinen Erfolg.

Aus den Gründen schenke ich mir die Ausführungen der Beschwerde zur Frage der rechtmäßigen Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung und zur Verwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessun. Das ist alles bekannt.

Im Übrigen führt das OVG aus:

„c) Entgegen der Annahme der Beschwerde war die Ermittlung des oder der Fahrzeugführer der auf die Antragstellerin zugelassenen PKW, mit denen am 11. Juni 2022 und 6. September 2022 Verkehrsverstöße begangen worden sind, nicht möglich, obwohl die Ermittlungsbehörden nach pflichtgemäßem Ermessen ausreichende Maßnahmen getroffen haben, um den Verkehrsverstoß aufzuklären. Soweit mit der Beschwerde in diesem Zusammenhang gerügt wird, es sei der Bußgeldbehörde zumutbar gewesen, selbst Ausschau nach den Mitarbeitern zu halten und den tatsächlichen Fahrzeugführer ausfindig zu machen, vermag der Senat dieser Argumentation nicht zu folgen. Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Beschluss bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass die Befragung von Mitarbeitern in einer Firma zu dem in Rede stehenden Verkehrsverstoß regelmäßig eine ausreichende Ermittlungsmaßnahme darstellt. Es fällt in den Verantwortungsbereich der Gesellschaft, innerbetrieblich dafür Sorge zu tragen, dass die Geschäftsführung bzw. die Mitarbeiter, die zuverlässig Auskunft über den Einsatz der Firmenwagen geben können, informiert werden. Erfolgen daraufhin keine weiteren Angaben zu der Person, die im fraglichen Zeitpunkt das Firmenfahrzeug geführt hat, ist es der Behörde regelmäßig nicht mehr zuzumuten, noch weitere zeitraubende Ermittlungen zu betreiben (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. November 2013 – 8 A 632/13 –, juris Rn. 13 ff., m.w.N.). So liegt der Fall hier. Bei den insgesamt vier Vorortkontrollen wurde jeweils Herr A., der sich in Abwesenheit des Geschäftsführers als verantwortlicher Mitarbeiter der Firma zu erkennen gab, von den Beamten des Polizeipräsidiums Mainz ergebnislos zu den Fahrern der Fahrzeuge und zur Identifizierung der Personen auf den vorgezeigten Lichtbildern befragt. Darüber hinaus war eine Rückmeldung des sich bei den Befragungen stets im Ausland verweilenden und für die Beamten telefonisch nicht erreichbaren Geschäftsführer der Antragstellerin bis zuletzt nicht erfolgt. Weitere Ermittlungsmaßnahmen waren vor diesem Hintergrund nach den dargelegten Maßstäben nicht geboten, zumal mit der Beschwerde auch nicht geltend gemacht worden ist, dass den ermittelnden Beamten weiterer Zutritt zum Gelände und zu den Räumlichkeiten der Firma angeboten worden sei oder bei Bedarf gestattet worden wäre.d) Entgegen der Annahme der Antragstellerin war sie an der Preisgabe des verantwortlichen Fahrzeugführers oder der verantwortlichen Fahrzeugführerin nicht gehindert durch die Bestimmungen der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO –). Dabei bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob die Verarbeitung personenbezogener Daten im Ordnungswidrigkeitenverfahren – in dessen Rahmen die vorliegenden Ermittlungen vorgenommen wurden – in den sachlichen Anwendungsbereich der DSGVO fällt (zweifelnd: VG Regensburg, Urteil vom 17. April 2019 – RN 3 K 19.267 –, juris Rn. 25 ff.) oder sie hiervon gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. b) DSGVO ausgenommen ist (ebenfalls offenlassend: BayVGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2022 – 11 ZB 22.895 –, juris Rn. 18 und vom 30. November 2022 – 11 CS 22.1813 –, juris Rn. 34). Selbst wenn der Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet sein sollte, wäre die Preisgabe der persönlichen Daten der Fahrzeugführer durch die Antragstellerin an die Polizei- oder Bußgeldbehörden gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zur Wahrung der berechtigten Interessen der Behörden, eines Dritten im Sinne von Art. 4 Nr. 10 DSGVO, zulässig. Behörden haben ein berechtigtes Interesse daran, die ihnen im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgaben zu erfüllen, zu denen die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten gehört (vgl. BayVGH, Beschluss vom 22. Juli 2022 – 11 ZB 22.895 –, juris Rn. 18). Gleiches gilt für das Führen eines Fahrzeugbuchs durch und die damit verbundene Datenerhebung durch den Fahrzeughalter (vgl. BayVGH, Beschluss vom 30. November 2022 – 11 CS 22.1813 –, juris Rn. 34; ferner HambOVG, Beschluss vom 1. Dezember 2020 – 4 Bs 84/20 –, juris Rn. 19: Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO). Ferner ist auch die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden – die Eröffnung des Anwendungsbereichs der DSGVO vorausgesetzt – gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO gerechtfertigt (vgl. VG Regensburg, Urteil vom 17. April 2019 – RN 3 K 19.267 –, juris Rn. 30).

2. Ob der Antragsgegner das ihm nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hat, kann allerdings zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilt werden.

