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Verschuldensunabhängige Halterhaftung nach StVG, oder: Nicht bei E-Scootern, auch nicht analog

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Und am „Kessel-Buntes“-Tag heute zunächst das – schon etwas ältere – AG Frankfurt am Main, Urt. v. 22.04.2021, Az. 29 C 2811/20 (44). Entschieden hat das AG über die Klage des Eigentümers eines Pkws gegen die Haftpflichtversicherung eines E-Scooters der Marke Circ. Bei dem E-Scooter handelte es sich um ein Elektrokleinstfahrzeug nach der eKFV und er war miz einem elektrischen Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 20 km/h (auf ebener Strecke) ausgestattet.

Der Kläger hatte sein Fahrzeug am Abend des 18.12.2019 zwischen 19:00 und 20:00 Uhr am Fahrbahnrand geparkt. Als der Kläger später am Abend zu seinem Fahrzeug zurückkehrte, stellte er fest, dass sein Fahrzeug an der Beifahrerseite beschädigt worden war. Ein Verantwortlicher für den entstandenen Schaden war auch nach Hinzuziehung der Polizei nicht ermittelt worden.

Der Kläger hatte sein Fahrzeug am Abend des 18.12.2019 zwischen 19:00 und 20:00 Uhr in der Münchener Straße in Höhe der Hausnummer 30 am Fahrbahnrand geparkt. Als der Kläger später am Abend zu seinem Fahrzeug zurückkehrte, stellte er fest, dass sein Fahrzeug an der Beifahrerseite beschädigt worden war. Ein Verantwortlicher für den entstandenen Schaden war auch nach Hinzuziehung der Polizei nicht ermittelt worden. Der Kläger behauptet, dass sich der bei der Beklagaten versicherte E-Scooter am Abend des 18.12.2019 neben seinem Fahrzeug befunden habe. Er behauptet, dass der E-Scooter entweder unsachgemäß neben das Fahrzeug abgestellt worden und später auf das Klägerfahrzeug umgefallen sei oder mutwillig gegen das Klägerfahrzeug gestoßen worden sei.

Das AG hat die Klage abgewiesen:

„Eine Haftung aus § 7 Abs. StVG ist hier gemäß § 8 Nr. 1 StVG ausgeschlossen.

Nach § 8 Nr. 1 StVG ist die in § 7 Abs. 1 StVG normierte verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung dann ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein Kraftfahrzeug verursacht wurde, das auf ebener Strecke mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20 km/h fahren kann. Grundsätzlich hat der Halter, der sich auf diese Ausnahmevorschrift beruft, hat den Tatbestand des § 8 StVG zu beweisen (BGHZ 136, 69 = NZV 1997, 390). Er muss darlegen und beweisen, dass das Kraftfahrzeug zum Unfallzeitpunkt nicht mehr als 20 km/h fahren konnte.

Hier ist jedoch unstreitig, dass der bei der Beklagten haftpflichtversicherte E-Scooter nicht mehr als 20 km/h fahren kann.

Der E-Scooter verfügte über eine Zulassung nach der Elektrokleinstfahrzeug-Verordnung (eKFV), die zum Zeitpunkt des Unfallereignisses auch bereits in Kraft und somit anwendbar war. Gemäß § 1 eKFV sind Elektrokleinstfahrzeuge im Sinne der Verordnung, Kraftfahrzeuge mit elektrischem Antrieb und einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h (Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl. 2020, § 1 eKFV Rn. 10, 11).

Der eindeutige Wortlaut des § 8 Nr. 1 StVG steht einer verschuldensunabhängigen Haftung entgegen (Vgl. LG Münster vom 09.03.2020 – 8 O 272/19, zitiert nach juris).

Die Vorschrift des § 8 StVG war dem Gesetzgeber bei Verabschiedung der eKFV bereits bekannt und hätte bei Bedarf bereits zu diesem Zeitpunkt eine Änderung hätte vornehmen können. Insbesondere ist die Regelung, obwohl von derartigen Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr heute eher größere als geringere Gefahren ausgehen (Medicus DAR 2000, 442; Greger/Zwickel, HaftungsR § 19 Rn. 4), durch das 2. SchadÄndG nicht aufgehoben oder geändert worden.

Der Kläger hat aus demselben Grund auch keinen Anspruch aus § 18 I StVG. Auch insoweit steht § 8 Nr. 1 StVG einer Haftung entgegen (vgl. BGH NJW 1997, 2517). Zumal in der vorliegenden Konstellation niemand den E-Scooter zum Zeitpunkt des Unfalls gefahren hat.

Ein Anspruch des Klägers folgt schließlich nicht aus § 823 Abs. 1 BGB. Voraussetzung dafür wäre, dass das Unfallereignis zumindest teilweise auf ein mindestens fahrlässiges Verhalten des Fahrers zurückzuführen wäre. Dies scheidet bei einer alleinigen Geltendmachung gegenüber der Haftpflichtversicherung aus.“

OWi II: Die Drogenfahrt mit einem E-Scooter, oder: Das ändert am Fahrverbot nichts

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Als zweite OWi-Entscheidung etwas zum Fahrverbot. Das AG hat den Betroffenen  wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung des berauschenden Mittels Kokain (190 ng/mL) zu einer Geldbuße in Höhe von 500,- € verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Das Besondere: Der Betroffene war mit einem E-Scooter gefahren.

Das hat nach Auffassung des OLG Zweibrücken keine Auswirkungen auf das Fahrverbot. Das OLG führt dazu im OLG Zweibrücken, Beschl. v. 29.06.2021 – 1 OWi 2 SsBs 40/21 – aus:

„2. Soweit der Beschwerdeführer rügt, dass das Gericht im Rahmen seiner Entscheidung über die Verhängung eines Regelfahrverbotes nicht hinreichend berücksichtigt habe, dass der Betroffene lediglich einen E-Scooter führte, hat er in der Sache keinen Erfolg.

a) § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG normiert ein gesetzliches Regelfahrverbot. Im Falle einer Trunkenheitsfahrt nach § 24a StVG begründet die gesetzliche Indizwirkung auf der Tatbestandsebene, dass diesem Verhalten diejenige gesteigerte abstrakte Gefährdung anderer Personen und Sachen innewohnt, wie sie typisch für Fahrten unter Alkohol- oder Drogenwirkung ist. Eines zusätzlichen groben oder besonders pflichtwidrigen Verhaltens i.S.d. § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG bedarf es nicht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09. November 1998 – 5 Ss (OWi) 299/98 – (OWi) 131/98 I, juris Rn. 14; Deutscher in Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl, Rn. 3616). Zugleich wird auf der Rechtsfolgenseite durch die Tatbestandverwirklichung die Vermutung begründet, dass es zur Einwirkung auf den Betroffenen des Fahrverbots bedarf und dies keine unangemessene Härte darstellt.

