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Nachtragsanklage analog geht nicht, oder: Kreativ

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Die Woche eröffne ich dann mal mit zwei BGH-Entscheidungen zu Verfahrensfragen, mit denen man nicht jeden Tag zu tun hat.

Zunächst geht es um den BGH, Beschl. v. 22.11.2017 – 4 StR 306/17 – mit einer Problematik zur Nachtragsanklage (§ 266 StPO). Nun ja, an sich sollte das so keine Problematik sein. Der BGH hat das gegen den Angeklagten ergangene Urteil wegen Wohnungseinbruchdiebstahl aufgehoben:

„Soweit der Angeklagte im Fall II. 3 der Urteilsgründe verurteilt worden ist, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren einzustellen, weil es hinsichtlich der Anklage der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 27. Dezember 2016, die dieser Verurteilung zugrunde liegt, an der Verfahrensvorausset-zung eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses fehlt. Der in der Hauptverhandlung am 7. Februar 2017 ergangene Einbeziehungsbeschluss der Strafkammer „§ 266 StPO analog“ ist unwirksam.

Der im Anschluss an die Verlesung des Anklagesatzes und der Zu-stimmung des Angeklagten und seines Verteidigers zur Einbeziehung ergange-ne Einbeziehungsbeschluss entfaltet keine Wirkungen. Der Einbeziehungsbeschluss nach § 266 Abs. 1 StPO, der von der Strafkammer in der Besetzung der Hauptverhandlung getroffen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 29. August 2011 – 5 StR 327/11, BGHR StPO § 266 Einbeziehungsbeschluss 4), tritt zwar bei einer Nachtragsanklage an die Stelle des Eröffnungsbeschlusses (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. August 2011 – 5 StR 327/11 aaO; vom 8. Februar 2011 – 4 StR 612/10 Rn. 4). Für einen solchen Einbeziehungsbeschluss war hier jedoch von vornherein kein Raum, weil es an einer Nachtragsanklage gemäß § 266 Abs. 1 StPO fehlte. Denn die Anklage vom 27. Dezember 2016 ist nicht mündlich in der Hauptverhandlung, sondern entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 170 Abs. 1, § 199 Abs. 2 StPO durch Einreichung einer Anklage-schrift bei Gericht erhoben worden. Eine Nachtragsanklage hinsichtlich des Tatvorwurfs vom 22. Juli 2016 zum Nachteil der Familie R. hätte in der Hauptverhandlung nur nach Rücknahme der Anklage vom 27. Dezember 2016 erhoben werden können.“

Kreativ die Kammer, muss ich schon sagen.

 

Nachtragsanklage – was man beachten muss

Die Nachtragsanklage (§ 266 StPO) führt immer wieder zu revisionsrechtlich bedeutsamen Fehlern. Einer ist, dass in der Hitze/Hektik der Hauptverhandlung der erforderliche Einziehungsbeschluss vergessen wird. So auch beim LG Paderborn. Das Ergebnis ist dann, dass insoweit ein Verfahrenshindernis besteht, dass zur Einstellung des Verfahrens (insoweit) führt, es sei denn, das Gericht (!!) hat sonst klar zu erkennen gegeben, „dass es die Nachtragsanklage zum Gegenstand der Verhandlungsentscheidung machen wollte“ (vgl. BGH, Beschl. v. 08.11.2011 – 4 StR 612/10).

Die Einstellung steht einer neuen Anklage natürlich nicht im Wege.