……

b) Allerdings vermag der Senat zum jetzigen Zeitpunkt auf der Grundlage der vorgelegten Verwaltungsakten nicht abschließend zu beurteilen, ob die Dauer des hier angeordneten Fahrtenbuchs von 36 Monaten verhältnismäßig ist. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, ist die Verhältnismäßigkeit der Zeitspanne, für die ein Fahrtenbuch zu führen ist, mit Blick auf den Anlass der Anordnung und den mit ihr verfolgten Zweck unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Bei der Bemessung der Dauer der Fahrtenbuchanordnung ist insbesondere das Gewicht des nicht aufgeklärten Verkehrsverstoßes zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2015 – 3 C 13/14 –, juris Rn. 20). Daneben kann in die Ermessensentscheidung einfließen, ob das erste Mal mit dem Kraftfahrzeug des Halters ein Verkehrsverstoß ohne Fahrerfeststellung begangen wurde oder ob ein Wiederholungsfall vorliegt. Auch das Verhalten des Halters bei der Aufklärung des Verkehrsverstoßes kann gewürdigt werden (vgl. VGH BW, Beschluss vom 21. Juli 2014 – 10 S 1256/13 –, juris Rn. 10; SächsOVG, Beschluss vom 22. März 2017 – 3 B 42/17 –, juris Rn. 10). Sofern sich der Antragsgegner zur Begründung der Dauer der Fahrtenbuchanordnung neben der Schwere der Verkehrsverstöße offenbar darauf stützt, dass es neben den hier vorgeworfenen Zuwiderhandlungen bereits in der Vergangenheit zu Verkehrsverstößen mit den Fahrzeugen der Antragstellerin gekommen sei, bei denen aufgrund der fehlenden Bereitschaft der Antragstellerin zur Mitwirkung der Fahrzeugführer nicht habe ermittelt werden können, kann vorliegend nicht geklärt werden, ob diese Argumentation in tatsächlicher Hinsicht trägt. Ob und inwiefern der Antragstellerin hinsichtlich der auf sie zugelassenen Fahrzeuge bereits mehrfach Verkehrsverstöße zur Last gelegt worden sind und inwieweit sie sich diesbezüglich bei der Ermittlung des Fahrzeugführers unkooperativ gezeigt hat, ist den vorgelegten Akten nämlich nicht mit der erforderlichen Gewissheit zu entnehmen. Die vom Antragsgegner in Bezug genommenen Vermerke vom 14. Juli 2022 (Bl. 31 der Verwaltungsakte) und 20. November 2022 (Bl. 53 Rs. der Verwaltungsakte) enthalten insoweit lediglich vage, in tatsächlicher Hinsicht nicht näher erläuterte Ausführungen, auf die allein sich die erhebliche Dauer der Fahrtenbuchanordnung von 36 Monaten nicht stützen lässt. Diesbezüglich bedarf es – auch vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin nun im Beschwerdeverfahren weitere Verkehrsverstöße in der Vergangenheit ausdrücklich bestritten hat – weiterer Sachverhaltsaufklärung im Widerspruchsverfahren. Insofern erweisen sich die Erfolgsaussichten in der Hauptsache derzeit als offen.

Die hiernach vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Verfügung und dem Interesse der Antragstellerin, vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vom Vollzug der Verfügung verschont zu bleiben, fällt dennoch zu Lasten der Antragstellerin aus. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass es sich bei der Fahrtenbuchanordnung um eine Maßnahme zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs handelt (vgl. hierzu auch BayVGH, Beschluss vom 18. Mai 1999 – 11 CS 99.730 –, juris Rn. 18). Demgegenüber belastet die Erfüllung der Fahrtenbuchanordnung die Antragstellerin – wie bereits dargelegt – nicht in nennenswertem Umfang. Hinzu kommt, dass die Anordnung eines Fahrtenbuchs dem Grunde nach – wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt – gerechtfertigt ist. Die Konstellation, dass sich die Anordnung aller Voraussicht nach vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens erledigen könnte und der Halter aufgrund des Sofortvollzugs ein Fahrtenbuch geführt hat, ohne hierzu verpflichtet gewesen zu sein (zu diesem Aspekt vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. April 2013 – 8 B 173/13 –, juris Rn. 16; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Februar 2020 – 3 M 15/20 –, juris Rn. 12), besteht vorliegend nicht. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass die Auferlegung eines Fahrtenbuchs für 24 Monate auf der Grundlage des bereits feststehenden Sachverhaltes – wiederholter mit einem Punkt bewerteter unaufgeklärter Verkehrsverstoß (vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2016 – 8 A 1217/15 –, juris Rn. 16, m.w.N.) – rechtlich nicht zu beanstanden sein dürfte. Da zu erwarten ist, dass vor Ablauf dieses Zeitraums das Widerspruchsverfahren unter Nachholung der genannten Sachverhaltsermittlungen beendet sein wird, besteht auch mit Blick auf das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes kein Anlass, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Fahrtenbuchanordnung wiederherzustellen.“

Wieder Unzulässigkeit der Fahrtenbuchauflage, oder: Was die Behörde zur Fahrerfeststellung alles tun muss

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Im „Kessel Buntes“ heute dann verkehrswaltungsrechtliche Entscheidungen. Hier zunächst das OVG Münster, Urt. v. 31.05.2023 – 8 A 2361/22 -, und zwar mal wieder zur Fahrtenbuchauflage.

Folgender Sachverhalt – in Kurzform: Am 25.12.2021 um 2.15 Uhr wurde mit einem Fahrzeug, dessen Halterin die Klägerin ist, eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen, und zwar Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerorts um 26 km/h, begangen. Auf dem von der Geschwindigkeitsüberwachungsanlage erstellten Tatfoto ist ein junger Mann am Steuer gut zu erkennen.

Mit Schreiben vom 05.01.2022 übersandte das Straßenverkehrsamt der Klägerin einen Zeugenfragebogen. Diesen beantwortete die Klägerin dahingehend, dass sie sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufe. Mit Schreiben vom 14.01.2022 übersandte das Straßenverkehrsamt  erneut einen Anhörungsbogen an die Klägerin unter Hinweis darauf, dass, sollte sie weiterhin keine Angaben zum Fahrer machen, die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage geprüft werde. Nach eigenen, vom Beklagten nicht bestrittenen Angaben berief sich die Klägerin wiederum auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht.

