Schlagwort-Archive: elektronisches Dokument

beA I: Einfache Signatur im elektronischen Dokument, oder: RA muss die einfache Signatur selbst prüfen

© AK-DigiArt – Fotolia.com

Im „Kessel Buntes“ heute dann mal wieder etwas zum beA und/oder zum elektronischen Dokument.

Da habe ich zunächst den OLG Hamm, Beschl. v. 28.04.2022 – 30 U 32/22 -, also Zivilverfahren. Das OLG hat Stellung genommen zur ordnungsgemäßen Berufungseinlegung. Der Kläger hat gegen ein klageabweisendes Urteil Berufung eingelegt, für die er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.S.v. § 233 S. 1 ZPO wegen der Versäumung der Berufungsfrist begehrt. Die Berufungsschrift war dem OLG aus einem besonderen Anwaltspostfach übermittelt worden. Aber: Das Dokument ist nicht qualifiziert signiert. Es schließt mit der Bezeichnung „Rechtsanwalt“; ein konkreter Name wird nicht genannt.

Das OLG hat keine Wiedereinsetzung gewährt:

„Die Berufung ist unzulässig. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren.

1. Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil die Berufung nicht formgemäß innerhalb der Berufungsfrist i.S.v. § 517 ZPO eingelegt worden ist.

Zwar ist die Berufungsschrift am 27.01.2022 bei dem Oberlandesgericht Hamm aus einem besonderen Anwaltspostfach und damit binnen der mit Zustellung des landgerichtlichen Urteils am 30.12.2021 beginnenden Berufungsfrist von einem Monat eingegangen. Sie entsprach jedoch nicht den Erfordernissen des § 519 Abs. 4 ZPO i.V.m. §§ 130 Nr. 6, 130a ZPO.

a) Die als elektronisches Dokument eingegangene Berufungsschrift hätte jedenfalls einer einfachen Signatur bedurft, die jedoch vorliegend nicht vorhanden war. Denn eine einfache Signatur i.S.v. § 130a Abs. 3 S. 1 2. Alt. ZPO meint die Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, beispielsweise bestehend aus einem maschinenschriftlichen Namenszug unter dem Schriftsatz oder einer eingescannten Unterschrift (vgl. BAG, Beschluss vom 14.09.2020 – 5 AZB 23/20, NJW 2020, 3476; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 06.09.2021 – 17 W 13/21 – Rn. 13 f.). Eine solche ist in der Berufungsschrift vom 27.01.2022 indes nicht vorhanden. Dort ist lediglich das Wort „Rechtsanwalt“ aufgeführt.

b) Es kann auch nicht aufgrund sonstiger Umstände von einer ordnungsgemäßen Berufungseinlegung ausgegangen werden. Zwar kann die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unterschrift i.S.v. § 130 Nr. 6 ZPO, wonach das Fehlen einer Unterschrift unschädlich sein kann, wenn auch ohne die Unterschrift des Prozessbevollmächtigten aufgrund anderer, eine Beweisaufnahme nicht erfordernder Umstände zweifelsfrei feststeht, dass der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 09.12.2010 – IX ZB 60/10, BeckRS 2011, 117, Rn. 5), auch auf die Fälle übertragen werden, wenn eine einfache Signatur nicht erfolgt ist (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 19; OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 19 f.). Solche besonderen Begleitumstände sind jedoch vorliegend nicht erkennbar.

Die Nennung des Nachnamens im Kopf der Berufungsschrift ist insoweit nicht ausreichend. Denn sie trifft keine Aussage darüber, wer für den sodann folgenden Inhalt der Berufungsschrift auch die Verantwortung übernehmen will (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 20). Ferner lässt sich auch aus dem Umstand der Versendung aus dem Postfach eines im Kopf der Berufungsschrift genannten Rechtsanwalts nicht zweifelsfrei feststellen, dass dieser die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen hat. Denn aufgrund der fehlenden einfachen Signatur lässt sich gerade nicht feststellen, ob die als Absender ausgewiesene Person identisch mit der den Inhalt des Schriftsatzes verantwortenden Person ist (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 20).

