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Einreise mit 395.000 € Bargeld – spricht für Geldwäsche

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U.a. gegen den Beschuldigten war ein Verfahren wegen Geldwäscheverdachts (?) anhängig. Der Beschuldigte und Mitreisende waren in die Bundesrepublik eingereist, ohne dabei mitgeführte 395.000 € Bargeld anzumelden. Diese wurden sicher gestellt. das Das Verfahren ist dann allerdings eingestellt worden. Wegen der Sicherstrellung wurde Entschädigung nach dem StrEG verlangt. Die ist im LG Dortmund, Beschl. v. 08.05.2014 – 36 Qs 32/14 unter Hinweis auf § 5 Abs. 2 StrEG verwehrt worden.

„…Grob fahrlässig handelt dabei auch, wer nicht bedenkt, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsste oder wer ein jeglichen Regeln über das Verhalten eines ordentlichen Kaufmannes widersprechendes Geschäftsgebaren zeigt (Meyer-Goßner, a.a.O.. m. w. N.).

Diese Maßstäbe zu Grunde gelegt stellt sich das Verhalten des Beschwerdeführers und seiner Mitreisenden als grob fahrlässig dar. Denn alle drei verabsäumten es vorab nach § 12a ZolIVG die bei sich geführten Bargeldmittel ordnungsgemäß vor der Einreise anzumelden. Auch wurden die Geldmittel nicht unverzüglich nach dem Anhalten auf der Autobahn gegenüber den Beamten offen gelegt, sondern wurden erst im Rahmen einer Durchsuchung bei diesen sichergestellt bzw. auf Nachfrage offengelegt. Auch trugen alle 3 die Geldbeträge in speziellen Westen direkt am Körper.

Wer sich so bei der Einreise mit solch hohen Bargeldmengen geriert, dem muss entgegengehalten werden, dass er damit grob fahrlässig die Einleitung eines Strafverfahrens wegen Geldwäsche provoziert. Sie haben damit jedenfalls einen wesentlichen Ursachenbeitrag zur Begründung eines dringenden Tatverdachts wegen Geldwäsche geleistet (vgl. BVerfG, Beschluss v. 12.09.1995 – 2 BvR 2475/94, 1049, 1050).

Eine Strafverfolgungsentschädigung ist in solchen Fällen ausgeschlossen. Es ist dabei auch unerheblich, ob der Beschwerdeführer und seine Mitreisenden darüber hinaus keine eigenen weiteren Andeutungen gemacht haben, dass das Geld aus einer illegalen Quelle stammen könnte, da ihr Verhalten schon einen entsprechenden Schein gesetzt hatte.

Dass die Sicherstellung nicht wegen eines Verstoßes gegen das ZolIVG erfolgte, ist dabei völlig unerheblich, da der Verstoß gegen dieses jedenfalls in die allgemeine Beurteilung der Umstände zum Zeitpunkt der Sicherstellung einfließen muss…“

 

Staatshaftung bei „feindlichem Grün“? – interessanter Ansatz

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Wer kennt sie nicht? Die Die Rechtsfigur des enteignungsgleichen Eingriffs, während des Studiums – zumindest von mir – sehr ungeliebt, da m.E.  schwer zu packen. Zum Glück habe ich mit diesem Gewohnheitsrecht auch später nie wieder zu tun gehabt. Jetzt ist sie mir dann aber doch wieder untergekommen, allerdings an einer Stelle, an der ich nicht mit ihr gerechnet hatte. Nämlich in einem verkehrsrechtlichen (Zivil)Fall, der dann zum OLG Karlsruhe, Urt. v. 18?.?07?.?2013? – 9 U ?23?/?12? – geführt hat. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 26.05.2009 kam es gegen 22:00 Uhr auf einer Kreuzung in Emmendingen zu einem Verkehrsunfall, an welchem die Klägerin und die Zeugin K. jeweils mit ihren Fahrzeugen beteiligt waren. Die Klägerin befuhr mit ihrem Pkw Skoda die Freiburger Straße in Richtung Innenstadt, während die Zeugin K. von rechts auf der Kaiserstuhlstraße auf die Kreuzung mit der Freiburger Straße zufuhr. Im Bereich der Kreuzung befindet sich eine Ampelanlage. Die Verkehrsregelung durch Lichtzeichen der Ampeln wird normalerweise abends um 22:00 Uhr ausgeschaltet. Nach dem Ausschalten sind die Ampeln auf der – dann bevorrechtigten – Kaiserstuhlstraße dunkel, während die Ampeln auf der untergeordneten Freiburger Straße dann normalerweise auf gelbes Blinklicht umgeschaltet haben. Im Bereich der Kreuzung kam es zur Kollision der beiden Fahrzeuge, wodurch am Pkw der Klägerin Sachschaden entstand.