Es kommt dann zurAnordnung eines Fahrtenbuches und zur Klage. Das VG hat die Klage abgewiesen, obwohl sich das OVG schon vorher negativ zur Fahrtenbuchauflage geäußert hatte. Dagegen dann die Berufung, die Erfolg hatte.

Das OVG äußert sich noch einmal zu den Voraussetzungen einer Fahrtenbuchauflage, vor allem zur Frage der „Unmöglichkeit“ im Sinne des § 31a StVZO. Insoweit verweise ich auf dne verlinkten Volltext. Zur Sache führt es dann aus:

„2. Ausgehend hiervon war die Feststellung des Fahrzeugführers vorliegend nicht unmöglich.

a) Die Ermittlungsbemühungen der Bußgeldbehörde waren auch unter Berücksichtigung ihres Verfahrensermessens defizitär. Sie hat zwar die Klägerin als Fahrzeughalterin zeitnah angehört. Nachdem diese ihr Zeugnisverweigerungsrecht jedoch bereits auf das Schreiben vom 5. Januar 2022 ausgeübt hatte, hat die Behörde lediglich wiederholt schriftlich und sodann nochmals über den Außendienst des Beklagten versucht, die Klägerin dennoch zu einer Aussage zu bewegen. Letzteres erfolgte womöglich nur deshalb, weil die Bußgeldbehörde den Außendienst laut Verwaltungsvorgang fehlerhaft dahingehend informiert hatte, der an die Klägerin gerichtete Anhörungsbogen sei nicht in Rücklauf gekommen. Dessen ungeachtet mag es mit einer solchen Vorgehensweise in vielen Fällen sein Bewenden haben, wenn sich keine anderen Ermittlungsansätze aufdrängen. Ein solcher Ansatz lag hier aber vor.

Bemühungen, den Täter mithilfe des jedenfalls sehr deutlichen Fotos zu ermitteln, das auch einem fremden Dritten ermöglicht hätte, den verantwortlichen Fahrzeugführer sicher zu erkennen, hat die Bußgeldbehörde weder selbst noch durch den von ihr im Wege der Amtshilfe mit örtlichen Ermittlungen beauftragten Außendienst des Beklagten unternommen. Auch wenn der Zeuge T1. keine konkrete Erinnerung an seine damaligen Ermittlungen hatte und diese in seinem Bericht nicht näher dokumentiert sind, ist nach dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, dass er das Foto wegen datenschutzrechtlicher Bedenken nicht etwaig angetroffenen Nachbarn vorgezeigt hat. Der Zeuge hat angegeben, das Tatfoto in derartigen Fällen üblicherweise nur dann vorgezeigt zu haben, wenn er geglaubt habe, den Fahrer vor sich zu haben. Der Zweck solcher Ermittlungen beschränkte sich daher darauf, entweder die Klägerin zu befragen, (zufällig) auf den Fahrer zu stoßen oder über Nachbarn nähere Informationen zu den Familienverhältnissen des Halters bzw. den unter seiner Anschrift wohnhaften Personen zu erlangen. Angesichts dessen kann dahinstehen, ob das Vorzeigen des Fotos im Wohnumfeld rechtlich bedenklich wäre, weil es stärker in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingreift als behördeninterne Ermittlungen.

Vgl. zu diesem Aspekt OVG NRW, Urteil vom 31. März 1995 – 25 A 2798/93 -, juris Rn. 21; OLG Koblenz, Beschluss vom 2. Oktober 2020 –3 OWi 6 SsBs 258/20 -, juris Rn. 13 m. w. N.; siehe auch den Vorschlag der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen für die Vorgehensweise bei der „Ermittlung von Fahrer*innen mittels Lichtbildabgleichs bei Ordnungswidrigkeiten“, https://www.ldi.nrw.de/datenschutz/sicherheitundjustiz/ordnungswidrigkeiten/ermittlungvonfahrerinnenmittels.

b) Die Nutzung des Tatfotos zu weiteren Ermittlungen hätte sich der Bußgeldbehörde im vorliegenden konkreten Einzelfall aufdrängen müssen. Angesichts der Qualität des Lichtbildes, des darauf erkennbaren Alters des Fahrers und der Umstände, dass der Verkehrsverstoß in der Nacht zum ersten Weihnachtsfeiertag begangen wurde, sowie, dass sich die Klägerin auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen hatte, erschien es als hinreichend wahrscheinlich, dass es sich bei dem Fahrer um einen Sohn der Klägerin handelte. Vor diesem Hintergrund hätte der Versuch sehr nahe gelegen – und wäre letztlich auch erfolgreich gewesen -, zunächst Anhaltspunkte über die Identität des Fahrers zu gewinnen. Konkret hätte die Bußgeldbehörde beispielsweise über eine rechtlich ohne weiteres und tatsächlich ohne nennenswerten Aufwand mögliche – und in Verfahren dieser Art regelmäßig übliche – Anfrage bei der zuständigen Meldebehörde ermitteln können, ob zum Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes Familienangehörige, die nach Geschlecht und Alter als Fahrer in Betracht kommen, unter derselben Anschrift wie die Klägerin wohnhaft waren. Bei – hier anzunehmender – Verwertbarkeit des Abfrageergebnisses hätten sich weitere Ermittlungsschritte ergeben. Andernfalls wäre die Tätersuche (erst) an dieser Stelle letztlich erfolglos verlaufen.