2. Dem Kläger ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der entsprechende Antrag vom 10.02.2022 gemäß § 236 ZPO ist zwar zulässig, aber unbegründet, weil die Fristversäumung auf einem dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Anwaltsverschulden beruht (§ 233 S. 1 ZPO).

a) Insoweit kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass die Angestellte des Prozessbevollmächtigten des Klägers von diesem beauftragt worden ist, einen Berufungsschriftsatz bis zur Versendungsreife vorzubereiten. Denn es gehört zu den Aufgaben eines Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Dabei gehört die Erstellung fristwahrender Rechtsmittel oder Rechtsmittelbegründungen zu den Aufgaben, die ein Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis auf seine Richtigkeit und Vollständigkeit selbst sorgfältig zu überprüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 08.03.2022 – VI ZB 78/21, BeckRS 2022, 7011, Rn. 9). Nichts anderes kann im elektronischen Rechtsverkehr für die elektronische Signatur gelten. Die anwaltlichen Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Signierung eines elektronischen Dokuments entsprechen daher ebenso denen bei der Leistung einer Unterschrift wie sie bei der Übermittlung von fristgebundenen Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs per beA denen bei Übersendung von Schriftsätzen per Telefax entsprechen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 11).

Ausgehend hiervon hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers sorgfaltswidrig gehandelt.

Ob seine Angestellte zuverlässig sowie besonders geschult war und sie erstmalig und einmalig entgegen der Weisung des Prozessbevollmächtigten des Klägers anstelle dessen Namen lediglich das Wort „Rechtsanwalt“ eingefügt hat, ist insoweit irrelevant. Denn es oblag dem Prozessbevollmächtigten selber, den Schriftsatz dahingehend zu überprüfen, ob sein Namenszusatz unterhalb des Schriftsatzes vorhanden ist, bevor er diesen an das Gericht übersandt hat.

b) Schließlich hat auch das Vorbringen des Klägers, das Gericht habe vor Ablauf der Berufungseinlegungsfrist auf das Fehlen der einfachen Signatur hinweisen müssen, keinen Erfolg.

Zwar kann der Anspruch auf ein faires Verfahren eine gerichtliche Hinweispflicht auslösen, wenn ein Rechtsmittel nicht in der vorgesehenen Form übermittelt worden ist. Insoweit kann eine Partei erwarten, dass dieser Vorgang in angemessener Zeit bemerkt wird und innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um eine drohende Fristversäumnis zu vermeiden. Kann der Hinweis im Rahmen ordnungsgemäßen Geschäftsgangs nicht mehr so rechtzeitig erteilt werden, dass die Frist durch die erneute Übermittlung des fristgebundenen Schriftsatzes noch gewahrt werden kann, oder geht trotz rechtzeitig erteilten Hinweises der formwahrende Schriftsatz erst nach Fristablauf ein, scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein aus diesem Grund aus. Aus der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht der staatlichen Gerichte und dem Anspruch auf ein faires Verfahren folgt keine generelle Verpflichtung der Gerichte dazu, die Formalien eines als elektronisches Dokument eingereichten Schriftsatzes sofort zu prüfen, um erforderlichenfalls sofort durch entsprechende Hinweise auf die Behebung formeller Mängel hinzuwirken. Dies nähme den Verfahrensbeteiligten und ihren Bevollmächtigten ihre eigene Verantwortung dafür, die Formalien einzuhalten. Die Abgrenzung dessen, was im Rahmen einer fairen Verfahrensgestaltung an richterlicher Fürsorge aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist, kann sich nicht nur am Interesse der Rechtssuchenden an einer möglichst weitgehenden Verfahrenserleichterung orientieren, sondern hat auch zu berücksichtigen, dass die Justiz im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit vor zusätzlicher Belastung geschützt werden muss (vgl. BAG, Beschluss vom 14.09.2020 – 5 AZB 23/20, NJW 2020, 3476, Rn. 27; vgl. auch BGH, Beschluss vom 18.10.2017 – LwZB 1/17, NJW 2018, 165, Rn. 11).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist nicht von der Verletzung einer gerichtlichen Hinweispflicht auszugehen. Hierbei übersieht der Senat nicht, dass grundsätzlich eine gerichtliche Fürsorgepflicht anzunehmen ist, eine Prozesspartei auf einen leicht erkennbaren Formmangel – wie die fehlende Unterschrift in einem bestimmenden Schriftsatz – hinzuweisen und ihr Gelegenheit zu geben, den Fehler fristgerecht zu beheben (vgl. BAG, a.a.O.; BGH, Beschluss vom 14.10.2008 – VI ZB 37/08, NJW-RR 2009, 564, Rn. 10). Die am 27.01.2022 bei dem Oberlandesgericht Hamm eingegangene Berufungsschrift ging am Montag, den 31.01.2022 auf der Geschäftsstelle des zuständigen 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm ein und wurde dem Vorsitzenden des Senats am 01.02.2022 zur weiteren Bearbeitung vorgelegt. Zu diesem Zeitpunkt war die Rechtsmittelfrist aber schon abgelaufen, so dass ein Hinweis ihre Einhaltung nicht mehr hätte erreichen können.

