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Einziehung II: Überführung gestohlener Pkw nach Polen, oder: Was ist „erlangt“?

entnommen wikimedi.org
Author Löwe 48

Bei der zweiten „Einziehungsentscheidung“, die ich vorstelle, handelt es sich um das BGH, Urt. v. 17.07.2019 – 5 StR 130/19.

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen schweren Bandendiebstahls in 14 Fällen verurteilt. Ferner hat es 5.000 € als „Wertersatz“ eingezogen. Festgestellt worden ist, dass der Angeklagte Mitglied einer international organsierten polnischen Bande war, die in Deutschland hochwertige Kraftwagen entwendete und nach Polen verbrachte. In 13 der 14 Taten des schweren Bandendiebstahls war dem Angeklagten zumindest die Funktion des Fahrers zugewiesen. Im Zeitraum vom 15. 06. bis 20.11.2017 verbrachte er elf Kraftwagen im Wert zwischen 21.632 € und 150.000 € nach Polen, von denen jedoch einer aus ungeklärten Gründen vor der Übergabe verbrannte. In den weiteren Fällen erlitt er mit einem BMW X5 (Zeitwert etwa 75.000 €) kurz vor der polnischen Grenze einen Unfall, bei dem das Auto liegenblieb, bzw. ließ er einen gestohlenen Mercedes AMG (Wert 80.000 €) auf seiner Flucht vor der Polizei in Thüringen zurück.

In den zehn Fällen erfolgreicher Übergabe in Polen erhielt der Angeklagte als Entlohnung einen „Anteil an der Beute“ von jeweils 500 €, mithin insgesamt 5.000 €.

Dem BGH „passt“ die Einziehungsentscheidung des LG (wertmäßig) nicht:

„2. Das Landgericht hat die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe des „Gesamtlohns“ des Angeklagten von 5.000 € angeordnet. Nur insoweit habe der Angeklagte „etwas“ im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB erlangt. Hingegen scheide eine Einziehung des Wertes der entwendeten Kraftwagen aus. Zwar habe er Mitverfügungsgewalt über die Fahrzeuge gehabt. Jedoch habe sich diese auf die vorgegebenen Strecken bis zum Übergabeort beschränkt. Dieser kurzzeitige und vorübergehende Zustand genüge nicht, um einen „Vermögenszufluss“ beim Angeklagten annehmen zu können.

3. Die Einziehungsentscheidung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Gemäß ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vermögenswert im Rechtssinne aus der Tat erlangt, wenn er dem Beteiligten in irgendeiner Phase des Tatablaufs unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann (vgl. BGH, Urteile vom 30. Mai 2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 246 ; vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10 , BGHSt 56, 39, 45 f. ; vom 24. Mai 2018 – 5 StR 623/17 und 624/17, jeweils mwN). Bei mehreren Beteiligten genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben. Das ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf diesen nehmen können (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2018 – 5 StR 645/17 , NStZ-RR 2018, 278, 279 mwN). Eine spätere Aufgabe der Mitverfügungsgewalt ist unerheblich (vgl. BGH Urteil vom 2. Juli 2015 – 3 StR 157/15 , NStZ-RR 2015, 310, 311).

b) Nach diesen Maßstäben hat der Angeklagte die Kraftwagen im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB durch die jeweiligen Taten erlangt. Er hatte während der Überführungsfahrten die faktische Herrschaft über und damit ungehinderten Zugriff auf die Fahrzeuge. Angesichts der alleine vom Angeklagten durchgeführten Transporte, der Fahrstrecken von oftmals mehreren hundert Kilometern und der daraus resultierenden langen Fahrzeiten waren ihm diese Autos auch nicht nur kurzfristig und „transitorisch“ überlassen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2018 – 2 StR 311/18 , NStZ 2019, 20, 21).

c) Da die für die Einziehungsentscheidung relevanten Fahrzeugwerte bislang nicht durch eine Beweiswürdigung belegt sind (vgl. unten 4.a), hebt der Senat die entsprechenden Feststellungen auf ( § 353 Abs. 2 StPO ).

d) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass bei Einziehung der jeweiligen Fahrzeugwerte die an den Angeklagten ausgekehrten Entlohnungen aus der Tatbeute nicht zusätzlich eingezogen werden dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2018 – 2 StR 311/18 , aaO).“