Die Klägerin hat vorgetragen: Sie habe zunächst mit ihrem Fahrzeug vor der Kreuzung angehalten, da die Ampel für sie „rot“ gezeigt habe. Die Ampel sei dann auf „grün“ umgesprungen, so dass sie mit ihrem Fahrzeug in die Kreuzung eingefahren sei. Ein gelbes Blinklicht, welches nach dem Umschalten der Ampelanlage gegen 22:00 Uhr zu erwarten gewesen wäre, habe es beim Einfahren der Klägerin in die Kreuzung nicht gegeben. Die Zeugin K. sei gleichzeitig in die Kreuzung eingefahren, weil aus ihrer Richtung die Ampel bereits ausgeschaltet (dunkel) gewesen sei.

Die Klägerin hat vor dem Landgericht von dem beklagten Land Erstattung der ihr entstandenen Unkosten verlangt, nämlich 300,00 € Selbstbehalt ihrer Kaskoversicherung, 120,67 € vorgerichtliche Anwaltskosten und 150,00 € Selbstbehalt in ihrer Rechtschutzversicherung. …“

Und die geltend gemachten Kosten hat die Klägerin auch zugesprochen bekommen. Das OLG ist von einem Entschädigungsanspruch gegen das beklagte Land ausgegangen, allerdings muss dieses die Aufwendungen der Klägerin, die ihr im anschließenden Bußgeldverfahren entstanden sind (150,00 € Selbstbehalt der Rechtschutzversicherung, nicht ersetzen.

Dazu dann die (amtlichen) Leitsätze der lesenswerten Entscheidung:

  1. Wird ein Verkehrsunfall durch einen Fehler einer Ampelanlage verursacht („feindliches Grün“), haftet der für die Straßenverkehrsbehörde verantwortliche Rechtsträger nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs.

  2. Der Geschädigte muss den Fehler der Ampelanlage zum Unfallzeitpunkt beweisen. Die Anforderungen an die Beweisführung hängen vom Einzelfall ab. Unter Umständen können Zeugenangaben ausreichen, auch wenn technische Fragen des aufgetretenen Fehlers unklar bleiben.

  3. Bei einem enteignungsgleichen Eingriff schuldet der Staat keinen vollen Schadensersatz im Sinne von § 249 BGB, sondern nur eine „angemessene Entschädigung“. Dazu gehören bei einem Verkehrsunfall der Selbstbehalt in der Kaskoversicherung, der Rückstufungsschaden in der Kaskoversicherung und vorgerichtliche Anwaltskosten. Hingegen sind mittelbare Folgekosten, wie die Anwaltsgebühren für die Verteidigung in einem Bußgeldverfahren nicht erstattungsfähig.

Was „bringen“ mehr als 11 Jahre rechtswidrige nachträgliche Sicherungsverwahrung?