Zwar ist die Indizwirkung auf beiden Ebenen grundsätzlich widerlegbar. Die Möglichkeiten die Indizwirkung indes zu entkräften, sind wegen der besonderen Gefährlichkeit der Trunkenheitsfahrt stark eingeschränkt. Sie kommt nur in Betracht, wenn die Tatumstände so aus dem Rahmen üblicher Begehungsweisen fallen, dass die Vorschrift über das Regelfahrverbot offensichtlich nicht darauf zugeschnitten ist. Den Gerichten ist deshalb in den Fällen des § 24a StVG bei der Entscheidung darüber, ob von einem Fahrverbot im Einzelfall ausnahmsweise abgesehen werden kann, ein geringerer Ermessensspielraum eingeräumt. Angesichts des höheren Unrechtsgehalts und der Gefährlichkeit einer derartigen Ordnungswidrigkeit versteht sich vielmehr die grundsätzliche Angemessenheit eines Fahrverbots regelmäßig von selbst (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Januar 2019 – 1 OWi 2 SsRs 24/18 [nicht veröffentlicht]; OLG Bamberg, Beschluss vom 02.07.2018 – 3 Ss OWi 754/18, juris Rn. 6; Beschluss vom 29. Oktober 2012 – 3 Ss OWi 1374/12, juris Rn. 3; Deutscher a.a.O. Rn. 3618 m.w.N.).

b) In der jüngeren Rechtsprechung wird teilweise der Umstand, dass ein E-Scooter angesichts des geringeren Gewichts und der bauartbedingten Geschwindigkeit hinsichtlich der Gefährlichkeit eher mit einem Fahrrad als einem einspurigen Kraftfahrzeug gleichzusetzen sei, bei der Frage der Indizwirkung einer Trunkenheitsfahrt als maßgeblicher Faktor berücksichtigt (vgl. zum Anwendungsbereich des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB: LG Dortmund, Beschluss vom 07. Februar 2020 – 31 Qs 1/20, juris Rn. 16; LG Halle (Saale), Beschluss vom 16. Juli 2020 – 3 Qs 81/20, juris Rn. 8). Die wohl überwiegende Rechtsprechung verneint demgegenüber ein derart bestimmenden Einfluss auf die Indizwirkung des Regelbeispiels (vgl. ebenfalls zum Anwendungsbereich des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB: im konkreten Fall das Regelfall bejahend: Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 24. Juli 2020 – 205 StRR 216/20, juris (bei einer Strecke von 300 Metern); LG Stuttgart, Beschluss vom 27. Juli 2020 – 9 Qs 35/20, juris Rn. 20 (nachts Personenverkehr zu erwarten); LG München I, Beschluss vom 29. November 2019 – 26 Qs 51/19 –, juris); Regelfall verneinend: LG Dortmund, Beschluss vom 07. Februar 2020 – 35 Qs 3/20 – juris (nur wenige Meter Fahrtstrecke); AG Dortmund, Urteil vom 21. Januar 2020 – 729 Ds – 060 Js 513/19 – 349/19, juris Rn. 23 (nachts zur verkehrsarmen Zeit auf einer Verkehrsfläche ohne jeden Bezug zum fließenden Straßenverkehr)).

Für die letztgenannte Ansicht wird zunächst die Wertung des Gesetzgebers und das Fehlen normierter Ausnahmetatbestände im Bereich der Regelbeispiele ins Feld geführt (vgl. LG Stuttgart a.a.O. Rn. 17). So sind Elektrofahrräder innerhalb der Vorgaben des § 1 Abs. 3 StVG schon keine Kraftfahrzeuge (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. Juli 2020 – 2 Rv 35 Ss 175/20 – juris (Leitsatz)); E-Scooter, Segways und andere Fahrzeuge i.S.d. § 1 eKFV (Elektrokleinstfahrzeuge VO) unterfallen hingegen dem Kraftfahrzeugbegriff (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 24. Juli 2020 – 205 StRR 216/20, juris (Leitsatz); Deutscher, a.a.O. Rn. 1735 m.w.N.; Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann, 26. Aufl., eKFV § 1 Rn. 10, 11, 33).

Weiterhin wird in der Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass auch einem E-Scooter durch die Fahrzeugmasse und die erreichbare Höchstgeschwindigkeit ein erhebliches Gefährdungs- und Verletzungspotential für Dritte zukomme, das noch dadurch verstärkt werde, dass der E-Scooter eine ohne eigene Anstrengung abrufbare Kraft des Elektromotors freisetze; insbesondere falle eine Geschwindigkeitsbeschleunigung erheblich leichter, als mit einem konventionellen Fahrrad. Diese Kraft müsse von dem Fahrzeugführer auch beherrscht werden können. Die von E-Scootern ausgehende abstrakte Gefahr sei daher nicht deutlich geringer zu beurteilen als im Fall von Motorrollern oder Mofas (LG Stuttgart a.a.O. Rn. 15; LG München a.a.O. Rn. 19; LG Dortmund, Beschluss vom 11. Februar 2020 – 43 Qs 5/20, juris Rn. 11). Zur Begründung der besonderen Gefährlichkeit der Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter wird überdies in Feld geführt, dass Gleichgewichtsbeeinträchtigungen und plötzliche Lenkbewegungen angesichts der regelmäßig stehenden Fahrposition und kleineren Radumfangs deutlich größere Auswirkungen auf die Fahrweise und dadurch hervorgerufene kritische Verkehrssituationen für andere Verkehrsteilnehmer zeitigen können (vgl. auch LG Stuttgart a.a.O. Rn. 15; LG Köln, Beschluss vom 9. Oktober 2020 – 117 Qs 105/20, juris Rn. 5).

Der Senat schließt sich dieser Ansicht an. Zwar ist – verglichen mit der Mehrzahl der am Verkehr regelmäßig teilnehmenden Fahrzeuge – das allein von der Masse und der möglichen Höchstgeschwindigkeit ausgehende Gefahrenpotential eines E-Scooters für einen anderen unmittelbar von einer Kollision betroffenen Verkehrsteilnehmer geringer; dieser Umstand betrifft aber nur einen Teilaspekt, der mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr verbundenen Gefahren. § 24a StVG beinhaltet ein abstraktes Gefährdungsdelikt (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 21. Dezember 2004 – 1 BvR 2652/03 –, juris Rn. 25), welches primär die Sicherheit des Straßenverkehrs zum Schutzzweck hat und sekundär durch den hierdurch erreichten Schutz anderer Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten Verkehrsteilnehmern auch individualschützende Wirkung entfaltet (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 04. Dezember 2007 – 2 BvR 38/06, juris Rn. 42; BeckOK StVR/Scholz, 11. Ed. 15.4.2021, StVG § 24a Rn. 1). Die Gefährlichkeit der Trunkenheitsfahrt beruht zum einen auf der alkohol- oder drogenbedingten verminderten Kontroll- und Reaktionsfähigkeit, zum anderen auf der damit verbundenen abstrakten Dauergefahr über die gesamte Strecke der Fahrt (vgl. Deutscher a.a.O. Rn. 3619). So beziehen sich die Fälle, in denen die Rechtsprechung die Widerlegung der tatbestandlichen Indizwirkung angenommen hat, vornehmlich auf Fälle in denen die Dauerhaftigkeit der Gefahrenlage oder die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts im konkreten Fall deutlich reduziert war (vgl. für Fälle einer nur kurzen Fahrstrecke von wenigen Metern OLG Celle, Beschluss vom 03. Januar 1990 – 1 Ss (OWi) 303/89, juris; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 24. Januar 2005 – 2 ObOWi 757/04, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 17. September 1987 – 4 Ss OWi 1114/87, juris; OLG Köln, Beschluss vom 26. August 1993 – Ss 193/93 (B) –, juris; zusätzlich zur Nachtzeit: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. März 1987 – 5 Ss (OWi) 81/87 – 64/87 I, juris (jeweils Orientierungssatz)).