Insoweit kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, der Schriftsatz hätte dem zuständigen Senat eher vorgelegt werden müssen. Denn der Ablauf entspricht dem eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs und für eine rechtliche Prüfung der gesetzlichen Anforderungen des Schriftsatzes ist ausschließlich der nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichts zuständige Senat berufen. Auch der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine anderweitige Wertung nicht zu entnehmen. Denn diese stellt gerade auf die richterliche Fürsorgepflicht innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs ab.“

beA I: Elektronisches Dokument und Selbstverteidiger, oder: Ausreichende Begründung der Ersatzeinreichung

© momius – Fotolia.com

Heute ist Samstag und damit „Kessel-Buntes-Tag“. Und in dem Kessel liegen heute mal wieder beA-Entscheidungen. Wegen der Berichterstattung dazu müssen den verkehrszivilrechtlichen Entscheidungen ein wenig zurückstehen, aber das hole ich wieder auf 🙂 .

Zunächst hier zwei Entscheidungen aus dem Straf-/Bußgeldverfahren, nämlich:

In dem dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.06.2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 149/22 – zugrunde liegenden Bußgeldverfahren hat der Betroffene, ein Rechtsanwalt, der sich selbst verteidigt hat, die Rechtbeschwerde per Fax bzw. auf dem Postwege eingereicht. Das geht nicht, meint das OLG:

„Die Rechtsbeschwerde erweist sich bereits als unzulässig, da die Rechtsbeschwerdebegründung nicht form- und fristgerecht beim Amtsgericht angebracht worden ist. Es kann hiernach dahinstehen, ob die erhobenen Rügen Erfolg gehabt hätten.

Nach dem seit dem 1. Januar 2022 geltenden § 32d Satz 2 StPO i.V.m. § 100c Satz 1 OWiG müssen die Rechtsbeschwerde und ihre Begründung als elektronisches Dokument übermittelt werden, um Wirksamkeit zu entfalten (vgl. BT-Drs. 18/9416, S. 51; ferner Köhler, in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 32d Rn. 2; Graf, in KK-StPO, 8. Aufl., § 32d Rn. 5). Dieses bei Gericht eingereichte elektronische Dokument muss nach § 32a Abs. 2 Satz 1 StPO i.V.m. § 100c Satz 1 OWiG für die Bearbeitung geeignet sein. Gemäß § 32a Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. §§ 2 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) wiederum müssen die Dokumente dem Dateiformat „PDF“ bzw. „TIFF“ entsprechen (vgl. OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 25. Februar 2022 – 1 Ss 28/22 –).

Diese Formvorschrift hat der Betroffene nicht beachtet. Die Rechtsbeschwerdebegründung erreichte das Amtsgericht auf dem Telefaxweg, mithin nicht als elektronisches Dokument.

Ein elektronisches Dokument ist ein Text, eine Zahlentabelle, ein Bild oder eine Folge oder Kombination von Texten, Tabellen oder Bildern, die durch Digitalisieren (Umwandlung in einen Binärcode) in Dateiform angelegt oder überführt wurden.