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Das BGH, Urt. v. 19.09.2013 – III ZR 405/12 nimmt u.a. zum Schadensersatz  bei unter Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1, 5, Art. 7 Abs. 1 EMRK nachträglich verlängerter Sicherungsverwahrung Stellung., und zwar auf der Gundlage folgenden Sachverhalts: Der Kläger wurde durch Urteil des Landgerichts H. vom 12.02.1981 wegen sexueller Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt; zugleich ordnete das Gericht anschließende Sicherungsverwahrung an. Diese wurde nach Verbüßung der Strafhaft ab dem 03.06.1988 in der Justizvollzugsanstalt F. vollzogen. Der Kläger wurde nicht – wie es nach § 67d Abs. 1, Abs. 3 StGB in der im Zeitpunkt der Verurteilung des Klägers geltenden Fassung des Zweiten Gesetzes zur Reform des Strafrechts vom 04.07.1969 (BGBl. I S. 717) – an sich erforderlich gewesen wäre – nach der Höchstfrist von 10 Jahren entlassen, sondern verblieb auf der Grundlage der Neufassung des § 67d Abs. 3 StGB durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.01.1998 (BGBl. I 160) in Sicherungsverwahrung. Aus der ist er erst am 07.12.2009 entlassen worden (wegen der Einzelheiten siehe das BGH-Urteil). Der Kläger hat Entschädigung für die ab 1998 weiter vollzogene Sicherungsverwahrung verlangt und 73.000 € nebst Zinsen bekommen. Das Entschädigungsverfahren hat jetzt beim BGH sein Ende gefunden.

„Das Berufungsgericht ist insoweit in Übereinstimmung mit dem Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung des Klägers durch das Landgericht F. nicht mit Art. 5 Abs. 1 EMRK vereinbar war.

aa) Eine rechtmäßige Freiheitsentziehung „nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht“ (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a EMRK) liegt nicht vor. Die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer stellen keine „Verurteilung“ im Sinne der EMRK dar (vgl. EGMR aaO Rn. 87, 96). Zwischen der Verurteilung durch das Landgericht H. vom 12. Februar 1981 und der Fortdauer der Sicherungsverwahrung fehlt es an dem notwendigen (spezifischen) Kausalzusammenhang, da die Verlängerung allein auf der Gesetzesänderung im Jahr 1998 beruht (vgl. EGMR aaO Rn. 88, 100). Nach Maßgabe dieser Rechtsprechung ist in den so genannten Altfällen, in denen der Betroffene wegen seiner Anlasstat bereits vor Inkrafttreten der Neuregelung verurteilt wurde, eine Rechtfertigung des Freiheitsentzugs nach dieser Bestimmung als generell ausgeschlossen anzusehen (vgl. BVerfGE 128, 326, 395).

bb) Der Haftgrund des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c EMRK („wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, sie [= die betreffende Person] an der Begehung einer Straftat … zu hindern“) erlaubt kein präventives Vorgehen gegen einen Einzelnen oder eine Gruppe von Personen, die wegen ihres fortbestehenden Hangs zu Straftaten eine Gefahr darstellen. Er bietet den Vertragsstaaten – zudem nur „zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde“ – lediglich ein Mittel zur Verhütung einer konkreten und spezifischen Straftat und eignet sich deshalb zur Rechtfertigung der Sicherungsverwahrung nicht (vgl. EGMR aaO Rn. 89 und – insoweit in NJW 2010, 2495 nicht abgedruckt – Rn. 102; siehe auch BVerfG aaO S. 396).

cc) Soweit es der EGMR (aaO Rn. 103, insoweit in NJW 2010, 2495 nicht abgedruckt) nicht ausgeschlossen hat, dass in Ausnahmefällen die Sicherungsverwahrung bestimmter Straftäter die Bedingungen einer rechtmäßigen Freiheitsentziehung „bei psychisch Kranken“ (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchst. e EMRK) erfüllen kann, liegen die hierfür notwendigen Voraussetzungen (vgl. BVerfG aaO S. 396 ff) nicht vor, wie die Vorinstanzen zutreffend festgestellt haben. Dies wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen.

dd) Darüber hinaus handelt es sich auch nicht um eine „rechtmäßige“ Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 EMRK. Denn die nachträgliche Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung verstößt gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 7 Abs. 1 EMRK (EGMR aaO Rn. 117 ff, 135, 137). Der Freiheitsentzug ist zudem nicht mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 (auch i.V.m. Art. 20 Abs. 3), 104 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar (BVerfG aaO S. 372 ff und S. 388 ff).“

Und: An der Höhe der Entschädigung hatte der BGH auch nichts auszusetzen. Nun, gut 550 €/Monat sind ja auch wohl nicht zu viel…

Die Entschädigung nach dem StrEG für Zwangsmaßnahmen, wie geht das beim Rechtsanwalt?