Die Fortbewegung im öffentlichen Verkehrsraum ist in großem Maße geordneter Interaktionsprozess mit einer Vielzahl von Verkehrsteilnehmern. Bei einem alkoholisierten oder unter Drogeneinfluss agierenden Verkehrsteilnehmer besteht ein maßgeblicher Aspekt der durch ihn bedingten Gefahrenlage darin, den Anforderungen an die im Straßenverkehr geforderten Handlungsweisen nicht mehr genügen zu können. Dass seine Fahrweise daher in erhöhtem Maße nicht mehr verlässlich und berechenbar ist und andere Verkehrsteilnehmer ihrerseits gezwungen werden, auf unvorhersehbare Fahrmanöver zu reagieren, beeinträchtigt die Sicherheit des Straßenverkehrs in erheblichem Umfang. Für die davon ausgehende abstrakte Gefährlichkeit für die Sicherheit des Straßenverkehrs ist weniger die geringere Masse und Geschwindigkeit des E-Scooters von ausschlaggebender Bedeutung als die Wahrscheinlichkeit andere Verkehrsteilnehmer mit einer unsicheren oder nicht berechenbaren Fahrweise mit weiteren möglichen Folgewirkungen zu beeinflussen.

Nach alledem kommt der Art des geführten Kraftfahrzeugs für die abstrakte Gefahr, die von einer Trunkenheitsfahrt für die Sicherheit des Straßenverkehrs ausgeht, keine derart bestimmende Bedeutung zu (vgl. schon OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Juli 1996 – 2 Ss (OWi) 229/96 – (OWi) 81/96 II, juris (Leitsatz) zu einem alkoholisierten Fahrer eines Mofas), dass dieser Umstand allein schon die Indizwirkung des Regelbeispiels nach §§ 25 Abs. 1 Satz 2, 24a StVG entfallen lässt. Bestimmend bleiben vielmehr die konkreten Umstände der jeweiligen Fahrt.“

Verkehrsrecht III: Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter, oder: Nochmals Entziehung der Fahrerlaubnis

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Und in der dritten Entscheidung des Tages, dem LG Stuttgart, Beschl. v. 12.03.2021 – 18 Qs 15/21 –,  geht es noch einmal um die (vorläufige) Entziehung der Fahrerlaubnis bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter. Gefahren war der Beschuldigte mit einem E-Scooter, der einen 350 W-Elektroantrieb hatte und Höchstgeschwindigkeiten von bis 30 km/h erreichen soll. Ein freiwillig angebotener Atemalkoholvortest bei dem Angeklagten hatte um 00:30 Uhr einen Wert von 0,62 mg/l ergeben, eine um 00:48 Uhr entnommen Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,2 Promille.

Das AG hat die Fahrerlaubnis vorläufig (§ 111a StPO) entzogen. Die Beschwerde dagegen hatte beim LG Stuttgart keinen Erfolg:

„1. Aufgrund des Ergebnisses der polizeilichen Ermittlungen besteht der dringende Verdacht, dass sich der Angeklagte nach § 316 StGB strafbar gemacht hat. Der Angeklagte ist dringend verdächtig, am 1. November 2020 um 00:30 Uhr über die S.-straße den R.-S.-Platz in […] Herrenberg sowie anschließend die N. Straße und die A.-straße befahren zu haben und damit im Verkehr einen E-Scooter der Marke E. ohne Versicherungskennzeichen mit einem 350 W-Elektroantrieb und einer möglichen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h geführt zu haben. Zwar hat der Angeklagte selbst keine Angaben zur Sache gemacht. Der dringende Tatverdacht ergibt sich jedoch aus der Aussage der Zeugen PM S. und PK W., die den Angeklagten während der Fahrt beobachteten.

Bei dem E-Scooter handelt es sich um ein Kraftfahrzeug im Sinne des § 1 Abs. 2 StVG. Kraftfahrzeuge sind danach alle durch Maschinenkraft bewegten und nicht an Gleise gebundenen Landfahrzeuge. Dabei sei darauf hingewiesen, dass selbst E-Scooter, die unter die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) fallen, weil sie eine bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 20 km/h erreichen, gemäß § 1 Abs. 1 eKFV als Kraftfahrzeuge einzustufen sind (hierzu ausführlich LG München I, Beschluss vom 30. Oktober 2019 – 1 J Qs 24/19 jug, BeckRS 2019, 38560; s. auch LG Münster, Beschluss vom 19. Dezember 2019 – 3 Qs-62 Js 7713/19-61/19, BeckRS 2019, 35480; LG Dresden, Beschluss vom 27. März 2020 – 16 Qs 14/20, BeckRS 2020, 7598; LG München I, Beschluss vom 29. November 2019 – 26 Qs 51/19, BeckRS 2020, 3467). Vor diesem Hintergrund ist der vom Angeklagten gefahrene E-Scooter, der eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h erreicht, zweifellos ebenso als Kraftfahrzeug einstufen.

Es liegt weiterhin der dringende Verdacht vor, dass der Angeklagte aufgrund seiner Alkoholisierung zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet war. Die um 00:48 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,2 Promille, also mehr als den Mindestwert für die unwiderlegliche Annahme der Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille bei Führern von Kraftfahrzeugen (s. bspw. BGH, Beschluss vom 28. Juni 1990 – 4 StR 297/90, NJW 1990, 2393) und damit absolute Fahruntüchtigkeit. Vorliegend ist nicht der höher liegende Grenzwert für Fahrradfahrer anzusetzen, da es sich bei einem E-Scooter eben gerade um ein Kraftfahrzeug handelt (s. auch LG Dortmund, Beschluss vom 7. Februar 2020 – 31 Qs 1/20, juris Rn. 8; LG Stuttgart, Beschluss vom 27. Juli 2020 – 9 Qs 35/20, juris Rn. 14; LG München I, Beschluss vom 29. November 2019 – 26 Qs 51/19, aaO). Insoweit kann ergänzend auf die Rechtsprechung zu „Segways“ verwiesen werden, auf deren Führer ebenfalls der Beweisgrenzwert von 1,1 Promille anzuwenden ist (s. OLG Hamburg, Beschluss vom 19. Dezember 2016 – 1 Rev 76/16, NJOZ 2018, 249). Seine absolute Fahruntüchtigkeit hätte der Angeklagte bei kritischer Selbstprüfung auch erkennen können.

2. Nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist der Angeklagte bei einer Tat nach § 316 StGB in der Regel als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet anzusehen, sodass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Gericht erfolgen wird. Nur wenn im Einzelfall besonders günstige – außergewöhnliche – Umstände in der Person des Täters oder in den Tatumständen vorliegen, die positiv festgestellt werden können und die Indizwirkung der Tat widerlegen und sie vom Durchschnittsfall deutlich abheben lassen, ist ein Ausnahmefall anzunehmen und von der Regelvermutung abzuweichen (Fischer, StGB, 68. Auflage (2021), § 69, Rn. 22 und 26).

Ein derartiger Ausnahmefall wird bei Verwirklichung des § 316 StGB mittels eines E-Scooters in der Rechtsprechung teils, bisher wohl vornehmlich im Landgerichtsbezirk Dortmund, aber auch dort nicht einheitlich, angenommen. Gegen die Indizwirkung, die der Verwirklichung des § 316 StGB nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB zukommt, wird von der 31. Strafkammer des Landgerichts Dortmund in der auch vom Angeklagten in Bezug genommenen Entscheidung die von dieser angenommene verringerte abstrakte Gefährlichkeit eines E-Scooters gegenüber einspurigen Kraftfahrzeugen angeführt. Ein E-Scooter sei angesichts seines Gewichts und der erreichbaren Geschwindigkeit vielmehr mit der Gefährlichkeit eines Pedelecs oder eines konventionellen Fahrrads zu vergleichen (LG Dortmund, Beschluss vom 7. Februar 2020 – 31 Qs 1/20, juris Rn. 12, 13 und 16). Weiterhin wird angeführt, die Einordnung der für E-Scooter geltenden „Promillegrenze“ sei für den Bürger jedenfalls schwerer als im Fall von Pkws oder Motorrädern (LG Dortmund, Beschluss vom 7. Februar 2020 – 31 Qs 1/20, juris Rn. 15). Zudem sah das Landgericht Dortmund die konkrete Gefährlichkeit der Benutzung eines E-Scooters in fahruntüchtigem Zustand bei den zwei Beschwerdesachen zugrundeliegenden Sachverhalten als deutlich herabgesetzt an (LG Dortmund, Beschluss vom 7. Februar 2020 – 31 Qs 1/20, juris Rn. 17: Tatzeit gegen 01:10 Uhr an einem Werktag; LG Dortmund, Beschluss vom 7. Februar 2020 – 35 Qs 3/20, BeckRS 2020, 3435: kurze Fahrtstrecke von 2,5 Metern). Schließlich bestehe eine niedrigere Hemmschwelle für das Führen eines E-Scooters in fahruntüchtigem Zustand, als dies bei einem Pkw der Fall sei (LG Dortmund, Beschluss vom 7. Februar 2020 – 35 Qs 3/20, aaO).

In der vorliegenden Konstellation konnte die Kammer günstige Umstände, mit denen sich die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB widerlegen ließe, jedenfalls nicht positiv feststellen. Das Vorbringen des Angeklagten und seines Verteidigers vermag die Indizwirkung nicht zu widerlegen und hebt sie vom Durchschnittsfall jedenfalls nicht so deutlich ab, dass ein Ausnahmefall anzunehmen und von der Regelvermutung abzuweichen wäre.

Insbesondere liegen Besonderheiten, die ein Abweichen von der Regelentziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigen würden, nicht schon darin, dass der Straftatbestand des § 316 StGB „nur“ mit einem E-Scooter verwirklicht worden sein soll (s. auch LG Dresden, Beschluss vom 27. März 2020 – 16 Qs 14/20, juris Rn. 7). Aus Sicht der Kammer ist die abstrakte Gefährlichkeit eines E-Scooters als Kraftfahrzeug nicht mit der von konventionellen Fahrrädern oder Pedelecs, sondern eher mit der eines Motorrollers oder Mofas vergleichbar (so auch LG Dortmund, Beschluss vom 11. Februar 2020 – 43 Qs 5/20, BeckRS 2020, 3434; LG München I, Beschluss vom 29. November 2019, 26 Qs 51/19, aaO; LG Stuttgart, Beschluss vom 27. Juli 2020 – 9 Qs 35/20, juris Rn. 22). E-Scooter sind motorisiert und weisen durch ihre erheblich schnellere Fortbewegungsmöglichkeit und Beschleunigungskapazität eine höhere Leistungsanforderung an den Fahrer auf als dies bei einem Fahrrad der Fall ist. Der vom Angeklagten gefahrene E-Scooter kann offenbar eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h erreichen und hat damit ein erhebliches Gefährdungs- und Verletzungspotential für Dritte. Dieses wird dadurch verstärkt, dass der E-Scooter eine ohne große eigene Anstrengung und ohne erhebliche Koordinationsbemühungen abrufbare Kraft des Elektromotors freisetzt und insbesondere eine Geschwindigkeitsbeschleunigung erheblich leichter fällt als mit einem Fahrrad oder Pedelec, das durch eigene Anstrengung und Koordination bewegt werden muss (LG München I, Beschluss vom 30. Oktober 2019 – 1 J Qs 24/19 jug, aaO). Diese Kraft muss von dem Führer eines E-Scooters auch beherrscht werden können (so auch LG München I, Beschluss vom 29. November 2019, 26 Qs 51/19, aaO; LG Stuttgart, Beschluss vom 27. Juli 2020 – 9 Qs 35/20, juris Rn. 21). Überdies weisen E-Scooter ein gesteigertes Gefahrenpotential auf, da sie wegen der kleinen Räder viel empfindlicher auf Unebenheiten und wetterbedingte Einwirkungen der Fahrbahn reagieren und dem Fahrer insoweit eine höhere Aufmerksamkeit abverlangen (s. auch LG Köln, Beschluss vom 9. Oktober 2020 – 117 Qs 105/20, juris Rn. 5). Im alkoholisierten Zustand kommt noch hinzu, dass durch Gleichgewichtsbeeinträchtigungen und dadurch veranlasste plötzliche, unkontrollierte Lenkbewegungen auch andere, erheblich schneller fahrende Verkehrsteilnehmer zu Ausweichmanövern veranlasst werden können, die nicht nur für den ausweichenden, sondern auch vor allem für entgegenkommende Verkehrsteilnehmer in hohem Maße gefährlich sind (s. auch LG Dortmund, Beschluss vom 8. November 2019 – 32 Qs 130/19, 32 Qs 267 Js 1748/19 – 130/19, juris Rn. 11).

