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Einziehung II: Einziehung eines Erbbaurechts, oder: Das Erbbaurecht als Tatmittel in einem „Plantagenfall“

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Im zweiten Posting komme ich dann noch einmal auf den BGH, Beschl. v. 24.11.2022 – 4 StR 263/22– zurück. Den hatte ich ja schon vorgestellt wegen der verfahrensrechtlichen Fragen, nämlich: Ablehnung eines Beweisantrages auf Vernehmung eines sog. Auslandszeugen (vgl. StPO II: BGH zur Vernehmung eines Auslandszeugen, oder: Beweisantrag zur Erforschung der Wahrheit?). Der Schluss behandelt aber auch eine materiell-rechtliche Frage in Zusammenhang mit der Einziehung eines Erbbaurechts.

Zunächst zur Erinnerungs noch einmal der Sachverhalt der Entscheidung: Das LG hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und seine Ehefrau wegen Beihilfe verurteilt. Nach den Feststellungen des LG hatte die Ehefrau ein Erbbaurecht an einer unbewohnten Doppelhaushälfte erworben, damit ihr Ehemann dort in Absprache mit ihr eine Cannabisplantage anlegen konnte. Durch zwei Ernten habe der Ehemann insgesamt 279.000 EUR eingenommen. Die Revision der Angeklagten hatte mit der Verfahrensrüge Erfolg (dazu StPO II: BGH zur Vernehmung eines Auslandszeugen, oder: Beweisantrag zur Erforschung der Wahrheit?.

Das LG hatte aber (auch) das Erbbaurecht als Tatmittel eingezogen. Auch dazu hat der BGH Stellung genommen. Iinsoweit hatte die Revision keinen Erfolg.

Die Einziehung des der angeklagten Ehefrau zustehenden Erbbaurechts als Tatmittel sei – so der BGH – aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das LG habe die Einziehung rechtsfehlerfrei auf § 74 Abs. 1 StGB gestützt:

„1. Das Erbbaurecht als Recht an einem Grundstück (vgl. näher zu seiner Rechtsnatur OLG München, Beschluss vom 30. August 2018 – 34 Wx 67/18, FGPrax 2019, 6; Heinemann in MüKo-BGB, 8. Aufl., § 1 ErbbauRG Rn. 4 f.; Ingenstau/Hustedt, ErbbauRG, 12. Aufl., § 1 Rn. 5 ff., § 12 Rn. 3 ff.; Nagel, ErbbauRG, 1. Aufl., § 1 Rn. 108 ff., § 12 Rn. 6 ff.), ist ein taugliches Einziehungsobjekt. Denn als Gegenstände im Sinne des § 74 Abs. 1 StGB können außer Sachen, deren Einziehung Volleigentum des Täters oder Teilnehmers an ihnen voraussetzt (vgl. § 74 Abs. 3 StGB: „gehören“; bereits zu § 40 Abs. 2 Nr. 1 aF BGH, Beschluss vom 28. September 1971 – 1 StR 261/71, BGHSt 24, 222, 225; vgl. auch Lohse in LK-StGB, 13. Aufl., § 74 Rn. 31 ff. mwN, auch zur Gegenauffassung), auch Rechte eingezogen werden, wie sich aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift (vgl. § 74 Abs. 3 StGB: „zustehen“, § 75 Abs. 1 StGB) und ihrer Entstehungsgeschichte (vgl. BT-Drucks. V/1319, S. 53 zu § 40 StGB aF; ausführlich Lohse in LK-StGB, 13. Aufl., vor § 73 Rn. 4 ff.) ergibt (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 9. März 2021 – 6 StR 48/21).

2. Das Erbbaurecht ist zur Begehung der Tat, an der die Angeklagte L.   K.       beteiligt war, gebraucht worden und damit Tatmittel im Sinne des § 74 Abs. 1 StGB.

a) Zur Begehung einer Tat gebraucht worden oder bestimmt gewesen ist allerdings nicht jeder Gegenstand, der zu der Tat irgendeine räumliche oder zeitliche Verbindung hat. Die Benutzung eines Gegenstandes nur bei Gelegenheit der Begehung einer Straftat reicht nicht aus. Erforderlich ist darüber hinaus, dass sein Gebrauch gezielt die Verwirklichung des deliktischen Vorhabens fördert bzw. nach der Planung des Täters fördern soll (BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2004 – 2 StR 362/04; Beschluss vom 9. Juli 2002 – 3 StR 165/02; vgl. Heine in SSW-StGB, 5. Aufl., § 74 Rn. 79; Burr, NStZ 2006, 226, 227). Diese Voraussetzung wird zunächst – in tatsächlicher Hinsicht – durch das Haus ebenso wie durch das – allerdings nicht im Eigentum der Angeklagten stehende – Grundstück erfüllt, da es ausschließlich zum Betrieb der Cannabis-Plantage vorgesehen war und der Tatplan des Indoor-Anbaus von Cannabis nur in geeigneten Räumen umgesetzt werden konnte (vgl. zur Einziehung von Grundstücken, auf denen Cannabis-Plantagen errichtet worden sind, bereits BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2018 – 4 StR 318/18; Beschluss vom 31. März 2016 – 2 StR 243/15; anders OLG Köln, Beschluss vom 16. September 2005 – 2 Ws 336/05, NStZ 2006, 225 zur Einziehung eines Grundstücks, das zur Veranstaltung unerlaubter Glücksspiele genutzt worden ist).