aa) Die Datenabfrage wäre auf Grundlage von § 34 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 des Bundesmeldegesetzes (BMG) in der bis einschließlich zum 30. April 2022 gültigen Fassung, die im Zeitraum der Ermittlungsbemühungen der Bußgeldbehörde Anwendung fand, rechtlich möglich gewesen. Danach durfte die Meldebehörde einer anderen öffentlichen Stelle im Sinne von § 2 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes im Inland aus dem Melderegister näher bestimmte Daten übermitteln, soweit dies zur Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit oder in der Zuständigkeit des Empfängers liegenden öffentlichen Aufgaben erforderlich ist. Die Anfrage musste sich dabei nicht auf eine bestimmte Person beziehen, sondern konnte auch hinsichtlich einer nicht namentlich bezeichneten Personengruppe erfolgen. Dies folgt daraus, dass § 34 Abs. 2 BMG a. F. für diesen Fall bestimmte, dass für die Zusammensetzung der Personengruppe nur die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BMG a. F. genannten Daten zugrunde gelegt werden durften („Listenauskunft“).

Vgl. Sommer, in: Engelbrecht/Schwabenbauer, Bundesmeldegesetz, 2022, § 34 Rn. 13.

Das Straßenverkehrsamt des Kreises E. als hier ermittelnde Stelle hätte also in Erfahrung bringen können, welche männlichen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 BMG a. F.) Personen an der Meldeadresse der Klägerin seinerzeit oder früher ihre Haupt- oder Nebenwohnung (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BMG a. F.) hatten. Dass diese Informationen für die Erfüllung der dem Kreis E. hier übertragenen öffentlichen Aufgabe der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten (vgl. § 35 Abs. 1 OWiG) erforderlich war, ist nicht zweifelhaft und wird als solches von dem Beklagten auch nicht infrage gestellt. Soweit dessen Vertreter in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, eine Datenabfrage sei nur unter den verschärften Anforderungen des § 34 Abs. 3 BMG a. F. zulässig gewesen, kommt es hierauf nicht an, da die dort in Bezug genommenen weiteren als die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BMG a. F. bezeichneten Daten nicht erforderlich gewesen wären. Der Senat bezweifelt aber auch nicht, dass diese Voraussetzungen ebenfalls erfüllt wären.

Ohne dass es hier entscheidend wäre, weist der Senat darauf hin, dass nach der aktuellen Fassung des Bundesmeldegesetzes (vgl. §§ 34 Abs. 1 Satz 1, 34a Abs. 3, 38 Abs. 2 BMG) der Kreis der abrufbaren Daten bei einer jetzt so genannten „freien“, also nicht namentlich definierten Suche im Vergleich zum Stand von vor Mai 2022 zwar kleiner ist.

Vgl. Sommer, in: Engelbrecht/Schwabenbauer, Bundesmeldegesetz, 2022, § 34a Rn. 9.

Auch nach diesen Vorgaben wäre aber die Ermittlung der am Wohnsitz der Klägerin gemeldeten männlichen Personen zulässig.

Durchgreifende datenschutzrechtliche Argumente, die schon der Einholung einer Auskunft aus dem Melderegister entgegenstehen könnten, hat der Beklagte nicht vorgebracht. Die von ihm in Zusammenhang mit den geltend gemachten datenschutzrechtlichen Bedenken angeführte Rechtsprechung des Amtsgerichts Landstuhl betrifft die Frage, ob eine Anforderung des Pass- bzw. Personalausweisfotos eines potentiell Betroffenen, bevor dieser erstmals mit dem Vorwurf durch die Bußgeldbehörde konfrontiert worden ist, mit den Vorgaben in § 22 Abs. 2 und 3 PaßG, § 24 Abs. 2 PAuswG zu vereinbaren ist.

Vgl. AG Landstuhl, Beschluss vom 26. Oktober 2015 – 2 OWi 4286 Js 7129/15 -, juris Rn. 3; siehe auch den Beschluss vom 8. Januar 2020 – 2 OWi 4211 Js 12883/19 -, juris Rn. 2.

Eine derartige Vorgehensweise verlangen die vorstehenden Grundsätze von der Bußgeldbehörde aber gerade nicht.

Im Übrigen entspricht die Meldeabfrage sogar dem – für den Senat nicht bindenden, vom Beklagten aber wiederholt angeführten – Vorschlag für die Vorgehensweise bei der „Ermittlung von Fahrer*innen mittels Lichtbildabgleichs bei Ordnungswidrigkeiten“ der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen.

https://www.ldi.nrw.de/datenschutz/sicherheitundjustiz/ordnungswidrigkeiten/ermittlungvonfahrerinnenmittels.

Dort heißt es: „Kommen Halter*innen nicht als Fahrer*innen in Betracht – z. B. aufgrund des Alters oder nach der Durchführung eines Lichtbildabgleichs – können die Behörden weitere Ermittlungen zur Identifizierung der Fahrer*innen durchführen. Sie können beispielsweise auf Basis des § 34 Abs. 2 Bundesmeldegesetz [a. F.] bei Einwohnermeldeämtern weitere im gleichen Haus lebende Angehörige erfragen, um anhand von Geschlecht und Alter die mutmaßlichen Fahrer*innen zu ermitteln.“

bb) Auch die Einwände des Beklagten gegen die Praktikabilität und Erfolgsaussichten weiterer Ermittlungsbemühungen greifen nicht durch.