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass auch bei der Benutzung von Pedelecs mit Hilfe eines Elektroantriebs schnell Geschwindigkeiten erreicht werden können, die jedenfalls nicht erheblich unter der Höchstgeschwindigkeit des E-Scooters des Angeklagten liegen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Pedelecs, die nach § 1 Abs. 3 StVG gerade nicht als Kraftfahrzeuge einzustufen sind, lediglich einen elektrischen Hilfsantrieb haben, dessen Unterstützung unterbrochen wird, wenn der Fahrer nicht mehr tritt. Schon aufgrund dieses Umstands und der für die Benutzung eines Pedelecs erforderlichen Koordination dürfte ein fahruntüchtiger Fahrer größere Schwierigkeiten haben, mit einem Pedelec ähnliche Geschwindigkeiten zu erreichen wie mit einem E-Scooter. Im Fall eines alkoholisierten Fahrradfahrens steht daher nicht wie bei einem Kraftfahrzeug die Fremd-, sondern die Eigengefährdung im Vordergrund (so auch LG München I, Beschluss vom 30. Oktober 2019 – 1 J Qs 24/19 jug, aaO). Aufgrund des unterschiedlichen Gefährdungspotentials vermag die Kammer den vom Angeklagten angeführten Wertungswiderspruch zu einer Verwirklichung des § 316 StGB mit dem Fahrrad, bei dem § 69 StGB eine Entziehung der Fahrerlaubnis nicht vorsieht, nicht zu erkennen.

Auch ist letztlich die Wertung des Gesetzgebers zu sehen, wonach § 69 StGB grundsätzlich für alle Kraftfahrzeuge gilt. Eine Beschränkung auf einzelne Fahrzeugarten wie etwa bei § 69a Abs. 2 StGB sieht § 69 StGB gerade nicht vor. Dementsprechend ist es auch nicht erforderlich, dass der Angeklagte eine Verantwortungslosigkeit an den Tag legt, die mit einer Trunkenheitsfahrt mit – wie auch immer definierten – „klassischen“ Kraftfahrzeugen vergleichbar ist. Eine Unterscheidung zwischen „klassischen“ und anderen Kraftfahrzeugen sieht das Gesetz nicht vor und es existieren an diesem Punkt keine Sonderregelungen für E-Scooter. Auch wenn die Einordnung von E-Scootern als Kraftfahrzeuge und die daraus resultierende „Promillegrenze“ derzeit gegebenenfalls noch nicht allgemein bekannt sein sollte, so gehört es doch zur Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges, dass sich der Kraftfahrzeugführer über die für E-Scooter geltenden Regelungen informiert, bevor er einen solchen verwendet (s. auch LG Dresden, Beschluss vom 27. März 2020 – 16 Qs 14/20, juris Rn. 7).

Anders als vom Angeklagten dargestellt, ist vorliegend auch die konkrete Gefährlichkeit der Benutzung des E-Scooters zum Zeitpunkt und Ort der zur Last gelegten Tat am 1. November 2020 gegen 00:30 Uhr im Bereich des R.-S.-Platzes gegeben. Zu der gegebenen Uhrzeit und an der betroffenen Örtlichkeit war durchaus mit Personen- und vor allem auch Kfz-Verkehr zu rechnen, da der Angeklagte zwar nachts, aber noch nicht in den ganz frühen Morgenstunden unterwegs war. Zudem handelte es sich um die Nacht zu einem Sonntag (und Feiertag), so dass mit gegenüber einem Werktag erhöhtem Verkehrsaufkommen gerechnet werden musste. Dies zeigt nicht zuletzt der Umstand, dass die Polizei an dieser Stelle sogar eine Kontrollstelle eingerichtet hatte. Für andere Personen und Kraftfahrzeuge bestand daher ein nicht unerhebliches Gefährdungspotential, zumal der Angeklagte mit 1,2 Promille erheblich alkoholisiert und im Bereich einer mehrspurigen Bundesstraße unterwegs war.

Auch in der Person des Angeklagten liegende günstige Umstände, durch die die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB widerlegt wäre, konnte die Kammer nicht positiv feststellen. Der Angeklagte soll seine Fahrt nicht aus eigenem Antrieb abgebrochen haben, sondern von der Polizei gestoppt worden sein, nachdem er bereits die Kreuzung mehrerer mehrspuriger Straßen überquert hatte. Ein freiwilliger oder einsichtsgesteuerter Abbruch der Fahrt, der positive Rückschlüsse auf die charakterliche Eignung des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen zulassen könnte, scheint damit ausgeschlossen.

Abschließend ist zu bemerken, dass allein eine möglicherweise niedrigere Hemmschwelle für die Nutzung eines E-Scooters in alkoholisiertem Zustand gegenüber der Nutzung eines anderen Kraftfahrzeugs nicht als Umstand für die Widerlegung der Regelvermutung ausreichend ist (s. auch LG Dortmund, Beschluss vom 11. Februar 2020 – 43 Qs 5/20, juris Rn. 9).“

 

Verkehrsrecht I: Entziehung der Fahrerlaubnis, oder: E-Scooter, Rennen und bedeutender Fremdschaden

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Heute ist also letzter Arbeitstag vor Weihnachten. Ich habe überlegt, ob ich diesen Mittwoch wie einen Freitag behandeln und daher dann RVG-Entscheidungen bringen soll. Aber das habe ich dann doch gelassen, die verschiebe – so die Planung heute – ich auf den 2. Weihnachtsfeiertag. Da passen die zum „Warmwerden“ ganz gut.

Heute mache ich dann lieber noch einmal Verkehrsrecht. Hier zunächst eine kleine Übersicht zu Entscheidungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis. Da haben sich in den letzten Zeit ein paar Entscheidungen angesammelt:

    • AG Dresden, Urt. v. 5.11.2020 – 213 Cs 634 Js 44073/20 – Zur (verneinten) Entziehung der Fahrerlaubnis im Fall einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter. Das AG hat bei einem Angeklagten, der als Ersttäter nachts zu verkehrsarmer Zeit mit einem E-Scooter gefahren ist, von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen und ein Fahrverbot verhängt.
    • Dazu gibt es dann auch noch LG Osnabrück, Beschl. v. 16.10.2020 – 10 Qs 54/20 – aber leider nicht als Volltext.
    • LG Bielefeld, Beschl. v. 8.10.2020 – 8 Qs-401 Js 513/20-231/20 – und AG Bielefeld, Beschl. v. 19.06.2020 – 9 Gs 1985/20, beide zur Annahme der Tatbestandsmerkmale des verbotetenen Kraftfahrzeugrennens/der nicht angepassten Geschwindigkeit in § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB nehmen. AG und LG haben die Entziehung der Fahrerlaubnis abgelehnt. Das LG geht davon aus, dass mit der Messmethode „Nachfahren“ der Nachweis nicht geführt sei.
    • LG Frankfurt/Main, Beschl. v. 10.06.2020 – 5/9a Qs 29/20 – zur Bestimmung des bedeutenden Fremdschadens i.S. von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB. Die Entscheidung ist m.E. falsch. Schon bemerkenswert, wie das LG mal eben mit der Formulierung: „Hierdurch hat der Beschuldigte auch die Verursachung eines bedeutenden Fremdschadens billigend in Kauf genommen, ohne seinen Pflichten aus § 142 StGB nachzukommen. Hieran können auch anderweitige und lediglich vorläufige Schadensschätzungen der Polizeibeamten nichts ändern.“ anders lautende Rechtsprechung zur der Problematik mal eben negiert. Na ja, Frankfurt eben.