Das Telefax dient indes lediglich der Übermittlung eines vorhandenen Dokuments, welches beim Empfänger erneut in schriftlicher Form vorliegen soll. Deshalb tritt bei diesem Übermittlungsweg die elektronische Speicherung für sich genommen nicht an die Stelle der Schriftform, sondern ist nur ein Durchgangsstadium; das Gericht kann in der Regel erst dann von einem gefaxten Schriftsatz Kenntnis nehmen, wenn er ausgedruckt vorliegt (vgl. BGH, Beschl. v. 8. Mai 2019 – XII ZB 8/19 -). Dokumente, die im Wege des Telefaxes, insbesondere auch des Computerfaxes, übermittelt werden, zählen deshalb zu den schriftlichen, nicht zu den elektronischen Dokumenten, auch wenn sie elektronisch über das Internet oder ein Web-Interface übertragen werden (vgl. Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 9. Juli 2019 – 5 A 327/19 –; OLG Oldenburg a.a.O.).

Vor diesem Hintergrund war das Amtsgericht auch nicht gehalten, dem Betroffenen gemäß § 32a Abs. 6 StPO i.V.m. § 100c OWiG die Unwirksamkeit des Eingangs mitzuteilen, damit dieser die Begründung hätte formwirksam anbringen können.“

Und dann noch der LG Arnsberg, Beschl. v. 06.07.2022 – 3 Ns-360 Js 24/21-73/22 , der Stellung nimmt zu den Anforderungen an die Begründung für eine sog. Ersatzeinreichung (§ 32d Satz 3 StPO):

„Nach dieser Vorschrift muss ein Verteidiger die Berufung als elektronisches Dokument übermitteln. § 32d Satz 3 StPO sieht zwar vor, dass auf eine Übermittlung in Papierform oder durch Telefax ausgewichen werden kann, solange dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Das ist jedoch nicht hinreichend dargelegt.

In dem Berufungsschriftsatz ist lediglich ausgeführt, dass eine Übermittlung als elektronisches Dokument vorübergehend aus technischen Gründen nicht möglich sei. Damit wird lediglich der Gesetzeswortlaut wiederholt, ohne dass tatsächliche Umstände vorgetragen werden, die dem Gericht eine selbständige Prüfung ermöglichen.

Die Terminologie „vorübergehende technische Störung“ will der Gesetzgeber so interpretiert wissen, dass eine grundsätzlich einsatzbereite technische Infrastruktur existiert und für eine Beseitigung eines temporären Ausfalls unverzüglich gesorgt wird (vgl. BT-Drs. 18/9416, Seite 51). Die Heilungsmöglichkeit ist deshalb nicht gegeben, wenn ein kein technischer, sondern ein menschlicher Fehler vorliegt; so stellt beispielsweise der Verlust der beA-Karte mit Signierfunktion keine technische Störung im Sinne der Norm dar (vgl. Radke in jurisPK, StPO, § 32d, RN 16 m.w.N.).

Der Verteidiger hat schon gar nicht vorgetragen, ob er überhaupt über eine grundsätzlich einsatzbereite technische Infrastruktur verfügt, wozu ein Internetanschluss gehört, der von der beA-Software erkannt wird, sowie die die dazugehörigen technischen Geräte mit beA-Karte (vgl. OVG Münster, Beschluss 31.03.2022, 19 A 448/22 A zu § 55d VwGO). Unklar ist ferner, ob eine etwaige Störung im Bereich der Hardware oder der Software oder in anderen Umständen begründet ist. Es ist auch nicht dargelegt, seit welchem Zeitpunkt eine elektronische Übermittlung nicht mehr möglich gewesen sein soll, und ob bzw. wann sich der Verteidiger mit der gebotenen Sorgfalt um die (Wieder-) Herstellung der erforderlichen technischen Voraussetzungen bemüht hat. Es fehlt daher jegliche konkrete Darlegung etwaiger Schwierigkeiten mit der Hard- und/oder Software und deren Dauer.

Der unspezifische Verweis auf eine technische Störung ersetzt eine nachvollziehbare Tatsachenschilderung nicht, ebenso wenig die Glaubhaftmachung durch anwaltliche Versicherung.“

beA II: Das elektronische Dokument in der Revision, oder: Für einfache Signatur reicht der Namen

Bild von 377053 auf Pixabay

Die zweite beA-Entscheidung kommt mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 27.05.2022 – 5 RVs 53/22 – vom OLG Hamm. Das hat in der Entscheidung noch einmal zu den Anforderungen an eine „beA-Revision“ Stellung genommen. Das LG Essen hatte die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen, weil dieses in Ermangelung der Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur nicht formgerecht eingelegt und begründet worden sei. Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der Erfolg hatte:

„Die Voraussetzungen für eine Verwerfung der Revision nach § 346 Abs. 1 StPO durch das Tatgericht liegen nicht vor.