Dies gilt zunächst für das Vorbringen, das Berufen auf ein Zeugnisverweigerungsrecht lasse noch nicht den Schluss zu, dass ein solches auch tatsächlich bestehe. Einen Erfahrungssatz des Inhalts, dass derjenige, der ein im Gesetz (§§ 52, 55 StPO) vorgesehenes Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht in Anspruch nimmt, hinsichtlich des Bestehens der Voraussetzungen täuscht, gibt es nicht. Im vorliegenden Fall fehlte es an jeglichem Anzeichen dafür, dass die Klägerin sich zu Unrecht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen haben könnte. Im Gegenteil entspricht es eher der Erfahrung, dass Fahrzeuge häufig im engeren Familienkreis verliehen werden.

Die Überlegung, der Kreis der in Betracht kommenden Familienangehörigen sei recht weit, führt ebenfalls nicht im Sinne des Beklagten weiter. Es wäre vorliegend nämlich nach den oben dargelegten Maßstäben nicht erforderlich gewesen, den in § 52 Abs. 1 StPO genannten Personenkreis vollständig zu ermitteln und zu überprüfen. Vielmehr wäre es lediglich darum gegangen, Ermittlungen im Hinblick auf die sich aufdrängende Möglichkeit vorzunehmen, dass es sich bei dem Fahrer um einen Sohn der Klägerin handeln könnte, und insbesondere nachzuprüfen, ob eine männliche Person entsprechenden Alters unter ihrer Anschrift gemeldet ist.

Zu keinem anderen Ergebnis führt die Argumentation des Beklagten, unter einer Meldeadresse könnten zahlreiche Treffer erfolgen, die altersmäßig in Frage kommende Personen, aber getrennte Haushalte oder Personen ohne verwandtschaftliche Beziehung beträfen; in einem aktuellen Beispielsfall wohnten z. B. nach dem Vortrag des Betroffenen in seinem Mehrfamilienhaus mehr als zehn Personen / Haushalte mit identischem Nachnamen. Derartige Fälle mögen vorkommen. Sie bilden freilich nicht den Regelfall und sind daher auch kein taugliches Argument dafür, in einer Melderegisterauskunft aus ex ante-Sicht von vornherein keinen erfolgversprechenden Ermittlungsansatz zu sehen. Dass Ermittlungsansätze sicher zum Erfolg führen, ist nach den oben dargelegten Maßstäben nicht erforderlich.

Letztlich geht eine Meldeabfrage mit lediglich geringem Aufwand einher, zumal sie in der Regel im Wege des automatisierten Datenabrufs erfolgt (vgl. § 38 BMG a. F., jetzt: §§ 34 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 34a BMG).

Auch hinsichtlich der allgemeinen Behördenpraxis ergeben sich in diesem Zusammenhang keine Umstände, die gegen eine Meldeabfrage sprechen könnten. Nach Aussage des Zeugen T1. bekomme man zwar manchmal keine Meldeauskunft. Das betreffe indes Fälle einer Auskunftssperre oder einer Überlastung der Meldeämter. Dass man ihm einen Datenzugang in der Vergangenheit jemals unter Gesichtspunkten des Datenschutzes verweigert hätte, ergibt sich daraus gerade nicht. Auch der Terminsvertreter des Beklagten hat Derartiges nicht konkret vorgetragen.

c) Das hier vorliegende behördliche Ermittlungsdefizit war für den ausgebliebenen Ermittlungserfolg ursächlich. Der Fahrer – N. T. – war unter der Anschrift der Klägerin, seiner Mutter, wohnhaft. Es lag zudem ein Tatfoto vor, das den Fahrer deutlich erkennen ließ. Bei dieser Sachlage spricht alles dafür, dass eine Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers möglich gewesen wäre, wenn die Bußgeldbehörde in einem ersten Schritt jedenfalls zunächst die unter der Anschrift der Klägerin wohnhaften Personen ermittelt hätte.

d) Da die Bußgeldbehörde schon keine Melderegisterabfrage durchgeführt hat, obwohl sich dies aufgedrängt hätte, kann dahinstehen, ob hinsichtlich einer sich anschließenden Beiziehung von Lichtbildern zwecks Abgleichs mit dem Tatfoto – von der sich schon nicht sicher sagen lässt, ob sie überhaupt noch erforderlich geworden wäre, weil die Bußgeldbehörde möglicherweise direkt an Herrn N. T. herangetreten wäre – die insofern von der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen unter

https://www.ldi.nrw.de/datenschutz/sicherheitundjustiz/ordnungswidrigkeiten/ermittlungvonfahrerinnenmittels

für erforderlich gehaltene Vorgehensweise von §§ 161 Abs. 1, 163b Abs. 1 Satz 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG und § 22 Abs. 2 PaßG sowie § 24 Abs. 2 PAuswG zwingend vorausgesetzt wird, was allerdings durchaus zweifelhaft erscheint.

Nach § 24 Abs. 2 Satz 1 PAuswG dürfen die Personalausweisbehörden anderen Behörden auf deren Ersuchen Daten aus dem Personalausweisregister übermitteln, wenn

  1. die ersuchende Behörde auf Grund von Gesetzen oder Rechtsverordnungen berechtigt ist, solche Daten zu erhalten,
  2. die ersuchende Behörde ohne Kenntnis der Daten nicht in der Lage wäre, eine ihr obliegende Aufgabe zu erfüllen, und
  3. die ersuchende Behörde die Daten bei dem Betroffenen nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erheben kann oder wenn nach der Art der Aufgabe, zu deren Erfüllung die Daten erforderlich sind, von einer solchen Datenerhebung abgesehen werden muss.

Die zusätzliche Beachtung der im Bundesmeldegesetz enthaltenen Beschränkungen für Daten, die auch im Melderegister gespeichert sind, kommt hier nicht zur Anwendung, da Lichtbilder im Melderegister nicht gespeichert sind.