Verkehrsrecht I: Trunkenheitsfahrt mit dem E-Scooter, oder. Entziehung der Fahrerlaubnis

entnommen wikimedia.org – gemeinfrei

Am heutigen Dienstag stell ich hier drei verkehrsrechtliche Entscheidungen vor.

Ich starte mit dem BayObLG, Beschl. v. 24.07.2020 – 205 StRR 216/20. Es handelt sich m.E. um die erste obergerichtliche Entscheidung zur Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter.

Das AG hat den Angeklagten fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB)  zu einer Geldstrafe verurteilt, ein Fahrverbot von 3 Monaten für Kraftfahrzeuge aller Art verhängt und dem Angeklagten die Fahrerlaubnis mit einer Sperre für die Wiedererteilung vor Ablauf von 7 Monaten unter Einziehung des Führerscheins entzogen.

Grundlage waren folgende Feststellungen:

„Nach den Feststellungen des Amtsgerichts mietete der Angeklagte während der Zeit des Oktoberfestes am 3. Oktober 2019 an der S-Bahn-Haltestelle Rosenheimer Platz gegen 22.15 Uhr in München einen sog. E-Scooter mit Versicherungskennzeichen an. Er beabsichtigte, mit dem E-Scooter die Strecke bis zu seinem Hotel in etwa 300-400 m Entfernung zurückzulegen. Nachdem er eine Wegstrecke von ca. 300 m zurückgelegt hatte, wurde er auf der Hochstraße von der Polizei angehalten. Die um 22.40 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine BAK von 1,35 Promille. Das Amtsgericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte seine Fahruntüchtigkeit bei kritischer Selbstprüfung habe erkennen können und müssen, und sich durch die Tat als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe.“

Dagegen die Sprungrevision des Angeklagten, die keinen Erfolg hatte.

Hier zunächst die Leitsätze zu der Entscheidung des BayObLG, die auf der Linie der bisher vorliegenden Rechtsprechung liegen:

  1. Gemäß der Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (eKFV) sind Elektrokleinstfahrzeuge mit elektrischem Antrieb, einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h und bestimmten, in § 1 eKFV genannten zusätzlichen Merkmalen, als Kraftfahrzeuge eingestuft.

  2. Bei derartigen E-Scootern handelt es sich demnach um Kraftfahrzeuge im Sinne des § 1 Abs. 2 StVG.

  3. Für Führer derartiger E-Scooter liegt der Mindestwert für die unwiderlegliche Annahme von absoluter Fahruntüchtigkeit bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 ‰.

Und zur Entziehung der Fahrerlaubnis und dem verhängten Fahrverbot führt das BayObLG aus:

„Die Verhängung eines Fahrverbots von 3 Monaten als Nebenstrafe gemäß § 44 Abs. 1 StGB begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zwar schließen sich Fahrverbot und Fahrerlaubnisentziehung regelmäßig aus, da das Fahrverbot nach § 44 StGB voraussetzt, dass sich der Täter gerade nicht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Ein Fahrverbot kommt neben einer Entziehung der Fahrerlaubnis jedoch in Betracht, wenn das Gericht dem Täter das Fahren mit gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 FeV fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen verbieten oder nach § 69a Abs. 2 StGB bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen von der Sperre ausnehmen will (BGH Beschluss vom 7. August 2018, Az: 3 StR 104/18, juris, Rn. 6). Dies war nach den Urteilsgründen ersichtlich der Fall, nachdem die Tat mit einem fahrerlaubnisfreien Fahrzeug begangen wurde. Der von der Revision für ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots vorgebrachte Gesichtspunkt, dass am Wohnort des Angeklagten keine EScooter angeboten werden, vermag dagegen nicht zu überzeugen. Abgesehen davon, dass es verschiedene Arten fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge gibt, gilt das verhängte Fahrverbot auch dann, wenn sich der Angeklagte während der Laufzeit des Fahrverbots an anderen Orten aufhält.

3. Auch die Ausführungen des Amtsgerichts zur verhängten Maßregel des §§ 69, 69a StGB halten rechtlicher Überprüfung stand.

Die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis ist eine Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 61 Nr. 5 StGB), die ihre Rechtfertigung im Sicherungsbedürfnis der Verkehrsgemeinschaft hat. Dieses ist bedingt durch die hohen Risiken, die der Straßenverkehr infolge seiner Dynamik für Leben, Gesundheit und Eigentum der Verkehrsteilnehmer mit sich bringt.

Körperlich, geistig, aber auch charakterlich ungeeignete Kraftfahrer verstärken diese Risiken. Dem soll durch den ? zumindest zeitigen ? Ausschluss des Betreffenden von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr entgegengewirkt werden (BGH Großer Senat für Strafsachen Beschluss vom 27. April 2005 Az: GSSt 2/04, juris, Rn. 19). Gem. § 69 Abs.1 Satz1 StGB ist daher einem Täter die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn er wegen einer rechtswidrigen Tat verurteilt worden ist, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, und sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist.

a) Auch im Rahmen des § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB ist für den Begriff „Kraftfahrzeug“ die verkehrsrechtliche Legaldefinition des § 1 Abs. 2 StVG maßgeblich. Demzufolge sind Kraftfahrzeuge im Sinne von § 69 StGB alle mit Maschinenkraft angetriebenen, nicht an Bahngleise gebundenen Landfahrzeuge. Unerheblich ist, ob es für das Führen des Kraftfahrzeuges nach § 4 Abs. 1 FeV einer Fahrerlaubnis bedarf (Valerius in LK StGB 13. Aufl. § 69 Rn. 49). Eine vom Gesetzgeber bewusst vorgenommene Ausnahmeregelung besteht gemäß des im Rahmen des § 69 StGB ebenfalls zu beachtenden § 1 Abs. 3 Satz 1 StVG (vgl. Valerius a.a.O. § 69 Rn. 47) für sog. Pedelecs, die mit einem elektromotorischen Hilfsantrieb mit einer Nenndauerleistung von höchstens 0,25 kW ausgestattet sind, deren Unterstützung sich mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit progressiv verringert und unterbrochen wird, wenn das Fahrzeug eine Geschwindigkeit von 25 km/h erreicht oder wenn der Fahrer nicht mehr tritt. Diese werden gemäß § 1 Abs. 3 StVG als Fahrräder eingestuft und fallen daher auch nicht unter den Anwendungsbereich des § 69 StGB. Eine solche Regelung wurde dagegen für E-Scooter nicht getroffen, so dass diese als Kraftfahrzeuge auch im Sinne der Vorschrift des § 69 StGB gelten.