Die Revision ist fristgerecht eingelegt und begründet worden. Gegen das am 06.01.2022 in Anwesenheit des Angeklagten verkündete Berufungsurteil hat der Verteidiger per beA am 13.01.2022 Revision eingelegt. Das angefochtene Urteil ist dem Verteidiger des Angeklagten auf Anordnung der Vorsitzenden am 16.02.2022 zugestellt worden. Der Revisionseinlegungsschriftsatz ist per beA übersandt und am 13.01.2022 bei Gericht eingegangen.

Die Revisionseinlegung ist auch formgerecht. Zutreffend erkennt das Landgericht zwar, dass der Schriftsatz des Verteidigers – ausweislich des Prüfvermerks – keine qualifizierte elektronische Signatur aufweist. Dies führt jedoch nicht dazu, dass der Schriftsatz nicht die nach § 341 Abs. 1 StPO erforderliche Schriftform aufweisen würde. § 32a Abs. 3 StPO enthält für ein Dokument, das schriftlich abzufassen, zu unterschreiben oder zu unterzeichnen ist, zwei mögliche Wege der Übermittlung im elektronischen Rechtsverkehr bereit: Ein Weg – der hier nicht vorliegt – ist die Übermittlung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person. Der andere Weg ist die (einfache Signatur der verantwortenden Person bei gleichzeitiger Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg (vgl. BT-Drs. 18/9416 S. 45; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 07.05.2020 – 1 OWi 2 SsBs 68/20 – juris; Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 54. Aufl., § 32a Rdn. 5). Der Verteidiger des Angeklagten hat hier den zweiten Weg gewählt und die Voraussetzungen hierfür eingehalten. Ein sicherer Übermittlungsweg ist nach § 32a Abs. 4 Nr. 2 StPO das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA). Der Revisionseinlegungsschriftsatz wurde ausweislich des Prüfvermerks über das bEA eingereicht. Er weist auch die erforderliche einfache Signatur auf. Hierfür reicht die Namenswiedergabe am Ende des Textes, sei es durch eine eingescannte Unterschrift, sei es durch maschinenschriftliche Wiedergabe des Namens (ThürOLG, Beschl. v. 23.09.2020 – 1 OLG 171 SsRs 195/19 – juris; vgl. auch BAG NJW 2020, 3476, 3477 zu § 130a ZPO). Der Wortlaut von § 32a Abs. 3 2. Alt. StPO („signiert“) macht in Abgrenzung zu Art. 3 Nr. 10 VO (EU) Nr. 910/2014 deutlich, dass es sich hierbei nicht um eine „elektronische“ Signatur handeln muss, wobei sogar letztlich die Zeichenfolge des Namens in dem elektronischen Dokument auch die Voraussetzungen einer elektronischen Signatur erfüllen dürfte.

Auch im Hinblick auf die Revisionsbegründung lagen die Voraussetzungen für eine Verwerfung nach § 346 Abs. 1 StPO durch das Tatgericht nicht vor. Der Schriftsatz ist innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO bei Gericht eingegangen. Auch die Form des § 345 Abs. 2 StPO wurde gewahrt. Der Schriftsatz wurde zwar nicht als elektronisches Dokument mit qualifizierte elektronischer Signatur übersandt, wohl aber über das beA mit einer (einfachen) Signatur, dem maschinenschriftlichen Namenszug des Verteidigers (eines Rechtsanwalts), so dass die Voraussetzungen des § 32a Abs. 3 StPO erfüllt sind. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.“

Der BGH, Beschl. v. 03.05.2022 – 3 StR 89/22 lässt grüßen (dazu beA I: Revisionsbegründung durch beA versandt, oder: Keine handschriftliche Unterzeichnung erforderlich.