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Bei Jurion bin ich auf das OLG Frankfurt, Urt. v. 18.03.2013, 1 U 179/12 – gestoßen, das sich mit der Ersatzfähigkeit des Zeitaufwandes eines  Verfolgungsmaßnahmen geschädigten Rechtsanwalts zur Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes befasst. Das OLG sagt. Kann grundsätzlich ersatzfähig sein. Der Kläger des Verfahrens ist Rechtsanwalt und ehrenamtlich Vorstand des A e.V., eines gemeinnützigen Vereins. Seit dem Jahre 2004 führten zunächst die Staatsanwaltschaft bei dem LG Marburg, dann die Staatsanwaltschaft bei dem LG Gießen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Betruges und Untreue im Zusammenhang mit der Einwerbung und der Verwendung von Vereinsmitteln. Im Zuge dieses – später eingestellten – Ermittlungsverfahrens führte die Staatsanwaltschaft eine Vielzahl strafprozessualer Zwangsmaßnahmen gegen den Kläger durch.

Das OLG hat den Beklagten in einem ersten Rechtsstreit rechtskräftig zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 15.000 € für die Verletzung des Klägers in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und zur Erstattung von Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.902,95 € verurteilt sowie festgestellt, dass der Beklagte gegenüber dem Kläger zum Ersatz der materiellen Schäden aus folgenden Handlungen der Bediensteten des Beklagten verpflichtet ist: Freiheitsentziehung zulasten des Klägers am 28. 9. 2004, erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers am 28. 9. 2004, Aufrechterhaltung der Speicherung der bei der erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers erhobenen Daten in den Dateien und den Unterlagen der Ermittlungsbehörden im Zeitraum vom 28. 09. 2004 bis zur Datenlöschung im Laufe des Monats November 2007, Beschlagnahme, Öffnung und Auswertung der an den Kläger gerichteten Post im Zeitraum vom 28. 09. 2004 bis 13. 05. 2005, Durchsuchungen am 28. 09. 2004, Arrestanordnungen am 30. 09. 2004, Beschlagnahmen im Eigentum des Klägers stehender Unterlagen und sonstiger Gegenstände, insbesondere am 28. 09. 2004. Die Generalstaatsanwaltschaft hat den Entschädigungsantrag des Klägers unter dem 20. 12. 2010 insgesamt abgelehnt.

Das OLG nimmt auf das Urteil des ersten Rechtsstreits Bezug und verurteilt noch einmal zu rund 16.000 € Entschädigung. Die Leitsätze zur Schadensberechnung:

1. Für die Ersatzfähigkeit von Arbeitszeit, die der Geschädigte nach dem Schadensereignis aufwendet, ist eine differenzierende Beurteilung geboten, die insbesondere berücksichtigt, für welche Art von Arbeiten der Geschädigte seine Zeit verwendet hat.

a) (Arbeits-) Zeit, die der Geschädigte zur Ermittlung des Schadens und zur außergerichtlichen Abwicklung des Schadensfalles aufwendet, ist – abgesehen von Ausnahmefällen außergewöhnlichen zeitlichen Umfangs oder wirtschaftlich bedrohlicher Auswirkungen – nicht als Vermögensschaden ersatzfähig.

b) (Arbeits-) Zeit, die der Geschädigte zur Beseitigung des Schadens selbst aufwendet, zur Wiederherstellung eines Zustandes, der dem vor Eintritt des schädigenden Ereignisses nahe kommt, ist grundsätzlich als Vermögensschaden ersatzfähig.

2. Die Regel, dass Unternehmer oder andere selbstständig Erwerbstätige ihren Schaden nicht nach den Kosten einer hypothetisch beschäftigten Ersatzkraft berechnen können, sondern als Schaden ihren bilanziellen Verlust nachzuweisen haben, ist nicht auf den Fall zu übertragen, dass der Geschädigte arbeitsfähig ist und seine Arbeitskraft zur Beseitigung des Schadens einsetzt, jedenfalls dann nicht, wenn der Unternehmer Tätigkeiten erbracht hat, die er hätte delegieren können.