Vgl. Hornung in: Hornung/Möller, Passgesetz – Personalausweisgesetz, 2011, § 24 PAuswG Rn. 3 i. V. m. § 22 PaßG Rn. 10.

Nach § 25 Abs. 2 Satz 1 und 2 PAuswG dürfen die Ordnungsbehörden das Lichtbild zum Zweck der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten im automatisierten Verfahren abrufen, wenn die Personalausweisbehörde auf andere Weise nicht erreichbar ist und ein weiteres Abwarten den Ermittlungszweck gefährden würde. Zuständig für den Abruf sind die Polizeivollzugsbehörden auf Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte, die durch Landesrecht bestimmt werden.

Vergleichbare Regelungen finden sich in §§ 22 f. PaßG.

Das Hauptbeispiel für die Übermittlung von Daten aus dem Pass- und Personalausweisregister ist die Lichtbildanforderung im Rahmen der Ermittlung bei Straßenverkehrsdelikten, wobei die Anforderung eines Passbildes insoweit eine Ermittlungstätigkeit im Rahmen der allgemeinen Befugnisnorm des gemäß § 46 Abs. 1 OWiG entsprechend im Ordnungswidrigkeitenverfahren anzuwendenden § 161 Abs. 1 StPO und somit – im Rahmen der Erforderlichkeit – grundsätzlich zulässig ist.

Vgl. Hornung in: Hornung/Möller, Passgesetz – Personalausweisgesetz, 2011, § 24 PAuswG Rn. 3 i. V. m. § 22 PaßG Rn. 7 und 11.

Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen schließt ausweislich der Ausführungen auf ihrer Internetseite aus § 24 PAuswG, dass die Ermittlungsbehörde denjenigen, der als mutmaßlicher Fahrer in Betracht kommt, vor einem etwaigen Lichtbildabgleich mit entsprechender Belehrung anhören muss.

Vgl. hierzu einerseits Hornung in: Hornung/Möller, Passgesetz – Personalausweisgesetz, 2011, § 24 PAuswG Rn. 3 i. V. m. § 22 PaßG Rn. 9 und Rn. 11; siehe auch Gratz: Datenschutzverstöße bei Ermittlungen wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten, DAR 2021, 650; andererseits AG St. Ingbert, Urteil vom 16. Juni 2020 – 23 OWi 63 Js 2716/19 (65/20) u. a. -, juris Rn. 6 ff.; siehe auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Mai 2022 – IV-2 RBs 71/22, 2 RBs 71/22 -, juris Rn. 43.

Unklar bleibt jedoch, an welchem normativen Tatbestandsmerkmal sie diese Annahme festmacht. Dem Gesetzeswortlaut des § 24 PAuswG lässt sich nichts Entsprechendes entnehmen. Sie verweist im Übrigen auf den Runderlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen (heute: Ministerium des Innern des Landes Nordrhein Westfahlen) mit dem Titel „Verfolgung von Verkehrsverstößen durch die Polizei und Erhebung von Sicherheitsleistungen bei Ordnungswidrigkeiten und Straftaten – Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten durch die Ordnungsbehörden“, 43.8 – 57.04.16, vom 2. November 2010. Dort heißt es unter Nr. 3.1.4.2: „Das Ersuchen an die Personalausweisbehörde um Übermittlung des Lichtbildes aus dem Personalausweisregister setzt voraus, dass der Betroffene zunächst erfolglos nach § 55 OWiG angehört und auf die Möglichkeit des Bildvergleiches hingewiesen worden ist; (…) Die obenstehende Regelung gilt für die Datenerhebung bei Tatverdächtigen entsprechend.“

Betroffener i. S. d. Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist indes nur die Person, gegen die sich das Verfahren richtet.

Vgl. zu § 49 OWiG Hess. VGH, Urteil vom 28. Februar 2019 – 6 A 1805/16 -, juris Rn. 104; Bücherl, in: Graf, BeckOK OWiG, Stand: 1. April 2023, § 49 Rn. 2.

Zweck der Anhörung nach § 55 OWiG ist es – neben der Ermittlung des Sachverhalts und der Sicherung von Beweisen -, dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs zu entsprechen und dem Betroffenen Gelegenheit zu gegeben, sich zu der ihm zur Last gelegten Tat zu äußern, sich gegen den Verdacht einer Ordnungswidrigkeit zu verteidigen und ihn entlastende Tatsachen anzuführen.

Vgl. Lutz, in: Mitsch, Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 55 Rn. 3 f.; Straßer, in: Graf, BeckOK OWiG, Stand: 1. April 2023, § 55 Rn. 1 ff.

Ausgehend hiervon muss es sich um eine der Tat verdächtige Person handeln, gegen die das Bußgeldverfahren geführt wird. Es kann aber nicht zugrunde gelegt werden, dass derjenige, dessen Lichtbild die Bußgeldbehörde anzufordern beabsichtigt, notwendigerweise tatverdächtig und somit Betroffener i. S. d. § 55 OWiG ist. Vielmehr bewegt sich die Bußgeldbehörde auf einer Vorstufe, die erst der Ermittlung dient, wer überhaupt als Tatverdächtiger in Betracht kommt. Ermittelt die Bußgeldbehörde beispielsweise über eine Meldeabfrage mehrere in Frage kommende Personen in einer ungefähr gleichen Altersguppe, z. B. mehrere Brüder, und will sie über den Lichtbildabgleich abklären, welcher von ihnen der auf dem Tatfoto erkennbaren Person gleicht, handelt es sich nicht bei sämtlichen Brüdern um Betroffene im vorgenannten Sinne, zumal schon denklogisch nur einer von ihnen gefahren sein kann. Die Beiziehung eines Lichtbildes erst gegenüber einer Person für zulässig zu halten, die als Betroffener eingestuft und angehört worden ist, ist ein Zirkelschluss. Denn wenn die Bußgeldbehörde nur Informationen über den Halter hat, der auf die Zeugenanhörung hin schweigt, aber keine Anhaltspunkte für den Fahrzeugführer, müsste sie „ins Blaue hinein“ Personen aus seinem Umfeld als Fahrer verdächtigen und als Betroffene anhören. Dies wäre sinnwidrig.