 

beA II: Rechtsanwalt in eigener Sache „Rechtsanwalt“, oder: Es gilt die „aktive Nutzungspflicht“

Bild von LEANDRO AGUILAR auf Pixabay

Im zweiten beA-Posting dann eine Entscheidung zum „Nutzungsverpflichteten“, und zwar der VG Berlin, Beschl. v. 05.05.22 – VG 12 L 25/22. Gestritten worden ist dort um die Einstellung der Zwangsvollstreckung. Das hatte der antragstellende Rechtsanwalt in einem vom Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Berlin betriebenen Zwangsvollstreckungsverfahren beantragt. Das VG hat den Antrag als unzulässig angesehen, da der Antragsteller § 55d Satz 1 VwGO nicht beachtet habe:

„1. Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist unzulässig, da der Antragsteller ihn entgegen § 55d Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – nicht als elektronisches Dokument eingereicht hat.

Nach § 55d Satz 1 VwGO haben u.a. Rechtsanwälte vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln.

a) Der zeitliche Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist eröffnet. Sie ist nach Art. 26 Abs. 7 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3786) am 1. Januar 2022 in Kraft getreten, der hiesige Antrag ist am 24. Januar 2022 bei Gericht eingegangen.

b) Auch der personelle Anwendungsbereich der Vorschrift ist eröffnet, weil der Antragsteller Rechtsanwalt ist. Der Behandlung des Antragstellers als Rechtsanwalt steht nicht entgegen, dass er vorliegend nicht als Prozessvertreter für einen Dritten, sondern in eigener Angelegenheit auftritt.

Dem Wortlaut von § 55d VwGO ist nicht zu entnehmen, ob der Begriff des Rechtsanwalts status- oder rollenbezogen verwandt wird, ob also der Status als Rechtsanwalt genügt, um den Pflichten des § 55d VwGO zu unterliegen oder ob darüber hinaus zu fordern ist, dass der Rechtsanwalt im konkreten Fall auch tatsächlich als solcher auftritt. Letzteres Verständnis hätte zur Folge, dass eine Person dann nicht als Rechtsanwalt zu behandeln wäre, wenn sie zwar als solcher zugelassen ist, jedoch in einer eigenen Angelegenheit nicht als solcher, sondern als Privatperson auftritt. Eine solche Auslegung könnte im Lichte der Grundrechte auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG -) und Justizgewährung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) geboten sein, da es zweifelhaft erscheint, ob es sich rechtfertigen lässt, dass einem Rechtsanwalt wegen der Verletzung beruflicher Pflichten im elektronischen Rechtsverkehr auch in privaten Angelegenheiten der Zugang zu den Gerichten verwehrt bleibt.

Vorliegend kann jedoch dahinstehen, welches Begriffsverständnis § 55d VwGO zugrunde liegt. Selbst wenn § 55d VwGO verlangt, dass ein Rechtsanwalt als solcher vor Gericht auftritt, so ist auch diese Voraussetzung vorliegend erfüllt. Der Antragsteller ist ausweislich des Briefkopfes seiner Schriftsätze stets als „Rechtsanwalt O. T.“ aufgetreten und hat daher bewusst diese Rolle angenommen. Es ist daher – ohne dass der Antragsteller dies gesondert hervorheben müsste – davon auszugehen, dass er sich im hiesigen Verfahren als Rechtsanwalt selbst vertritt, was bei seinem Obsiegen gem. § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 91 Abs. 2 Satz 3 Zivilprozessordnung – ZPO – zur Folge hätte, dass er vom Antragsgegner seine Gebühren und Auslagen erstattet verlangen könnte (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 19. Februar 2018 – 17 W 198/17BeckRS 2018, 6561, Rn. 10). Auch der sich selbst vertretende Rechtsanwalt ist als Rechtsanwalt zu behandeln, da die Personenverschiedenheit von Anwalt und Mandant kein kennzeichnendes Merkmal einer anwaltlichen Tätigkeit ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2010 – IV ZR 188/08NJW 2011, 232, 234, Rn. 21; Toussaint in: MüKoZPO, 6. Aufl. 2020, ZPO § 78 Rn. 29).

c) § 55d VwGO ist schließlich auch sachlich anwendbar. Bei dem Antrag nach § 123 VwGO handelt es sich um einen schriftlichen Antrag, der nunmehr nach § 55d VwGO durch einen Rechtsanwalt elektronisch einzureichen ist (zum Schriftlichkeitserfordernis siehe Puttler in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, VwGO § 123 Rn. 65).

d) Eine schriftliche Antragstellung war auch nicht ausnahmsweise nach § 55d Satz 3 VwGO möglich. Nach dieser Vorschrift bleibt eine Übermittlung nach allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend unmöglich ist. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist nach § 55d Satz 4 VwGO glaubhaft zu machen. Dies hat der Antragsteller nicht getan. Er hat vielmehr lediglich pauschal behauptet, dass es bei der Nutzung seines besonderen elektronischen Anwaltspostfaches zu Zugangsstörungen komme. Art und Häufigkeit der Zugangsstörungen hat der Antragsteller ebenso wenig dargelegt und glaubhaft gemacht wie etwaige Bemühungen, diese Störungen zu beseitigen.