b) Das Landgericht hat dennoch zutreffend nicht das Haus als Sache eingezogen. Dieses steht zwar im Eigentum der Angeklagten L.    K.      als Erbbauberechtigter an dem Grundstück, und zwar nach der im Schrifttum ganz überwiegend vertretenen Auffassung selbst dann, wenn das Gebäude schon vor der Entstehung des Erbbaurechts errichtet worden sein sollte (vgl. nur Heinemann in MüKo-BGB, 8. Aufl., § 12 ErbbauRG Rn. 7; Rapp in Staudinger, BGB, Neubearb. 2017, § 12 ErbbauRG Rn. 11, jew. mwN). Es unterliegt gleichwohl nicht der Sacheinziehung. Denn das Gebäude ist gemäß § 12 Abs. 1 ErbbauRG wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts und daher nicht sonderrechtsfähig, so dass eine gesonderte Übertragung des Eigentums an ihm und damit auch ein Übergang desselben auf den Staat nach § 75 Abs. 1 StGB nicht möglich ist (vgl. Heinemann, aaO).

c) Zu Recht hat das Landgericht daher stattdessen das Erbbaurecht der Angeklagten an dem Grundstück eingezogen. Denn das für die Cannabis-Plantage benutzte Haus war infolge seiner Eigenschaft als wesentlicher Bestandteil des Erbbaurechts so eng mit diesem verknüpft, dass sich der Gebrauch des Hauses zugleich als Gebrauch des Erbbaurechts im Sinne von § 74 Abs. 1 StGB darstellte.

aa) Der diesem Ergebnis entgegenstehenden Auffassung, Tatobjekt sei bei tatsächlichem Einsatz einer Sache allein diese selbst und nicht ein an ihr bestehendes Recht (vgl. in diesem Sinn zum Anwartschaftsrecht Meyer, JR 1972, 385, 386 [krit. Anm. zu BGH, Beschluss vom 28. September 1971 – 1 StR 261/71, BGHSt 24, 222]; Saliger in NK-StGB, 5. Aufl., § 74 Rn. 25) – hier also außer dem rechtlich unselbständigen Gebäude allenfalls noch das Grundstück, welches aber im Eigentum eines tatunbeteiligten Dritten steht (§ 74 Abs. 3 StGB) ?, vermag der Senat nicht zu folgen. Es entspricht vielmehr der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der abzuweichen kein Anlass besteht, dass jedenfalls solche dinglichen Rechte, die an der zur Tatbegehung (körperlich) verwendeten Sache bestehen und dabei dem Volleigentum (§ 903 BGB) rechtlich angenähert sind, statt der Sache als Tatobjekte eingezogen werden können (vgl. zum Anwartschaftsrechts an einer beweglichen Sache BGH, Urteil vom 24. August 1972 – 4 StR 308/72, BGHSt 25, 10, 11 f. [zu § 40 StGB aF]; Urteil vom 27. August 1998 – 4 StR 307/98, NStZ-RR 1999, 11; zum Miteigentumsanteil BGH, Beschluss vom 28. Mai 1991 – 1 StR 731/90, NStZ 1991, 496; vgl. auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Oktober 1973 – 1 Ws 177/73, NJW 1974, 709, 711 [zu § 40a StGB aF]). Die Rechtfertigung hierfür liegt darin, dass derartige Rechte ihrem Inhaber eine Herrschaft über die Sache vermitteln, die derjenigen des Eigentümers – jedenfalls im Hinblick auf die Möglichkeit des deliktischen Einsatzes der Sache – nicht wesentlich nachsteht. Infolgedessen bildet eine solche Rechtsposition des Täters oder Teilnehmers an der Sache mit dieser eine dem Volleigentum angenäherte „innere Einheit“, die sich einziehungsrechtlich dahin auswirkt, dass neben der tatsächlich für die Tatbegehung gebrauchten Sache auch das an ihr bestehende Recht als tatverstrickt anzusehen ist (so [zum Miteigentum] OLG Karlsruhe, aaO; K. Schäfer in FS Dreher, 1977, S. 283, 303 [zum Anwartschaftsrecht]).

bb) Das Erbbaurecht der Angeklagten an dem Grundstück, auf welchem das Plantagengebäude steht, ist ein derartiges Recht. Es steht rechtlich der Sache selbst, d.h. dem Volleigentum an dem Grundstück, in sehr weitem Umfang gleich (§ 11 Abs. 1 ErbbauRG) und wird daher zutreffend als grundstücksgleiches Recht, gar als Grundstück im Rechtssinne, qualifiziert (vgl. Toussaint in BeckOGK-BGB, Stand 1. September 2022, § 1 ErbbauRG Rn. 73; Rapp in Staudinger, BGB, Neubearb. 2017, § 11 ErbbauRG Rn. 2). Gerade in der typischen und auch hier gegebenen Fallgestaltung, in der das Erbbaurecht an einem bebauten Grundstück besteht, vermittelt es dem Berechtigten, der gleichzeitig Eigentümer des Gebäudes ist, eine (bezüglich des deliktischen Gebrauchs) dem Eigentümer des Grundstücks wenigstens nicht unterlegene Herrschaftsgewalt an demselben. Es wäre daher auch wertungsmäßig nicht einzusehen, einen Erbbauberechtigten gegenüber einem dieselbe Sache für eine Straftat gebrauchenden Volleigentümer zu privilegieren, indem jenem sein Recht belassen, es diesem aber entzogen würde (so – zum Anwartschaftsrecht – bereits BGH, Urteil vom 24. August 1972 – 4 StR 308/72, BGHSt 25, 10, 12).

3. Das Landgericht hat auch sein Ermessen ausgeübt und die Verhältnismäßigkeit der Einziehung gemäß § 74f Abs. 1 StGB rechtsfehlerfrei bejaht.“