Vgl. AG St. Ingbert, Urteil vom 16. Juni 2020 – 23 OWi 63 Js 2716/19 (65/20) u. a. -, juris Rn. 6.

Im Übrigen kann sich gerade die von der Datenschutzbeauftragten befürwortete Vorgehensweise je nach

Fallkonstellation als datenschutzrechtlich bedenklich erweisen. Übersendete etwa im vorgenannten Fall die Bußgeldbehörde an sämtliche Brüder einen Anhörungsbogen, der gegebenenfalls sogar das Tatfoto enthält, wären sie damit alle über die eventuell durch einen von ihnen begangene Ordnungswidrigkeit informiert. Dagegen wäre ein Lichtbildabgleich ohne vorherige Anhörung und die anschließende Übersendung des Anhörungsbogens nur an die als mutmaßlicher Täter identifizierte Person ersichtlich der geringere Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dementsprechend sieht auch Nr. 3.1.4.2 des vorgenannten Runderlasses vor: „Die Befragung anderer Personen ist keine Datenerhebung beim Betroffenen im Sinne von § 24 Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 PAuswG. Sie ist daher erst dann zu erwägen, wenn ein Lichtbildabgleich [bezüglich des Betroffenen] erfolglos ist.“ Auch hiernach ist folglich der behördeninterne Lichtbildabgleich durchzuführen, bevor man mit dem Tatfoto an Dritte, also z. B. Familienangehörige, herantritt.

Ungeachtet dessen hat der Beklagte auch nicht dargelegt, dass selbst die Beachtung der durch die Datenschutzbeauftragte empfohlenen Vorgehensweise einen unzumutbaren Aufwand in dem Sinne nach sich zöge, dass mehr als das Versenden standardisierter Schriftsätze erforderlich würde. Zudem wäre im vorliegenden Fall auch nur eine Person, nämlich N. T. , anzuhören gewesen. Insofern gilt, ebenso wie schon in Bezug auf die Melderegisterabfrage, dass Unmöglichkeit nicht schon dann vorliegt, wenn die Behörde nur solchen Ermittlungsansätzen nachgegangen ist, die sicher zum Erfolg führen. Davon, dass es sich um kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen gehandelt hätte, wenn die Bußgeldbehörde den verantwortlichen Fahrzeugführer auf diese Weise zu ermitteln versucht hätte, kann jedenfalls keine Rede sein.“

Puh, da hat das OVG aber mal so richtig „zugeschlagen“, war aber offenbar mal nötig 🙂 .

Fahrtenbuch I: Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung, oder: Wenn es ein gutes Lichtbild gibt

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Urheber Dede2

Und heute dann der „Kessel Buntes“, und zwar mit zwei Entscheidungen zum Fahrtenbuch (§ 31a StVZO). Beide Entscheidungen kommen vom OVG Münster.

Zunächst stelle ich den OVG Münster, Beschl. v. 03.05.2023 – 8 B 185/23 – vor. Er nimmt npch einmal Stellung zu den Voraussetzungen der Fahrtenbuchauflage wegen Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung. Es war ein Fahrtenbuch angeordnet worden. Dagegen die Klage. Der im Zusammenhang damit gestellte Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hatte Erfolg:

„Nach §31a Abs.1 Satz1 StVZO kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Dies ist dann der Fall, wenn die Bußgeldbehörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Ob die Aufklärung angemessen war, richtet sich danach, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Zu den danach angemessenen Ermittlungsmaßnahmen gehört in erster Linie, dass der Halter möglichst umgehend -im Regelfall innerhalb von zwei Wochen- von dem mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoß benachrichtigt wird, damit er die Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantworten kann und der Täter Entlastungsgründe vorbringen kann. Eine solche Benachrichtigung begründet für den Halter eine Obliegenheit, zur Aufklärung des mit seinem Fahrzeug begangenen Verkehrsverstoßes so weit mitzuwirken, wie es ihm möglich und zumutbar ist. Dazu gehört es insbesondere, dass er den bekannten oder auf einem vorgelegten Lichtbild erkannten Fahrer benennt oder zumindest den möglichen Täterkreis eingrenzt und die Täterfeststellung durch Nachfragen im Kreis der Nutzungsberechtigten fördert. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Bußgeldbehörde können sich im Weiteren an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Ermittlung der für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Person ab und liegen der Bußgeldbehörde auch sonst keine konkreten Ermittlungsansätze vor, ist es dieser regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.Dezember 1982 -7C 3.80-, juris Rn.7; OVG NRW, Beschlüsse vom 7.Dezember 2021 -8B 1475/21- juris Rn.3, und vom 22.Juli 2020 -8B 892/20-, juris Rn.15.

Ausgehend hiervon bestehen vorliegend bei der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes einzig möglichen und gebotenen summarischen Prüfung durchgreifende Zweifel daran, dass die Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers im Sinne von §31a Abs.1 Satz1 StVZO unmöglich war. Es spricht vielmehr Überwiegendes dafür, dass der gegenüber Herrn O. ergangene Bußgeldbescheid vom 20.September 2022 hätte aufrechterhalten bleiben können.