Dass der Antragsteller die bisherigen Schriftsätze einscannen müsste, um sie elektronisch einreichen zu können, begründet entgegen seiner Ansicht keine technische Unmöglichkeit i.S.v. § 55d Satz 3 VwGO.

e) Der Formmangel nach § 55d VwGO führt zur Unwirksamkeit der Antragstellung und somit zur Unzulässigkeit des Antrags (vgl. die Gesetzesbegründung zur Parallelvorschrift des § 130d ZPO BT-Drs. 17126/24, S. 27).“

 

 

beA I: Sog. „vorübergehende Unmöglichkeit“ hilft ggf., oder: Aber nicht mehr nach mehr als vier Jahren

© Vjom – Fotolia.com

Im Kessel Buntes heute dann noch einmal ein wenig beA bzw. aktive Nutzungspflicht. Das gibt es ja inzwischen immer wieder Entscheidungen.

Hier dann zunächst das ArbG Frankfurt a. M., Urt. v. 01.04.2022 – 24 Ca 7293/21. Das ArbG hat  einen durch einen Rechtsanwalt eingelegten Einspruch gegen ein Versäumnisurteil, der auf dem normalen Postweg übermittelt worden war, als unzulässig verworfen:

„Der Einspruch der Klägerin vom 20. Februar 2022 gegen Versäumnisurteil vom 21. Januar 2022 war nach Gewährung rechtlichen Gehörs als unzulässig zu verwerfen, da er innerhalb der einwöchigen Einspruchsfrist gemäß § 59 Satz 1 ArbGG seit Zustellung des Versäumnisurteils nicht in der gesetzlichen Form eingelegt worden ist (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 341 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

Die Klägerin hat ihren Einspruch nicht in der gesetzlichen Form eingelegt.

1. Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind gemäß § 46g Satz 1 ArbGG seit dem 1. Januar 2022 als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig (Satz 3). Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen (Satz 4 Halbs. 1).

Bestimmende Schriftsätze, Anträge und Erklärungen, die nicht als elektronisches Dokument eingereicht werden, sind unwirksam. Die Einreichung ist eine Frage der Zulässigkeit und daher von Amts wegen zu beachten. Der Gegner kann auf die Einhaltung weder verzichten noch sich rügelos einlassen (BT-Drs. 17/12634, 27 zu § 130d ZPO; BeckOK ArbR/Hamacher, 63. Ed. 1.3.2022, ArbGG § 46g Rn. 4, mwN.).

2. Hiernach war der Einspruch als unzulässig zu verwerfen. Unabhängig von der Frage einer ausreichenden unverzüglichen Glaubhaftmachung fehlt es bereits an einer vorübergehenden Unmöglichkeit der Übermittlung aus technischen Gründen – hierunter fällt etwa ein Serverausfall (BT-Drs. 17/12634, 27) – als elektronisches Dokument. Das beA wurde bereits im Jahr 2016 in Betrieb genommen. Die passive Nutzungspflicht für Rechtsanwälte gemäß § 31a Abs. 6 BRAO besteht bereits seit dem 1. Januar 2018. Durch die Einschränkung „aus technischen Gründen“ und „vorübergehend“ wird klargestellt, dass professionelle Einreicher hierdurch nicht von der Notwendigkeit entbunden sind,‘ die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen (BR-Drs. 812/12, 36). Die pauschale Darlegung des Klägervertreters, der Einspruch erfolge nicht per beA, da er, obwohl rechtzeitig beantragt, bis heute nicht von der Zertifizierungsstelle freigeschaltet worden sei, genügt diesen Voraussetzungen offenkundig nicht. Ihr lässt sich überdies bereits nicht entnehmen, wann die „rechtzeitige“ Beantragung erfolgt sein soll.“