3. Für die Bewertung der von einem selbstständigen Rechtsanwalt zur Schadensbeseitigung aufgewendeten, dem Grunde nach ersatzfähigen Arbeitszeit kann im Rahmen einer Schadensschätzung auf die regelmäßig in den BRAK-Mitteilungen veröffentlichten STAR-Untersuchungen zurückgegriffen werden.

 

Zwangsweise ED-Behandlung – dafür gibt es keine Entschädigung

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Der später freigesprochene Betroffene wird in der nachts um 04:00 Uhr aufgenommenen Strafanzeige als Tatverdächtiger erfasst und zu einer Polizeidienststelle verbracht worden. Dort führen Polizeibeamte eine Messung der Atemalkoholkonzentration durch. Anschließend findet ausweislich eines als „Festnahmebericht“ bezeichneten Vermerks die erkennungsdienstliche Behandlung des damals Beschuldigten auf der Gefangenensammelstelle statt. Zuvor wurden ihm „aufgrund körperlicher Überlegenheit und der zahlreichen Fluchtmöglichkeiten“ Handfesseln angelegt. Eine Vorführung zum Ermittlungsrichter wurde nicht erwogen. Der Betroffene wird später vom Vorwurf der schweren Körperverletzung und der Beleidigung rechtskräftig freigesprochen; zugleich wird entschieden, dass er „für seine (…) vorläufige Festnahme in der Tatnacht“ zu entschädigen sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft.

Frage: Begründet?

Der KG, Beschl. v. 09.11.2012 – 4 Ws 120/12 – sagt: Ja, denn:

„2. § 2 StrEG zählt abschließend auf, welche Strafverfolgungsmaßnahmen zu einer Entschädigungspflicht des Staates führen. Nach der hier allein maßgeblichen Bestimmung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 StrEG zieht lediglich die vorläufige Festnahme nach     § 127 Abs. 2 StPO eine mögliche Entschädigungspflicht nach sich, nicht hingegen die – auch zwangsweise durchgeführte – Zuführung zur Identitätsfeststellung (vgl. KG, GA 1979, 225; D. Meyer, Strafrechtsentschädigung 8. Aufl., § 2 StrEG Rdn. 42 m.w.Nachw.; Meyer-Goßner, a.a.O., StrEG § 2 Rdn. 5) nach § 127 Abs. 1 Satz i.V.m. 163 b und c Abs. 1 StPO.

Für die Einordnung der Maßnahme ist die materielle Rechtslage maßgebend (vgl. KG, a.a.O.), nicht die (mitunter fehlerhafte) Bezeichnung – hier in der Überschrift des Vermerks vom 15. August 2010 – durch Polizeibeamte. Für eine vorläufige Festnahme nach § 127 Abs. 2 StPO liegen keine Anhaltspunkte vor; es finden sich keine Hinweise, dass die polizeilichen Zwangsmaßnahmen auf den Vollzug von Untersuchungshaft bzw. vorläufiger Unterbringung gerichtet waren. Zudem ist dem damals Beschuldigten nicht kundgetan worden, dass er vorläufig festgenommen worden sei. Stattdessen ist er einer Untersuchung nach § 81 a Abs. 1 StPO (AAK-Messung) sowie Maßnahmen der Identifizierung und des Erkennungsdienstes nach § 81 b StPO (Lichtbildaufnahmen u.a.) zugeführt worden. Solche Maßnahmen zählen wegen der hiermit regelmäßig verbundenen geringen Eingriffsintensität nicht zu den entschädigungsfähigen Strafverfolgungsmaßnahmen (vgl. D. Meyer, a.a.O., Rdn. 9 m.w.Nachw.). Dies gilt auch, wenn – wie hier – unmittelbarer Zwang angewendet worden ist, um die erkennungsdienstliche Behandlung durchsetzen zu können (vgl. KG, a.a.O.).

 Für eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des StrEG ist wegen deren klaren Regelungsgehaltes kein Raum; die Aufzählung der entschädigungsfähigen Tatbestände in § 2 Abs. 1, Abs. 2 StrEG ist abschließend (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Januar 2009 – 4 Ws 118/08 – m.w.Nachw.).