b) Ungeeignet ist der Täter nach ständiger Rechtsprechung, wenn eine Würdigung seiner körperlichen, geistigen und charakterlichen Voraussetzungen und der sie wesentlich bestimmenden objektiven und subjektiven Umstände ergibt, dass die Teilnahme des Täters am Kraftfahrzeugverkehr zu einer nicht hinnehmbaren Gefährdung der Verkehrssicherheit führen würde (BGH, Urteil vom 26. September 2003, Az:2 StR 161/03, juris Rn.10). Maßgeblich für die Feststellung der Ungeeignetheit ist der Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung (Valerius a.a.O. § 69 Rn. 108). Die Feststellung der Ungeeignetheit schließt zugleich die Prognose fortbestehender Ungeeignetheit und damit zukünftiger Gefährlichkeit des Täters für den Fall ein, dass er ein Kraftfahrzeug führt (Heger in Lackner/Kühl StGB 29. Aufl. § 69 Rn. 5 m.w.N.). Ob ein Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände der konkreten Tat unter Berücksichtigung der Persönlichkeit des Täters, soweit sie in der Tat zum Ausdruck gekommen ist, zu bestimmen, sofern nicht ein Fall des § 69 Abs. 2 StGB vorliegt (BGH Urteil vom 12. März 2020, Az: 4 StR 544/19, BeckRS 2020, 6550, Rn. 18).

(1) Mit dem Zweiten Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 26. November 1964 (BGBl. I 921) wurde in § 42 m Abs. 2 StGB a.F., der inhaltlich § 69 Abs.2 StGB entspricht (vgl. dazu BGH Beschluss vom 16. September 2003, Az. 4 StR 85/03, zitiert in juris, Rn. 31), ein Katalog rechtswidriger Taten aufgenommen, bei deren Vorliegen das Gesetz in typisierter Weise annimmt, der Täter sei „in der Regel“ als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. Nach der amtlichen Begründung des Gesetzesentwurfs geht dieser von der Überlegung aus, dass die aufgeführten Zuwiderhandlungen in der Regel einen solchen Grad des Versagens oder der Verantwortungslosigkeit des Täters offenbarten, dass damit zugleich auch dessen Eignungsmangel feststehe (amtliche Begründung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 27. September 1962 BT.-Drs. IV/651 S. 17). Die Einfügung des Regelkatalogs wurde als „bedeutsame Fortentwicklung des geltenden Rechts“ damit begründet, dass es unbestreitbare Erfahrungstatsachen gebe, „dass bestimmte gefährliche Verhaltensweisen schon für sich allein die Feststellung rechtfertigen, der Täter sei für die Teilnahme am Kraftverkehr ungeeignet“. Die abstrakte Umschreibung solchen Verhaltens gebe dem Richter einen Auslegungshinweis für den Begriff der Eignung und damit zugleich eine feste Führung durch das Gesetz (BT-Drs. IV/651 S. 17). In den aufgelisteten Fällen hat der Gesetzgeber somit die richterliche Bewertung und Prognose der Frage der Eignung vorweggenommen und die Feststellung eines Eignungsmangels dem Richter erleichtert (Kinzing in Schönke/Schröder StGB, 30. Aufl., § 69 Rn. 34). Gemäß § 69 Abs.2 Nr.2 StGB ist ein Täter dann regelmäßig als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen, wenn – wie hier – als rechtswidrige Tat ein Vergehen der Trunkenheit im Verkehr zugrunde liegt.

(2) Die Wirkung der gesetzlichen Vermutung geht dahin, dass für die Feststellung der Ungeeignetheit eine sie explizit begründende Gesamtwürdigung nur erforderlich ist, wenn ernsthafte Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Ausnahmefall vorliegen könnte (BGH NStZ 2000, 26; Fischer a.a.O. § 69 Rn. 22). In einem solchen Fall muss das Gericht erkennen lassen, dass es ihm bewusst war, bei Ausnahmen vom Regelfall von der Entziehung der Fahrerlaubnis absehen zu dürfen (OLG Düsseldorf NZV 1988, 29; Valerius a.a.O. § 69 Rn. 194). Solche besonderen Umstände können entweder in der Tat, in der Persönlichkeit des Täters oder dem Nachtatverhalten liegen (Valerius a.a.O. § 69 Rn. 136) und sind insbesondere dann besonders sorgfältig zu prüfen, wenn Anlasstat ein Fall der Trunkenheit im Verkehr ist (Valerius a.a.O. § 69 Rn. 194).

(a) Als Fall besonderer Umstände der Tat wird nach der amtlichen Begründung in Betracht gezogen, dass der Täter in einer notstandsähnlichen Lage gehandelt hatte, die sein Verhalten zwar nicht voll entschuldigen, aber immerhin begreiflich erscheinen ließen (BT.-Drs. IV/651 S. 17; Bsp. bei Valerius a.a.O. § 69 Rn. 138). Die Indizwirkung kann der Rechtsprechung nach auch bei sog. Bagatellfahrten entfallen, worunter vor allem folgenlos gebliebene Trunkenheitsfahrten zu verstehen sind, bei denen der alkoholisierte Fahrer das Kraftfahrzeug auf der Straße oder einem öffentlichen Parkplatz lediglich um wenige Meter versetzt, um das Fahrzeug ordnungsgemäß zu parken (OLG Stuttgart NJW 1987, 142; OLG Düsseldorf NZV 1988, 29). Die fahrlässige Begehungsweise der Tat als solches steht der Indizwirkung der Tat, wie aus der unterschiedslosen Aufnahme in die Katalogtaten ersichtlich, dagegen nicht entgegen (Valerius a.a.O. § 69 Rn. 140; Athing/von Heintschel-Heinegg Münchner Kommentar zum StGB 3. Aufl. § 69 Rn. 75).

(b) Besondere Umstände in der Persönlichkeit des Täters sind unter Umständen anzunehmen, wenn die Tat eher persönlichkeitsfremde Züge aufweist, nicht zuletzt situationsbedingt war und demzufolge mit hinreichender Sicherheit erwartet werden darf, dass der Täter gleiche oder ähnliche Taten künftig nicht mehr begehen wird. Dies wäre beispielsweise zu prüfen, wenn der Täter sich bei Tatbegehung in einem emotionalen Ausnahmezustand befunden hätte (Valerius a.a.O. § 69 Rn. 142).

(c) Im Einzelfall kann die Frage der Eignung des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen auch durch besondere Umstände nach der Tat beeinflusst worden sein. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs ist dabei an den Fall zu denken, dass der Führerschein des Täters vor dem Urteil in Verwahrung genommen worden ist und das Verfahren so lange gedauert hat, dass der Zweck der Maßregel bereits durch die vorläufige Maßnahme erreicht werden konnte (BT.-Drs. IV/651 S. 17).

d) Nach Maßgabe obiger Ausführungen ist es unter Zugrundelegung des revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht die Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB mit ausführlicher Begründung als nicht widerlegt angesehen hat.