Zwar ist die Feststellung des Fahrers auch dann unmöglich, wenn die Ermittlungen auf einen bestimmten Täter hindeuten und eine Person ernsthaft verdächtig ist, die Behörde jedoch keine ausreichende Überzeugung von der Täterschaft des Verdächtigen gewinnen konnte. Nichts anderes gilt, wenn zwar die Bußgeldbehörde einen Bußgeldbescheid erlassen hat, dann allerdings im Zwischenverfahren gemäß §69 Abs.2 OWiG das Verfahren einstellt, da letztlich doch keine ausreichende Überzeugung von der Täterschaft gewonnen werden konnte. Abzustellen ist dabei auf das im Ordnungswidrigkeitenverfahren erforderliche Maß der Überzeugung.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30.Juni 2020 -8A 1423/19-, juris Rn.30, und vom 15.Mai 2018 -8A 740/18-, juris Rn.39ff.; Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47.Aufl. 2023, StVZO, §31a Rn.25.

Ist die Feststellung des Fahrzeugführers unmöglich, kommt es weiter nicht darauf an, ob der Fahrzeughalter seine Mitwirkungspflicht erfüllt hat, indem er alle ihm möglichen Angaben gemacht hat, oder ob ihn ein Verschulden an der Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers trifft. Denn die Fahrtenbuchauflage hat eine präventive und keine strafende Funktion. Sie stellt eine der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dienende Maßnahme der Gefahrenabwehr dar, mit der dafür Sorge getragen werden soll, dass künftige Feststellungen eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich sind. Die Führung eines Fahrtenbuchs kann daher auch dann angeordnet werden, wenn der Fahrzeughalter an der Feststellung mitgewirkt hat, die gebotenen Ermittlungsbemühungen der Behörde jedoch gleichwohl erfolglos geblieben sind.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30.Juni 2020 -8A 1423/19-, juris Rn.27, und vom 25.Januar 2018 -8A 1587/16-, juris Rn.13.

Vorliegend hat indes die Bußgeldbehörde nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand wohl nicht alle gebotenen und angemessenen Ermittlungsmaßnahmen ergriffen, nachdem die Antragstellerin unter dem 16.August 2022 mitgeteilt hatte, sie habe das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt Herrn C. O. , geb. am 00.Januar 0000 in Teheran, Anschrift: I. Straße 110, E. , überlassen, und entsprechend ein Bußgeldbescheid gegenüber Herrn O. ergangen war.

Zwar hat Herr O. über einen Rechtsanwalt Einspruch einlegen und ankündigen lassen, sich nicht zur Sache zu äußern. Die Bußgeldbehörde versuchte daraufhin vergeblich, über das Einwohnermeldeamt und die Ausländerbehörde ein Personalausweis-/Passfoto zwecks Lichtbildabgleichs anzufordern. Eine EMA-Abfrage blieb laut Vermerk vom 26.Oktober 2022 erfolglos. Dies war jedoch auf Vertauschung von Vor- und Zuname des Herrn O. zurückzuführen, die anhand der Namensangabe der Antragstellerin vom 16.August 2022 („C.O. “ – ohne Komma, wie es bei nach dem Formblatt eigentlich vorgesehener Erstnennung des Nachnamens zu erwarten gewesen wäre), vor allem aber wegen der zutreffenden Namensnennung durch dessen Rechtsanwalt für die Antragsgegnerin erkennbar bzw. vermeidbar gewesen wäre. Soweit die Antragsgegnerin sich darauf beruft, „aufgrund der nicht auf den ersten Blick völlig eindeutigen Namensbesonderheit“ -damit dürfte der Umstand gemeint sein, dass es sich um einen ausländischen Namen handelt- hätte es der Antragstellerin zumindest oblegen, eine besondere Sorgfalt bei der Übermittlung des Vor- und Nachnamens an den Tag zu legen, ist dem entgegenzuhalten, dass eine Sorgfaltspflicht zumindest ebenso auch auf Seiten der Bußgeldbehörde besteht. Da sich nach Zustellung des Bußgeldbescheids unter der von der Antragstellerin bezeichneten Adresse ein Verteidiger für den Betroffenen bestellt hat, hätte es nahe gelegen, anhand des Akteninhalts den Grund für die erfolglosen Abfragen zu hinterfragen. Dabei hätte auffallen müssen, dass der Verteidiger des Herrn O.den Namen seines Mandanten in den Schreiben vom 23.September 2022 und vom 4.Oktober 2022 maschinenschriftlich eindeutig mit „C.O. “ und nicht mit „C. , O. “ angegeben hat. Ein Vertauschen des Vor- und des Nachnamens erscheint in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden als eine sich auch ohne eigene iranische Sprachkenntnisse aufdrängende Fehlerursache. Eine EMA-Abfrage durch die Berichterstatterin bezüglich C.O. verlief dementsprechend erfolgreich. Die sehr gute Qualität des Tatfotos spricht dafür, dass die Antragsgegnerin sich auf diese Weise eine ausreichende Überzeugung von der Täterschaft des Herrn O. hätte bilden können.

Weiterhin hätte es sich aufgedrängt, die Antragstellerin zu befragen, ob sie Herrn O. anhand des Lichtbilds identifizieren könne. Dies wäre vor Ablauf der Verjährungsfrist gegenüber Herrn O.(vgl. §26 Abs.3 Satz1 StVG: Verlängerung auf sechs Monate nach Erlass eines Bußgeldbescheides) möglich und – wie ihrer im Anhörungsverfahren abgegebenen Stellungnahme vom 16.Dezember 2022 zu entnehmen ist – erfolgversprechend gewesen.“