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Blutentnahme: Mit 4,02 Promille noch einwilligungsfähig…? jedenfalls beim OLG Jena

© Shawn Hempel - Fotolia.com

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Die Flut der Entscheidungen zum Richtervorbehalt und zum Beweisverwertungsverbot bei dessen Verletzung ist abgeebbt, aber hin und wieder gibt es dann doch noch Entscheidungen, über die man berichten kann/sollte/muss. So das OLG Jena, Beschl. v. 06.10.2011 – 1 Ss 82/11, in dem das OLG (auch) zur Frage der Einwilligungsfähigkeit des Angeklagten Stellung genommen hat, und zwar auf folgender Grundlage:

„Nachdem die Polizeibeamten in Person der Zeugen POM S und POM D vor Ort erschienen waren, begaben sie sich zu dem Fahrzeug des Angeklagten, wo sie ihn sitzend und rauchend antrafen. Sie machten sich an der Fahrertür ihm bemerkbar, stellten sich ihm sodann vor und forderten ihn auf, die Zigarette zu löschen sowie seine Fahrzeugpapiere und Personaldokument vorzulegen. Dieser Aufforderung kam der Angeklagte nach, wobei seine Reaktion sehr verlangsamt und zuweilen unkoodiniert wirkten, seine Augäpfel sahen zudem glasig aus und aus dem Fahrzeug selbst sowie aus seinem Mund war deutlich Alkoholgeruch wahrnehmbar. Sie entschlossen sich, einen Atemalkoholtest durchzuführen, zu dem der Angeklagte auch bereit war und zu dem er einwilligte. Der um 17.45 Uhr durchgeführte Atemalkoholtest ergab einen Wert von 4.02 Promille. Daraufhin belehrten die Polizeibeamten den Angeklagten, dass gegen ihn wegen Trunkenheit im Verkehr ermittelt werde und unterrichteten ihn über seine Rechte. Der Angeklagte entgegnete daraufhin, nicht unter Alkoholeinfluss gefahren zu sein, sondern danach den Alkohol zu sich genommen zu haben. Da der Zeuge POM D im Fahrzeug des Angeklagten eine halb gelehrte Flasche Bier auf der Mittelkonsole stehen sah, ordnete er zwei Blutproben an, worauf der Angeklagte zur Polizeistation Bad L zur Durchführung der Blutentnahme verbracht wurde, nachdem sein Fahrzeug verschlossen wurde. Als sich der Angeklagte zum Polizeifahrzeug begab, hatte er Schwierigkeiten beim Laufen, wie sein schwankender Gang den Polizeibeamten zeigte, er konnte sich aber ohne fremde Hilfe ins Fahrzeug setzen und diesem auch wieder entsteigen, wobei er ebenfalls etwas schwankend in das Polizeigebäude in Bad L ging. Auf der Fahrt zur Polizeidienststelle in Bad L hatten die Polizeibeamten mit dem Angeklagten gesprochen und ihm das nun folgende Procedere erklärt, wobei eine sinnvolle Unterhaltung mit ihm möglich war. In der Polizeistation angekommen, hatten die Polizeibeamten daher keine Zweifel, dass der Angeklagte trotz des Grades seiner Alkoholisierung einwilligungsfähig war und legten ihm zu den zwei von POM D angeordneten Blutentnahmen die Einwilligungserklärung vor, die er daraufhin unterschrieb, wobei sie den Eindruck hatten, dass der Angeklagte orientiert war und wusste, was er unterschrieb.“

Das OLG geht von einer ausreichenden Einwilligung aus. Es hat keine „durchgreifenden Zweifel“. Also Zweifel hat es, oder wie? Kann man m.E. auch haben bei 4,02 Promille. In einem Mordverfahren würde das sicherlich für Schuldunfähigkeit i.S. des § 20 StGB reichen.

Endlich: Zahlen auf dem Tisch, oder: Wie besoffen muss ich sein,…

…damit eine Einwilligung in die Blutentnahme mit der Folge, dass die richterliche Anordnung (§ 81a Abs. 2 StPO) nicht erforderlich ist, nicht mehr wirksam ist. Zu der Frage hatte es bisher zwei Entscheidungen gegeben, die sich damit eingehender auseinandergesetzt hatten, nämlich OLG Bamberg und LG Saarbrücken. In beiden Entscheidungen waren aber konkrete Zahlen nicht genannt worden, so dass die Frage, ab wann denn nun erfolgversprechend die Unwirksamkeit einer Einwilligung wegen fehlender Einwilligungsfähigkeit geltend gemacht werden kann, offen war.

Dazu liegt aber jetzt die erste obergerichtliche Entscheidung vor. Das OLG Hamm hat in seinem Beschl. v. 02.11.2010 – III-3 RVs 93/10 ausgeführt, dass dann, wenn ein Beschuldigter in eine Blutprobenentnahme einwillige, es regelmäßig keiner Anordnung zu einer Entnahme derselben durch einen Richter bedürfe – insoweit nichts Neues. Auch nicht neu ist, dass die Einwilligung ausdrücklich und eindeutig und aus freiem Entschluss erklärt werden muss. Neu sind aber die Ausführungen zur Einwilligungsfähigkeit. Insoweit gilt: Liegt nur eine mittelmäßige Alkoholisierung (im entschiedenen Fall:  1,23 Promille) ohne deutliche Ausfallerscheinungen vor, sei von einer solchen auszugehen. Das OLG führt weiter aus:

„Die Grenze, bei der deutliche Beeinträchtigungen in der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit angenommen werden, liegt bei etwa 2 Promille Blutalkohol. Von diesem Wert war der Angeklagte sehr weit entfernt. Er zeigte zwar Ausfallerscheinungen, insbesondere den vom Amtsgericht festgestellten schwankenden Gang, war aber durchaus in der Lage, mit seinem PKW unfallfrei zumindest noch für einen kurzen Zeitraum am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen. Soweit die Revision auf den ärztlichen Befundbericht verweist, nach dem der Angeklagte nach außen hin deutlich unter Alkoholeinfluss gestanden haben soll, ist dieser Vortrag urteilsfremd. Insgesamt ergeben sich keine genügenden greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte trotz der im Hinblick auf eine Beeinträchtigung seiner kognitiven Fähigkeiten eher geringgradigen Alkoholisierung nicht in der Lage gewesen sein sollte, die Belehrung zu verstehen und die Tragweite seiner Einwilligung zu erkennen, zumal es sich um einen völlig einfach gelagerten Sachverhalt gehandelt hat.“

Daraus wird man den Schluss ziehen können/Müssen: Ab 2 Promille war es das mit der Wirksamkeit der Einwilligung. Das entspricht in etwa der Grenze, ab der die Obergerichte im Urteil Ausführungen zu § 21 StGB erwarten.