Ausgehend von der Gesetzessystematik kommt ein Abweichen von der Regelvermutung nur bei besonderen Umständen des Einzelfalles in Betracht. Die Annahme der Widerlegung der Regelvermutung muss nach dem Willen des Gesetzgebers auf seltene Ausnahmen beschränkt bleiben (BT.-Drs. IV/651, S. 17). Der tatrichterlichen Bewertung des Amtsgerichts, die hierfür im vorliegenden Fall keine ausreichende Grundlage gesehen hat, ist ? zumal unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Beurteilungsmaßstabs (vgl. dazu Valerius a.a.O. § 69 Rn. 136, 288) ? aus Rechtsgründen nicht entgegenzutreten.

Das Amtsgericht hat an tatbezogenen Umständen über den Aspekt hinaus, dass die Fahrt mit einem im Vergleich zu einem Personenkraftwagen leichteren E-Scooter stattfand, berücksichtigt, dass die vom Angeklagten bis zu seiner polizeilichen Kontrolle gefahrene Strecke von ca. 300 m nicht allzu lang war. Wenn das Amtsgericht darin keinen Fall einer Bagatellfahrt mehr gesehen hat, so liegt dies im Rahmen seines Beurteilungsspielraums.

Soweit die Revision zu den Tatumständen ergänzend anführt, dass der Bürgersteig, auf dem der Angeklagte fuhr, zum Tatzeitpunkt von Fußgängern nicht benutzt worden sei, handelt es sich um urteilsfremdes Vorbringen, das der Senat bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen kann. Grundlage der Prüfung im Rahmen der Sachrüge ist nur die Urteilsurkunde (Meyer-Goßner/Schmitt StPO 63. Aufl. § 337 Rn. 22 m.w.N.). Der Umstand, dass Leib oder Leben anderer Menschen oder Sachen von bedeutendem Wert nicht konkret gefährdet wurden, ist zudem bereits Tatbestandsvoraussetzung des als abstraktem Gefährdungsdelikt ausgestalteten § 316 StGB (vgl. Fischer a.a.O. § 316 Rn. 2,3), im Falle einer konkreten Gefährdung läge die Strafbarkeit im Bereich des § 315 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB, gegebenenfalls i.V.m. § 315c Abs. 3 StGB. Dafür, dass nach den Tatumständen bereits der Umfang der abstrakten Gefährdung der Verkehrssicherheit in ungewöhnlicher Weise vom Normalfall abgewichen wäre, ergeben sich aus den Urteilsfeststellungen dagegen keine Anhaltspunkte.

Auch besondere Umstände in der Persönlichkeit des Täters sind aus den Urteilsgründen nicht ersichtlich. Die Tatsache, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, so dass es sich bei der Anlasstat um einen erstmaligen Verstoß des Täters gegen ein Delikt im Sinne des § 69 Abs. 2 StGB handelt, vermag für sich genommen ebenfalls die nach § 69 Abs. 2 StGB vermutete Ungeeignetheit in aller Regel nicht zu widerlegen, zumal die Vorschrift in ihrem Anwendungsbereich vom Gesetzgeber nicht auf Wiederholungsfälle beschränkt ist (vgl. OLG Hamburg Beschluss vom 8. März 2007, Az: 2 Ws 43/07, Beck-RS 2007, 11906, Ziffer II 2 c bb; Kinzing in Schönke/Schröder a.a.O. § 69 Rn. 46; Valerius a.a.O. § 69 Rn. 143). Auch aus dem Umstand, dass der Angeklagte verkehrsordnungsrechtlich nur einmal vorgeahndet ist, ergibt sich insoweit kein Anlass für eine andere Beurteilung.

Schließlich befand sich nach den Urteilsfeststellungen die Fahrerlaubnis des Angeklagten bis zum Erlass des Urteils nicht in amtlicher Verwahrung, so dass auch der Fall, der nach Vorstellung der amtlichen Begründung die gesetzliche Vermutung des § 69 Abs. 2 StGB wegen besonderer Umstände nach der Tat widerlegen könnte, nicht gegeben ist.

Persönliche Belastungen wie berufliche, wirtschaftliche oder finanzielle Nachteile, die der Täter infolge der Entziehung der Fahrerlaubnis in Zukunft zu erwarten hat, sind dagegen im Rahmen der Frage der Eignung bzw. der Entziehung der Fahrerlaubnis in der Regel nicht berücksichtigungsfähig (Valerius a.a.O. § 69 Rn. 111, 178 m.w.N.). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass einem Angeklagten, dessen mangelnde Eignung feststeht, unter Hintanstellung des Schutzguts der Verkehrssicherheit nicht allein deshalb die Fahrerlaubnis belassen werden kann, weil er aus persönlichen Gründen auf sie angewiesen ist. Dieser Gedanke kommt auch in der gesetzlichen Regelung des § 69 Abs. 1 Satz 2 StGB zum Ausdruck, nach der es bei feststehender Ungeeignetheit des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen einer weiteren besonderen Prüfung der Verhältnismäßigkeit, wie sie § 62 StGB bei Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung im Allgemeinen anordnet, nicht mehr bedarf. Nur, wenn das Gewicht und der Umfang der Auswirkungen der Entziehung der Fahrerlaubnis im Einzelfall bereits im Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung sichere Rückschlüsse auf das zu erwartende Verhalten des Täters und seine künftige Eignung gezogen werden können, können derartige Folgen, insbesondere, wenn der Tat ein Regelfall im Sinne des § 69 Abs. 2 StGB zugrunde liegt, unter Umständen bereits bei der Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis Berücksichtigung finden. Dies wird jedoch nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht kommen (Valerius a.a.O. § 69, Rn. 111). Ansonsten können die Auswirkungen der Entziehung der Fahrerlaubnis mitunter im Rahmen der Ausgestaltung der Maßregel von Bedeutung sein. Die Bewertung des Amtsgerichts, welche eine Berücksichtigung der Konsequenzen einer Entziehung der Fahrerlaubnis für den Angeklagten nur im Rahmen der Gestaltung der Sperre vorgenommen hat, ist frei von Rechtsfehlern, da der vorliegende Fall auch im Hinblick auf die Folgen der Entziehung zumindest keine außergewöhnlichen Umstände ausweist.

Auch im Wege einer Gesamtbetrachtung hat das Amtsgericht die einzelnen berücksichtigungsfähigen Umstände nicht als ausreichend angesehen, um die in der Tat zum Ausdruck gekommene Unterordnung der Sicherheit des allgemeinen Straßenverkehrs unter die eigenen Zwecke und Interessen in einem Maße aufzuwiegen, dass dies ein grundsätzliches Absehen von der Verhängung der Maßregel gebieten würde (UA S. 6). Dies begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken…..“